Warum ist man eher extravertiert oder introvertiert?

Max hat morgen einen Termin, dann trifft er sich mit einer Freundin zum Kaffee und abends dann noch zum Sport und essen gehen. Am Wochenende Kanu fahren, feiern gehen und die Familie besuchen.
Sarah hat morgen nichts vor und freut sich darauf, den ganzen Tag und das Wochenende für sich zu haben und in einem guten Buch zu schmökern.
Es gibt Menschen, die eher extravertiert oder introvertiert sind. Doch warum ist das so?

Extravertiert vs Introvertiert

Menschen die gefühlt nie stillsitzen können, oft unterwegs sind und gerne in Gesellschaft sind, nimmt man als extravertiert (laut Lexikon heißt es extravertiert, nicht extrovertiert) wahr. Sie zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie abenteuerlustig, fröhlich und herzlich sind.
Introvertierte Menschen hingegen verhalten sich eher in sich gekehrt, zurückhaltend und distanziert. Dabei wirken sie reserviert und nachdenklich.
Die Begriffe „introvertiert“ und „extravertiert“ wurden von dem schweizer Psycholanalytiker Carl Jung 1921 eingeführt. Er beschrieb gegensätzliche Wesensarten von Menschen in Bezug auf Wahrnehmung, Denken und Fühlen und dass einige Menschen eine Neigung in eine der beiden Richtungen haben.
Demnach richten extravertierte Menschen ihre Energie nach außen, wohingegen introvertierte eher nach innen gerichtet sind.
Noch bis heute ist der Grad der Extravertiertheit ein Maß, Persönlichkeiten zu unterscheiden.

Big Five

Mit dem fünf Faktoren Modell oder Big Five kann man die Neigung einer Persönlichkeit, in die eine oder die andere Richtung messen. In einem Fragebogen werden fünf Dimensionen abgetastet. Jede und Jeder kann so einen Fragebogen im Internet beantworten und auswerten lassen. Der Fragebogen beinhaltet Fragen mit Bezug auf Neurotizismus (Neigung zu Ängstlichkeit, Traurigkeit und emotionaler Labilität), Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit (Neigung zum Altruismus und Kooperation) und Gewissenhaftigkeit.
Es gibt alternative Modelle, die in der Anzahl und Benennung der Dimensionen variieren.
Insgesamt stellen die Big Five jedoch im Bereich der Persönlichkeitsforschung eine Art Konsens dar.

Blutfluss

Warum sind einige Menschen mehr nach außen gekehrt als andere? Gibt es biologische Faktoren, die das beeinflussen?
Es gibt verschiedene Beobachtungen und Theorien, warum Menschen eher für sich sein wollen und andere wiederum den Trubel brauchen.
Eine Beobachtung zeigte, dass introvertierte Menschen einen höheren Blutfluss im Gehirn haben als extravertierte. Mehr Blutfluss heißt mehr Stimulation und Sensitivität.
Zudem konnten Wissenschaftler zeigen, dass das Blut bei introvertierten Menschen einen komplizierteren Weg für das Blut in das Gehirn nimmt als bei extravertierten Menschen. Der Weg der introvertierten gehe vermehrt in die Gehirnareale die für Erinnerung, Problemlösung und Planung zuständig sind.
Die „lange Leitung“ könnte ein Grund dafür sein, dass introvertierte manchmal etwas länger brauchen, ein Wort auszusprechen oder sich auszudrücken.

Der Weg der extravertieren Menschen sei weniger kompliziert. Hier seien eher visuelle, auditorische und sensorische Areale schneller durchblutet, also aktiver. Der kürzere Weg sorge dafür, dass extravertierter schneller Antworten können als introvertierte.

Dopamin

Forscher fanden heraus, dass Dopamin eine Rolle bei eher extravertierten Menschen spielt. Dopamin ist ein Neurotransmitter, welcher unter anderem wichtig für Belohnungszentrum im Gehirn und das Lernen ist.

In einer Studie sollten Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Spiel spielen und wurden dabei in einem Positron Emission Tomographen gescannt. Menschen, die eher extravertiert waren, zeigten in einer Studie eine stärkere Antwort, wenn sie Erfolg beim Spielen hatten. Besonders die Amygdala und der Nucleus accumbens waren auffällig. Die Amygdala prozessiert emotionale Reize und der Nucleus accumbens wirkt im Belohnungszentrum mit und ist Teil des Dopamin Systems.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass extravertierte Persönlichkeiten eine höhere Schwelle für Dopamin haben. Das bedeutet, dass sie mehr Dopamin brauchen, um stimuliert zu werden.
Introvertierte Menschen hingegen fühlen sich überstimuliert, wenn zu viel Dopamin freigesetzt wird. Acetylcholin im Gehirn sorgt unter anderem für Aufmerksamkeit und erleichtert das Lernen. Beim Nachdenken sorgt es für ein gutes Gefühl. Introvertiere Menschen scheinen eine Tendenz zu haben, vermehrt auf Acetylcholin angewiesen zu sein und sich wohler fühlen, wenn sie nachdenken und weniger äußeren Reizen ausgesetzt sind.

