Bücher und die Welt
BLOG: Das Zauberwort
Für den argentinischen Dichter und Bibliothekar Jorge Luis Borges waren Bücher die Welt:
“Das Universum (das andere die Bibliothek nennen) setzt sich aus einer unbegrenzten und vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen…”,
so beginnt seine Erzählung “Die Bibliothek von Babel” [1], in der es weiter heißt:
“Der Mensch, der unvollkommene Bibliothekar, mag ein Werk des Zufalls oder böswilliger Demiurgen sein; das Universum, so elegant ausgestattet mit Regalen, mit rätselhaften Bänden, mit unerschöpflichen Treppen für den wandernden und mit Latrinen für den seßhaften Bibliothekar, kann nur Werk eines Gottes sein.”
Für Borges selbst war die Bibliothek seines Vaters die wichtigste Prägung in seinem Leben, und als er 1955, zunehmend erblindet, zum Direktor der argentinischen Nationalbibliothek ernannt wurde, klagte er über die “famose Ironie Gottes”, der ihm gleichzeitig so viele Bücher und die Blindheit bescherte: “me dio a la vez los libros y la noche” [2].
Borges Bibliothek von Babel ist Traum und Alptraum zugleich: Ihre Regale enthalten “alle irgend möglichen Kombinationen der zwanzig und soviel orthographischen Zeichen (deren Zahl, wenn auch außerordentlich groß, nicht unendlich ist) verzeichnen, mithin alles, was sich irgend ausdrücken läßt: in sämtlichen Sprachen.”
Für Borges ist die Welt Information, und in seiner Bibliothek existiert alles, was möglich ist – wie im Multiversum der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik, in der alles passiert, was prinzipiell passieren kann, in parallelen Realitäten. Und das ist nicht der einzige Bezug der Bibliothek von Babel zur modernen Physik: So ging es im letzten Zauberwort um zeitlose physikalische Gesetze, zyklische Vorgänge und deren Kontrast mit der erlebten Zeit- und Endlichkeit des menschlichen Seins. Das inspirierte eine Diskussion mit meinem Bloggerkollegen Stephan Schleim, in deren Verlauf ich den poincarésche Wiederkehrsatz erwähnte. In den Worten des US-Kosmologen Sean Carroll [3]:
“Man stelle sich ein System vor, in dem alle Bestandteile auf eine endliche Raumregion beschränkt sind, so wie das Planetensystem der Sonne. Der Wiederkehrsatz besagt dann: Wenn das System einen bestimmten Anfangszustand hat und sich dann in der Zeit nach den Newtonschen Gesetzen entwickelt, wird es garantiert zu seinem Anfangszustand zurückkehren – wieder und wieder, unendlich oft bis in die Zukunft.”
Wenn das System nun das Universum ist, und der Anfangszustand die Jetztzeit, erinnert das Ganze an Friedrich Nietzsches “Ewige Wiederkunft”.
Genau diesen Gedanken der Wiederkehr illustriert Borges Bibliothek:
“Die Bibliothek ist unbegrenzt und zyklisch. Wenn ein ewiger Wanderer sie in irgendeiner beliebigen Richtung durchmäße, so würde er nach Jahrhunderten feststellen, daß dieselben Bände in derselben Unordnung wiederkehren (die, wiederholt, eine Ordnung wäre: Die Ordnung).”
Und es bedeutet, dass der Tod nicht irreversibel ist – gesetzt natürlich, dass das Universum die Bedingungen des Wiederkehrsatzes erfüllt, zum Beispiel, dass es ein endliches Phasenraumvolumen hat und überhaupt lange genug existiert. Und dass wir genügend Geduld mitbringen. Und dass nicht, wie z.B. der Kölner Quantenkosmologe Claus Kiefer mutmaßt, das Konzept Zeit selbst bei einer Umkehrung seiner Richtung seinen Sinn verliert [4].
Denn was ist der Mensch, wenn nicht ein Buch? Diese Sichtweise wird ja bereits schon durch die Kataloge der DNA-Sequenzierung nahe gelegt, auch wenn diese freilich nicht den gesamten Menschen ausmachen. Aber mit etwas mehr Fantasie und deutlich größerem Aufwand ließe sich ja auch vorstellen, die gesamte Atom-Konstellation eines Menschen (und ggf. die seiner Umgebung) im Jetzt-Zustand zu katalogisieren.
Außerdem ging es im Weihnachts-Zauberwort am Rande auch um die Philosophie Spinozas und seine These “Deus Sive Natura”, die Gott mit dem Universum identifiziert. Und auch die findet sich versteckt in Borges Bibliothek von Babel. Ist doch sein “klassischer Spruch” zum Wesen der Bibliothek: “Die Bibliothek ist eine Sphäre, deren eigentlicher Mittelpunkt jedes beliebige Sechseck, und deren Umfang unzugänglich ist” eine recht offensichtliche Persiflage auf “Gott ist die unendliche Kugel, deren Mittelpunkt überall und deren Umfang nirgends ist”, die vielleicht rätselhafteste Gottesdefinition im “Buch der 24 Philosophen” [5], einer ohnehin mysteriösen, anonymen mittelalterlichen Handschrift, die vierundzwanzig Gottesdefinitionen, irgendwo zwischen Dada und Haiku enthält und übersetzt von dem Philosophiehistoriker Kurt Flasch auf deutsch erhältlich ist.
In Borges Bücheruniversum sind die Menschen Sucher:
“Wie alle Menschen der Bibliothek bin ich in meiner Jugend gereist; ich habe die Fahrt nach einem Buch angetreten, vielleicht dem Katalog der Kataloge… Mit dergleichen Abenteuern habe ich meine Jahre verschleudert und verzehrt. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß es in irgendeinem Regal des Universums ein totales Buch gibt, ich flehe zu den unerkannten Göttern, es möge einen Menschen geben – einen einzigen, und habe er vor tausend Jahren gelebt -, der es untersucht und gelesen hat.”
Wie findet man das Buch der Bücher? Oder zumindest ein paar heiße Kandidaten? Vielleicht inspiriert es ja den einen oder anderen Leser zu erfahren, was Scilogs-Blogger gerade lesen. Blogger-Kollegin Susanne M. Hoffmann hat in “Uhura Uraniae” gerade erst eine tolle Buchempfehlung für die Feiertage gegeben. Bei mir selbst lagen unter dem Weihnachtsbaum die folgenden Bücher:
Alexander von Humboldt: Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung
Die Andere Bibliothek, Aufbau-Verlag Berlin 2014.
