Meuterei im Mikrobiom? Warum man mit fortschreitendem Alter öfter krank wird
BLOG: Fischblog
Je älter wir werden, desto anfälliger werden wir für Infektionskrankheiten – diese unerfreuliche Tatsache führt man bisher darauf zurück, dass auch das Immunsystem mit dem Alter nachlässt, etwa wie die Sehschärfe oder die Elastizität der Haut. Carl Zimmer stellt in seinem Blog jetzt eine andere Hypothese vor, die drei ungarische Forscher gerade publiziert haben. Demnach wenden sich die bisher harmlosen Mikroorganismen im Körper zunehmend gegen ihren menschlichen Wirt – weil sie seine Schwäche wittern.
Die Grundidee dahinter ist schnell erklärt: Aus Sicht eines Mikroorganismus gibt es eine große Bandbreite möglicher Strategien im Umgang mit dem Wirt. Das reicht von symbiotischen und kooperativen Beziehungen über neutralen Kommensalismus bis hin zu aggressiver Ausbeutung, bei der der frühe Tod des Wirtes in Kauf genommen wird für möglichst effektive Verbreitung auf seine Kosten. Wenn der Wirt gesund ist und eine hohe Lebenserwartung hat, lohnt sich Rücksichtnahme. Zwar sind dann die Ressourcen begrenzt, aber die Mikrobe hat für lange Zeit ein trautes Heim, so dass sich auch vergleichsweise geringe Ausscheidung langfristig in Form hoher Verbreitung auszahlt.
Evolution is a bitch
Gegen Ende des Menschenlebens, vermuten Viktor Müller und seine beiden Kollegen, ändert sich die Kalkulation erheblich: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Wirt stirbt, nimmt deutlich zu – und damit auch die Gefahr, dass seine Mikroben plötzlich ohne Perspektive in einer Leiche gefangen sind. Unter diesen Umständen kann es sich lohnen, ein paar mehr Ressourcen in die eigene Verbreitung zu stecken – auch wenn man sich dabei mit dem Wirt anlegt. In den Worten der Autoren:
killing the goose that lays the golden eggs might not be such a bad idea if the goose is going to die soon, anyway.
Der Gedanke ist auf den ersten Blick plausibel. Damit die ganze Idee funktioniert, müssen die Mikroben im Darm natürlich in der Lage sein, unseren Gesundheitszustand zu bestimmen. Es gibt einige Indizien dafür, dass sie es können – aber kaum Antworten darauf, wie sie das machen. Dass Mikroorganismen vom harmlosen Mitbewohner zum Krankheitserreger werden können, ist wiederum lange bekannt, wir nennen sie opportunistische Pathogene.
Die im Paper zitierten epidemiologischen Befunde über Infektionskrankheiten im Alter sind mit der Hypothese konsistent: An stärksten mit dem Alter korreliert sind demnach Lungen- und Harnweginfekte, und anfälliger für Durchfall wird man auch. Ob das cherry picking ist, müssen andere beurteilen. Alles drei sind jedenfalls auffällig gute Wege, um viele Bakterien effektiv außerhalb des Körpers zu verbreiten, wie die Autoren anmerken.
Neue Ansätze für Altersleiden
Die ganze Idee hat interessante Implikationen. Zum Beispiel würde es bedeuten, dass ein Teil des Mikrobioms in eine Eskalationsspirale geraten könnte: Wenn die Bakterien aggressiv werden, verschlechtert sich der Zustand des Wirts, was wiederum weitere Bakterien zu einem Strategiewechsel zwingt. Das wäre ein Zustand, der mit konventioneller Antibiotikabehandlung eher nicht in den Griff zu kriegen wäre, sondern neue Ansätze erforderte. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Vorher wäre die Frage zu klären: Stimmt das überhaupt? Denn auch für die bisherige Vorstellung des altersschwachen Immunsystems sprechen einige Indizien – und die beiden Hypothesen schließen sich nicht gegenseitig aus. In ihrer Veröffentlichung diskutieren Müller und Kollegen einige Möglichkeiten, wie sich ihre Hypothese testen ließe, einerseits anhand von menschlichen Sterbetafeln, andererseits zum Beispiel durch den Vergleich von Säugetieren mit Reptilien, deren Sterblichkeit im Alter recht konstant bleibt.