Wie wir aufwachsen

Nicht allein die Biologie bestimmt, ob jemand eher extra- oder introvertiert ist. Auch wie jemand aufwächst, beeinflusst, ob wir mehr Zeit für uns brauchen oder uns von einem Abenteuer ins nächste stürzen.
Wer bei nach außen gekehrten Eltern aufwächst, bei denen oft Besuch von Freunden da ist, oder oft auf Reisen sind, wird extravertiertes Verhalten gefördert.
Hinzu kommt, dass extravertierte Personen meist offener auf andere zugehen und mehr lächeln. Andere reagieren dann positiver auf diese Person, was wiederum extravertiertes Verhalten verstärkt.

Zwischen zwei Welten

Die meisten Menschen würden sich weder als extrem introvertiert noch als extravertiert sehen, sondern irgendwo in der Mitte. Auch die Wissenschaft unterstützt die Idee, dass es „Ambiverts“ gibt, also Menschen, die zwischen Introversion und Extraversion stehen.
Sie verbinden die Vorteile beider Seiten. Sie können gut zuhören sich aber auch durchsetzen.
Generell seien extreme Tendenzen in die eine oder andere Richtung rar.

Fazit

Fast jede und jeder kennt jemanden, die oder der ohne Probleme auf andere zugehen kann, offen und herzlich ist. Andere wiederum tun sich schwer damit und wirken reserviert.
Ob wir extravertierter oder introvertierter sind, hängt zum einen an der Biologie. Zum anderen wie wir aufwachsen und was wir dabei lernen.
Die meisten Menschen jedoch, sind weder extrem nach außen oder innen gekehrt, sondern Ambivertiert.

Just for fun oder interessiert? Hier geht es zu einem Big Five Test (den ich auch gemacht habe):
https://www.123test.com/de/Persönlichkeitstest/
Natürlich gibt es noch weite Seiten, die den Test anbieten.

Referenzen

Big Five Persönlichkeitsfaktoren – Lexikon der Psychologie. (n.d.). Retrieved December 26, 2022, from https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/big-five-persoenlichkeitsfaktoren/2360

Extraversion im Dorsch Lexikon der Psychologie. (2022). https://doi.org/10.1026/02717-000

Introversion – Dorsch – Lexikon der Psychologie. (n.d.). Retrieved December 25, 2022, from https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/introversion#search=71631ec77e701da1f0de45699fe849ce&offset=0

The Majority of People Are Not Introverts or Extroverts | Psychology Today. (n.d.). Retrieved December 31, 2022, from https://www.psychologytoday.com/us/blog/the-gen-y-guide/201710/the-majority-people-are-not-introverts-or-extroverts

What makes us extroverts and introverts? – BBC Future. (n.d.). Retrieved December 25, 2022, from https://www.bbc.com/future/article/20130717-what-makes-someone-an-extrovert

Laney, M. O. (2002). The introvert advantage: how to thrive in an extrovert world. New York, Workman Pub.

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Veröffentlicht von

Mein Name ist Ina Mayländer und studiere zurzeit Neurowissenschaften im Masterprogramm an der Universität zu Köln. Während meines Bachelorstudiums der Biowissenschaften in Heidelberg, habe ich meine Begeisterung für das Gehirn finden dürfen. Ich möchte das Geschehen in der Wissenschaft um das hoch komplexe Organ verständlich an interessierte Leser weitergeben.

7 Kommentare

  1. Auf einer US-Website tauchte kürzlich die Frage auf:Why are there so many more extroverts than introverts among humans? (Warum gibt‘s mehr Extravertierte als Introvertierte?)
    Und ja, die Antwort war, weltweit ist das Verhältnis 50/50, aber nicht in den USA.

    Kürzlich sah ich die Netflix-Serie Wednesday, in der die Hauptfigur Wednesday als introvertiert und ihre beste Freundin Enid, die übersprudelnd alles erzählt, was ihr widerfährt, als extrem extravertiert gesehen werden könnten. Bei Enid stimmt diese Einschätzung wohl, doch Wednesday hat eher autistische/antisoziale Züge (das Gegenteil von fröhlich und herzlich), gleichzeitig aber ist sie sehr zäh und aktiv. Das Schema extravertiert/introvertiert scheint also nicht immer anwendbar.