Das sagt der Verlag: Schon der Titel signalisiert Humboldts Vorhaben, die Natur und zugleich ihren ästhetischen Zauber zu verstehen – der griechische Begriff »Kosmos« meint Ordnung und Schönheit zugleich.
So fängt es an: “Wenn der menschliche Geist sich erkühnt, die Materie, d. h. die Welt physischer Erscheinungen, zu beherrschen, wenn er bei denkender Betrachtung des Seienden die reiche Fülle des Naturlebens, das Walten der freien und der gebundenen Kräfte zu durchdringen strebt; so fühlt er sich zu einer Höhe gehoben, von der herab, bei weit hinschwindendem Horizonte, ihm das Einzelne nur gruppenweise verteilt, wie umflossen von leichtem Dufte erscheint.”
Sabine Hossenfelder: Lost in Math – How Beauty Leads Physics Astray
Basic Books, New York 2018
(Deutsche Version: Das hässliche Universum – Warum unsere Suche nach Schönheit die Physik in die Sackgasse führt)
Das sagt der Verlag: Eine ketzerische Position: Was läuft falsch in der gegenwärtigen Physik? Physiker glauben häufig, dass die besten Theorien schön, natürlich und elegant sind. Was schön ist, muss wahr sein, Schönheit unterscheidet erfolgreiche Theorien von schlechten. Sabine Hossenfelder zeigt jedoch, dass die Physik sich damit verrannt hat: Durch das Festhalten am Primat der Schönheit gibt es seit mehr als vier Jahrzehnten keinen Durchbruch in der Grundlagenphysik.
So fängt es an: “I invent new laws of nature; it’s what I do for a living. I am one of some ten thousand researchers whose task is to improve our theories of particle physics. In the temple of knowledge, we are the ones digging in the basement, probing the foundations… But my generation has been stunningly unsuccessful”
Florian Illies: 1913 – Der Sommer des Jahrhunderts
Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2014
Das sagt der Verlag: Florian Illies entfaltet virtuos ein historisches Panorama. 1913: Es ist das eine Jahr, in dem unsere Gegenwart begann. In Literatur, Kunst und Musik werden die Extreme ausgereizt, als gäbe es kein Morgen. Es ist ein Jahr, in dem alles möglich scheint. Und doch wohnt dem gleißenden Anfang das Ahnen des Verfalles inne.
So fängt es an: “Es ist die erste Sekunde des Jahrs 1913. Ein Schuss hallt durch die dunkle Nacht. Man hört ein kurzes Klicken, die Finger am Abzug spannen sich an, dann ein zweiter, dumpfer Schuss. Die alarmierte Polizei eilt herbei und nimmt den Schützen sofort fest. Er heißt Louis Armstrong.”
Jack Kerouac: Big Sur – Die Zerstörung
Festa Verlag, Leipzig 2017
Das sagt der Verlag: In den Straßen und Kneipen von San Francisco, erkennt Jack das Grauen und die tiefe Hoffnungslosigkeit unserer menschlichen Existenz. Und so taumelt er seinem Untergang entgegen… Es ist, als hätte Kerouac für uns alle gelitten. Darum geht es in diesem autobiografischen und wichtigen Buch. Es ist eines seiner besten.
So fängt es an: “Die Kirchenglocken wehen ein trauriges, windverzerrtes “Kathleen” in die heruntergekommenen Viertel des Slums, als ich kummervoll und klebrig erwache, stöhnend, weil ich schon wieder auf Sauftour war, vor allem aber stöhnend, weil ich meine “geheime Rückkehr” nach San Francisco verbockt habe, indem ich mich sinnlos betrank und mit Rumtreibern in den Gassen versteckte und dann nach North Beach reinmarschiert bin, um alle zu sehen.”
Jack Kerouac: Mexico City Blues
Grove Press, New York 1959
Das sagt der Verlag: Kerouac’s most important poem, Mexico City Blues, incorporates all the elements of his theory of spontaneous composition. Memories, fantasies, dreams, and surrealistic free association are all lyrically combined in the loose format of the blues to create an original and moving epic.
So fängt es an: “Butte Magic of Ignorance / Butte Magic / Is the same as no-Butte / All one light”
Vielleicht mag sich ja der eine oder andere Leser mit seinen persönlichen Weihnachtsgaben oder anderen Buchempfehlungen revanchieren. Um die Bibliothek von Babel ein klein wenig zu entwirren. Die Welt ein wenig erfahrbarer oder überschaubarer zu machen. Denn:
Die Welt ist wunderbar!
[1] Jorge Luis Borges: Die Bibliothek von Babel, Reclam, Ditzingen 1986.
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Jorge_Luis_Borges
[3] Sean Carroll: From Eternity to Here: The Quest for the Ultimate Theory of Time (Kindle Locations 3902-3905). Penguin Group. Kindle Edition.
[4] Claus Kiefer: Der Quantenkosmos – von der zeitlosen Welt zum expandierenden Universum, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2008.
[5] Kurt Flasch: Was ist Gott? Das Buch der 24 Philosophen, C.H. Beck, München 2011.
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Allgemein gilt:
Beiträge, deren Sinn oder Bezug zum Post sich mir nicht erschließt, werden nicht frei geschaltet. Das gilt auch für Beiträge, die sich im Ton vergreifen.
Viel Spaß und lebhafte Diskussionen wünscht Heinrich Päs!
HP ( Sie dürfen diesen Beitrag auch viel später bringen)
Die Universalbibliothek von Stanislaw Lem enthält alle Bücher , die je geschrieben worden sind und alle Bücher, die noch geschrieben werden können. Nach den Gesetzen der Mathematik ist diese Anzahl endlich.
Aber sie enthalten keinen einzigen Menschen. Kein einziges primäres Gefühl.
Bücher sind nur ein Leben aus 2. Hand. Wir lesen, was ein anderer gedacht hat.
Dabei gilt es doch primär zu leben, zu lieben, zu fühlen und zu leiden.
Also genau das Gegenteil einer Bibliothek.
Tut mir leid mit, diesem Wermutstropfen die Begeisterung für Bücher zu stören.
Bücher können auch verdichtetes Gefühl enthalten, geronnene Erfahrung, die, wenn die Sprache mithält, die Essenz des Erfahrenen mitteilen kann. Mittels der Bücher kann man in einem einzelnen Leben so viel mehr erleben als es der mickrige Horizont der (selbst noch so großen) eigenen Umgebung je erlauben würde.
