Philosophisch-physikalische Adventsgedanken: Platon, Quanten und die Zeit

BLOG: Das Zauberwort

Physik und die Liebe zur Welt
Das Zauberwort

Ende Dezember wird die Welt in unseren Breiten dunkel. Da die Achse der Erdrotation geneigt ist gegenüber der Achse ihrer Umlaufbahn um die Sonne, ist die Nordhalbkugel dann der Sonne abgewandt. Die Zeit, in der das Sonnenlicht den Norden erreicht, ist kürzer. Die Sonnenstrahlen fallen flacher ein, so dass sie mehr Energie bei ihrem längeren Weg durch die Atmosphäre verlieren. Und auf die Erdoberfläche trifft das Licht weniger dicht gebündelt und liefert entsprechend weniger Energie.

Die Entwicklung, die mit der Sommersonnenwende am 21. Juni begann, und spätestens seit dem Äquinoktium am 21. September immer spürbarer wurde, erreicht ihren Höhepunkt:

“Wenn sich ganz sacht die Farben veränderten, als hätte das Licht des Sommers eine unsichtbare Wasserscheide überquert, erlosch auch der Glanz… und das letzte Rinnsal der Träume aus Wärme und Licht versickerte spurlos im sandigen Grund des Herbstes… der Rasen trug Anzeichen des vorübergehenden Todes, den er bis zum Frühling erleiden würde. Bald würde es frieren, Schnee würde ihn bedecken und im kristallklaren Morgenlicht funkeln.” (Haruki Murakami: Pinball 1973)

Die dunklen Tage sind eine gute Zeit, zusammenzurücken und sich mit seinen Lieben bei Kerzenlicht und Mandelgebäck vor dem Kamin zu verkriechen. Aber sie sind auch eine gute Zeit nachzudenken: Insbesondere über den Wandel der Zeit. Und über das, was dabei bleibt.

Weihnachten: Kaminfeuer erleuchten die dunklen Tage…

 

“Bewegtes Bild der Ewigkeit” hatte der griechische Philosoph Platon im Timaios die Planeten genannt, aber auch “Werkzeug der Zeit” [1]: Verkörpern sie doch Zweierlei, einerseits die vergangene Zeit, die durch ihre zyklische Bewegung überhaupt erst messbar wird, und andererseits die zugrunde liegenden, zeitlosen physikalischen Gesetze, die diese Periodizität bestimmen. Im alten Ägypten symbolisierten Neheh und Djet zyklische Wiederholung und Dauer. Zusammen, so glaubte man, stützten sie den Himmel und brächten damit die Ordnung der Welt hervor [2].

Aber wie passen Ewigkeit und endlose Wiederholung mit der ganz konkreten Erfahrung unserer eigenen Endlichkeit zusammen? Beschreibt doch der Heidelberger Ägyptologe Jan Assmann den Menschen als “das Tier, das zu viel weiß” und zitiert Alexandre Kojeves Auffassung der Hegelschen Philosophie: “Der Mensch ist das einzige Wesen in der Welt, das weiß, daß es sterben muß, und man kann sagen, daß er das Bewußtsein seines Todes ist: wahr­haft menschliche Existenz ist existierendes Todesbewußtsein oder seiner selbst bewußter Tod.”

Ob das wirklich stimmt oder nicht – zweifellos fasziniert dieses Zusammenspiel von Vergänglichkeit, Ewigkeit und Wiederkehr seit jeher die Menschen – und ist immer noch auch in der Wissenschaft aktuell. So gab das Foundational Questions Institute FQXi den Teilnehmern seines letztjährigen Essay-Wettbewerbs die Frage auf “wie geistlose mathematische Gesetze Ziele und Absichten zur Folge haben können”.

Besonders imposanten Ausdruck fand diese Faszination zweifellos in den Mysterien von Eleusis, einem der großen Geheimkulte der Antike: Zeitweilig Staatskult von Athen, wurden hier über mehr als 1000 Jahre hinweg Kaiser, Philosophen, Dichter, Prostituierte, Sklaven, Männer und Frauen sowie Einheimische und Fremde in einen Ritus eingeführt, der die Initianden durch einen “spektakulären Akt” persönlich “in elementare Naturvorgänge” einbindet, so der Bremer Althistoriker Hans Kloft [3].

Gefeiert wurde dabei der im Mythos der Entführung der Persephone symbolisierte Wandel der Jahreszeiten: Persephone war die Tochter der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter, die beim Blumenpflücken von Hades, dem Gott der Unterwelt, ins Reich der Toten entführt wird. Dort macht er sie zu seiner Königin. Ihre Mutter trauert, zürnt und protestiert auf ihre Weise: Sie lässt die Pflanzen nicht mehr wachsen und die Felder veröden. Menschen und Götter hungern, bis Zeus ein Machtwort spricht: Persephone darf zurück auf die Erde. Allerdings hatte Hades sie verführt, im Totenreich zu essen, was sie unlöslich an die Unterwelt bindet. Schließlich einigen sich die Götter auf einen Kompromiss: Zwei Drittel des Jahres darf Persephone auf der Erde weilen, die Blumen blühen und die Felder tragen reiche Ernte, das letzte Drittel des Jahres aber muss sie in die Unterwelt zurück, Demeter trauert und auf der Erde herrscht Winter. Der Rasen erleidet bis zum Frühling seinen “vorübergehenden Tod”, wie Haruki Murakami sich ausdrückt: “Sag mir wo die Blumen sind”.

…immergrüne Tannen symbolisieren die Unsterblichkeit…

Viele Elemente der Eleusinischen Mysterien finden wir im Christentum wieder: “Der Kyrios Jesus Christus wurde nach Art einer Mysteriengottheit verstanden, an deren Tod und Auferstehung der Gläubige durch Empfang der Sakramente teil gewinnt”, erklärte z.B. der deutsche Theologe Rudolf Bultmann, und bereits in der Spätantike interpretierte der Bischof Ambrosius von Mailand die Sakramente “Taufe, Firmung und Eucharistie… als Mysterien…, durch die Christus im Gläubigen ein Bewusstsein der Regeneration und Wiedergeburt wachhält” [3]. Gläubige Christen finden also in Jesus, was die Initianden von Eleusis in Persephone fanden: Sie werden Teil der Wiederauferstehung der Gottheit und überwinden so ihren eigenen Tod. Dabei ist der Tod zweifellos daran geknüpft, dass wir uns zunächst einmal als getrennt von der Welt auffassen. 

…und manch christliches Ritual hat seine Wurzeln in antiken Mysterien. Die Fragen, die die Menschen damals schon umtrieben, beschäftigen noch heute die Physik.

Womit wir wieder bei Platon wären…

Wie kaum ein anderer Philosoph war Platon, vermutlich der einflussreichste aller griechischen Philosophen (und das nicht zuletzt durch seinen Einfluss auf das Christentum), geprägt durch die Eleusinischen Mysterien: “Mysteriensprache” attestiert ihm zum Beispiel die Frankfurter Altphilologin Marion Giebel [4], wenn Platon wie in seinem berühmten Höhlengleichnis Menschen mit Höhlenbewohnern vergleicht, die nur Schatten wahrnehmen, bis sie hinauf ans Licht steigen, um die wahre Natur der Welt zu sehen. Noch weiter geht Christina Schefer, die Platons gesamte Philosophie als Religion deutet: Als “unsagbare Erfahrung” des Gottes Apollon, dessen Namen sie als “Der Nicht-Viele” übersetzt [5]. Damit treibt sie eine Neubewertung der platonischen Philosophie auf die Spitze, die unter dem Namen “Tübinger Platonschule” bekannt ist und Platons Philosophie weniger aus seinen Schriften und mehr aus Dokumenten, die auf eine “ungeschriebene Lehre” hinweisen, versteht. Und zentral in der ungeschriebenen Lehre soll insbesondere das Prinzip des “Einen” sein, in dem alle Einzeldinge der Welt aufgehen: 

,,Platons Denken [geht] allein auf das Eine” schreibt zum Beispiel der Wuppertaler Philosoph Karl Albert [6]. Und dieses “Eine” hat wiederum große Ähnlichkeiten mit einem der zentralen Prinzipien der Quantenphysik, der Verschränkung, die das Phänomen beschreibt, dass der Zustand eines Gesamtsystems vollständig bekannt sein kann, während gleichzeitig nichts bekannt ist über den Zustand der Teilsysteme. Oder wie es der Stanford-Physiker und Mitbegründer der Stringtheorie, Leonard Susskind ausdrückt: 

“Es würde keinen Sinn machen, wenn ein KFZ-Mechaniker sagen würde, er wüsste alles über ein Auto, aber unglücklicherweise könne er nichts über irgendeinen seiner Teile sagen. Aber… in der Quantenmechanik kann man alles über ein System wissen und nichts über seine Einzelteile…” [7]. 

Folgerichtig interpretiert Carl Friedrich von Weizsäcker, Physiker, Philosoph, Student von Werner Heisenberg und Bruder des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker Platons Parmenides-Dialog: ,,Das Gesamtobjekt ist also Eines, das in Vieles zerlegbar ist, aber dann aufhört zu sein, was es bis dahin ist” [8]. Angenommen, dass die Quantenphysik universelle Gültigkeit besitzt, ist das die richtige Beschreibung des Universums. Und wie die christlichen Philosophen in Platons Fußstapfen identifizert von Weizsäcker “Das Eine” mit Gott. Damit nähern wir uns der Philosophie Spinozas, den Einstein so verehrte, das er ihm sogar ein Gedicht widmete, und für den Gott und Natur ein und dasselbe war. Dass diese fundamentale Realität vermutlich zeitlos ist, und wie die erfahrbare Zeit sich dann aus unserer Perspektive auf die Welt ergibt, hatten zum Beispiel der erst kürzlich verstorbene Quantenphysiker Dieter Zeh [9] und der Kölner Quantenkosmologe Claus Kiefer [10] diskutiert, oder hier relativ aktuell Yasunori Nomura von der University of California in Berkeley. 

Wenn wir Weihnachten feiern, dann zelebrieren wir, dass in Persephones dunkelsten Stunden:

Heruntergerissen                                                    

In diese endlosen Tiefen!                                                                                          

Königin hier!                                                                                                            

Königin?                                                                                                                          

Vor der nur Schatten sich neigen!                                                                            

(Johann Wolfgang von Goethe: Proserpina)

auch der Keim einer sonnigen Zukunft, samt Wiederauferstehung von Murakamis Rasen liegt: Auch wenn die kälteste Zeit des Winters noch vor uns liegt, werden ab jetzt die Tage wieder länger. Und indem wir uns die Zeitlosigkeit, die dem Wandel zu Grunde liegt, bewusst machen, feiern wir unsere Beziehung als zeitliche Wesen zur zeitlosen Welt.

Und erleuchten die dunklen Tage ein wenig mit Licht. 

Frohe Weihnachten! Die Welt ist wunderbar!

[1] Platon: Timaios, Sämtliche Werke VIII, Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1991.

[2] Jan Assmann: Die zwei Gesichter der Zeit: Neheh und Djet, Spektrum der Wissenschaft, Juli 2010.

[3] Hans Kloft: Mysterienkulte der Antike, C.H. Beck Wissen, München 2010 

[4] Marion Giebel : Das Geheimnis der Mysterien, Artemis & Winkler, Düsseldorf & Zürich 2003.

[5] Christina Schefer: Platons unsagbare Erfahrung. Ein anderer Zugang zu Platon, Basel 2001, Basel 2006.

[6] Karl Albert: Platonismus. Platons Erbe und das abendländische Philosophieren, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008.

[7] Leonard Susskind:  Quantum Mechanics: The Theoretcal Minimum, Pengiun Books, London 2015.

[8] Carl Friedrich von Weizsäcker: Parmenides und die Quantentheorie, in: H.P. Dürr: Physik und Transzendenz, Driediger Verlag, Ibbenbüren 2010. 

[9] H. Dieter Zeh:  Physik ohne Realität: Tiefsinn oder Wahnsinn?, Springer, Heidelberg 2012, Kindle Edition. 

[10] Claus Kiefer: Der Quantenkosmos – von der zeitlosen Welt zum expandierenden Universum, S. Fischer Verlag,  Frankfurt 2008.

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Heinrich Päs ist Professor für Theoretische Physik an der TU Dortmund und forscht über Neutrinos, Teilchenphysik und Kosmologie. Er hat sich aber auch schon als Zeitmaschinenentwickler und Philosoph versucht, ein Buch ("Neutrinos - Die perfekte Welle") geschrieben und mehrere Science-Fiction Romane inspiriert. Er war Postdoc in Hawaii. Wenn er nicht forscht oder liest ist er gern in der Natur, beim Segeln, Surfen, Wandern, Skifahren oder Laufen. Und noch mehr als die Welt liebt er seine Frau Sara.

102 Kommentare

  1. Liebe Leser,

    ich freue mich über Kommentare zu diesem Blogpost – gerne auch abweichende, kritische oder philosophisch reflektierende Ansichten.

    Damit der Austausch für alle Beteiligten interessant und angenehm bleibt, wird diese Kommentarspalte moderiert, und ich bitte Sie, ein paar Regeln einzuhalten:

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    -Dieser Blog geht wie die überwiegende Mehrheit der Fachleute davon aus, dass Relativitätstheorie und Quantenphysik gut bestätigte Theorien sind, die erst im Rahmen einer Quantengravitationstheorie erweitert werden müssen und auch dann als sinnvoller Niederenergie-Limes weiterhin Gültigkeit besitzen werden. Falls Sie darüber hinaus die Gültigkeit von Relativitätstheorie oder Quantenphysik oder die Richtigkeit der sie bestätigenden Experimente hinterfragen möchten, tun Sie das bitte anderswo.
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    Allgemein gilt:
    Beiträge, deren Sinn oder Bezug zum Post sich mir nicht erschließt, werden nicht frei geschaltet. Das gilt auch für Beiträge, die sich im Ton vergreifen.

    Viel Spaß und lebhafte Diskussionen wünscht Heinrich Päs!

  2. HP
    Erst einmal ein großes Lob, dass Sie den Menschen in den Mittelpunkt rücken und nicht die formale Physik. Zur Weihnachtszeit ist das auch angebracht.
    Und wenn es dunkel wird und die Stromzufuhr mal unterbrochen ist, dann merken wir, dass wir allein im Dunkeln sind, nur mit unseren Gedanken mit der Mitwelt verbunden.
    Und wir merken, dass uns die Gedanken angst machen können, aber auch Zuversicht verbreiten. Und deswegen hat Platon den Gedanken das Primat eingeräumt, besonders den ewigen Gedanken.
    Das Wort ewig läuft dem Materialisten nur schwer über die Zunge, und dabei ist es das Selbstverständlichste, denn wenn etwas begrenzt sein sollte, dann muß es ja auch ein vorher und ein danach geben.
    Was man den Materialisten positiv anrechnen muss, das ist die Bedeutung, die sie dem Augenblick zumessen. Die verpasste Gelegenheit, dass ist das was Sterbende auf ihrem Totenbett bedauern.
    Deswegen gilt : Carpe Diem, und in memento mori. (steht übrigens in jeder Barockkirche)

    Auch Ihnen ein Frohes Weihnachtsfest.

  3. “Die Zeit, in der das Sonnenlicht den Norden erreicht, ist kürzer” – weil die Nordhalbkugel von der Sonne abgewandt ist.

    Das habe ich bisher nicht gewusst

    SCHÖNE FEIERTAGE

  4. Ja, die Welt ist wunderbar – aber wie lange noch? Auf jeden Fall ist die Welt und das Weltgeschehen faszinierend. Es gibt komplexe Objekte, die aus einfacheren Objekten zusammengesetzt sind, von den Quanten bis hin zum Menschen. Die Zusammensetzung ist eine Folge von Wechselwirkungen – oder sind die Wechselwirkungen nur Deutungen und Erklärungen für die Erkenntnis der Zusammensetzung? Jedenfalls bedeutet die Zusammensetzung das Ende der Ewigkeit oder die Begründung der Zeit, denn jede Zusammensetzung hat einen Anfang und ein Ende, besonders das Leben wie das Menschenleben. Dazwischen ist der beständige Wandel, entgegen allen konservativen Bemühungen.

  5. “Der Mensch ist das einzige Wesen in der Welt, das weiß, daß es sterben muß, und man kann sagen, daß er das Bewußtsein seines Todes ist: wahr­haft menschliche Existenz ist existierendes Todesbewußtsein oder seiner selbst bewußter Tod.”
    .

    Ist es so? Oder besser gesagt: Ist es so einfach?
    Man könnte auch den Erhaltungstrieb der Tiere als die Angst vor dem Tod erklären: Tiere haben Angst unter bedrohlichen und lebensgefährlichen Umständen, das kann man nicht übersehen.