    Vielleicht müsste man das Spektrum extravertiert/intovertiert in mehrere Facetten aufteilen und etwa fragen, ob emotional Introvertierte in jedem Fall auch dazu neigen, weniger aktiv zu sein (reisen/arbeiten/etc) oder ob es auch den introvertiert Aktiven gibt? Vielleicht die Forscherin?

    Überhaupt scheint Intraversion/Extraversion eine recht grobe Einteilung zu sein. Das gilt aber überhaupt für die gängigen Persönlichkeitstypologien, wie etwa die Big Five: Es sind recht allgemeine Kriterien, die dort zur Klassifizierung dienen und man muss sich etwa fragen, warum gerade die Dimensionen Offenheit,
    Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und
    Neurotizismus einen Persönlichkeit charakterisieren sollen.

    • Danke für den Kommentar. Persönlichkeiten kann man in einem dynamischen Spektrum betrachten.
      Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich auf diese Kriterien geeinigt, da sie sich aus verschiedenen Studien ableiten. Natürlich decken diese fünf Charakteristika nicht alle Persönlickhkeitsmerkmale ab.

  2. “Die meisten Menschen jedoch, sind weder extrem nach außen oder innen gekehrt, sondern Ambivertiert.”
    Wenn man Kleinkinder bei der Geburtstagsfeier beobachtet, dann sieht man alle drei Typen, die Zurückhaltenden, die sich in die Ecke setzen und still spielen, man sie die Wortführer und Racker, und etwa 1/3 ist gemäßigt.
    Vorallem das Geschlecht spielt eine Rolle. Die Jungen kämpfen, hauen und stechen, während die Mädchen ihre Puppen füttern . Das kam etwas zu kurz.
    Das Geschlecht ist auch ein Faktor.

    • Hallo,
      Danke für die Anregung.
      Wenn man Kinder entsprechend veralteter Geschlechterrollen erzieht, dann beeinflusst das natürlich das Verhalten des Kindes.
      Nicht alle Jungs kämpfen, hauen und stechen und nicht alle Mädchen füttern Puppen.

  3. Es gibt ja auch diese alte die Mentalitäten meinende Küche, die Dr. Webbaer nach diesem Zitat :

    Die Begriffe „introvertiert“ und „extravertiert“ wurden von dem schweizer Psycholanalytiker Carl Jung 1921 eingeführt.

    … bereit stellen wird, und zwar so :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Temperamentenlehre#Entwicklung_der_Temperamentenlehre

    Old Webbaer mag eher so, also wie oben webverwiesen, will sich abär nicht mit Gegenposition aufbauen, aufplauschen sozusagen.


    Hier bei – ‘Nicht allein die Biologie bestimmt, ob jemand eher extra- oder introvertiert ist. Auch wie jemand aufwächst, beeinflusst, ob wir mehr Zeit für uns brauchen oder uns von einem Abenteuer ins nächste stürzen.’ [Artikeltext] – ist er der Ansicht, dass 1.) die Biologie gar nichts bestimmt, sondern bei der wie hier gemeinten Beobachtung hilfreich ist und 2.) biochemische Veränderung, der der heutige Mensch ausgesetzt ist, eine wichtige Rolle bei der Findung oder Bestimmung der (heutigen) Mentalität hat.

    Auch Spermium in der Menge und Testosteron meinend, das in sozusagen neuer Umgebung zuletzt stark verändert worden sein könnte, beim Mann also.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    • Hallo,
      Danke für den Komentar.
      Punkt 1) stimmt nicht mit dem überein, was im Text steht und Punkt 2) ist meines Wissens nicht belegt.

  4. Der Artikel ist wohl auch ein Spiegel unserer extravertierten Gesellschaft. Extravertiertes Verhalten wird auschließlich positiv dargestellt (abenteuerlustig, fröhlich, herzlich, offener, auf andere zugehen, mehr lächeln.) und introvertiertes Verhalten als negativ (in sich gekehrt, zurückhaltend, distanziert, reserviert und nachdenklich, „lange Leitung“). Irgendwelche positiven Seiten scheinen Introvertierte nicht zu haben – sie sind einfach nur komisch weil sie so viel nachdenken, lieber alleine sind und nicht einfach unreflektiert über Belanglosigkeiten plaudern. Das sie deshalb vielleicht auch andere Qualitäten haben könnten, kommt den meisten gar nicht in den Sinn.

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