Und dieses Mehr-Erleben und -Verstehen hat gewaltige Auswirkungen. So wird z.B. der drastische Rückgang der Gewalt im 17. Jhdt. in England vor allem darauf zurückgeführt, dass sich Leihbibliotheken im Lande ausbreiteten und die Menschen durch das Lesen lernten, sich in andere hinein zu versetzen (so Pinker in seiner 1200-Seiten-Studie, “Gewalt…”). Die Verbreitung von “Onkel Toms Hütte” dürfte an der Abschaffung der amerikanischen Sklaverei einen größeren Anteil gehabt haben als der Bürgerkrieg (Quelle habe ich leider vergessen, sorry). Natürlich gibt es die Auswirkungen auch im Negativen (“Mein Kampf”) — um so wichtiger, dass Kompetente LeserInnen mit diesem mächtigen Instrument des Erfahrens umgehen können, und das hat noch keiner durch “primäres” Leben gelernt. “Primär leben”, ohne zu lesen, das bedeutet doch vor allem: ungemein beschränkt zu bleiben. Neee. Nicht für mich. Man muß halt lesen können, nicht bloß ablesen — “Erlebst Du schon, oder liest Du noch ab?” 🙂
Buchtipps zum erlernen des Lesens im obigen Sinn:
M.J. Adler und C. v. Doren: “Wie man ein Buch liest”/”How to Read a Book”. Nein, ist kein Witz, weder hier noch das Buch selbst. (Die Parodie “How to Read Two Books” aber schon.)
S. Stein: “Über das Schreiben”. Eigentlich für Schreibende, aber das genüßliche Verstehen der ungezählten Beispiele schult den Lesesinn. Sozusagen eine Serie von Weinproben für den Geist. Man liest, besonders Belletristik, danach mit viel mehr Genuß.
K. Houston: “The Book” (nur englisch). Die Geschichte und Geschichten der Entwicklung von Seite, Schrift, Illustrationen, Bindung. Danach weiß man was man in der Hand hat. Und was dem eReader fehlt.
K. Houston: “Shady Characters” (nur englisch). Die Entstehung geheimnisvoller typographischer Zeichen (Octothorpe, Asterisk und Obelos, 26 Seiten nur über das Hyphen und nicht ein Satz davon langweilig!, …) Ich hätte nie geglaubt dass etwas so trockenes wie Interpunktionszeichen eine so faszinierende Geschichte haben könnte.
@Bote 18/19: Sie nutzen die nahezu unendliche Permutation in einem literarischen Werk (das wäre Ihnen als “Primär-Lebender” sicher nicht begegnet 😛 ) als Beispiel für wirkliche Bücher (die darin aber auch enthalten sein müssen; sind ja “alle”). Das ist ungefähr so, wie wegen der Masse des Erdballs das Vorhandensein von Diamanten zu leugnen. Wir sind in der Wirklichkeit aber nicht mit all dem sinnlos zusammenkombinierten Material konfrontiert, sondern mit Büchern, die mit Sinn und Verstand für Menschen geschrieben wurden. Etwas wurde hineingelegt, und kann wieder herausgelesen werden. Lernen Sie Lesen (s.o.) und probieren Sie es mal — es lohnt sich!
Leser
ich gehe vollkommen konform mit Ihren Ausführungen. Und ich habe auch etwa 1500 Bücher, von den ich bei einem Koller, 100 auf einmal wegwerfe um Platz zu machen.
Bücher erweitern das Weltbild. Aber nur in Büchern leben, das lehne ich ab, für eigene Abenteuer muss Zeit bleiben.
Zur Zeit lese ich “Tales of the Country Eccentrics” , die sind nicht nur amüsant und unterhaltend, sondern schärfen auch den Sinn für Toleranz.
@Heinrich Päs: Auslegungen
Erst einmal herzlichen Dank für diesen Beitrag und Borges “Bibliothek von Babel”. Ich habe das Reclam-Büchlein wieder aus dem Regel geholt und beim Lesen festgestellt, dass sich die Übersetzungen der Ausgaben (geringfügig?) unterscheiden. Das mag zunächst keine große Rolle spielen, aber es führt dazu, dass ich sein Buch stellenweise anders auslege.
In der von Ihnen zitierten Version heißt es:
in meiner lautet diese Stelle: “…mag vom Zufall oder von den böswilligen Dämonen bewirkt sein; das Universum, so elegant ausgestattet mit Regalen, mit rätselhaften Bänden, mit unerscöpflichen Treppen und mit kleinen Stufen für den sitzenden Bibliothekar,kann nur durch einen Gott bewirkt sein.”
Wie gesagt, es scheint nicht besonders wichtig zu sein, ob man von einem Werk spricht oder davon, dass etwas bewirkt wurde. Aber wenn man in Borges Bibliothek eine Analogie zum Universum sieht, spielt es m. E. eine Rolle: denn jemandes Werk ist stets Resultat einer absichtvollen Handlung, auch wenn es am Ende nicht der Absicht seines / seiner Schöpfer entspricht. Etwas bewirken kann man dagegen absichtslos, es entsteht aus etwas, das mit dem, was man tun wollte, mit hervorgebracht wurde. Und ich denke, letzteres entspricht dem, was wir über das Universum und uns selber wissen, eher.
Das wird vielleicht noch deutlicher bei diesem (letzten) Absatz:
,
denn dazu schreiben Sie:
Eben das steht in meiner Übersetzung nicht! Dort heißt es:
“(…) aber ich hege die Vermutung, daß die Menschenart – die einzige, die es gibt – im Aussterben begriffen ist und daß die Bibliothek fortdauern wird: erleuchtet, einsam, unendlich,vollkommen, unbeweglich, gewappnet mit kostbaren Büchern, überflüssig, unverweslich, geheim. Ich schrieb unendlich (…) ich sage, es ist nicht unlogisch zu denken, daß die Welt unendlich ist.”
Ich habe während der Feiertage Torsten Döbbeckes “Gibt es quantenphysikalische Ursachen für die relativistische Zeitdehnung, eine Zeitkontraktion und eine Unendlichkeit in Raum und Zeit?” gelesen, darin schreibt er: “Ein unendlich ausgedehntes System (Weltall) kann damit nicht entstanden sein, es liegt in seiner unendlichen Ausdehnung einfach vor. Einen Urknall für das gesamte Weltall (für ein unendliches Multiversum) kann es also nicht gegeben haben.”
Eines, das sich unendlich wiederholt, also nach jeder Expansion wieder zu seinen Anfangsbedingungen zurückkehrt und neu beginnt, aber schon. Was für mich die Frage aufwirft, ob trotz gleicher Anfangsbedingungen nicht jede Wiederholung in ihrer Art einzigartig ist.