    Ich denke, dass die Emotion „Angst“ bei Menschen und Tieren der direkte Beweiß des “Wissens” ist, dass das Leben endlich ist. Vielleicht könnte man sogar sagen, dass alle menschlichen (und tierischen) Emotionen nur dadurch entstehen können, weil unsere Existenz endlich ist, denn unter Verhältnissen der Unendlichkeit könnten keine Emotionen entstehen. Wie ist ein Dasein, wo die Zeit keine Rolle spielt, wo sie doch in unserem endlichen Dasein die grundlegende Rolle spielt?

    Ich habe mich als Jugendliche beim Lesen des Romans „La Vouivre“ von Marcel Aymé mal diese Frage gestellt, der Anlaß zu solchen Gedanken liefert. Der Roman erzählt einen Abschnitt im Leben der „Vouivre“: Nach einer Legende aus der Burgund ist „die Vouivre“ ein unsterbliches Mädchen, das wild im Wald lebt und ein Diadem mit einem großen Rubin trägt. Es wird von Schlangen begleitet und geschützt, die sofort angreifen, wenn jemand sich dem Mädchen nähert. Eines Tages sieht ein junger Bauer die Vouivre beim Baden und nähert sich. Die Schlangen erscheinen sofort, aber das Mädchen pfeift sie zurück. Die beiden knüpfen dann einen Kontakt, der junge Mann verliebt sich an die Vouivre. Verliebt sich die Vouivre an den jungen Mann? Auf jeden Fall scheint seine Gesellschaft der Vouivre zu gefallen, sie erlaubt ihm, sie wieder zu besuchen und sie verabreden sich öfter. Durch irgendwelche Umstände kommt eines Tages der junge Mann ohne Verabredung, die Vouivre ist am Baden und sieht ihn nicht rechtszeitig, um die Schlangen zurückzupfeifen. Die Schlangen beißen den jungen Mann, der in den Armen der Vouivre stirbt.

    Was hat die Vouivre empfunden? Das ganze Leben des jungen Mannes und ihre ganze gemeinsame zeitliche Zusammensein war für sie nicht einmal so lang wie der Bruchteil einer Sekunde. Hat sein Tod einen Schmerz ausgelöst, der nicht einmal so stark wie ein Nadelstich war? Oder womöglich gar nichts, gar nichts Wahrnehmbares, aus Mangel an Dauer?

    Immer wenn ich nach Südfrankreich fahre, mache ich möglichst Halt an der Autobahnraststätte in der Burgund, die „La Vouivre“ heißt. Dort gibt es auch einen kleinen See. Badet sie immer noch da? Ich habe zwar immer geguckt, aber gesehen habe ich sie leider nie. 😉

  6. @Lopez: Das ist wirklich mal ein kluger, schöner, und poetischer Kommentar von Ihnen. Tatsächlich glaube ich auch, dass die Unterschiede zwischen Mensch und Tier keineswegs so diskontinuierlich und groß sind, wie manchmal angenommen oder dargestellt. Ganz bewusst aus diesem Grund hatte ich Kojeves/Hegels Aussage dann auch im nächsten Absatz relativiert. Mir ging es hier vor Allem darum, dass das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit ein starkes Motiv für menschliche Rituale, Religionen und Kultur ist. Ist es bei Tieren ähnlich? Womöglich… Mir fiel bei Ihrem Kommentar ein, dass ich kürzlich über Rituale bei Tieren gelesen hatte. Beim googlen stieß ich dann auf diesen Blogeintrag von Michael Blume:
    Haben Tiere (gar religiöse) Gefühle?, der unter Anderem auch auf diesen Spektrum-Artikel verlinkt:
    Wenn Schimpansen Trauer tragen. Und ich gebe Ihnen recht: Auch in dieser Beziehung sind Mensch und Tier nicht so verschieden, wie man denken möchte.

  7. @christ: Ich denke ja dass der Streit zwischen Materialisten und Idealisten nicht wirklich zielführend ist. Ich würde mich z.B. als “Naturalist” und wahrscheinlich auch als “Physikalist” bezeichnen, aber nicht unbedingt als “Materialist”. Die fundamentale Realität kann meines Erachtens weder “materiell” im herkömmlichen Sinne sein (Die Existenz von Teilchen ist z.B. keine Beobachter-unabhängige Aussage, wie der Unruh-Effekt zeigt), noch ideell (brauchen Ideen oder Information doch typischerweise ein Trägermedium). Ich denke sowohl Materie als auch Ideen/Informationen entstehen erst aus unserer Perspektive auf diese fundamentale Realität (mittels Dekohärenz). Die fundamentale Realität, beschrieben durch so etwas wie einen quantenmechanischen Zustandsvektor in einem multidimensionalen Konfigurationsraum, wird vermutlich durch keinen dieser aus einer anthropozentrischen Perspektive verstandenen Begriffe korrekt eingefangen.

  8. @anton reutlinger: Ja, im Bewusstsein dass wir Teil der Welt sind, sollten wir auch Mitgefühl und Verantwortung für die Welt übernehmen. Und nochmal ja: Indem ich schreibe, die Welt ist wunderbar, bin ich bewusst ein bisschen doppeldeutig. Die Welt mag nicht immer schön sein, aber sie regt immer zum Wundern an. Aber an einem Punkt bin ich nicht ganz einverstanden: Natürlich stimmt es in unserer Alltagswelt, dass komplexere Objekte aus einfacheren aufgebaut sind, aber quantenmechanisch ist der verschränkte Gesamtzustand einfacher als seine Teilobjekte (im Sinne von niedrigere Entropie). Ich denke tatsächlich, dass das einfachste und fundamentalste Objekt das Quantenuniversum selbst ist.

  9. Zitat Heinrich Päs: „Tatsächlich glaube ich auch, dass die Unterschiede zwischen Mensch und Tier keineswegs so diskontinuierlich und groß sind, wie manchmal angenommen oder dargestellt. […]Mir fiel bei Ihrem Kommentar ein, dass ich kürzlich über Rituale bei Tieren gelesen hatte. Beim googlen stieß ich dann auf diesen Blogeintrag von Michael Blume:Haben Tiere (gar religiöse) Gefühle?, der unter Anderem auch auf diesen Spektrum-Artikel verlinkt: Wenn Schimpansen Trauer tragen. Und ich gebe Ihnen recht: Auch in dieser Beziehung sind Mensch und Tier nicht so verschieden, wie man denken möchte.“
    .

    Ich habe in der Seite Angehörige meiner Homepage über eine Beobachtung von Prof. Roger Fouts berichtet, aus seinem Buch „Unsere nächsten Verwandten – Von Schimpansen lernen, was es heißt, ein Mensch zu sein“, der 30 Jahre seines Lebens damit verbracht hat, Schimpansen die Gebärdensprache der Taubstummen beizubringen. Diese Beobachtung zeigt eindeutig, dass die Schimpansen den Begriff „Tod“ oder „gestorben“ ganz genau verstehen. Hier sein Bericht über eine Beobachtung aus dem Leben des Schimpansemädchens Washoe:

    „Im Sommer 1982 war Kat [eine Pflegerin] schwanger; Washoe war höchst angetan von ihrem Bauch und fragte immer wieder nach ihrem BABY. Unglücklicherweise hatte Kat eine Fehlgeburt und war mehrere Tage nicht im Labor. Als sie wieder kam, begrüßte Washoe sie herzlich, ging dann aber fort und ließ Kat wissen, dass sie ihr die tagelange Abwesenheit übelnahm. Kat wusste, dass Washoe zweimal ein eigenes Kind verloren hatte, und beschloß, ihr die Wahrheit zu sagen.

    MEIN BABY GESTORBEN, deutete sie ihr. Washoe blickte zu Boden. Dann sah sie Kat in die Augen und deutete WEINEN, wobei sie unmittelbar unter dem Auge die Wange berührte. Kat sagte später, dieses eine Wort WEINEN habe ihr mehr über Washoe mitgeteilt als alle ihre langen grammatikalisch perfekten Sätze. Als Kat an diesem Tag gehen musste, wollte Washoe sie nicht fortlassen. BITTE PERSON UMARMEN, bat sie.“

    Auch habe ich dort über eine Beobachtung der berühmten Verhaltensforscherin Jane Goodall berichtet. Sie hat ein ergreifendes und seltsames Erlebnis bei freilebenden Schimpansen beobachtet, das sie besonders beeindruckt hat: Ein erwachsenes Männchen ging allein und gezielt – aber ohne ersichtlicher Grund – zu einer Stelle im Tropenwald, ein Wasserfall, die ein grandioses und beeindruckendes Naturschauspiel war. Sein ungewöhnliches Verhalten dort, seine ersichtlichen inneren Rührungen haben die Forscherin sehr nachdenklich gemacht: Hat er Demut empfunden? Hat er gebeten?

  10. Ohne das Buch gelesen zu habe, verbinde ich spontan den Ausdruck „Die zwei Gesichter der Zeit“ von dem zitierten Jan Assmann mit den zwei Bedeutungen der “Zeit”, wie sie sich in der Legende des unsterblichen Mädchens La Vouivre ergeben und die ich wie folgt weiter oben formuliert habe:

    „Was hat die Vouivre empfunden? Das ganze Leben des jungen Mannes und ihre ganze gemeinsame zeitliche Zusammensein waren für sie nicht einmal so lang wie der Bruchteil einer Sekunde. Hat sein Tod einen Schmerz ausgelöst, der nicht einmal so stark wie ein Nadelstich war? Oder womöglich gar nichts, gar nichts Wahrnehmbares, aus Mangel an Dauer?“

    Die Vouivre ist die Zeit: unendlich, unbegrenzt, ereignislos, unmessbar.
    Der junge Mann ist die Dauer: endlich, einmalig, begrenzt, messbar.

    Die Überlegungen über die endlose Zeit gehören einzig zu der Metaphysik und der Philosophie.
    Die Physik handelt einzig mit Dauern.

    Die Trennung der beiden Begriffe ist einfach und unmissverständlich. Insofern gehören metaphysische und philosophische Überlegungen einzig zu den Fachdisziplinen Metaphysik oder Philosophie, nicht zur Physik.

  11. HP
    die fundamentale Realität ist die Grundlage unserer Existenz. Aber was ist die fundamentale Realität? Und was ist unsere Existenz. Die bekommt doch erst einen Sinn , wenn wir wissen, warum und wofür wir leben. So wie ein Kind, das seinen Vater nicht kennt , ein Leben lang nach ihm sucht, so sucht der Mensch nach dem Sinn des Lebens.

    Und just jetzt , heute am 24.12. da gedenken die Christen einem einschneidenden Ereignis, das krasser nicht beschrieben werden kann, wie ein Türke mir sagte(über die Eucharistie): “Die essen ihren eigenen Gott”!
    Und der Sohn dieses Gottes, Kind des Hl. Geistes und einer Menschenfrau ist das Vorbild der größten Religion dieser Welt, dem Christentum. Krass !
    Aber dieser Gedanke beinhaltet tiefen Frieden und verspricht Erlösung für die Ewigkeit.
    Und jetzt im Umkehrschluss, was sagt diese Tatsache über uns Menschen aus? Sie sagt aus, dass wir Geistwesen sind, Kinder der Zeit und Kinder der Ewigkeit.

  12. @Heinrich Päs;
    Physikalische Wechselwirkung wie auch Kommunikation erfordert geeignete Schnittstellen, d.h. Sender und Empfänger müssen aufeinander abgestimmt sein. Entweder geschieht dies “von Natur aus” oder es sind Transformationen notwendig. Transformationen bedeuten wiederum Komplexität, also selber wiederum Wechselwirkungen. Hier liegt also ein unendlicher Regress oder ein logischer Widerspruch vor, zumal es bekanntlich mehrere unterschiedliche Wechselwirkungen gibt.

    Da wir selber und unsere Instrumente aus den gleichen Quanten zusammengesetzt sind wie das Universum, gibt es unüberschreitbare Grenzen für das technische Auflösungsvermögen wie für das menschliche Erkenntnisvermögen. Es ist nicht möglich, “hinter” die Quanten zu schauen, so wie es nicht möglich ist, eine weiße Figur vor einem weißen Hintergrund zu erkennen. Die Erkenntnis von Zusammensetzung setzt bereits eine Zerlegung voraus, bzw. folgt der Zerlegung nach.

    Selbstverständlich hat die Quantenwelt nichts mehr mit der erfahrbaren Materie gemeinsam. Teilchen, Wellen und Felder sind pragmatische Modelle für die Erklärung der Welt, aber wahrscheinlich können sie die “Realität” nicht vollständig abbilden. Es ist die Ironie der Wissenschaft, dass die Geistes- oder Neurowissenschaft zunehmend materieller wird und die Physik zunehmend immaterieller.

    Eine Lösung der Rätsel habe ich nicht, nur philosophisch-physikalische Adventsgedanken. In diesem Sinne wünsche ich schöne Feiertage und ein neues Jahr mit neuen Erkenntnissen!

  13. I was brought up to think that religion was for uneducated people, not like us who understood about the superiority of science. I love poetry and music and dance of every kind, including religious dance, like the Hopi dances that I saw in New Mexico, the songs at a bar mitzvah, the music of Notre-Dame or Catholic churches—amazing. And because I wasn’t Catholic, it was okay to love that music.

    https://www.edge.org/conversation/elaine_pagels-the-social-history-of-religion

  14. Lieber Herr Päs,

    vielen Dank, wunderbar geschrieben! Wenn Sie mal keine Lust mehr auf die Physik haben sollten, könnten Sie sich sicher auch auf dem Gebiet der Literatur austoben. Ich würde mir wünschen, die Hirnforscher, die uns in den letzten Jahrzehnten als Philosophen die Welt erklären wollten, hätten nur halb so viel philosophische Kenntnis gehabt.

    Zum Thema fände ich aber doch die Metapher des Schlafes passender als die des Todes. Und wo Sie schon die griechische Philosophie und Mythologie bemühen: Einer der griechischen Namen für den Tod war atropos, wörtlich: der Unumkehrbare. “Vorübergehend unumkehrbar” wäre dann aber doch umkehrbar.

    (Und für Insektenfreunde hier ein Link auf meinen Lieblingsschmetterling, den Totenkopfschwärmer oder eben Acherontia atropos; Atropos war als Tochter des Zeus als die Unausweichliche auch die Göttin, über die übrigens auch Platon schrieb, die den Lebensfaden durchschnitt; Acheron ist einer der Flüsse in die Unterwelt des Hades, um den Kreis zu Ihrem Beitrag zu schließen.)

    Ich bin in der dunklen wie nassen längsten Nacht dieses Jahres übrigens auf dem Fahrrad nur glimpflich einem Unfall entgangen und danke immer noch der Bremsreaktion des Anderen. Nun werde es Licht!

  15. …die zugrunde liegenden, zeitlosen physikalischen Gesetze

    Woher wissen wir das eigentlich so genau? Ist es etwas Anderes als ein Induktionsschluss aus der Kürze der durch uns wissenschaftlich untersuchten Welt, dass sich das Universum schon immer so verhalten hat und auch immer so verhalten wird?

    Ich hatte kürzlich diese Diskussion mit meinen Studierenden und konnte am Ende nur sagen, dass das eben die Mehrheitsmeinung sei und nur eine Minderheit davon ausgeht, dass physikalische Gesetze* von Raum und Zeit abhängen.

    Vielleicht möchten Sie mir hier darauf antworten oder gar einen Blogbeitrag als Antwort verfassen? Die Antwort würde ich dann gerne meinen Studierenden nachreichen (die letzte Vorlesung in diesem Kurs ist allerdings schon am 10. Januar 2019).

    *Wobei ich generell so meine Schwierigkeiten habe, von den Naturgesetzen zu sprechen, denn das sind – meiner Meinung nach – Setzungen der Menschen, mit denen sie Naturvorgänge und Naturkräfte zu beschreiben suchen.

  16. Zitat Heinrich Päs: “Damit nähern wir uns der Philosophie Spinozas, den Einstein so verehrte, das er ihm sogar ein Gedicht widmete, und für den Gott und Natur ein und dasselbe war.“
    .

    Ich halte nichts von Einstein als Philosoph, denn ein Philosoph, der folgende riesige Eselei produzieren kann, ist bei mir gleich unten durch: “Gesunder Menschenverstand ist eigentlich nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat.“

    Dieser andere Spruch ist nicht besser: „«Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.»