Ein Mikroorganismus hat also eine Sicht auf die Dinge, entwickelt eine Strategie, spürt etwas, wird gar aggressiv. Fehlt noch das Gleichgewicht des Schreckens, das gestört wird und den Mikroorganismus zur Attacke ermutigt. Sorry, es mag ja interessant sein, aber wenn man es in solche Analogien kleiden muss, dann kriege ich ein Problem. Und dass die Bakterien Durchfall verursachen, um sich zu verbreiten, das klingt schon extrem spekulativ. Schon fast ein wenig esoterisch. Finden Sie nicht auch?
Nö!
Nein. Das ist der weithin akzeptierte Grund für Symptome wie Husten, Niesen oder Durchfall: große Mengen Erreger möglichst weit verstreuen.
Stimmt…. grenzt an Unterstellen von gewisser Intelligenz. Husten Schnupfen und Durchfall sind Reaktionen des Körpers und seines Immun/Abwehrsystems um unerwünschte Eindringlinge und deren Reste nach Abtötung los zu werden. Natürlich ist damit auch eine Verbreitung verbunden, aber nicht forciert durch die Erreger selbst.
“Schwäche wittern” klingt mir zu selbstbewusst für Bakterien. Es ändert sich einfach das Biotop, in dem die Parasiten leben, was fast immer Auslöser sei, dass die Parasiten dann auch anders darin leben.
In strikter Sichtweise ist man ab einem bestimmten Alter sowieso als irgendwie krank zu bezeichnen und es geht nur noch um Linderung.
Die These, das Parasiten innerhalb des Körpers Mutieren oder die bisher mögliche Reproduktionsrate oder Metabolismus verändern, habe ich vor etwa zwei Jahren mal erwähnt (hier oder auf Scienceblogs.de). Dabei sehe ich auch das Nervensystem und Gehirn beteiligt.
Das Mikrobiom lebt also in Symbiose mit seinem Wirt (Menschen), will aber nicht mit dem Wirt sterben, denn letztlich geht es um das Überleben des Mikrobioms und nicht das Überleben des Menschen, welches das Mikrobiom beherbergt.
Gibt es denn eine plausible Hypothese, wie die das wittern?
Gilt das denn für die genannten Krankheiten bzw. ihre Erreger? Genannt werden ja…
Leben z.B. die diversen Erreger einer Lungenentzündung jahrelang irgendwo im Körper wie im “trauten Heim” und verstecken sich? In dem verlinkten Artikel über Klebsiella pneumoniae klingt das eher nach einer Spezialität weniger Erreger, und selbst da geht es um viel kleinere Zeiträume (Hervorhebung von mir):
Ja, über verschiedene Stoffwechselmarker. Dass einige Mikroorganismen auf diese Weise Stress erkennen können, ist wohl belegt. Ansonsten verweise ich mal auf die Papers in den Literaturangaben der Veröffentlichung. Das scheint mir auf jeden Fall noch der am wenigsten kontroverse Punkt zu sein.
Die anderen beiden Fragen sind natürlich die Crux. Das weiß man halt nicht so genau, und darum geht es bei der Hypothese, ob das so ist.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich der gesundende Effekt des Fastens als lebensverlängernde Maßnahme im Kampf gegen die frecher werdenden Mikroben:
Immer mal wieder die ganze Bande austauschen, Tabula rasa und Neustart! (Die Neuen müssen sich dann erst wieder orientieren, eingewöhnen, bevor sie ihrerseits anfangen, frech zu werden….).
Betracht man die widerkehrenden „Attacken“ verschiedener „Mikroben(Arten)“ auf unseren Körpern in Laufe des Lebens, kann angenommen werden, dass diese dafür stattfinden um uns auf Lebenstauglichkeit zu testen. Ich habe keine Argumente finden können die auf eine bewusste Handlung Seitens der Bakterien deuten, aber sie finden de facto statt und es ist gut darüber nachzudenken. Mich würde interessieren was geschieht wenn der Körper als nicht überlebungsfähig gefunden wird? Wird er dann zur Zerlegung freigegeben, oder eine Art Apoptose eingeleitet?
Um die Kirche im Dorf zu lassen sei erwähnt, dass nur ca. 1% davon krankheitserregend sind. Die meisten helfen oder sind sogar essenziell fürs Überleben.