Wie sollte man sich eine Zeitumkehr denn vorstellen? Wenn, dann ist es eine andere Abfolge der Zeitmodi, eine, in der die Zukunft in der Vergangenheit vorkommt, und die Gegenwart dann, wenn dies passiert, an diese Zukunft anschließt. Dabei denke ich weniger an kausale Kurven oder gar “Zeitreisen”, als an eine Form der Organisation von Abläufen.
ZU:
“…..Für Borges ist die Welt Information, und in seiner Bibliothek existiert alles, was möglich ist – wie im Multiversum der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik, in der alles passiert, was prinzipiell passieren kann, in parallelen Realitäten. …” (Zitatende)
Das haben andere genauso oder so ähnlich schon lange spekuliert:
Zum Beispiel (!) :
David Deutsch; “Die Phsyik der Welterkenntnis” , 1996
oder auch Frank Tipler ebenfalls Mitte der 90er Jahre
Das Thema kommt in nahezu jedem Feulleton zum Jahresende immer gut an. Bei ” Spiegel” und Konsorten war es jahrzehntelang vor Weihnachten unverzichtbar. Schon lustig, wenn Physiker ( bei scilogs) plötzlich zur (spekulativen) Metaphysik überwechseln. Besonders da sie genau das bei Leuten, die sie “esoterische Aluhut- Spinner” nennen, sonst immer ganz besonders inbrünstig kritisieren.
@Bote 18/19:
Danke für den Tip der “Tales…”. Wenn Sie interessante Charaktere mögen, ist “Genius at Play” von S. Roberts sicherlich ein Genuß für Sie — die (außergewöhnlich gut geschriebene!) Biographie John Horton Conways.
Leser.Ja!
Dieser Horton Conway ist ein außergewöhnlicher Paradiesvogel. Er hat einen Algorithmus gefunden, der Primzahlen erzeugt, ohne rekursiv ! zu sein. Danke.
Hiermit verabschiede ich mich und wünsche ein gesundes Jahr 2019 !
@Bote18/19: Danke für den Hinweis auf Stanislaw Lem. Diese Erzählung kenne ich nicht. Können Sie einen Hinweis geben, wo man sie findet?
@Leser. Ja!: Herzlichen Dank für diese hymnische Preisung der Bücher und des Lesens! Ich fühle mit Ihnen! Und vielen Dank für die spannenden Buchtips, von denen mir tatsächlich kein einziges bekannt war. Das werde ich ändern 🙂
@Trice:
Vielen Dank für den Hinweis. Ich hatte – bequem wie ich bin, tatsächlich aus der Version der Webseite von Dr. Michael Nett zitiert:
http://mcn.privat.t-online.de/borgbib.htm und mich einfach darauf verlassen, dass die Übersetzung der Reclamausgabe entspricht. Und ja, die Übersetzung beeinflusst die Interpretation. Manche Bücher werden deshalb ja sogar als unübersetzbar angesehen. In der Bibliothek von Babel werden sich glücklicherweise beide Versionen finden lassen 🙂
Nein, das steht auch in meiner Übersetzung nicht. Das war meine ganz persönliche Folgerung aus der Möglichkeit, dass der Poincaresche Wiederkehrsatz auf unser Universum anwendbar sein könne. Bei Borges steht nur, dass ein bestimmtes Buch nach einer zyklischen Wiederkehr wieder zu finden ist. Wenn nun also der Mensch ein Buch ist (der Katalog seiner Atomkonstellation) sollte das auch für den Menschen gelten. Borges behauptet das nicht, er sagt vielmehr (sinngemäß) “ein Buch kann keine Treppe sein”.
Dieser Aussage Döbeckes kann ich nicht ganz folgen, ich vermute sie ist auch nicht ganz korrekt.
Bei wirklich gleichen Anfangsbedingungen sollte die Entwicklung durch die Naturgesetze determiniert sein, also nicht einzigartig.
Konkret hat Kiefer zyklische Kosmologien betrachtet, wie Sie sie auch erwähnt haben. Er hat geschlussfolgert, dass bei einer Umkehr der Expansion des Universums in eine Kontraktion sich auch die Zeitrichtung umdreht, also auch ein kontrahierendes Universum von einem Beobachter als expandierend erlebt würde. Und dass am Umkehrpunkt, also zwischen Expansion und Kontraktion das Konzept Zeit seinen Sinn verliert (zumindest so weit ich mich erinnere, für ein genaues Statement müsste ich noch einmal nachlesen). Dabei ist Zeit hier stark an Entropie gekoppelt, und die Schlussfolgerung hängt natürlich von den gemachten Annahmen ab.
@ Heinrich Päs
Bei Ihrem allerersten SciLogs-Blog Artikel „Physik und die Liebe zur Welt“ habe in Ihrem Profil diesen Satz gelesen: „Und noch mehr als die Welt liebt er seine Frau Sara“.
Ich war angenehm überrascht, weil ich zum ersten Mal einen Physiker las, der von Liebe sprach. 🙂
Dabei musste ich sofort an den Kultroman der französischen Nachkriegsliteratur “L’Écume des jours“ des Autors Boris Vian denken, der die Geschichte des Liebespaars Colin und Chloé in einer fantastischen, absurden und surrealistischen Welt erzählt. Denn als Colin bei einer Job-Suche gefragt wurde „Was machen Sie im Leben?“, antwortete er: „Ich liebe Chloé.“ 🙂
Zwar habe ich nachträglich in Ihrer Physik-Welt eher Feindseligkeit und Menschenverachtung als Liebe beobachtet, aber was soll, c’est la vie. 😉
Boris Vian – L’Écume des jours
.
@HP
Nachdem (!!!) Sie “Über das Schreiben”/”Stein on Writing” gelesen haben empfehle ich zum Nachtisch einige (Mäßigung!!) Beiträge zum Bulwer-Lytton Fiction Contest. Cringeworthy (wie kann man das übersetzen?).
@ Heinrich Päs:
Bei Borges’ Bibliothek von Babel stellen sich mir zwei Fragen:
1. Würde sie ihrem Besucher eine Bibliographie aller Bibliographien, oder aller brauchbaren Bibliographien (die sich nicht selbst enthalten, oder deswegen doch), an die Hand geben (siehe dazu: Taschner 2002: Gödel, Wittgenstein und das Unendliche)?
2. Was sagt der Aspergillus niger zu einer solchen Bibliothek, oder zur Lesbarkeit der Welt (oder kann er wenigstens Auskunft geben, ob er schon die Bibliographie aller Bibliographien befallen hat)?