    Ein anderer Spruch ist allerdings schon weiser, und vor allem passt er gut zur Beschreibung Einsteins als Physiker 😉

    “Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. Fantasie aber umfasst die ganze Welt.“

  17. Als ich Kind war, stellte ich mir oft vor, dass, wenn ich tot sei, ich “hoch oben” auf einer Wolke sitze, hinunter auf die Erde schaue und nun endlich alles sehe und verstehe, was dort geschieht: Alles verändert sich, aber mich betrifft es nicht mehr.
    Dieser Wunsch war verständlich, weil ich ADHS habe und damals noch sehr ausgeprägt auch Asperger Autismus: ich habe diese Welt nicht verstanden, sie war mir einfach fremd.
    Ich war außerdem katholisch, und so lernte ich, dass – was ich schon wusste – mit dem Tod nicht alles vorbei ist, sondern das Leben nur ein Übergangszustand ist, der in eine zeitlose Ewigkeit mündet, spätestens “am Ende aller Tage”. Diese Ewigkeit aber war zweigeteilt: in Himmel und Hölle. Hölle bedeutete Gottferne, ein ewig währendes Dasein ohne Hoffnung, ohne Erlösung, ohne Liebe und Geborgenheit, weshalb dort Heulen und Zähneknirschen sind; Himmel dagegen bedeutete Gottnähe, in seinem Antlitz ein Sein ewiger Glückseligkeit und ewigen Friedens, ohne Leid, ohne Schmerz.
    Während einer Exerzitienwoche versuchte ich diese Vorstellungen weiterzudenken, wie es wohl sein würde, ewig glückselig zu sein – dass die Erinnerung an Leid und Schmerz, an Kummer und Trauer irgendwann verblassen und vergessen sein würde, und wie sich Glückseligkeit dann “anfühlen” müsste, ob ich sie überhaupt noch wahrnehmen könnte, oder ob sie nicht irgendwann übergehen würde in einen Zustand zeitloser, unendlicher, ewiger Langeweile. Und ob nicht umgekehrt die permanente Verzweiflung in denselben Zustand übergehen würde, sodass letztlich beide einander gleich wären…
    Daran erinnerte ich mich wieder, als ich in Spektrum der Wissenschaft vom 09.02.2009 den Artikel “Das fraktale Quantenuniversum” von Ambjoern, Jurkiewicz und Loll las, in dem sie schreiben:
    “Möglicherweise wird das Universum letztlich selbstähnlich und sieht unterhalb einer gewissen Schwelle in jedem Maßstab gleich aus. In diesem Fall besteht die Raumzeit nicht aus Strings oder Raumzeitatomen, sondern ist im Kleinsten unendlich langweilig: die unterhalb der Schwelle gefundene Struktur wiederholt sich einfach in jedem kleineren Maßstab unendlich.”

    Wir wünschen uns den Weltfrieden, eine Welt ohne Hunger und Armut, eine Welt aller gleichen Menschen – aber vermutlich wäre diese Welt, wenn sie zu realisieren wäre, eine Welt immerwährender Langeweile, in der es kein Streben mehr gibt, in der es keine Hoffnung mehr zu geben braucht, kein Leid und kein Mitleid, – und dies in unendlicher Wiederholung.

    Von meiner Wolke aus hat sich die Welt stets verändert, es gab einen permanenten Wandel – aber es gab auch Beständigkeit, denn sie vermittelt, was wir zum Leben notwendig brauchen: Verlässlichkeit und Geborgenheit: Je mehr sich etwas ändert, umso mehr bleibt alles beim alten.

    Gläubig bin ich schon lange nicht mehr. Aber Weihnachten ist für mich das Fest, das diese Werte verkörpert: Geborgenheit und Verlässlichkeit. Weihnachten ist noch eine Konstante in einer sich immer schneller verändernden Welt, die sich, wie es aussieht, den Zustand der Entropie als Ziel aller Wünsche auf die Fahnen geschrieben zu haben scheint.

  18. Stephan Schleim schrieb (24. Dezember 2018 @ 19:40):
    > [… die] durch uns wissenschaftlich untersuchten Welt […]
    > […] Wobei ich generell so meine Schwierigkeiten habe, von den Naturgesetzen zu sprechen, denn das sind – meiner Meinung nach – Setzungen der Menschen, mit denen sie Naturvorgänge und Naturkräfte zu beschreiben suchen.

    Die (Experimental-)Physik kennt die Unterscheidung zwischen

    – Menschen-gemachten (aber idealerweise) “zeitlos” nachvollziehbaren Setzungen wiedie Welt untersucht” werden könnte und ggf. sollte,
    also wie überhaupt Messwerte aus den Versuch für Versuch (Natur-)gegebenen Beobachtungsdaten zu gewinnen wären; d.h. den konkreten nachvollziehbaren Messoperatoren (auch Messgrößen genannt) und

    – den jeweiligen so aus Versuch für Versuch (Natur-)gegebenen Beobachtungsdaten gewonnenen konkreten Messwerten, einschließlich daraus ableitbarer mehr oder weniger einfacher algorithmischer Zusammenfassungen bzw. Beschreibungen der Menge schon gewonnener Messwerte, und eventuell einschl. bestimmter Erwartungen, welche Messwerte in folgenden Versuchen gefunden werden mögen (oder andererseits, welche weiteren Messwerte als “überraschend” bzw. “neuartig” gelten würden).

    Entsprechend unterscheidet man u.a. zwischen

    – einer Theorie, also einem System aus selbstverständlich nachvollziehbaren Begriffen, daraus konstruierten Definitionen (hier: von Messoperatoren) sowie deren logisch zwangsläufigen Konsequenzen/Theoremen, und

    – einem (Standard-)Modell, das die bisher durch Anwendung eines bestimmten Messoperators (oder mehrerer bestimmter Messoperatoren) gewonnenen Messwerte möglichst einfach zusammenfasst, eventuell zusammen mit der Erwartung, dass “nun keine weiteren Überraschungen mehr auftreten werden”.

    Im historischen Begriff “Naturgesetz” werden Theorie und (Standard-)Modell aber (leider immer noch) vermischt …

    > Vielleicht möchten Sie mir hier darauf antworten oder gar einen Blogbeitrag als Antwort verfassen?

    Ja und Ja; wobei insbesondere die Formalisierung des Zusammenhangs zwischen

    – Messoperator (Â),
    – (Natur-)gegebenen Beobachtungsdaten (ψ)
    – und Messwert (a), sofern denn einer ermittelt werden kann

    als Eigenwertproblem  |ψ_a> = a |ψ_a> hinzuzufügen wäre …

    > Die Antwort würde ich dann gerne meinen Studierenden nachreichen (die letzte Vorlesung in diesem Kurs ist allerdings schon am 10. Januar 2019).

    Vielleicht gibt’s diese Vorlesung ja auch nochmal im darauffolgenden Jahr ? …

  19. Anton Reutlinger
    …..unüberschreitbare Grenzen….
    der menschliche Geist mit seiner Phantasie überschreitet jede Grenze. Wie sollte er sonst auf den Gedanken kommen, dass sich hinter der sichtbaren Welt die (noch) unsichtbare Absicht verbirgt. Heute ist mit der Geburt des Heilandes der Vorhang schon ein wenig gelüftet worden.

  20. @Stephan Scxhleim

    …die zugrunde liegenden, zeitlosen physikalischen Gesetze…
    Woher wissen wir das eigentlich so genau? Ist es etwas Anderes als ein Induktionsschluss aus der Kürze der durch uns wissenschaftlich untersuchten Welt, dass sich das Universum schon immer so verhalten hat und auch immer so verhalten wird?

    Im Zusammenhang bezog sich das ja konkret auf die periodischen Planetenbewegungen. Deren Periodizität ist Konsequenz des zeitlosen Gesetzes. Würde sich die zu Grunde liegende Differentialgleichung mit der Zeit ändern, wäre die Bewegung nicht periodisch (zumindest kann ich mir gerade nicht vorstellen, wie man das einfach hinbekommen könnte). Prinzipiell ist das natürlich eine gute Frage, und ich würde sagen, es ist eine Kombination aus Erfahrung und der Definition, was wir überhaupt als „Naturgesetz“ bezeichnen. Wenn sich z.B. die Gesetze der Mechanik jede Minute ändern würden, hätte man sie vermutlich nie gefunden, und ziemlich sicher nicht als „Gesetz“ bezeichnet. Dass wir die Natur mit zeitlosen Gesetzen gut beschreiben können, zeigt der Erfolg: Die moderne Physik lässt sich z.B. erfolgreich 14 Milliarden Jahre zurückextrapolieren und zur Beschreibung der primordialen Nukleosythese oder der Entstehung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds verwenden. Aber könnten sich Gesetze mit der Zeit ändern? Da kommt wieder die Frage auf, was man darunter versteht. Natürlich könnten vermeintliche „Konstanten“ in den Naturgesetzen eigentlich zeitabhängig sein, ein Beispiel dafür ist die Hubble-„Konstante“. Nach solchen Phänomenen wird auch gesucht. In diesem Falle würde man aber ein besseres zeitloses Gesetz mit zeitabhängigen Parametern formulieren. Eine andere Sache wäre es, wenn die physikalischen Gesetze willkürlich durch andere ersetzt würden. Ich glaube im „ Anhalter durch die Galaxis“ heisst es irgendwo, sobald jemand die Welt verstanden habe, werde sie durch etwas noch viel Komplizierteres ersetzt. Dann kommt wieder die Frage auf: Woher kommt dieser Wechsel? Oder passiert hier etwas ohne Ursache? Soll heißen die Annahme zeitloser Naturgesetze ist letztlich Konsequenz der Überzeugung „von Nichts kommt Nichts“. Entsprechend ist auch die Energieerhaltung in der Physik Konsequenz der Zeitlosigkeit der Naturgesetze.

  21. @Stephan Schleim:

    *Wobei ich generell so meine Schwierigkeiten habe, von den Naturgesetzen zu sprechen, denn das sind – meiner Meinung nach – Setzungen der Menschen, mit denen sie Naturvorgänge und Naturkräfte zu beschreiben suchen.

    Da stimme ich mit Ihnen überein. Dennoch bin ich überzeugt, dass es eine Realität da draußen gibt, und dass der Erfolg unserer regelhaften Naturbeschreibung darauf hindeutet, dass auch diese Realität bestimmten Regeln folgt – auch wenn wir diese nur perspektivgebunden, unvollkommen und bruchstückhaft beschreiben können.

  22. Und noch einmal @Stephan Schleim: Vielen Dank für die lobenden Worte und poetischen Ergänzungen, das freut den Blogger 🙂
    Und toitoitoi dass das auf dem Fahrrad nicht schlimmer ausgegangen ist. Am besten immer Warnweste tragen, wenn man in dieser Zeit unterwegs ist, ziehe ich meiner Frau auch immer an 🙂

  23. @anton reutlinger:

    Da wir selber und unsere Instrumente aus den gleichen Quanten zusammengesetzt sind wie das Universum, gibt es unüberschreitbare Grenzen für das technische Auflösungsvermögen wie für das menschliche Erkenntnisvermögen. Es ist nicht möglich, “hinter” die Quanten zu schauen, so wie es nicht möglich ist, eine weiße Figur vor einem weißen Hintergrund zu erkennen.

    Danke für den Kommentar. Bei Ihnen bin ich mir oft nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe, bzw. auf welcher Beschreibungsebene Sie gerade argumentieren. Natürlich liefert uns eine Messung immer Eigenwerte und Eigenzustände des betrachteten Quantensystems, also Projektionen auf die durch die Messung spezifizierte Basis des Hilbertraums. Es gibt aber dennoch die Möglichkeit, zu verstehen, was „hinter“ den Quanten steckt, nämlich z.B. Die unitäre Zeitentwicklung der Wellenfunktion nach der Schrödingergleichung. Natürlich ist das ein theoretisches Konstrukt, „sehen“ können wir es nicht, aber was können wir schon wirklich sehen, worauf haben wir direkt Zugang? Da könnte man auch argumentierten, wir würden keine Quanten sehen, sondern nur unsere eignen Hirnzustände.

  24. @ Schleim
    Sie haben mal in einem anderen Blog zu Glauben die Naturwissenschaften auf philosophischer Ebene durch Unvereinbarkeit von Reduktion und Emergenz in Zweifel gezogen.
    Gibt es eine philosophische Vereinbarkeit von Induktion und Deduktion?
    Auch erst zusammen machen beide Sinn, sich dem Problem der Phase und des Phasenwechsels zu nähern.

  25. @Was ist Zeit?
    Mit der 4-Dimensionalen Raumzeit und der Klassischen Physik vor der Relativitätstheorie ist ein „Jetzt“ kaum zu definieren, so weit ich weiß. Die Zeit vor dem „Jetzt“ als Vergangenheit und die Zeit nach dem „Jetzt“ als Zukunft ist somit auch nicht leicht zu definieren.

    Unsere intuitive Vorstellung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist wohl auch eher ein Ergebnis des Lebens als biologisches Informationsverarbeitungssystem. Bei uns im Kopf wird die Gegenwart ständig aus den einlaufenden Sinneswahrnehmungen neu konstruiert, und Schritt für Schritt alle paar Sekunden aktualisiert. Dabei wird ständig ein Teil des Erlebens platzsparend im Erinnerungsystem des Gehirn abgelegt, und so die Vergangenheit unseres Seins produziert.

    Gleichzeitig haben wir unsere Erwartungen an den konkreten Verlauf einer wahrscheinlichen Zukunft, und wir haben unsere Ziele, die wir in eben dieser Zukunft erreichen wollen. Die Zukunft ist also im System Mensch ganz klar definiert. Während die Gegenwart quasi ein langjähriges Durchlaufen der Zeit bedeutet, in dem sich kontinuierlich Zukunft in Vergangenheit verwandelt.

    Auf alles, was erst in entfernter Zukunft abläuft, müssen wir geduldig warten. Wir haben hier aber die Möglichkeit, einzugreifen oder uns wenigstens vorzubereiten. Gleichzeitig wird irgendwann alles zur Vergangenheit, auch wenn es heiß ersehnt, und wir jahrelang darauf hingearbeitet haben. So bleibt von dem Ersten Platz beim 100-Meterlauf bei den Olympischen Spielen in erster Linie die Goldmedaille übrig, der aktuell schnellste Mann der Welt zu sein müssen wir schon bald an andere abgeben.

    Der biologische Tod ist nun aber eine andere Nummer, dabei gehen nicht nur die Vergangenheitsaufzeichnungen im Gehirn verloren, auch das Bewusstsein erlischt und die Zukunft, als Zeit und Ort, der noch gestaltet werden kann, verschwindet genauso.

    Aber wie sieht es mit der Gegenwart der physikalischen Welt aus? Wenn klassisch betrachtet die Gegenwart gar nicht definierbar ist, muss doch auch die Vergangenheit genauso wenig verschwunden sein, und die Zukunft sich nach Ablauf aller Prozesse sogleich nach und nach in Vergangenheit verwandeln. Das „kosmische“ Gedächtnis könnte doch einfach neben der flüchtigen Gegenwart auch alle Vergangenheit in Erinnerung behalten, in dem jeder kleine Schritt in allen kleinräumigen atomaren Prozessen genauso in seiner Zeit vermerkt ist, wie wir uns im Kopf auch alles merken, was wir erlebt haben.

    Wir als Mensch kommen erstmal nur an unsere gelebte Vergangenheit heran, der Kosmos selbst aber scheint unsterblich zu sein, und die Schätze des kosmischen Geschehens könnte ihm selbst erhalten bleiben.

    So wie ich die Quantentheorie als Laie interpretiere, ist die Idee von einer durchlaufenden Gegenwart, wie sie in der Psyche wie beschrieben abläuft, hier auch vorhanden. Quantenvorgänge, die noch in Superpositionsgeschehen schweben und noch verschränkt sind, werden nach und nach durch Messungen zu konkreten Ereignissen, die dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, und sich als feste Vergangenheit zum bis dahin schon insgesamt im Kosmos sich endgültig Ereignetem hinzugesellen. Der Ort und die Zeit dieses aktuellen Schwebezustandes entspräche dann einer Gegenwart ähnlich unserer menschlichen Gegenwart, wobei unsere aber auf der Informationsverarbeitung unseres Gehirns beruht.

    Eine „Messung“ muss ja kein Physiker vornehmen, ein Zusammenbruch der Wellenfunktion und die Festlegung auf einfache Fakten wird wohl von selber regelmäßig alle paar Nanosekunden (oder auch kürzer oder länger) verbreitet im ganzen Geschehen auf der Welt sich abspielen.

    So wie ich mir hier die Vorgänge auf Quantenebene vorstelle, haben diese Vorgänge eine unübersehbare Ähnlichkeit zu dem, wie wir als Informationsverarbeitungssystem durch Raum und Zeit gehen. Vielleicht hat der Kosmos ja selbst ein Bewusstsein, welches wie wir durch die Zeit geht, und vielleicht ist dieses mit dem unserem mehr verbunden, als man glaubt.