Borges hätte, wäre ihm die Zeit dazu vergönnt gewesen, die Bibliothek von Babel bestimmt so sortiert: Bücher, die rote Rücken haben, Bücher, die auf argentisch geschrieben sind, Bücher, die falsch einsortiert sind (geht das??), Bücher, die vom Aspergillus niger befallen sind, Bücher, die dem Kaiser gehören … 😉
Auf meinem Weihnachtstisch: Christian Kreiß: Gekaufte Forschung (Untertitel: Wissenschaft im Dienst der Konzerne); Werner Schmidt: Peter Weiss – Biografie; Barbara Ehrenreich: Wollen wir ewig leben? (Untertitel: Die Wellness-Epidemie, die Gewissheit des Todes und unsere Illusion von Kontrolle).
Guten Rutsch!
HP
Die ursprüngliche Geschichte einer Bibliothek, die den gesamten Weltraum ausfüllt, die stammt von Kurd Laßwitz. Darüber gibt es ein Buch. ISBN-13: 978-3865256010
Stanislaw Lem hat diesen Gedanken neu aufgegriffen und in einem seiner vielen Bücher, ich glaube es war “Solaris” verwendet. ???? Ist schon 50 Jahre her.
Als Jugendlicher habe ich dieses Buch verschlungen, so phantasievoll ist das geschrieben.
Jocelyne Lopez
Anstelle vieler Worte, hören Sie sich mal Chanson d’Amour par Caterina Valente an.
Da hat sie sich selbst übertroffen. Glück und Gesundheit für 2019 ! Für mich ist das ein Grund, mein Französich aufzufrischen .
https://www.youtube.com/watch?v=djI73meK47w
In der Bibliothek von Babel sollte eigentlich nicht ein Büchlein fehlen, das …. vor Büchern warnt. 😉
Ich weiß, daß ich nichts weiß – und kaum das.
Karl Popper im Gespräch über Politik, Physik und Philosophie
Taschenbuch – Ullstein, 1994
Darin kommt diese Aussage von Karl Popper vor:
„Wir Intellektuellen haben schauerliche Dinge gemacht, wir sind eine große Gefahr. Wir bilden uns viel ein – wir wissen nicht, wie wenig wir wissen.“
Jocelyne Lopez
Eigentlich gehört auf viele Bücher ein Warnhinweis. Vorsicht, Bücher können süchtig machen, im Extremfall sogar zum Tode führen.
Die Leiden des jungen Werther von Goethe hat zu vielen Selbstmorden geführt.
Die Gedichte der Romantiker hat zum Selbstmord vieler Romantiker geführt.
Das wird nur zu gerne verschwiegen.
Mein Tipp: Sich selbst davon überzeugen.
Vielen Dank, Bote 18/19, für Catarina Valente! 🙂
Für mich ist das größte Chanson der Liebe, das allerallergrößte, das Chanson „Quand on n’a que l’amour“ (Wenn man nichts hat als Liebe) der Belgier Jacques Brel.
Dieses Chanson wurde auch gewählt zur offiziellen Trauerfeier für die 129 Opfer des Terror-Attentats vom 13. November 2015 in Paris. Man konnte nur heulen. Hommage National / «Quand on n’a que l’amour» Cérémonie Aux Invalides
Dieses Chanson ersetzt alle Erkenntnisse von allen Büchern der Welt:
Alors sans avoir rien,
que la force d’aimer,
Nous aurons dans nos mains,
Amis, le monde entier
Eine Übersetzung
Dann braucht man keine Macht,
als nur der Liebe Kraft,
die in den Händen hält,
Freunde, die ganze Welt.
Um @Frau Lopez‘ und @Bote 18/19’s Angstneurosen mal ein bisschen weiterzuspinnen:
Es gibt ja Parasiten, die sich ihres Wirts so weit bemächtigen, dass sie dessen Verhalten steuern – bis zur Selbstvernichtung. Lässt sich Goethes Werther so verstehen? Mit jedem Selbstmord wird das Buch bekannter, es werden mehr Ausgaben gekauft und gedruckt, Werther vervielfältigt seine „DNA“. Passt das zur Theorie der Meme?
@Joseph Kuhn:
Tatsächlich hatte Borges eine Selbstreferentialität im Sinne eines “Buches aller Bücher” bereits angedacht:
“In irgendeinem Regal irgendeines Sechsecks (so dachten die Menschen) muß es ein Buch geben, das Schlüssel und vollkommendes Ko,pendium aller übrigen ist: Ein Bibliothekar hat es überflogen und ist einem Gott gleich. In der Sprache dieser Zone haben sich noch Spuren des jenem zeitentfernten Beamten geweihten Kults erhalten. Viele begaben sich auf Pilgerschaft nach Ihm. Ein Jahrhundert lang schlugen sie umsonst die verschiedensten Richtungen ein. Wie sollte man auch das verehrte Geheim-Sechseck orten, das ihn beherbergte? Jemand schlug eine regressive Methode vor: um das Buch A zu lokalisieren, muß man zuvor ein Buch B heranziehen, das den Ort von A angibt; um das Buch B zu lokalisieren, muß man zuvor ein Buch C konsultieren, und so ins Unendliche… Mit dergleichen Abenteuern habe ich meine Jahre verschleudert und verzehrt. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß es in irgendeinem Regal des Universums ein totales Buch gibt (Ich wiederhole: die bloße Möglichkeit eines Buches ist hinreichend für sein Dasein. Nur das Unmögliche ist ausgeschlossen. Zum Beispiel: kein Buch ist zugleich eine Treppe, obwohl es bestimmt Bücher gibt, die diese Möglichkeit erörtern, leugnen oder beweisen, und andere, deren Struktur der einer Treppe entspricht.)”
Zitat Heinrich Päs: “Um @Frau Lopez‘ Angstneurose mal ein bisschen weiterzuspinnen”:
Sie haben offensichtlich gründlich die Warnung von Karl Popper (der übrigens als Philosoph eine fantastisch klare und beispielshaft verständliche Sprache innehat) in seinem Büchlein missverstanden, die gar nichts mit einer vermeintlichen “Angstneurose” (?) von mir zu tun hat: “Wir Intellektuellen haben schauerliche Dinge gemacht, wir sind eine große Gefahr. Wir bilden uns viel ein – wir wissen nicht, wie wenig wir wissen.“. Das ist wohl dokumentiert durch das “intellektuelle” Kauderwelch von Borges mit seiner “Selbstreferentialität im Sinne eines “Buches aller Bücher”, das Sie hier reproduziert haben. Muss man diese Spinnereien als Nicht-Intellektuellen verstehen, oder kann es weg? 😉
> Heinrich Päs, 31. Dezember 2018 @ 15:00
> Um @Frau Lopez‘ und @Bote 18/19’s Angstneurosen mal ein bisschen weiterzuspinnen:
> > Vorsicht, Bücher können süchtig machen, im Extremfall sogar zum Tode führen. Die Leiden des jungen Werther von Goethe hat zu vielen Selbstmorden geführt.