    Ist es nicht genau das, was jeder Spiritualität zugrunde liegt? Religionen sind umfangreich, komplex und auch zielgerichtet zurechtgebogen, meist noch im Sinne der Mächtigen, die ja in früheren Zeiten auch das Monopol auf die Wahrheit hatten. Religion meine ich hier nicht. Aber die Erfahrung, mit dem Kosmos und auch mit seinen Mitmenschen und anderen Mitgeschöpfen verbunden zu sein, und sich gegenseitig zugleich zu erleben, ist Realität in dem Sinne, dass sie zweifelsfrei erlebt wird. Nicht nur zu Weihnachten, zumindest bei Menschen, die eben genau so fühlen. Wie real hier was ist, ist glaube ich keine einfache Frage.

  26. @Päs: Gesetze und Regeln

    Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort. Beim Lesen kam mir der Gedanke, dass sich die Planetenbewegungen doch über Jahrhunderte, voraus und zurück berechnen – und mit Beobachtungsdaten vergleichen lassen. Wenn sich die Regeln (was manche “Naturgesetze” nennen) dieser Bewegungen ändern würden, jedenfalls im überprüfbaren Zeitraum, dann müsste es hier zu Unstimmigkeiten kommen.

    Vielleicht kann man dann als Arbeitshypothese festhalten, dass man nicht mit letzter Sicherheit Beweisen kann, dass immer und überall dieselben Regeln gelten bzw. galten, doch dass erst einmal viel dafür spricht, eben wegen der beobachteten Regelmäßigkeit, bis wir überzeugende Gegenbeispiele (Anomalien, Unregelmäßigkeiten) finden.

    Die moderne Physik lässt sich z.B. erfolgreich 14 Milliarden Jahre zurückextrapolieren und zur Beschreibung der primordialen Nukleosythese oder der Entstehung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds verwenden.

    Ich bezweifle nicht, dass man hin und her extrapolieren kann; aber ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man solche Extrapolationen über so große Zeiträume durch Beobachtung überprüfen will. Ich denke, es läuft eher darauf hinaus, dass man unter bestimmten Annahmen und dank bestimmter Beobachtungen aus unserer Zeit (sprich einige Jahrhunderte) mit gewisser Plausibilität Annahmen über Vergangenheit und Zukunft treffen kann.

    Was mir zum Sprachgebrauch noch aufgefallen ist:

    periodischen Planetenbewegungen. Deren Periodizität ist Konsequenz des zeitlosen Gesetzes.

    Das hört sich irgendwie tautologisch an. Könnte man das nicht auch umdrehen? “Das zeitlose Gesetz ist Konsequenz der Periodizität (der periodischen Planetenbewegungen).”

    Dennoch bin ich überzeugt, dass es eine Realität da draußen gibt…

    Da sind wir uns einig… Ich bin jedenfalls mit 99-prozentiger Sicherheit davon überzeugt; aber es bleibt natürlich z.B. das Problem, dass wir nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass wir in einer Matrix leben… oder Gehirne im Tank sind (Putnam)… oder uns ein böser Dämon nur eine Welt vorspiegelt (Descartes)… oder wir nur Schatten in einer Höhle sehen, die wir für die Wirklichkeit halten (Platon).

    …dass auch diese Realität bestimmten Regeln folgt…

    Regeln folgte ich im Tanzkurs; oder im Straßenverkehr. In den Niederlanden etwas seltener, siehe den Beinahe-Unfall vom Freitag.

    Doch Spaß beiseite: Wenn die Natur den Regeln folgt, wer hat ihr diese Regeln dann gegeben? Das hört sich schon sehr nach Deismus an.

    Ich würde sagen: Die Natur ist die Regel. Oder anders formuliert: Weil sich Naturvorgänge in gewissem Rahmen gleichförmig verhalten, können wir Menschen, jedenfalls die Schlaueren unter uns, sie in Regeln fassen, die wir unter bestimmten Bedingungen als “Naturgesetze” bezeichnen.

    Es bleibt dann aber die Natur, die vorgibt, und der Mensch, der berechnet, setzt und formuliert.

    Um beim Tanzkurs zu bleiben: Die Natur führt; der Mensch folgt.

  27. @Mussi: Induktion & Deduktion

    Ich weiß nicht, ob ich Sie ganz verstehe…

    In der Praxis ist es aber so, dass Deduktionen Gesetze voraussetzen, die in der Regel induktiv entstanden sind, eben durch Formalisierung wiederholter Beobachtungen zum Zeitpunkt t1, t2, t3… Und solche Gesetze sind dann falsifizierbar, denn es könnte sich ja zum Zeitpunkt t4 ganz anders verhalten (der Schwan könnte etwa schwarz sein).

    In diesem Sinne sind Induktion und Deduktion zwar vom Prinzip her anders, aber eher komplementär und gar nicht so gegensetzlich, wie sie häufig dargestellt werden.

  28. @Stephan Schleim:

    Zum Thema fände ich aber doch die Metapher des Schlafes passender als die des Todes.

    Weil Sie den Tod als irreversibel ansehen. Letztlich ist aber Tod nur Entropieerhöhung, und nach dem

    Poincareschen Widerkehrsatz
    sollten wir, wenn wir nur lange genug warten, auferstehen. Irgendwann werden die statistischen Prozesse der Thermodynamik genau die Atomkombination wieder erzeugen, die unserer jetzigen Existenz entspricht. Die Physik beruht auf der Endlichkeit des Phasenraumvolumens und ist letztlich die gleiche wie beim Planetensystem.
    Angenommen natürlich, das Universum existiert lange genug. Und ein bisschen gedulden werden wir uns müssen…

  29. @Lopez: Bitte die Regeln im ersten Kommentar oben lesen:

    “Dieser Blog geht wie die überwiegende Mehrheit der Fachleute davon aus, dass Relativitätstheorie und Quantenphysik gut bestätigte Theorien sind, die erst im Rahmen einer Quantengravitationstheorie erweitert werden müssen und auch dann als sinnvoller Niederenergie-Limes weiterhin Gültigkeit besitzen werden. Falls Sie darüber hinaus die Gültigkeit von Relativitätstheorie oder Quantenphysik oder die Richtigkeit der sie bestätigenden Experimente hinterfragen möchten, tun Sie das bitte anderswo.”

    Was nicht den Regeln entspricht wird nicht freigeschaltet.

  30. Ich bezweifle nicht, dass man hin und her extrapolieren kann; aber ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man solche Extrapolationen über so große Zeiträume durch Beobachtung überprüfen will. Ich denke, es läuft eher darauf hinaus, dass man unter bestimmten Annahmen und dank bestimmter Beobachtungen aus unserer Zeit (sprich einige Jahrhunderte) mit gewisser Plausibilität Annahmen über Vergangenheit und Zukunft treffen kann.

    Letztlich ist ja eine Überprüfung bzw. ein Experiment natürlich immer auch theorieabhängig. Aber wir können heute die Häufigkeiten der leichten Elemente bestimmen, die ca. 3 Minuten nach dem Urknall/Ende der Inflation entstanden sind, oder den kosmischen Mikrowellenhintergrund messen, der ca. 400000 Jahre nach dem Urknall/Ende der Inflation freigesetzt wurde. Damit können wir beobachten, was vor 14 Milliarden Jahren passiert ist.

    Das hört sich irgendwie tautologisch an. Könnte man das nicht auch umdrehen? “Das zeitlose Gesetz ist Konsequenz der Periodizität (der periodischen Planetenbewegungen).”

    Naja, ich würde sagen die Lösung einer Gleichung ist Konsequenz der Gleichung aber nicht umgekehrt. Die Gleichung hat ja mehrere Lösungen (auch nicht-periodische Kometenbahnen).

    Da sind wir uns einig… Ich bin jedenfalls mit 99-prozentiger Sicherheit davon überzeugt; aber es bleibt natürlich z.B. das Problem, dass wir nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass wir in einer Matrix leben… oder Gehirne im Tank sind (Putnam)… oder uns ein böser Dämon nur eine Welt vorspiegelt (Descartes)… oder wir nur Schatten in einer Höhle sehen, die wir für die Wirklichkeit halten (Platon).

    Oder

    Boltzmanngehirne
    🙂

    Doch Spaß beiseite: Wenn die Natur den Regeln folgt, wer hat ihr diese Regeln dann gegeben? Das hört sich schon sehr nach Deismus an.

    Ich finde es nicht unbedingt zwingend, dass Regeln von jemandem gegeben sein müssen.

    Ich würde sagen: Die Natur ist die Regel.

    Dann wäre Natur aber Information bzw. immateriell.

    Oder anders formuliert: Weil sich Naturvorgänge in gewissem Rahmen gleichförmig verhalten, können wir Menschen, jedenfalls die Schlaueren unter uns, sie in Regeln fassen, die wir unter bestimmten Bedingungen als “Naturgesetze” bezeichnen.
    Es bleibt dann aber die Natur, die vorgibt, und der Mensch, der berechnet, setzt und formuliert.
    Um beim Tanzkurs zu bleiben: Die Natur führt; der Mensch folgt.

    Da würde ich zustimmen. Und wie beim Tango hat die/der Folgende einige Interpretationsfreiheiten 🙂

  31. Zu Tobias Jeckenburger
    Betrifft: Vergangenhei/Gegenwart/Zukunft
    Die Gegenwart ist stets präsent. Sie erkennen sie nur nicht, da ihre Gedanken bzw.Gefühle sie davon abhalten diese Gegenwart zu erfahren. Letzeres ist auch eine Aussage des Buddhismus:Menschen bzw. die neuronalen Aktivitäten(der Geist) bewertet und wertet ständig und man erfährt somit nie den Zustand des HIER und JETZT.
    So befindet er (der Geist) sich mehr in der Zukunft bzw. in der Vergangenheit.In der Meditation erkennen sie das ihr Bewusstsein eigentlich nur aus einer Aneinanderreihung von Gedanken und Gefühlen besteht.In der Meditation,der absichtslosen Selbstbetrachtung, sind sie mehr oder weniger zeitlos da sie keine Bewertungen vornehmen.ZEIT ist also auch ein mentaler Zustand in dem unser Gehirn mit der Bewertung der Welt verbringt und sich der Vergangenheit und Zukunft bewusst ist. Mentale Gegenwart scheint zeitlos zu sein…

  32. Stephan Schleim schrieb (26. Dezember 2018 @ 19:33):
    > Weil sich Naturvorgänge in gewissem Rahmen gleichförmig verhalten, können wir Menschen […]

    Gleichförmig” hinsichtlich welcher Maße ??

    Um eventuelle “Gleichförmigig von Vorgängen” festzustellen, mussten die dafür erforderlichen Messoperatoren jedenfalls zunächst von vornherein festgesetzt worden sein (durch die Schlaueren unter uns); und zwar insbesondere schon ohne Kenntnis von irgendwelchen Resultaten/Messwerten.

    p.s.
    > dass sich die Planetenbewegungen doch über Jahrhunderte, voraus und zurück berechnen – und mit Beobachtungsdaten vergleichen lassen.

    Auch diesbezüglich gilt (von vornherein) Eddingtons Regel:

    Jedes System (also z.B. auch das Sonnensystem) bleibt geschlossen; außer sofern es nicht so bleibt.

  33. @ Heinrich Päs:

    Vielen Dank für die öffentliche Kommunikation in dieser Diskussion, dass Sie meinen 5. Kommentar nicht freigeschaltet haben. 🙂

    Es wäre fair sowohl für mich als für die anderen Teilnehmer auch öffentlich zu kommunizieren, dass ich gemäß Ihren Regeln meine persönliche Meinung über die Definition der Zeit in der Physik „woanders“ gepostet habe, und zwar hier in dieser Blog-Diskussion: https://www.kritik-relativitaetstheorie.de/2018/12/luitpold-mayr-theorie-der-zeit/#comment-65204

  34. > Stephan Schleim, 26. Dezember 2018 @ 19:33
    > Vielleicht kann man dann als Arbeitshypothese festhalten, dass man nicht mit letzter Sicherheit Beweisen kann, dass immer und überall dieselben Regeln gelten bzw. galten, doch dass erst einmal viel dafür spricht, eben wegen der beobachteten Regelmäßigkeit, bis wir überzeugende Gegenbeispiele (Anomalien, Unregelmäßigkeiten) finden

    Introduction

    Parachutes are routinely used to prevent death or major traumatic injury among individuals jumping from aircraft. However, evidence supporting the efficacy of parachutes is weak and guideline recommendations for their use are principally based on biological plausibility and expert opinion. Despite this widely held yet unsubstantiated belief of efficacy, many studies of parachutes have suggested injuries related to their use in both military and recreational settings, and parachutist injuries are formally recognized in the World Health Organization’s ICD-10 (international classification of diseases, 10th revision). This could raise concerns for supporters of evidence-based medicine, because numerous medical interventions believed to be useful have ultimately failed to show efficacy when subjected to properly executed randomized clinical trials.

    Previous attempts to evaluate parachute use in a randomized setting have not been undertaken owing to both ethical and practical concerns. Lack of equipoise could inhibit recruitment of participants in such a trial. However, whether pre-existing beliefs about the efficacy of parachutes would, in fact, impair the enrolment of participants in a clinical trial has not been formally evaluated. To address these important gaps in evidence, we conducted the first randomized clinical trial of the efficacy of parachutes in reducing death and major injury when jumping from an aircraft.

    Conclusion

    Parachute use compared with a backpack control did not reduce death or major traumatic injury when used by participants jumping from aircraft in this first randomized evaluation of the intervention. This largely resulted from our ability to only recruit participants jumping from stationary aircraft on the ground. When beliefs regarding the effectiveness of an intervention exist in the community, randomized trials evaluating their effectiveness could selectively enroll individuals with a lower likelihood of benefit, thereby diminishing the applicability of trial results to routine practice. Therefore, although we can confidently recommend that individuals jumping from small stationary aircraft on the ground do not require parachutes, individual judgment should be exercised when applying these findings at higher altitudes.

    https://www.bmj.com/content/363/bmj.k5094

  35. Golzower
    Buddhisten sind keine Boxer. Der Boxer ist stets präsent, er beobachtet jede Körperbewegung des Gegners und berechnet seine Chance zum Gegenschlag.
    Jedes Tier ist stets präsent, sonst würde es jedem Gegner zum Opfer fallen.
    Der Busfahrer ist stets präsent und Sie als Verkehrsteilnehmer auch.

    Es wird erst gefährlich, wenn wir die Präsenz verlassen und über Vergangenes nachdenken, dann kommt es zum Crash.
    Daraus können wir eine neue Philosophie machen, die “Philosophie des Augenblickes”.
    In Wirklichkeit gibt es nur Augenblicke, die wir im Kopf aneinanderreihen. Den vergangenen Augenblick gibt es in unserem Gedächtnis, den zukünftigen Augenblick finden wir in der Phantasie. In diesem Sinne Carpe diem !

  36. @Heinrich Päs:

    Der Mensch ist das einzige Wesen in der Welt, das weiß, daß es sterben muß

    Ich hätte das etwas anders ausgedrückt und zwar:
    Der Mensch ist vermutlich das einzige Wesen in der Welt, das weiß, dass alles, was wird, sich stets verändert und auch wieder vergeht.
    Das ist vermutlich dann auch der Punkt, an dem Mensch versucht, hinter den Vorgang des “Vergehens” zu kommen, um ihn hoffentlich verhindern zu können. An welchen Punkten (Zuständen) würde man aufhören, es zu versuchen? Vermutlich sind Menschen ja nicht die Ersten in dieser Welt, die es versuchen und vor uns scheiterten schon Andere, denen ihr Scheitern vermutlich inzwischen so egal ist, dass sie uns davon nicht mal in Kenntnis setzen. Ganz üble Vorstellung.

  37. @Stephan Schleim

    Doch Spaß beiseite: Wenn die Natur den Regeln folgt, wer hat ihr diese Regeln dann gegeben? Das hört sich schon sehr nach Deismus an.

    und @Heinrich Päs

    Ich finde es nicht unbedingt zwingend, dass Regeln von jemandem gegeben sein müssen.

    Ist es auch nicht. Laut Systemtheorie geben sich autonome Systeme die Gesetze und Regeln, nach denen sie ihre internen Angelegenheiten (Zustände,Prozesse) ordnen und organisieren, selbst. Machen wir ja auch, siehe Verfassungen bzw. Grundgesetz.

  38. Sehr geehrter Herr Päs
    Frage und Bemerkung zu Teilen Ihrer Blog- Kommentar-regeln.
    Speziell zu Folgendem:

    1.
    “..-Stellen Sie Meinungen, Spekulationen oder Falsches nicht als Fakten dar….”
    2.
    “…-Unterlassen Sie Unterstellungen und Pauschalverurteilungen, auch von Wissenschaftlern oder der etablierten Wissenschaft……” (Zitatende)

    Zu Nr.1:
    Gilt das nur für die Kommentatoren oder auch für die Texte des Blogautors? In letzterem Fall müsste ich Sie wegen Nichteinhaltung Ihrer eigenen Regel rügen. Denn Ihr Text enthält fast ausschließlich reine (philosophische) Metaphysik. Wenn man das aber in einem naturwissenschaftlichen Blogbereich thematisiert, suggeriert man doch auch irgendwie eine gewisse “Faktizität”. Davon kann aber bei metaphysischen Spekulationen keine Rede sein . Selbst dann nicht, wenn sie einem subjektiv noch so überzeugend oder konsistent erscheinen mögen.

    Zu Nr.2
    Ich wünsche mir sehnlichst für das neue Jahr, dass Blogautoren und Administratoren das von mir unter Nr. 2 zitierte (Erster Satzteil) auch auf ihr eigenes Verhalten bezüglich des Umgangs mit Kommentatoren anwenden. Da wäre schon mal viel gewonnen.
    Freundliche Grüße von L.L.

  39. @ H. P. und zu:
    “.. Mir ging es hier vor Allem darum, dass das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit ein starkes Motiv für menschliche Rituale, Religionen und Kultur ist….” (Satzende)

    Sehr geehrter Herr Päs. Schon wieder muss ich Sie an die Einhaltung ihrer eigenen Kommentarregeln erinnern:. Sie suggerieren in dem von mir zitierten Satz, dass die These, dass die Todesangst eine Ursache für “religiöses” (oder sonstiges soziales) Verhalten von Menschen sei als (wissenschaftliches) Faktum . Diese Meinung zur Entstehung oder psychologischen Verursachung von “Religion” ist aber allenfalls eine
    Art von (vorwissenschaftlicher) Hypothese, für die es keine experimentellen Belege gibt.
    Es könnte zum Beispiel genauso wahrscheinlich sein, dass Angst vor dem Tod erst durch “Religion” (bzw deren Erzeuger und Verwalter oder Beherrscher) den Menschen bewusst “eingepflanzt” wurde, um diese über eine Art von “schwarzer Psychologie” politisch besser “steuern” zu können. Wie Sie sicher wissen, ist auch das (z.B. in der Philosophie) eine nicht gerade neue These.
    Es ist eine seit einiger Zeit wieder sehr beliebte theologische Strategie, “”Religion””
    als tiefenpsychologisch (oder biologisch) im Menschen (bze. dessen Gehirn) fest verankert darzustellen. Aber nochmal: Das ist Spekulation ohne empirische Belege.
    Sie müssen hier nicht den Part von Herrn Blume übernehmen. Sie sind Naturwissenschaftler. Wenn Sie sich erlauben, metaphysisch zu spekulieren, sollten Sie wenigsten auch die RT- Kritiker spekulieren lassen.
    Ich bitte, dies nicht als persönlichen Angriff, sondern als Argument aufzufassen. Argumente können nicht beleidigt sein. Man kann sie nur in Blogregeln einzeunen. Das ist zwar wegen des Hausrechts legitim, weil im Privathaus nicht das Grundrecht der Meinungsfreiheit gilt. Fragt sich aber, ob es “wissenschaftlich” oder intellektuell redlich ist.
    Freundliche Grüße von L.L.

  40. Zu:
    “..Poincareschen Widerkehrsatz sollten wir, wenn wir nur lange genug warten, auferstehen. Irgendwann werden die statistischen Prozesse der Thermodynamik genau die Atomkombination wieder erzeugen, die unserer jetzigen Existenz entspricht. Die Physik beruht auf der Endlichkeit des Phasenraumvolumens und ist letztlich die gleiche wie beim Planetensystem.
    Angenommen natürlich, das Universum existiert lange genug. Und ein bisschen gedulden werden wir uns müssen…”
    (Zitatende)

    Dann müssen Sie aber auch die Spekulationen Frank Tiplers ernst nehmen, der glaubt, dass Solches zukünftig bei zukünftiger Verfügbarkeit fast grenzenloser Energie informationstheoretisch möglich sein könnte und man dann genügend Information über alles Vergangene hätte um Menschen inclusive deren (vergangenem) Bewusstsein in einer Art von Ewigkeitssimulation wieder “auferstehen” zu lassen.

  41. @Päs: Boltzmanngehirne

    Soso… Boltzmanngehirne und, was lese ich da, Newtonsuppe?! Gedankenexperimente in der Physik. Das hört sich ja schon sehr nach Philosophie an!

    Aber danke für den Hinweis. Ich werde die in meine Liste aufnehmen.

  42. @ Stephan Schleim
    1. Zur “matrix”
    Ich halte es für sinnvoll, zunächst mal nur das als “wirklich” anzusehen was auch intersubjektiv beobachtbar auf uns wirkt. Erst wenn sich “Brüche” bzw. Widersprüche in unserem Verständnis der Wirklichkeit (bzw in unseren Beobachtungen) ergeben sollte man weitergehend spekulieren.
    2. Zu Induktion und Deduktion
    Mir erschließt sich nicht ganz, dass man das, was K.R. Popper in seiner Logik der Forschung und später in z. B. “Vermutungen und Widerlegungen” schon ausführlichst aufgedröselt hat , immer wieder von Neuem und von vorne durchkauen will. Er zeigt überzeugend , dass es keine theoriefreie “Induktion” geben kann. Das ist auch mit Bezug auf die Neuropsychologie ein sinnvolles Argument.

    Dass das Auftauchen eines schwarzenen Schwanes die Theorie von der ausnahmslosen Existenz weißer Schwäne falsifiziert, ist nun mal mal nur äußerst schwer bzw. überhaupt nicht zu widerlegen. Es sei denn, man verzichtete auf basale Logik.

    Das alles hat aber kaum etwas damit zu tun, dass die reale Forschungstätigkeit realer Forscher auch noch nach ganz anderen (soziopsychologischen) “Gesetzen” ablaufen kann. Denn dass es fruchtbare Erkenntnisregeln gibt, gewährleistet noch lange nicht, dass diese in jedem Fall und zu jeder Zeit von jedem Wissenschaftler angewendet werden. Auch die “Standards der Wissenschaftlichkeit” sind nicht mehr als nur menschlich Verhaltensnormen. Und solche werden ohne ständige WIRKSAME Kontrolle und Sanktionen bekanntlich sofort aus “Eigennutz” übertreten.
    Also sind wissenschaftsethische und erkenntnissteigernde Standards und deren Einhaltung im Wissenschaftsbetrieb zwei Paar (rote Nikolaus-) Stiefel.

  43. @Päs: Überprüfung

    Aber wir können heute die Häufigkeiten der leichten Elemente bestimmen, die ca. 3 Minuten nach dem Urknall/Ende der Inflation entstanden sind…

    Das ist ja interessant… Und wie soll man jetzt in der Beobachtung überprüfen, ob diese Berechnung auch stimmt? Ich denke, Sie verstehen, worauf ich hinaus will. Oder um mich noch einmal zu wiederholen. Unter bestimmten Annahmen lassen sich Berechnungen aufstellen, die unter diesen Annahmen plausibel erscheinen.

    Zugegeben, ich dilletiere hier, aber wenn ich mir das Beispiel zur Berechnung der Zukunft des Universums anschaue, dann hängt das meiner Erinnerung nach doch schwer davon ab, wie viel Masse man dafür veranschlagt. Und das soll dan größtenteils Masse sein, die man gar nicht beobachten kann – oder zumindest “noch” nicht (sehr viel “Dunkle Materie” und noch viel mehr “Dunkle Energie”). Das kommt mir als Berufsskeptiker doch irgendwie komisch vor.

    Ich will damit kein neues Fass in der Diskussion aufmachen, darüber können Sie als Physiker sicher ganze Bücher schreiben, aber mein Punkt war doch schlicht, dass wir es hier mit Annäherungen, Simulationen usw. zu tun haben, für die beim heutigen Kenntnisstand viel spricht, die in Zukunft aber vielleicht anders aussehen werden.

  44. @Trice, Päs: Sprechen über Regeln und über die Welt

    Herrn Päsens ursprünglicher Ausdruck war…

    …dass auch diese Realität bestimmten Regeln folgt.

    Jetzt schreiben Herr Päs und Frau Trice, dass Regeln nicht zwingend von jemandem gegeben werden müssen bzw. ein System sich selbst Regeln geben kann.

    Herrn Päsens ursprünglicher Ausdruck bestand aus dem zweistelligen Prädikat: folgen(Realität, Regeln). Ich finde es gefährlich, hier die metaphysische und epistemische (d.i. die Erkenntnis betreffende) Ebene zu verwischen.

    Wenn ich Herrn Päsens Ausdruck metaphysisch lese, dann gibt es einen Dualismus von Realität und Regeln, sogar eine Hierarchie zwischen den beiden, denn erstere folge letzteren. Dann sind wir schnell bei Platon oder Poppers Drei-Welten-Lehre (die könnte man dann darstellen als: Natur, Seele, Regeln).

    Mein Vorschlag war es, dass die Natur die Regel ist. So kommt es zu keiner Verdoppling. Das Prädikat “folgen” hat dann auch keinen Sinn – folgen(Natur) –, denn etwas folgt etwas Anderem und nicht sich selbst.

    Und das ist auch keine Wortklauberei, denn wenn ich folgen(Realität, Regeln) schreibe, dann schwingt da nicht nur ein Dualismus und eine Hierarchie mit, sondern schnell auch ein Homunkulus, der die Regeln gibt. Wenn sich, Einwurf Trice, das System die Regeln selbst gibt, also ohne Homunkulus, dann bleibt das Geben der Regeln aber doch ein metaphorischer Ausdruck. Wollen wir Erkenntnis oder Märchen erzählen?

    Mein Vorschlag, weiter verdeutlicht, ist die strikte Trennung zwischen (1) Natur (metaphysische Ebene) und (2) Beschreibungen der Natur (epistemische Ebene). So sieht man schnell, warum es ein Kategorienfehler ist, wenn man schreibt, dass Elemente der ersten Ebene Elementen der zweiten Ebene folgen, die menschliche Konstrukte sind. Daher auch meine Bedenkung vom Übertragen des Gesetzesbegriffs auf den Bereich der Natur.

    Korrekt würde man dann formulieren: Es gibt die Natur und weil sich uns Naturprozesse in gewissen Mustern darstellen, können wir sie als Regel, als Gesetz beschreiben.

    Durch unsere Beschreibung wird aber die Regel, das Gesetz, nicht plötzlich Akteur, schon gar nicht auf der metaphysischen Ebene (wohl aber im Bereich sozialer Regeln, wenn wir etwa Institutionen zu ihrer Einhaltung einführen; schon mal ein falsch geparktes Auto abgeschleppt bekommen oder Besuch vom Steuerprüfer bekommen?).

    Die Vermischung von Begriffen und Redeweisen aus dem Bereich der sozialen Konstrukte mit metaphysischen Ausdrücken muss beinahe schon zwingend zur Verwirrung führen und äußert sich dann in verwirrten Ausdrücken wie etwa “Das Gravitationsgesetz hält die Planeten auf ihrer Bahn oder lässt den Apfel fallen” oder “sein ADHS lässt ihn unkonzentriert auf dem Stuhl herumzappeln”.

    Nein, nicht A verursacht B, sondern weil wir Muster B beobachten, beschreiben wir es als A. A ist eine Abstraktion in der Form A(B). Wenn wir zulassen, dass Abtraktionen auf tiefster metaphysischer Ebene Konkretes verursachen, dann sind wir im Idealismus und schnell etwa bei den indischen Brahmanen, die glauben, das Bewusstsein habe das Universum geschaffen und ihre Rituale sorgten dafür, dass die Zeit vergehe und die Sonne auf- bzw. untergehe usw.

  45. little Louis
    alle Geisteswissenschaften beruhen auf Erfahrung, Versuch und Interpretation.
    Wenn Herr Päs einen Ausflug in die Naturphilosophie macht, dann ist das kein Tabubruch, sondern ein Zugeständnis an die Geisteswissenschaften.
    Schon das Wort “Geist” dürfte es nach ihrer Meinung nicht geben, weil der sich ja nicht beweisen lässt.
    Und nochmal, auch die Geisteswissenschaften betreiben Wissenschaft.

    Was jetzt die Zeitumkehr betrifft. Die halte ich für spekulativ.
    Mehr ist dazu nicht zu sagen.

  46. @ Christ und :
    ” .. Schon das Wort “Geist” dürfte es nach ihrer Meinung nicht geben, weil der sich ja nicht beweisen lässt.
    Und nochmal, auch die Geisteswissenschaften betreiben Wissenschaft….” (Zitatende)

    Ich habe nichts gegen die vierBuchstaben G-E-i-S-T. Geist benennt eine Tätigkeit des menschlichen Organismus. Weshalb sollte ich behaupten, dass das nicht existierte?
    Es ist hierbei (!!) nicht sehr zielführend sich über Begriffsdefinitionen zu streiten.
    Wenn ich mich mit allen einige, dass Wissenschaft immer das genannt werden soll, womit Menschen sich beschäftigen, wenn sie etwas wissen wollen, dann ist Geisteseswissenschaft natürlich Wissenschaft. Ebenso wie Literaturwissenschaft oder Star Wars- Wissenschaft.

  47. @ Trice und:
    “…Laut Systemtheorie geben sich autonome Systeme die Gesetze und Regeln, nach denen sie ihre internen Angelegenheiten (Zustände,Prozesse) ordnen und organisieren, selbst. Machen wir ja auch, siehe Verfassungen bzw. Grundgesetz….” (Zitatende)

    Das setzt aber voraus, dass Ihre selbstemergenten (autonomen) “Systeme” mindestens denselben Kompexitätsgrad aufweisen, wie das menschliche Gehirn. Und wo sind wir dann wieder : Bei uns oder beim lieben Gott, der uns nach seinem Ebenbilde geschaffen hat.
    Oder bei einer extrarterestrischen (höheren) Intelligenz. Oder bei deren Schöpfer . Oder beim Schöpfer von deren Schöpfer………………. (=Infiniter Regress).

    Oder bei der Aufgabe der banalen Logik, indem wir die Existenz eines “ungeschöpften” Schöpfers als Denkweise bzw. als Argument zulassen.

  48. @little Louis – Mein liebes Schabeltier:

    1. Diese Kommentarspalte ist nicht der Ort für Diskussionen darüber, was ich in meinem Blog schreiben darf oder nicht. Derartige Metadiskussionen werden in Zukunft nicht mehr freigeschaltet.

    2.

    müsste ich Sie wegen Nichteinhaltung Ihrer eigenen Regel rügen. Denn Ihr Text enthält fast ausschließlich reine (philosophische) Metaphysik. Wenn man das aber in einem naturwissenschaftlichen Blogbereich thematisiert, suggeriert man doch auch irgendwie eine gewisse “Faktizität”.

    Wenn Sie hier mit Gewinn mitlesen wollen, müssen Sie ein bisschen an Ihrer Textverständnis-Kompetenz arbeiten. Wenn ich über Mythen oder Philosophisches schreibe, suggeriert das keineswegs die Faktizität dieser Vorstellungen, sondern allein deren Existenz.

    3. Das gilt insbesondere auch für diese Aussage: “.. Mir ging es hier vor Allem darum, dass das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit ein starkes Motiv für menschliche Rituale, Religionen und Kultur ist….”: Hier geht es darum, was ich in dem Blog aussagen wollte. Darüber maße ich mir tatsächlich Faktenwissen an. Außerdem ist ein “Motiv” keine “Ursache”, ein Tatmotiv z.B. nicht notwendigerweise Ursache für den Mord.

    4. Was die Metaphysik angeht, bin ich mir nicht sicher, ob es sie überhaupt gibt. Ziemlich sicher bin ich mir, dass Sie dieses Schlagwort missbrauchen, um Wissenschaftlern Denkverbote zu erteilen. Und ganz sicher ist, dass Vieles, das einst als Metaphysik angesehen wurde, heute Gegenstand der Physik ist. Dazu gehört auch die Zeit.

  49. @Stephan Schleim:

    Aber wir können heute die Häufigkeiten der leichten Elemente bestimmen, die ca. 3 Minuten nach dem Urknall/Ende der Inflation entstanden sind…
    Das ist ja interessant… Und wie soll man jetzt in der Beobachtung überprüfen, ob diese Berechnung auch stimmt?

    Nur nochmal, damit es klar wird: Die leichten Elemente sind vor 14 Milliarden Jahren entstanden, und wir können ihre Häufigkeit heute messen und mit Rechnungen vergleichen. Damit vergleichen wir die Prozesse vor 14 Milliarden Jahren mittels einer Jetztzeit-Messung mit unseren Theorien. So ähnlich wie wenn wir jetzt das Skelett eines Tyrannosaurus Rex ausgraben und mit Thesen der Evolution vergleichen.

    Unter bestimmten Annahmen lassen sich Berechnungen aufstellen, die unter diesen Annahmen plausibel erscheinen.