> Es gibt ja Parasiten, die sich ihres Wirts so weit bemächtigen, dass sie dessen Verhalten steuern – bis zur Selbstvernichtung. Lässt sich Goethes Werther so verstehen? Mit jedem Selbstmord wird das Buch bekannter, es werden mehr Ausgaben gekauft und gedruckt, Werther vervielfältigt seine „DNA“. Passt das zur Theorie der Meme?
Man kann nicht vorsichtig genug sein:
“Als Gerhard Schröder Kanzler war, fand man heraus, dass an Tagen, an denen er sich einen Anzug kaufte, deutlich mehr Arbeitslose Selbstmord begingen.” schreibt Kollege Vince Ebert: http://summa.stiftungrechnen.de/verursachen-zahnspangen-pubertaet/
Nicht auszudenken, was alles passieren könnte, wenn Heinrich Päs Kanzler wird.
@Karl Mistelberger: Keine Sorge, momentan strebe ich das nicht an 🙂
Zu:
“…Die Gedichte der Romantiker hat zum Selbstmord vieler Romantiker geführt.
Das wird nur zu gerne verschwiegen…” (Zitatende)
Vielleicht wird andersrum ein etwas passenderer Schuh draus:
Beschissene Lebensumstände , die sie nicht nicht zu verantworten hatten, führen auch heute zum Selbstmord vieler ehemaliger Romantiker.
Das wird nur zu gerne verschwiegen.
Also als Kanzler hätte ich gerne Stefan Weidner (nix für ungut HP). Ich lese gerade sein “Jenseits des Westens” Geschenkt schon vor Monaten, komme erst jetzt zum Lesen, daher ist es funktionell ein Weihnachtsgeschenk, in seiner Qualität erst recht. Das Buch vereinigt tiefe Argumentation, weiten Horizont, tiefes Durchdenken und feinste sprachliche Darstellung. Ein Empfehlung ohne jede Einschränkung.
@HP “Wie man ein Buch liest” könnte für Sie schon deutlich zu simpel sein, meine Empfehlung ging ja auch an Bote 18/19s Mister Hyde. Als Geschenk an leselustigen Nachwuchs mit leicht nerdigem Einschlag ist es aber definitiv geeignet.
@ K.M. und
“…> Es gibt ja Parasiten, die sich ihres Wirts so weit bemächtigen, dass sie dessen Verhalten steuern – bis zur Selbstvernichtung…..” (Zitatende)
Das habe ich in einem amerikanische Standardwerk aus der dortigen Pazifisch-Weimarer Tradition auch gelesen. Ich glaube es hieß “Body Snatchers” oder so ähnlich. Danach war ich fix und fertig. Und nach der Neuauflage nochmal.
Allerdings nicht ganz so sehr wie nach der Erkenntnis, dass ihr Hinweis auf die Allmacht verhaltenssteuernder Parasiten auch mit dem Begriff “Ehefrauenmänner ” in Verbindung gebracht werden könnte (!).
Ach was, das war jetzt doch ein wenig zu platt für den letzten Tag des Jahres. Obwohl, wenn ich überrlege, was auch in diesem Jahr wieder so alles passiert ist. Politisch meine ich.
Wenn der Raum unendlich groß wird, und die Zeit unendlich lang wird, dann werden auch unendlich viele Boltzmann-Gehirne wahrscheinlich.
Das könnte beim Dominieren der Dunklen Energie geschehen.
Natürlich gibt es dann auch viele Boltzmann-Bücher und Boltzmann-Universen.
https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/das-wahnsinnige-universum/
—–
Hier ist noch ein Modell-Universum mit endlosem, aber nicht unendlich großem Raum, und mit endloser, aber nicht unendlich langer Zeit.
Auch Gummiringe sind endlos, aber nicht unendlich lang.
In dieser Zeitschleife könnte die Zeit auch überall in die selbe Richtung laufen.
Diese Torus-Variante wäre eine Dupinsche Einhornzyklide.
Die Torus-Fläche ist mit einer lokalen Euklidischen Geometrie besser verträglich als die Kugeloberfläche.
http://members.chello.at/karl.bednarik/ZYKUNI.jpg
@ Karl Bednarik
Natürlich gibt es auch unendlich lange Gummiringe. Nämlich solche, auf denen K.B. unter voraussetzung seiner unendlichen Existenz unendlich lange (Zeit) im Kreis fahren könnte.
Denn etwas , auf dem K.B. unendlich lang mit gleicher Geschwindigkeit oder beschleunigt nach vorne oder rückwärts fahren könnte, das kann doch gar nicht anders, als unendlich (lang) zu sein. Oder ist eine “gekrümmte” Welt eine gänzlich andere als eine geradlinige?
Prosit Neujahr!
Hallo little Louis,
dazu gibt es auch eine schöne Science-Fiction-Geschichte von mir,
auf meiner Internetseite:
http://members.chello.at/karl.bednarik/FEYNMANR.html
und auf den e-stories:
https://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?18757
Diese Geschichte ist aber nicht gut für den Physik-Unterricht geeignet.
Hallo little Louis, noch ein Nachtrag:
Wenn man auf einer Kreislinie entlang fährt, dann kommt man immer wieder an der selben Stelle vorbei.
Bei einer geraden Linie ist das nicht der Fall, da gibt es immer neue Stellen.
Die Kreislinie enthält nur eine endliche Anzahl von Längeneinheiten.
Eine gerade Linie enthält unendlich viele Längeneinheiten.
Natürlich kann man auch ein pulsierendes Modell-Universum mit gerader Zeit-Linie zeichnen:
http://members.chello.at/karl.bednarik/PULUNI.jpg
little Louis
anstatt uns mit unendlichen Gummiringen zu beschäftigen, schlage ich vor, dass mal jeder seine 3 Lieblingsbücher vorschlägt. Vielleicht kommen wir da zu interssanten Einsichten.
Meine Vorschläge:
1. Madame Bovary von Gustav Flaubert aus Frankreich für 18 -80jährige
2. Gösta Berlng von Selma Lagerlöf aus Schweden für 18 – 80jährige
3. Der Spion der aus der Kälte kam von John le Carre aus England 14 – 60 jährige.
@ Bote 19
Gut, ich habe schon zwei Bücher empfohlen:
1. L’Écume des jours von Boris Vian
2. Ich weiß, dass ich nichts weiß – und kaum das, von Karl Popper
Jetzt
3. Le Petit Prince, von Antoine de Saint-Exupéry
Ich habe bereits in meiner Homepage erzählt, wie der Kleine Prinz kam und ging: Verschollen.