    Ja, aber das gilt für jede Messung. Auch wenn ich ein Voltmeter an eine Batterie anlege, nehme ich an, dass der Apparat so funktioniert, wie meine Theorie es beschreibt. Das besondere in der Kosmologie ist freilich, dass sich das Experiment nicht wiederholen lässt. Wir haben es nur einmal, was eine statistische Ungenauigkeit impliziert, die sogenannte “cosmic variance”.

    wenn ich mir das Beispiel zur Berechnung der Zukunft des Universums anschaue, dann hängt das meiner Erinnerung nach doch schwer davon ab, wie viel Masse man dafür veranschlagt.

    Nope. Im Kosmos dominiert die Dunkle Energie, deren Energiedichte im Gegensatz zur Materie bei Expansion nicht ausdünnt. Wenn die einmal dominiert, dominiert sie immer (falls keine Phasenübergänge, Vakuumzerfälle oder ähnliches auftreten), und sie beschleunigt die Expansion. Ewige, beschleunigte Expansion ist also die Diagnose unter obigen Annahmen, unabhängig vom Materieinhalt. Aber ja, Annahmen gehen natürlich ein (siehe oben).

  50. @little Louis:

    Das setzt aber voraus, dass Ihre selbstemergenten (autonomen) “Systeme” mindestens denselben Kompexitätsgrad aufweisen, wie das menschliche Gehirn.

    Nö, tut es nicht. Geht vermutlich auch mit zellulären Automaten… Ganz sicher aber mit Tierschwärmen.

  51. @Stephan Schleim: Ich will Ihnen nicht unbedingt widersprechen, aber wenn ich lese:

    Mein Vorschlag war es, dass die Natur die Regel ist.

    klingt das für mich arg idealistisch. Gibt es dann nichts als Regeln? Max Tegmark würde das gefallen, aber ich bin skeptisch, dass mein Morgenkaffee nichts als Regel sein soll.

  52. An den “Eisernen Heinrich” und zu:
    “…. Derartige Metadiskussionen werden in Zukunft nicht mehr freigeschaltet….” (Zitatende)

    Sie sind ein Spaßverderber. Aber halb so schlimm. Ihren Blog kann man zwar, muss man aber nicht unbedingt. (Wenn ichs recht überlege, eigentlich überhaupt nicht).

  53. @little Louis:

    Sie sind ein Spaßverderber.

    Oh nein, ich bin ein Spaßerhalter 🙂

    Aber halb so schlimm. Ihren Blog kann man zwar, muss man aber nicht unbedingt. (Wenn ichs recht überlege, eigentlich überhaupt nicht).

    Bei dieser Drohung habe ich irgendwie ein Deja Vu 🙂

  54. @H.P. und:
    “..Nö, tut es nicht. Geht vermutlich auch mit zellulären Automaten… Ganz sicher aber mit Tierschwärmen…” (Zitatende)

    Na gut, dann bauen Sie mal fleißig den Heinrich Päs unter Zuhilfenahme von zellulären Automaten oder Addition von Tierschwärmen nach. Ich mache dann den Turing Test mit Ihnen. (-: Und wenn Sie verlieren, werfe ich Sie aus Ihrem eigenen Blog hinaus.
    Wenn Sie aber weiter inkonsistent argumentieren, haben Sie gewonnen und ich wefe mich selbst hinaus.
    Abgemacht?

  55. Zu Christ:
    “Buddhisten sind keine Boxer”.
    Mir scheint, dass sie das Wesen dessen,was ich beschreiben wollte, nicht erkannt haben. Ein Boxer ist im Kampf hochgradig auf seinen Gegner konzentriert. Diese Konzentration beinhaltet ein Maximum an Ausschüttung von Hormonen (Noradrenalin,Dopamin,Adrenalin),was zu einer Fokussierung auf das Objekt führt.Letzteres beinhaltet blitzschnelle Überlegungen(Gedanken) über die Taktik, um den Gegner zu treffen.Diese Gedanken beinhalten wiederum Rückgriffe auf Erfahrungswerte.Es findet also ein blitzschnelles assoziatives DENKEN und Überlegen statt.Dieser Boxer ist sogesehen nicht nur in der Gegenwart sondern nutzt abgespeicherte Denkmodelle aus der Vergangenheit um die Zukunft (Sieg) in Taktik umzusetzen.Meditation ist das Gegenteil davon,denn sie sind nicht Opfer ihrer Denkmodelle,sondern beobachten diese Denkmodelle in einem Zustand totaler Entspannung.(Es findet praktisch kein Denken mehr statt).Aber dafür benötigen sie die Erfahrung der Meditation,was sich schwer beschreiben läßt.

  56. @Päs: Physik und Regeln

    Danke nochmals für die Erklärung zur theoretischen Physik… Da kann ich nur lesen und staunen, ohne mich ausführlicher mit den Grundlagen beschäftigt zu haben.

    Ich bedaure aber, dass meine Überlegungen zu den Begriffen “Regel” und “Naturgesetz” unzureichend deutlich waren: Einen Idealismus will ich ja gerade vermeiden; er versteckt sich aus den genannten Gründen aber im unvorsichtigen Gebrauch dieser Begriffe.

    Vielleicht hilft ein anschauliches Beispiel: Die Erde umrundet in (ca.) 365 Tagen die Sonne. Jetzt kann ich sagen: Das ist die Regel.

    Nach Lesart (1) ist die Bewegung der Erde um die Sonne die Regel (das Muster, die Gesetzmäßigkeit…); in diesem Sinne meinte ich: Die Natur ist die Regel. Es gibt nicht zwei Dinge, Natur und Regel (wobei diese jener “folgen” sollte). Diese Regel/diese Bewegung ergibt sich aus der Struktur des Sonnensystems und den wirkenden Naturkräften. Das ist alles. Also gerade nicht idealistisch.

    Nach Lesart (2) ist die Regel schlicht eine Beschreibung, etwas das wir Menschen von den Naturvorgängen abstrahieren. Wenn wir dann sagen: Die Natur folgt der Regel, dann meinen wir schlicht, dass die Naturbewegung so ist, wie die Regel es beschreibt, wenn sie denn stimmt. Wieder kein Idealismus.

    Alle andere Lesarten führen meines Erachtens schnell zur Verwirrung bzw. gar zu einem Kategorienfehler. Die Ausführungen will ich aber nicht alle wiederholen.

    P.S. In einem Aufsatz Poppers, den ich kürzlich las, der jetzt aber in meinem verschlossenen Büro liegt (ja, wir werden zum Weihnachtsurlaub gezwungen), stand der interessante Hinweis, dass Wissenschaftler gerade von Naturgesetzen begannen zu sprechen, als die Glaubwürdigkeit von Gottesgesetzen abnahm. Auch das sollte einen bedenklich stimmen. Dazu vielleicht ein andermal einen eigenen Blogbeitrag.

  57. @ Stephan Schleim: Systemgesetze

    Wenn sich, Einwurf Trice, das System die Regeln selbst gibt, also ohne Homunkulus, dann bleibt das Geben der Regeln aber doch ein metaphorischer Ausdruck. Wollen wir Erkenntnis oder Märchen erzählen?

    Die Formulierung mag metaphorisch sein, die Natur ist es nicht.
    Sicher, es sind unsere Urteile und es ist unser Verstand, der uns Erkenntnisgewinn ermöglicht, der über die bloße Anschauung hinausgeht, und nicht die Natur. Nur, wäre es allein die geistige Anstrengung jedes einzelnen Individuums, die zum Gewinn seiner je eigenen Erkenntnis führt, gäbe es kaum eine Möglichkeit, allgemeine (um nicht zu sagen gültige) Aussagen über das Wirkliche zu machen, die also auch von Anderen geteilt werden. Naturwissenschaft wäre dann nicht mehr möglich.
    Im Übrigen erfahren wir die Konsequenzen einer Übertretung oder Missachtung von Natur- und Systemgesetzen am eigenen Leib, was nicht möglich wäre, wenn es sich nur um Märchen handelte, die wir uns ausdenken.
    Die Frage nach dem “Wie” ist damit noch nicht beantwortet, aber wenn ich mir anschaue, wie beispielsweise in den verschiedenen Familien das Zusammenleben geregelt ist, ohne dass großartig dazu diskutiert wird – die Regeln ergeben sich aus den Eigenschaften und dem wechselseitigen Austausch der Familienmitglieder – habe ich keine Probleme, mir diese Mechanismen auch in anderen Systemen vorzustellen.

  58. Ein einfaches Gedankenspiel: wenn man Zentimeter messen will, dann braucht man einen Maßstab mit Zentimeter- oder Millimetereinteilung. Eine Dezimetereinteilung würde nicht genügen. Mit Einteilung in Zentimetern könnte man immer nur ganze Zentimeter messen.

    Da der Mensch und seine Instrumente aus denselben Quanten bestehen wie das Universum, gibt es keinen Maßstab, der die kleinsten oder schwächsten Quanten messen könnte. Es gibt nur einen Trick, das ist Redundanz: Mit zehn Zentimetermaßstäben, die man gleichmäßig gegeneinander verschieben würde, könnte man auch Millimeter messen. Dazu ist aber schon ein gewisses Vorwissen nötig.

    Das Fazit ist, dass alles, was kleiner oder schwächer ist als solche Quanten, weder erkennbar noch definierbar ist. Letztlich sind die Quanten nur symbolische Platzhalter für Zustände von Wechselwirkungen, denn nur daran kann ihre Existenz festgemacht werden. Direkt erkennbar sind Quanten ohnehin nicht.

  59. @Stephan Schleim: Vielleicht reden wir aneinander vorbei, aber unter „Regel“ verstehe ich immer etwas wie eine mathematische Formel, einen Algorithmus, etwas genuin immaterielles. Wenn die Natur nun diese Regel ist (z.B. die Keplerschen Gesetze, die kann ich z.B. nicht anfassen), was ist dann die Erde selbst? Auch Regel (und damit immateriell = Information = idealistisch)? Wenn wir sagen würden „Regeln sind Teil der Natur“ kommen wir vielleicht auf einen gemeinsamen Nenner. Dann haben wir zwar oberflächlich einen Dualismus (Regeln und Materie) aber beide sind in einem primären Prinzip vereint, nur perspektivische Ansichten einer fundamentalen Realität. Ich denke das wäre meine Ansicht, aber ich fürchte Sie würden mir hier nicht mehr zustimmen?

  60. @Heinrich Päs:

    unter „Regel“ verstehe ich immer etwas wie eine mathematische Formel, einen Algorithmus, etwas genuin immaterielles.

    Regeln kann man aufstellen und bei Bedarf ändern, wie man will. Formeln hingegen sind sozusagen Gesetz der Logik und Logik ist Natur. Ändert man eine Formel, wie man will, vergeigt man es am Ende mit der Logik. Die Natur bürdet uns demnach Gesetze auf, die es zu ergründen gilt. Wären es nur Regeln, wäre alles halb so wild, denn es gäbe nichts zu ergründen. Ich denke mal, darauf wollte Herr Schlein hinaus.

  61. @Trice: Wissenschaftssprache & Naturgesetze

    Ich denke, dass auch den Wissenschaften, nicht nur der Philosophie, letztlich etwas an möglichst klarer Sprache liegt.

    Wenn ich sage, ein System gibt sich selbst Regeln, dann klingt das nach Autonomie (αὐτονομία, wörtlich: Eigengesetz). Das sind alles Menschenbegriffe. Welche Erkenntnis gewinnt man im Vergleich zu der Aussage, dass das System seine eigene Struktur oder Funktionsweise beeinflusst?

    Aber wie bitteschön möchten Sie ein Naturgesetz übertreten? Das scheint mir auf einen performativen Widerspruch hinauszulaufen.

    Denken wir uns folgendes Beispiel, unter der Einschränkung, dass ich die Sprache von Naturgesetzen als Akteure aus den genannten Gründen eigentlich ablehne: Nehmen wir einmal an, ein Naturgesetz verböte, dass ich fliege (ohne ein Hilfsmittel wie einen Hubschrauber, der im Übrigen aber auch naturgesetzlich funktioniert). Jetzt flöge ich aber trotzdem (ohne Hilfsmittel), täte also das, was das Naturgesetz verböte.

    Anstatt zu rufen: “Oh Wunder!”, würden wir wohl eher untersuchen, wie ich fliegen konnte, also eher in einer Lücke der uns bekannten Naturgesetze suchen, also akzeptieren, dass die uns bekannten Naturgesetze unvollständig sein müssen und einer Aktualisierung bedürfen.

    Mit anderen Worten: Das, was ist, das ist automatisch naturgesetzlich möglich, anders wäre es nicht. Man vergleiche hierzu auch die klassiche Diskussion David Humes über die Möglichkeit echter Wunder.

  62. @Päs: mathematische Formeln

    Schön, wenn wir feststellen, dass Regeln “immer etwas wie eine mathematische Formel” sind, dann können wir uns wohl darauf einigen, dass die Natur der Formel nicht so folgen kann, wie ein Tangotänzer dem anderen. Nichts anderes wollte ich mit meinem Eingangsstatement zu diesem Thema ausdrücken.

    Ich dachte aber auch an so etwas – aber es ist gut möglich, dass das nur im psychologischen Sinne sinnvoll ist: Wenn vor mir eine Mauer steht, dann gilt die Regel, dass ich nicht geradeaus gehen kann, sondern nur links oder rechts daran vorbei; oder vielleicht darüber klettern, wenn sie nicht zo hoch ist. Steht vor mir aber ein Stuhl, dann gilt die Regel, dass ich dort sitzen kann.

    Die Regel ist nichts (von Menschen) Gegebenes, sondern in diesem Sinne in der Welt Existierendes, eben aufgrund der Struktur der Welt selbst (Mauer, Stuhl…).

    Jetzt muss ich doch sehr an den Begriff der Affordance denken, wie ihn der Psychologe J. J. Gibson in den 1960ern prägte. Dabei geht es um Verhaltensregeln, die nicht von Menschen gegeben sind (wie eine Etiquette oder eben die Straßenverkehrsordnung), sondern direkt in der Welt implementiert sind (die wir Menschen auch selbst implementieren können, siehe Schranken oder Verkehrshügel zur Geschwindigkeitsbegrenzung).

    In diesem Sinne ist die Regel nicht nur in der Welt; das ist die Straßenverkehrsordnung auch. Sondern die Struktur der Welt ist die Regel selbst, etwa: Hierüber kannst du nicht schneller als mit 20km/h fahren, ohne dein Auto zu beschädigen. Wer das erkennt, der bremst, weil er diese Regel erkennt.

    Falls das für Sie alles keinen Sinn ergibt, machen Sie sich bitte keine Mühe. Meine wesentliche Feststellung zu Ihrem Eingangsstatement steht im ersten Absatz. Aber vielleicht interessiert es jemanden, wie man psychologisch über Regeln in der Umwelt denken kann.

    P.S. Vielleicht kann man das Beispiel aus der Physik denken, dass ein Atom die Regel implementiert, dass an dem selben Ort und zur selben Zeit kein anderes Atom sein kann, ohne eine Kollision auszulösen. Das Atom verkörpert dann im gewissen Sinne die Regel: “So lange ich hier bin, kann kein anderes Atom hier sein.”

  63. Ganz genau, die Tage der Länge von ca. acht Stunden und 20 Minuten stehen gerade an und es darf ein wenig besinnlich werden.
    Vielen Dank für Ihre Arbeit, Herr Dr. Heinrich Päs, für Ihre gute Arbeit, wie viele finden, auch im wissenschaftsnahen WebLog-Wesen!

    MFG
    Dr. Weihnachtswebbaer

  64. Die Regel ist nichts (von Menschen) Gegebenes, sondern in diesem Sinne in der Welt Existierendes, eben aufgrund der Struktur der Welt selbst (Mauer, Stuhl…). [Kommentatorenfreund Dr. Schleim]

    Aus konstruktivistischer Sicht ist hier gegenzureden.
    Sofern kein naiver Realismus angestrebt bleibt,
    vgl. bspw. auch mit dem Wesen des Tisches, des Tables, das Bertrand Russell, wie einige meinen, trefflich darzustellen wusste :
    -> https://www.sparknotes.com/philosophy/problems/section1/ (nein, das webverwiesene Inhalteangebot ist nicht sonderlich geprüft worden, vermutlich ist es in seiner Gesamtheit OK)

    Erkenntnis liegt vor, nicht die nur repitorische Bestimmung von Teilen der Welt an sich, beim naturwissenschaftlichen Gesamtvorhaben.