Hier gibt es eine andere Leseprobe, über die Freundschaft mit dem Fuchs, “Apprivoise-moi !” (Bitte, zähme mich!)
@Heinrich Päs
So habe ich Borges nicht verstanden. Die “Bibliothek” ist eigentlich “die Welt”, nicht das Universum, eine Welt der Intellektuellen (Bibliothekare), die nur auf das Wesentliche, die Bücher, reduziert ist, und die Suche nach einem Sinn. Weshalb in irgendeiner Sprache selbst eine ansonsten unsinnige Folge von Buchstaben etwas sinnvolles bedeuten kann. Aber im Grunde ist es eine grauenhafte Welt, und mich erinnert Borges Parabel an Kafkas “Vor dem Gesetz”. Deshalb denke ich, ein Vergleich mit dem Universum ist nicht gemeint, auch wenn Borges den Begriff Universum verwendet. Ich werde mich noch mal erkundigen.
(In Ecos “Der Name der Rose” ist Borges das Vorbild für den blinden Jorge gewesen).
Interessant, dann müssten also auch die Naturgesetze zu den Anfangsbedingungen gehören, oder? Wären dann die Unterschiede zwischen den Zyklen nicht minimal? Innerhalb unseres Universums kann ich mir das vorstellen, aber wenn mit dem nächsten Zyklus ein neues Universum entstehen soll, dann nicht.
Am Umkehrpunkt, ja. Dann müsste aber doch auch das Konzept Raum seinen Sinn verlieren…(?)
Entschuldigung, ich hätte dazu schreiben müssen, dass Döbbecke mit Weltall mehr als unser Universum meint, und seine Aussage für ein unendliches Multiversum gilt, das nicht mit einem Urknall entstanden sein kann.
Und OT, aber ich wünsche Ihnen und allen Mitkommentatoren ein gutes neues Jahr mit interessanten Themen hier in den scilogs
Jocelyne Lopez
ich werden den Kleinen Prinzen auch auf den 3. Platz setzen.
@Heinrich Päs: Nachtrag
Ich habe mich kundig gemacht und folgende Interpretation erhalten: Borges sei es eigentlich um Mathematik gegangen, um das Unendliche in der Mathematik. Davon ausgehend sei die Vorstellung die, dass unter der Voraussetzung einer unendlichen Zeit die Wiederholung auch unsinniger Buchstabenfolgen dazu führen wird, dass das komplette Werk Shakespeares noch einmal entsteht, oder dass der Don Quichotte noch einmal geschrieben wird, er aber keine Kopie und kein Plagiat, sondern ein noch einmal entstandenes Werk ist.
Kaum einer unterzieht sich noch der Mühe, eine Bibliothek aufzusuchen:
DON QUIJOTE DE LA MANCHA
KM
wussten Sie , dass der Don Quixote ein religiöses Buch ist. Der Don erkennt am Ende seines Lebens den Fehler, sinnlos einem Ritterideal gefolgt zu sein, und bekennt sich zum Christentum.
@Trice:
So hatte ich Borges auch verstanden: Ein Buch ist bestimmt durch die Kombination seiner Buchstaben. Bei einer endlichen Anzahl von Buchstaben trifft man aufgrund der endlichen Zahl von Möglichkeiten irgendwann wieder auf das gleiche Buch. Genauso ist der Mensch bestimmt durch die Kombination und den Zustand der ihn ausmachenden Atome. Ist das Universum nur hinreichend groß oder existiert es hinreichend lang, werden wir den gleichen Menschen irgendwo oder irgendwann wieder antreffen.
Zitat Bote 19: KM – wussten Sie , dass der Don Quixote ein religiöses Buch ist?
Das sehe ich nicht so, aber das Werk ist extrem reich. Ich habe in der Schule genau die Interpretationen von Don Quichotte beigebracht bekommen, die auch von Wikipedia dargelegt wird:
– Erst einmal eine Satire der damaligen Lesergesellschaft: „Zu den beliebtesten Lektüren des späten Mittelalters zählten die Ritterromane, besonders der Roman Amadis von Gallien. Steigende Nachfrage der Leserschaft führte zu einer Flut neuer Fortsetzungen, in denen immer fantastischere, unglaubwürdigere Abenteuer geschildert wurden, die – nach Meinung der Gebildeten jener Zeit – die Gehirne der Leser vernebelten.“ Das erinnert mich an irgendetwas aus unserer aktuellen Gesellschaft… 😉
– Aber auch „die Darstellung eines heroischen Idealismus, als Traktat über die Ausgrenzung des Autors selbst oder als Kritik am spanischen Imperialismus.“ In Frankreich überwiegt in kulturellen Kreisen die Interpretation von Don Quichotte als gesellschaftliches und politisches Engagement gegenüber der Übermacht der Herrscher und der Strukturen.
Jocelyne Lopez,
wussten Sie…..so können wir weitermachen….., dass der Don Quixote eine Sonderstellung bei den Chinesen hat.
Jedes Jahr pilgern 10 000ende nach La Mancha um sich an Ort und Stelle über den Don Quixote ein Bild zu machen. Davon habe ich mich erst vor kuzer Zeit überzeugt.
Übrigens, eines der bedeutendsten Bücher der Welttiteratur. Das ist sicher auch Ihre Meinung. Der Manchego Käse kommt auch aus dieser Gegend und ist jedem Touristen zu empfehlen.
In den Kommastellen der Zahl Pi sind doch schon unendlich viele Bücher einkodiert.
Mit “10001711” findet man hier zum Beispiel “karl”:
http://www.angio.net/pi/
Max Tegmark hat, der Vollständigkeit halber, sogar vier Ebenen der Parallel-Universen beschrieben:
https://space.mit.edu/home/tegmark/crazy.html
Man kann den kleinen Prinzen auch ein wenig modernisieren, und eine Science-Fiction-Geschichte daraus machen:
https://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?18588
> Bote19, 3. Januar 2019 @ 12:32
> wussten Sie , dass der Don Quixote ein religiöses Buch ist.
Ich bin gerade bei Kapitel 1: Don Kichote de la Mantzscha
@ Bote 19
Ja, ganz bestimmt eines der bedeutendsten Bücher der Weltliteratur, übersetzt in sehr vielen Sprachen, das alle positiven Regungen der Menschen darstellt, die Liebe, die Freundschaft, die Leidenschaft, die Tugend, die Ehre, der Mut, der Idealismus, der Widerstand, die Zuversicht. Jacques Brel, den ich weiter oben erwähnt habe, hat auch eine erfolgreiche Theaterausführung des englischen Musicals „Der Mann von La Mancha“ übersetzt und in Bruxelles und Paris gespielt.