    MFG
    Dr. Webbaer

  65. ZU:
    “…..Anstatt zu rufen: “Oh Wunder!”, würden wir wohl eher untersuchen, wie ich fliegen konnte, also eher in einer Lücke der uns bekannten Naturgesetze suchen, also akzeptieren, dass die uns bekannten Naturgesetze unvollständig sein müssen und einer Aktualisierung bedürfen.
    Mit anderen Worten: Das, was ist, das ist automatisch naturgesetzlich möglich, anders wäre es nicht. Man vergleiche hierzu auch die klassiche Diskussion David Humes über die Möglichkeit echter Wunder….
    .” (Zitatende)

    Was würden Sie aber tun und wie würde die Mehrheit der Physiker reagieren, wenn Sie intersubjektiv nachweisen könnten, dass Sie schneller als Licht fliegen könnten und das auf scilogs pulizieren wollten?
    Zumindest Herr Schulz würde ihren Beitag sofort löschen, weil er gegen seine Kommentarregeln verstoßen würde. Die verbieten es nämlich Dinge zu thematisieren, die die die anerkannten (!!) Grundtheorien der gegenwärtigen Physik infrage stellen.

  66. @little Louis:

    Was würden Sie aber tun und wie würde die Mehrheit der Physiker reagieren, wenn Sie intersubjektiv nachweisen könnten, dass Sie schneller als Licht fliegen könnten und das auf scilogs pulizieren wollten?

    Die Mehrheit der Physiker würde sich wohl arg über das Publikationsmedium wundern, und daraus, dass der Autor seine Ergebnisse nicht in einem anerkannten Journal dem Peer-Review-Prozess ausgesetzt hat, seine Schlüsse ziehen und entsprechend skeptisch sein. Auf scilogs werden keine wissenschaftlichen Ergebnisse “publiziert”.

  67. @Stephan Schleim:

    die Struktur der Welt ist die Regel selbst

    Ja, aber ist die Struktur der Welt gleich der Welt selbst? Das ist der Punkt, wo ich hake. Inwiefern unterscheidet sich die Aussage: “ein Atom implementiert die Regel” fundamental von der Aussage “ein Atom folgt der Regel”.

    Dabei gebe ich Ihnen recht, dass vieles, was für uns ein Atom ausmacht, an den Regeln hängt und nicht am Medium, aber für mich gibt es immer noch einen Unterschied zwischen Materie und Information bzw. Hardware und Software, auch wenn die Grenze sicher weiter zugunsten der Information liegt als wir üblicherweise denken.

  68. @little louis;
    Die Frage ist, was unter “intersubjektiv nachweisbar” zu verstehen sein soll. Die allermeisten alternativen Theorien genügen gerade dieser Bedingung in keiner Weise. Ihre Behauptung ist daher nichts als verleumderischer Unfug.

  69. Die “Struktur der Welt” ist ein menschliches Konstrukt. Es gibt vielerlei Strukturen, auf die man die Welt abbilden kann, z.B. auf die euklidische oder die nichteuklidische Geometrie, auf Teilchen- oder auf Wellenstrukturen. Jede der Strukturen hat ihren Gültigkeitsbereich und ihren Anwendungsbereich. Struktur ist äquivalent mit Information, wenn man beide Begriffe näher untersucht.

  70. @Reutlinger: Strukturen vs. Abbildungen

    Es geht hier doch gar nicht um Abbildungen.

    Dass der Stein auf dem Boden nicht nur eine Abbildung ist, sondern Teil der Struktur Ihrer Umwelt, das stellen Sie spätestens dann fest, wenn Sie Ihren großen Zeh daran stoßen.

    Hilfreich ist auch ein Blick in den Duden:

    Struktur:

    1. Anordnung der Teile eines Ganzen zueinander; gegliederter Aufbau, innere Gliederung; 2. Gefüge, das aus Teilen besteht, die wechselseitig voneinander abhängen; in sich strukturiertes Ganzes

  71. @Päs: folgen vs. implementieren; Materie vs. Information

    Es sind beides zweistellige Prädikate, aber beim Tango jemandem zu folgen ist etwas anderes als beim Tango jemanden zu implementieren. Zu letzterem fällt mir kein sinnvolles Beispiel ein. Aber bleiben wir bei der Natur:

    Inwiefern unterscheidet sich die Aussage: (1) “ein Atom implementiert die Regel” fundamental von der Aussage (2) “ein Atom folgt der Regel”.

    Für mich wirft (2) Fragen auf wie etwa: Wer oder was bestimmt die Regel? Wer oder was sorgt dafür, dass das Atom der Regel folgt. Es gibt scheinbar zwei Arten (Dualismus) von Dingen: Materie und Regeln; oder Konkretes und Abstraktes; und es gibt eine Wechselwirkung und Hierarchie zwischen den beiden.

    Für mich ist (1) metaphysisch sparsamer. Für mich bedeutet die Aussage, dass das Atom die Regel “so lange ich hier bin, kann kein anderes Atom hier sein” implementiert schlicht das: so lange das Atom dort ist, kann kein anderes Atom am selben Ort sein. Kein Dualismus. Keine zwei Arten von Dingen. Keine Hierarchie. Nur Sein. Alles, was wir Menschen dazudenken, ist ein Beschreibungsversuch dieses Seins.

    Bei der Frage Materie vs. Information kann ich Ihnen wahrscheinlich nicht helfen. Mir fällt nur historisch auf, dass wir den Materiebegriff in der Grundlagendiskussion entweder immer weiter fassen oder immer weiter loslassen, je nachdem, wie man es sieht.

    Vielleicht ist letztlich alles Information. Das hat mir in meiner Bonner Zeit der theoretische Physiker Gunter Schütz mal mit dem Begriff der Wahrscheinlichkeiz zu erklären versucht. Vielleicht ist letztlich aber auch alles X, wovon wir heute noch keine Ahnung haben.

  72. @Stephan Schleim;
    Über Steine zu schreiben oder zu reden, ist eine Abbildung auf Wörter und Sätze. Dass es schmerzhaft sein kann, mit Steinen Fußball zu spielen, ist eine zusätzliche Information über Steine. Man kann Steine als molekulare Strukturen beschreiben und man kann sie als Teilstruktur in ihrer Umgebung beschreiben. Steine an sich als Struktur zu bezeichnen, macht jedoch keinen Sinn.

    Jede Struktur muss näher spezifiziert werden, sonst ist es sinnlos, darüber zu reden. Welcher Art ist denn die Struktur des Steines? Es gibt viele Steine, die keine innere Struktur haben oder rein zufällig und chaotisch in der Umwelt herum liegen. Letztlich entscheidet der menschliche Beobachter, welche Strukturen er erkennt. Ein Geologe erkennt andere Strukturen als ein Bauingenieur.

  73. @Stephan Schleim: Eine Hierarchie war von mir nicht impliziert. Aber wenn alles Information sein soll, muss Information ohne Medium existieren, das ist für mich schlecht denkbar.

    Vielleicht ist letztlich aber auch alles X, wovon wir heute noch keine Ahnung haben.

    So in etwa denke ich auch: Information und Materie als perspektivische Ansichten einer fundamentalen Realität, als „Schatten auf der Höhlenwand“ 🙂

  74. @ heinrich Päs
    und zu:
    ..arg über das Publikationsmedium wundern, und daraus, dass der Autor seine Ergebnisse nicht in einem anerkannten Journal dem Peer-Review-Prozess ausgesetzt hat, seine Schlüsse ziehen und entsprechend skeptisch sein…” (Zitatende)

    Machen Sie es sich nicht zu einfach, indem Sie einfach die erst vor nicht allzu langer Zeit auch hier wieder aufgekochte (und bald wieder erstickte) kritische Diskussion über das “peer review”- Verfahren amnestisch ignorieren?
    Mein Zweifel über die Sinnhaftigkeit von Kommentierungen hier bei scilogs werden durch solche Antworten nicht gerade geringer.

  75. @little Louis:

    Machen Sie es sich nicht zu einfach, indem Sie einfach die erst vor nicht allzu langer Zeit auch hier wieder aufgekochte (und bald wieder erstickte) kritische Diskussion über das “peer review”- Verfahren amnestisch ignorieren?

    Ich fürchte eher, Sie machen sich lächerlich. Wenn Sie tatsächlich glauben, man könne eine experimentelle Entdeckung in der Kommentarspalte der Scilogs “publizieren”, dann haben Sie noch nie eine wissenschaftliche Publikation gesehen, geschweige denn gelesen.

  76. @ Stephan Schleim: Sprachschwierigkeiten

    Wenn ich sage, ein System gibt sich selbst Regeln, dann klingt das nach Autonomie (αὐτονομία, wörtlich: Eigengesetz).

    Genau das soll die Formulierung auch ausdrücken, es geht schließlich um autonome Systeme

    Das sind alles Menschenbegriffe.

    Gibt es denn noch andere?
    Ganz davon abgesehen: Prädikatives Denken ist Denken in Begriffen (und Beziehungen), also sprachlich verfasst. Ich sehe nicht, wie sich ohne Begriffe kommunizieren lassen sollte. Schwierigkeiten bei der Verständigung beruhen meist darauf, dass man sich zuvor nicht auf eine von allen Beteiligten akzeptierte Definition eines Begriffs geeinigt hat (dürfte allerdings auch äußerst langwierig und langweilig werden, wenn man das jedes Mal durchziehen wollte)

    Welche Erkenntnis gewinnt man im Vergleich zu der Aussage, dass das System seine eigene Struktur oder Funktionsweise beeinflusst?

    Regeln sind im allgemeinen Richtlinien für das Verhalten, die man befolgen und anwenden kann – sofern sie klar definiert sind. Wenn ich dagegen sage, ein System beeinflusse seine eigene Struktur und Funktionsweise, was weiß ich dann darüber, wie es das macht und zu welchem Zweck?
    Demgegenüber gibt es zwischen den beiden von @Heinrich Päs genannten Aussagen:

    Inwiefern unterscheidet sich die Aussage: “ein Atom implementiert die Regel” fundamental von der Aussage “ein Atom folgt der Regel”.

    keinen Unterschied: Wenn ein Atom eine Regel implementiert, dann folgt es ihr auch.

    Aber wie bitteschön möchten Sie ein Naturgesetz übertreten?

    Wer sagt denn, dass ich das möchte? Ich gehöre doch nicht zum Verein derjenigen, die unsere Gesellschaft transformieren möchten, ohne sich vorher kundig gemacht zu haben, ob das überhaupt geht und mit welchen Konsequenzen man zu rechnen hat, wenn man es tut? Wohlgmerkt: es geht weniger um Natur- als um Systemgesetze, aber die können ebenfalls nicht übertreten werden. Nur ist das schwieriger einzusehen, weil es zunächst einmal möglich zu sein scheint – oder genauer: weil man sich nicht darüber im Klaren ist, dass man es mit Systemgesetzen zu tun hat. Aber wer wollte sich schon von solchen Kleinigkeiten aufhalten lassen?

    Also,

    Das, was ist, das ist automatisch naturgesetzlich möglich, anders wäre es nicht.

    ist im Wesentlichen zwar richtig, hindert aber nicht daran, die naturgesetzlich gegebenen Grenzen doch zu versuchen zu überschreiten.

  77. @ Heinrich Päs und zu:
    “..So in etwa denke ich auch: Information und Materie als perspektivische Ansichten einer fundamentalen Realität, als „Schatten auf der Höhlenwand“ 🙂..” (Zitatende)

    Das ist alter (aber nicht zwangsläufig schlechter) metaphysisch platonischer bzw. philosophischer Käs , aber nicht von Heinrich Päs.
    Und wie viele vor ihm, hört er mit diesem Satz einfach mit dem Denken auf. Denn warum soll eigentlich seine “FUNDAMENTALE” Realität auf einmal die Letzte sein? Oder woher will er wissen, ob sich seine Platonische Höhle nicht innerhalb einer unbegrenzten Reihe umfassenderer Höhlen befindet (Infiniter Regress)?
    Und warum redet er so drumherum und sagt zu seiner fundamentalen Realität nicht einfach “Gott” oder “Die Natur” ? Das würde ihm zudem eventuell (!!) in seinem gesellschaftlichen und politischen Umfeld viel mehr Sympathien einbringen. Und viel Zustimmung von Michael Blume. (-:

  78. @Material und seine Regeln
    Ich stell mir mal vor, dass ich eine Computersimulation von dem Verhalten von Molekülen machen will, z.B. weil ich wissen will, wie sich Proteine falten. Da bräuchte ich erstmal die Regeln, wie sich die Elektronenhüllen der beteiligten Atome im Zusammenspiel miteinander verhalten. Die Regeln, wie sich die Elektronen in den verschiedenen Atomsorten einrichten, bräuchte ich auch noch.

    Dann brauche ich einen Raum, in dem sich das abspielt, also ein 3-dimensionales Datenfeld, indem dann die Positionen der Atome und der aktuelle Zustand derer Elektronen abgespeichert sind. Wir haben also ein Datenfeld mit Einträgen, und Funktionen, die diese Einträge bearbeiten. So kann ich z.B eine Nanosekunde simulieren, in der sich dann hoffentlich mein simuliertes Protein so faltet, wie es das auch in der Natur tut.

    Zur Frage nach dem Unterschied von Material und Regeln habe ich hier eine einfache Antwort: Das Material entspricht Einträgen im Datenfeld, die sich im Fortschreiten der Gegenwart ändern, und zwar so, wie die Naturgesetze bzw. die Funktionen in der Simulation das vorschreiben. Der Unterschied von Materie und Naturgesetzen ist klar gegeben.

    Im Computer selber, auf dem die Simulation dann läuft, ist das aber alles so ziemlich das selbe: eben ein Prozess, der Information programmgemäß bearbeitet. Der Unterschied ist eher im Kopf des Programmierers. Durchgeführt dann in Maschinensprache, noch verteilt auf unzählige parallel arbeitende Prozessorkerne und verschiedene Stufen von Arbeitsspeichern und Festplatten, ist das alles eben ein informatischer Prozess, wie jeder andere, der auf Computern laufen kann. Das Gemeinsame von Materie und Naturgesetzen ist damit auch klar gegeben.

    Ich vermute, das sich in der Wirklichkeit auch ein informatischer Prozess im Vakuum abspielt, der die Welt generiert. Deswegen komme ich auf dieses Beispiel, wie man das Falten von Proteinen im Computer simulieren würde. Allein, dass sich solche Simulationen von Proteinfaltungen auch im Computer simulieren lassen, ist für mich eins der Argumente für den vermuteten kosmischen Supercomputer. Anscheinend ist die Welt so gebaut, das genau das möglich ist.

    Wenn die Wirklichkeit tatsächlich ein informatischer Prozess ist, dann wäre hier Platz für spirituelle Effekte aller Art. Der Computer könnte ja gezielte Ausnahmen von der Regel, und auch höhere Stufen der Emergenz produzieren, die an die gewünschten Ergebnisse gezielt angepasst sind. So wie der Kosmos sie haben will, und nicht einfach nur so, wie sich sich aus den grundlegensten Regeln von selber ergeben.

    So wäre hier Platz für Vorahnungen, Schutzengelereignisse, Telephatische Anwandlungen und was Menschen so alles erleben können. Auch eine direkte Verbindung zwischen lokalem persönlichem Bewusstsein und dem Kosmos ist dann denkbar. Und unser Mitfühlen mit Mitgeschöpfen wäre dann etwas mehr, als nur psychisch auf den anderen zu reagieren, oder auch eben nicht zu reagieren. Mitfühlen würde dann die Existenz ausmachen, und der Kern der Lebensqualität sein. Nicht nur weil wir biologisch darauf programmiert sind, sondern weil das dann zum Wesen des Kosmos gehört. Über alle Artgrenzen hinweg wären wir dann miteinander verbunden, so wie man das tatsächlich so fühlen kann, wenn das Leben wirklich gut läuft.

  79. @little Louis:

    Und warum redet er so drumherum und sagt zu seiner fundamentalen Realität nicht einfach “Gott” oder “Die Natur” ?

    Bei manchem Label muss man auch auf die damit verbundenen Assoziationen achten. Aber: Wer sagt Ihnen denn, dass ich’s nicht tue? 😛

  80. Ich finde es bemerkenswert, dass die Naturphilosophie sich nicht viel weiter entwickelt hat, seit den Griechen.
    Entweder bedeutet das, das es nicht viel mehr zu finden gibt, der Gedanke an ein kleinstes Teilchen hat ja schon Demokrit vor 2000 Jahren postuliert. Oder unser Hirn ist einfach zu klein für noch tiefere Einsichten.
    Was Gott betrifft, da hat sich auch nicht viel getan, außer dass sich die Menschen gegenseitig bekriegen, weil sie Gott unterschiedlich verstehen.
    Könnte es sein, dass der Mensch erkenntnistheoretisch auf der Stelle tritt ?

  81. @Bote 18/19:

    Ich finde es bemerkenswert, dass die Naturphilosophie sich nicht viel weiter entwickelt hat, seit den Griechen.

    Solange alles ist, wie es ist, bleibt alles wie es war. Was soll sich denn da noch weiter entwickeln?
    Was ist Naturphilosophie überhaupt? Ist es nicht die Sammlung menschlicher Hypothesen (erstmal unabhängig davon, ob richtig oder falsch) über Universum und Natur? Das Streben nach einfachen und verständlichen Erklärungen?

  82. @ Bote18/19 und:
    “Könnte es sein, dass der Mensch erkenntnistheoretisch auf der Stelle tritt ?”
    (Zitatende)
    Wie kommen Sie denn auf die seltsame Idee, dass es seit den Vorsokratikern keine erkenntnistheoretischen Fortschritte gegeben hat?
    Sie haben haben eine veraltete Vorstellung von (Natur- ) Philosophie. Die “moderne” Vorstellung ist, dass Philosophie/ Naturphilosophie immer nur auf der Basis der (empirischen) Naturwissenschaften betrieben werden sollte. Zugegebener Maßen ist diese Betrachtungsweise allerdings im angelsächsischen Bereich weitaus verbreiteter bzw. populärer (gewesen) als im deutschsprachigen.
    Allerdings sollte auch nicht vergessen werden, dass zwischen vielen Bereichen der theoretischen (!) Physik und spekulativer Naturphilosophie schon seit längerer Zeit die Grenzen verfließen bzw. kaum mehr Unterschiede erkennbar sind.

  83. @nichts Neues
    Die Wissenschaft macht seit Newton nichts Neues mehr. Immer nur Regelmäßigkeiten entdecken bzw. in komplizierten Experimenten herauskitzeln, und gucken ob man mathematische Konstrukte findet, die hier sinnvoll beschreiben können, was man messen kann.

    Man hat sich da so dran gewöhnt, dass das heute vollkommen selbstverständlich ist, in einer relativ berechenbaren Welt zu leben. Zu Newtons Zeiten sah das etwas anders aus. Als berechenbar galt nur der Sternenhimmel mit seinem ewigem Kreisen der Planeten und die Fixsterne im Hintergrund, die sich eben nicht bewegten. Dass auch auf der Erde die gleichen Gesetze und eine grundsätzliche Berechenbarkeit vieler Phänomene vorliegt, hätte vor Newton kaum einer gedacht.

    Im Prinzip nichts Neues seit Jahrhunderten, aber in der Praxis dann doch eine technische Revolution nach der anderen. Erst Dampfmaschinen in allen Fabriken, dann Elektrizität für alle, Computer für alle und jetzt Roboter – hoffentlich auch für alle Menschen, und nicht die letzte Revolution, die uns Menschen ersetzt.

    Ja nun. Das ist nicht mehr, aber auch nicht weniger. Was sich in der Unberechenbarkeit der Komplexität und in den spirituellen Bereichen des Lebens abspielt, bleibt noch zu entdecken.

  84. little Louis
    die moderne Physik wird immer spekulativer. Die Themen der populärwissenschaftlichen Zeitschriften beschäftigen sich mit den Dingen, die für uns als Menschen und für die Gesellschaft absolut unwichtig sind.
    Schwarze Löcher und der Urknall, die Verschränkung des Lichtes, der Streti um die Gravitation, Raum-Zeit-Krümmung.
    Es wäre doch sinnvoller, wenn sich die Wissenschaft den atuellen Problemen widmen würde.
    Neue Seegräser züchten, die der Meereserwärmung standhalten.
    Ersatz für Kunststoffe aus Erdöl.
    Brauchbare , bezahlbare Batterien für Elektroautos.
    Bezahlbare Supraleiter.

    Seit der Dualismus Welle -Teilchen des Lichtes nicht gelöst ist, wird sich auch die Theorie der Felder nicht weiterentwickeln.

  85. Wenn ich Kommentare wie oben lese, dann frage ich mich, woher all die neuen Technologien kommen und was all die vielen Chemiker, Biologen, Mediziner, Ingenieure usw. die ganze Zeit treiben. Für alle Fachrichtungen der Wissenschaft gibt es populärwissenschaftliche Zeitschriften und andere Medien, manche Leute scheinen sie aber nicht zu kennen. Nobelpreise gibt es nicht nur für Astrophysik und Quantenphysik, sondern auch für ganz irdische und nützliche Erkenntnisse. Mancher Kommentator sollte vielleicht mal die Brille wechseln.

  86. @antzon reutlinger: Sie sprechen mir aus der Seele. Jeder zweite Nobelpreis wird für Forschungen mit aktuellen Anwendungen vergeben!

    @Bote 18/19:

    Ich finde es bemerkenswert, dass die Naturphilosophie sich nicht viel weiter entwickelt hat, seit den Griechen.

    Da sind Sie auf dem Holzweg. Tatsächlich finden wir Grundideen der modernen Physik schon bei den alten Griechen. Das heißt aber noch lange nicht, dass die alten Griechen die moderne Physik vorweg genommen haben. Vielmehr hilft die moderne Physik in der Retrospektive die altenGriechen zu verstehen, besser als sie das selbst konnten. Und sie erlaubt qualitative Vorhersagen, die die von Ihnen erwünschten technischen Durchbrüche erst ermöglichen.

  87. @anton reutlinger:

    Mancher Kommentator sollte vielleicht mal die Brille wechseln.

    Kommentatoren, wie Sie z.B. könnten ruhig mal von rosa auf klar wechseln, bevor sie Anderen raten von klar auf rosa zu wchseln.

    @Heinrich Päs:

    Jeder zweite Nobelpreis wird für Forschungen mit aktuellen Anwendungen vergeben

    Na und? Das sind immer noch 50% zu wenig. Die restlichen 50% gehen für Dinge drauf, von denen Wissenschaftler überzeugt sind, sie würden die Menschen weiter bringen, obwohl man damit seit Dekaden im übertragenen Sinne im Dunkeln tappt. Diese Wissenschaftler sind dann auch noch großmütig davon überzeugt, die anderen 50% Nobelpreise mit praktischen Anwendungen, wäre ganz allein Ihrer Arbeit geschuldet, was aber leider nicht der Fall ist.

  88. Stephan Schleim schrieb (27. Dezember 2018 @ 21:22):
    > […] Nehmen wir einmal an, ein Naturgesetz verböte, dass ich fliege (ohne ein Hilfsmittel wie einen Hubschrauber, der im Übrigen aber auch naturgesetzlich funktioniert). Jetzt flöge ich aber trotzdem (ohne Hilfsmittel) […]

    Wenn damit nicht von vornherein ein schlichter Widerspruch angenommen werden soll, dann besteht die Annahme wohl genauer darin, dass

    – aus den (uns, bzw. insbesondere “mir” bisher) verfügbaren Beobachtungsdaten ermittelt worden war, dass (noch) niemand “ohne ein Hilfmittel geflogen” war, aber

    – aus weiteren (den neuesten, insbesondere “mir” schon) verfügbaren Beobachtungsdaten ermittelt wurde, dass (doch) jemand (nämlich, ausgerechnet “ich”) “ohne ein Hilfmittel fliege“.

    Demnach ist das (umfassende) Modell experimentell falsifiziert, dass niemals irgendjemand “ohne ein Hilfmittel geflogen war und noch fliegen würde“.
    Es verbleiben zahlreiche andere Modelle (d.h. “Beschreibungen der Natur”), die (noch) nicht experimentell falsifiziert wurden; sich also als weniger “lückenhaft” erwiesen haben.

    (Die Theorie, was überhaupt und nachvollziehbar damit gemeint sein soll, dass “jemand ohne ein Hilfsmittel flöge“, d.h. der Messoperator wie aus jeweils gegebenen Beobachtungsdaten Versuch für Versuch ermittelt werden sollte, objemand (dabei) ohne ein Hilfsmittel geflogen” wäre, oder nicht,
    müsste und musste dafür natürlich schon von vornherein festgesetzt sein und nachvollziehbar bleiben.)

    Merke: Nicht die Mittel (Theorien, insbesondere Messoperatoren), durch die “Natur ggf. beschrieben” werden könnte lassen experimentell testen; sondern (nur) Erwartungen bestimmter Ergebnisse (Messwerte), durch die “Natur beschrieben” würde.

  89. Selbstverständlich gibt es Vorfälle in der Wissenschaft, die nicht akzeptabel sind, wie bei allen Menschen. Daraus lässt sich kein Induktionsschluss ableiten. Skepsis ist immer berechtigt, pauschales und diffuses Misstrauen jedoch ist anmaßende Selbstgerechtigkeit und/oder kindische Wichtigtuerei.

    Den Nutzen von Grundlagenforschung kann niemand vorhersagen. Fakt ist, dass auch die für die Grundlagenforschung entwickelten Instrumente von großem Nutzen sein können und dass viele technische Alltagsprodukte und medizinische Geräte aus dieser Forschung hervorgegangen sind. In einer freiheitlichen Gesellschaft kann man darüber diskutieren, man muss aber jedes Forschungsprojekt für sich und kompetent begründen.

  90. HP
    …aktuelle Anwendungen…
    genau das wünsche ich mir. Nicht zum 100. mal über die SRT diskutieren und wie sich der Raum krümmt, sondern praxisnahe Berichte ,etwa von der Max Planck Gesellschaft.

  91. @Bote 18/19: ähm… Sie wissen schon, dass die MPG der Grundlagenforschung verpflichtet ist? Vielleicht lieber die Fraunhofer-Gesellschaft? Wie auch immer, beide informieren allgemeinverständlich über ihre Forschung: https://www.mpg.de/de und https://www.fraunhofer.de oder z.B. im Magazin MPG Forschung. Hier im Blog geht es oft um fundamentale Fragen, die mich selbst interessieren (die 100. Diskussion über die SRT gehört freilich nicht unbedingt dazu), aber auch bei den Scilogs gibt es ja reichlich Auswahl und Blogs, die sich mit angewandteren Themen beschäftigen. Ihnen sollte allerdings klar sein, dass es z.B. ohne Transistor keinen Computer und ohne Quantenphysik keinen Transistor gegeben hätte.

  92. @ H. Päs und:

    “.. Ihnen sollte allerdings klar sein, dass es z.B. ohne Transistor keinen Computer und ohne Quantenphysik keinen Transistor gegeben hätte…” (Zitatende)

    Das provoziert mich zu der gewagten Behauptung, dass es ohne dessen Eltern keinen H.P. gegeben hätte. Und ich sinniere darüber nach, ob aus ihm unter der Voraussetzung ander Elternteile nicht nur ein begabter Wissenschaftler, sondern zusätzlich vielleicht ein neuer Mozart geworden wäre. Was man sich so alles ausdenken kann!
    Darauf ein gutes neues Gutjahr!

  93. Heinrich Päs
    Die Frauenhofergesellschaft hatte ich gemeint. Die hatten 2000 ein Jahrbuch herausgebracht mit allen aktuellen Forschungsergebnissen, vom Klebstoff bis zum Rasterelektronenmikroskop. Dieses Buch hatte bei mir einen Ehrenplatz, weil hier in verständlicher Sprache in Kombination mit wissenschaftlichen Feinheiten berichtet wird.
    Gibt es da schon wieder ein neues Jahrbuch?
    Anmerkung: Da Sie im benachbarten Blog auch über Bücher sprechen, so ein Jahrbuch ist auf jeden Fall empfehlenswert.
    Ein gesundes Jahr 2019

  94. @ Schleim
    Es macht den Eindruck, dass Sie eher Fragen, “was Bedeutung ist” und wie sie entsteht. Darauf aufbauend in Anlehnung an Noam Chomsky, ob es so etwas wie eine “Grammatik der Bedeutungen” gibt. Ich denke schon. Aber dafür reichen unsere Sprachen( Bedeutungen hinter den Wörtern) nicht, da sie zu wenig ausdifferenziert sind und vieles noch “doppeldeutig” ist. Wir müssten neue Wörter mit jeweils nur einer Bedeutung erfinden.

  95. Es sind schöne, Herz erwärmende Gedanken, die oben niedergelegt werden. Besonders der Mythos von Persephone in der Unterwelt zur Erklärung der Jahreszeiten ist eindrucksvoll. Er ist die griechische Variante des ursprünglich sumerischen Mythos von Inanna (~ Persephone) & Ereschkigal (~ Hades).
    Aber ich finde, dass Platon zu Unrecht so hoch auf ein Podest gestellt wird. Hier möchte ich mal die andere Seite diese “Giganten” darstellen:
    Platons Ansicht eines idealen Staates ist in seinem Werk Politeia auseinandergesetzt, und von den Nomoi bekräftigt und/oder modifiziert. Als Vorbild dient ihm der spartanische Staat, dessen Klasseneinteilung er vereinfacht:
    1. Oberste Kaste bilden die Regierungsmitglieder
    2. die besonders wichtige Kaste der Krieger
    3. die Kaste der Arbeiter
    Die Regierungsmitglieder der ersten Kaste werden nur aus der zweiten Kriegerkaste unter Aufsicht der Obrigkeit rekrutiert. Die Mitglieder der beiden oberen Kasten sind gesetzlich von jeder Erwerbstätigkeit befreit, die dritte Kaste ist notwendigerweise erforderlich, um die beiden obigen zu versorgen. Nach Platon sollen Könige zu Philosophen werden (und umgekehrt) und die Philosophie, die hier grundgelegt wird, ist natürlich die platonische Philosophie, jegliche Konkurrenz wird unterdrückt und Platon allein bestimmt, was das Gute und das Gerechte ist.
    Die Ansichten, die Platons Kriegerkaste charakterisieren, lesen sich wie das interne Parteiprogramm der NSDAP :
    1. Sie wird ausschließlich von Männern gebildet
    2. Frauen sind nicht gleichberechtigt; ihre einzige Funktion ist durch Gebären für Nachschub zu sorgen.
    3. Es gibt kein Privateigentum, sondern nur Gemeineigentum, das stets nur von der Kriegerkaste aufgefüllt wird.
    4. Es gibt keinen Privathaushalt, sondern nur Kasernen mit gemeinschaftlichen Wohn- und Schlafräumen für alle Männer, Frauen und Kinder mit gemeinschaftlicher Verpflegung (ständige Kriegsbereitschaft).
    5. Es gibt keine Privatehe, sondern „alle Weiber sind allen Männern gemeinsam.“ Nachkommen werden der Zuchtwahl unterworfen: der Gesetzgeber wählt die Frauen und Männer aus, welche nach bestimmten männlich-kriegerischen Kriterien Kinder zeugen dürfen.
    6. Alle tauglichen Kinder gehören dem Staat; es gibt keine individuelle Mutter- oder Vaterschaft; untaugliche Kinder werden vernichtet; die Aufzucht erfolgt in staatlichen Erziehungsheimen; Kleinkinder werden in Säugehäusern von den Frauen versorgt.
    7. Frauen haben vom 20. bis zum 40. Lebensjahr dem Staat Kinder zu gebären;
    8. Männer haben vom 30. bis zum 55. Lebensjahr dem Staat Kinder zu zeugen.
    9. Der Geschlechtsverkehr hat nur die Funktion, Kinder zu produzieren und unterliegt der staatlichen Aufsicht; unerlaubte Sexualität ist verboten und wird mit Prügelstrafe sanktioniert.
    10. Literatur unterliegt strengster obrigkeitlicher Zensur; erlaubt ist das, was der Verbreitung platonischer Welterklärung und Staatslehre dient, alles andere ist verboten und wird verfolgt.
    Einen derartig totalitären Staat gab es nicht mal bei Stalin, Hitler oder Pol Pot!

  96. @Sargon:

    2. die besonders wichtige Kaste der Krieger

    So wichtig ist die Kaste der Krieger nun auch wieder nicht. Die kann man getrost alle abschlach…. okay, vergiss es. 😆

    Wir schreiben das Jahr 2040. Die Umweltbedingungen auf der Erde haben sich dramatisch verschlechtert. In den ehemaligen westlichen Industrieländern regieren radikale Öko-Räte. Es besteht Reise- und Bauverbot. Privatmedien gibt es nicht mehr, als Informationsquelle dient das Staatsarchiv. Vegetarische Grundnahrungsmittel, Einheitskleidung und Wohnraum stellt der Staat. Geld ist abgeschafft. Jeder Bürger zwischen 18 und 55 ist verpflichtet, seine Arbeitskraft in den ökologischen Neuaufbau zu investieren. Eine verhaltensmanipulierte Armee sorgt für die Einhaltung der zwölf Grundgesetze. In von der Außenwelt abgeschotteten Stadtlagern werden Gesetzesbrecher und Seuchenkranke konzentriert. Gleichzeitig stellt der Staat seinen Bürgern frei, in Meditationskommunen zu leben, wo unter Anleitung spiritueller Lehrer der Versuch unternommen wird, den Menschen mit der Natur zu versöhnen.
    (GO! Die Öko-Diktatur von Dirk C. Fleck)

    Schon übel, wenn einen die Natur früher oder später in eine Diktatur zwingt. Sie fängt ja jezt schon damit an oder besser gesagt: Die Natur kannte nie eine Demokratie.

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