Brel, l’homme de la Mancha
NB: Zusammen mit Georges Brassens ist Jacques Brel das Kulturvorbild meiner Generation in Frankreich. Wenn man ihre Chansons hört, viel mehr ihre Gedichte, bräuchte man keine dicken Bücher mehr zu lesen. 😉
@Heinrich Päs
Wollen wir es dabei belassen? Ich bin zwar nicht wirklich einverstanden – das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile -, aber eventuell kommen wir, wenn wir das weiter ausführen, dann vom Thema dieses Beitrags ab.
(Murakamis Pinball habe ich mir bestellt, das kenne ich noch nicht. Danke für den Hinweis, 🙂 )
Karl Mistelberger, Jocelyne Lopez
In der Erstübersetzung ist der Don Kichote noch viel eindrucksvoller und tiefgreifender. (Danke Herr Mistelberger)
Für die Nichtchristen unter den Mitlesern , es geht in in diesem Buch auch um die Wahrheit und um ein Bekenntnis zu Gott. “Es ist ein Gott im Himmel / derselbe wird gewiß nicht auß der acht lassen / so wol die bösen abzustraffen / als auch die frommen zu belohnen.”
Diese Einsichten kommen aber dem Don erst zum Schluss seines Lebens.
Jocelyne Lopez,
man sollte auch mehr auf die Texte der Unterhaltungsmusik hören.
Z.B. Amy Winehouse, nachdem ich ihren Lebenslauf gelesen hatte, verstand ich ihre Songtexte. Überhaupt werden die Songtexte die Rollen der Bücher übernehmen.
@ Bote 19 – „Jocelyne Lopez, man sollte auch mehr auf die Texte der Unterhaltungsmusik hören.“
Die „Chansons“ in der französischsprachigen Welt sind keine „Unterhaltungsmusik“, sondern eine kulturelle Tradition, deren Ursprünge bis weit ins Mittelalter mit den Troubadours zurückreicht, siehe zum Beispiel Wikipedia. Es gibt zum Beispiel Chansons von Georges Brassens, die in den Grundschulen gelehrt werden, wie Gedichte, wie Philosophie. Wer von Brassens in seinem Leben “unterrichtet” wurde, hat bestimmt viel von der Welt verstanden. 🙂 Er gibt nichts wirklich Vergleichbares in der deutschen Kultur. Die Chansons erzählen von der Welt, besser, poetischer, verständlicher und prägnanter als manche philosophisches Geschwätz in dicken Büchern über die Bücher. 😉
@Karl Bednarik und zu:
“…Wenn man auf einer Kreislinie entlang fährt, dann kommt man immer wieder an der selben Stelle vorbei…..” (Zitatende)
1. Aber wer wird den so kurz denken. Wie ihnen bekannt sein düfte, bewegen Sie sich auf dem Gummiring nicht nur in der räumlichen Dimension, sondern gleichzeitig auch mitsamt der gesamten Konstellation auf dem Zeitpfeil.Und wenn Sie bei mateiellen Abjekten keine rein statische, sondern immer auch eine pzessurale Existenz annehmen, werden Sie bei der “Wiederkehr” vermutlich nie mehr auf die gleiche strukturellen Konstellation (zumindest in der Feistruktur) des Gummiringes treffen. Genauso, wie Sie selbst eine (minimal) gealterte Version des ersten Durchgangs sind. Wenn wir schon mit Abstraktionen Billiard spielen, dann aber richtig. (-:
2. Wie kommen Sie denn auf die Idee, dass ich nur drei Lieblingsbücher haben könne.
Dann wären ja alle anderen Fehlinvestitionen gewesen. Ich hab mir aber (meistens !) schon überlegt, wofür ich das viele Geld ausgegeben habe.
Die unendlich vielen Nachkommastellen der Zahl Pi kann man auf
sehr viele unterschiedliche Arten zum kodieren von Texten verwenden.
Auf der Pi-Search-Page verwendet man Zweiergruppen modulo 26.
“00265278” bedeutet also “aaaa”, und “255177” bedeutet “zzz”.
Von a bis v inclusive gibt es vier Zweiergruppen, und von w bis z
inclusive gibt es drei Zweiergruppen, was die letzteren Buchstaben
etwas benachteiligt.
Außerdem könnte man den Leserahmen der Zweiergruppen auch noch um
eine Stelle verschieben, was die Pi-Search-Page aber nicht macht.
“10001711” ist hier also nicht die einzige Kodierung von “karl”.
Für “karl” gibt es 4 hoch 4, also 256 Kodierungsmöglichkeiten,
weil w, x, y und z darin nicht vorkommen.
Die “höchste” Kodierungszahl für “karl” wäre dann “88789589”.
—–
Eine Kurzgeschichte von Arthur C. Clarke:
“The Nine Billion Names of God”,
“Die neun Milliarden Namen Gottes”.
Seit dreihundert Jahren arbeiten die Mönche in einem
abgelegenen Kloster an der gewaltigen Aufgabe, durch
Permutation alle neun Milliarden Namen Gottes aufzuschreiben.
Als das Computerzeitalter anbricht, stehen ihnen plötzlich
gigantische Rechenmaschinen zur Verfügung, die diese
Aufgabe immens beschleunigen.
Doch was wird passieren, wenn die Maschinen alle Namen
ausgedruckt haben?
DAS BUCH
Vom Papyrus über Gutenberg
zum E – Book
Größte Erfindung der Menschheit,
Auf Papier gespeichertes Wissen.
Dieses Mittel gegen Dummheit
Sollten wir tunlichst nicht missen.
Bücher sind ein herrlicher Schatz,
Für manche auch ein rotes Tuch.
Spannend erzählt Satz um Satz,
Sind doch einige auch ein Fluch.
Der Mensch braucht die Literatur,
Er hat immer schon geschrieben.
Ohne Bücher wäre arm die Kultur,
Nichts von klugen Ideen geblieben.
Die großen Dichter und Denker,
Ihre epochalen Werke;
Dem Leben fehlte ein Lenker,
Im Geiste wären wir Zwerge.
Goethe und Schiller nicht bekannt,
Wohl ein schmerzlicher Gedanke;
Tolstoi und Shakespeare unbenannt,
Marx und Bibel nicht im Schranke.
Halten wir Bücher in Ehren,
Bewahren uns die Leselust.
Hier in des Pegasus Sphären
Vergessen wir den Alltagsfrust.
Rainer Kirmse , Altenburg