Planetarium von 1280 (Peking)

Anlässlich des Starts der Centennial Celebrations des Projektionsplanetariums hatte ich letztes Jahr im Oktober bis November ein kleines Bloggewitter über verschiedene Planetariumsvorläufer veranstaltet. Im Wesentlichen handelt sich um begehbare Globen der Frühen Neuzeit, insbesondere

Über die Vorgeschichte dieser Apparate lässt sich viel spekulieren, aber erhalten sind aus früheren Zeiten nur wenige Hinweise und Artefakte. Es ist z.B. in den Chroniken dokumentiert, dass die Idee für den Gottorfer Globus aus Persien stammt. Der Baumeister des Globus hat in jüngeren Jahren eine Reise dorthin unternommen und ihm wurde erzählt, dass es dort früher einen gläsernen begehbaren Globus gegeben haben soll. Diese Idee hat ihn beflügelt und zu eigenen Bauplänen inspiriert. 

Unklar ist zwar, ob es diesen Globus in Persien je gegeben hat und wenn ja, dann wann (die Königsangabe würde auf 1.5 Jahrtausende früher, also Spätantike, verweisen). Dass Menschen sich zu jeder Zeit Bilder des Himmels erschaffen haben, wird an der Himmelsscheibe von Nebra deutlich, die überwiegend auf “vor 1600 BCE” datiert wird und ein schematisches Bild des Himmels zeigt. 

Griechische Antike

Der griechische Antikythera-Mechanismus mag ein Vorläufer eines Geräts zur Berechnung von Planetenpositionen überliefern und sicher ist auch, dass antike Globen der großen Astronomen (z.B. Hipparch von Nicäa und Ptolemäus von Alexandria) als Rechenmaschinen entworfen und gebaut worden sind: sie dienten als eine Art “Analog-Computer” und keineswegs nur als Anschauungsobjekte. In meiner wissenschaftlichen Arbeit habe ich diese Globen digital rekonstruiert. 

links: Hipparchs, rechts: Ptolemäus’ Himmelsglobus, digital rekonstruiert nach antiker Bauanleitung.

China 1280 

In Peking ist aber ein begehbarer Globus erhalten, der deutlich früher datiert als die neuzeitlichen europäischen Globen und somit eine zeitliche Lücke füllt. Er wurde von dem Baumeister Guo Shoujing (1231 – 1316 CE) der Yuan-Dynastie entworfen und gebaut und gestaltet sich als ein Globus, in dem der Beobachter auf einer kleinen Plattform steht. Die Sterne sind als Löcher in der Globuswand modelliert, so dass – wie beim Weigel-Globus – das Tageslicht den Sternhimmel malt.   

Der begehbare Globus von Guo Shoujing (von außen)
Der Globus von innen.
Fantasieportrait des Baumeisters

Im alten Observatorium Peking, das überwiegend für die Instrumente der Frühen Neuzeit (also der Jesuiten im 17. und 18. Jh.) bekannt ist, befindet sich in der Freilicht-Ausstellung auch dieser historische Globus. Er wurde gebaut, bevor (oder etwa als) Marco Polo als erster Europäer in China die Kultur dokumentierte und das detaillierte Wissen über die ostasiatische Geographie und andere Wissenschaften nach Europa brachte.  

Auch dieser Globus soll durch einen Wasserantrieb drehbar gewesen sein, was zeigt, dass diese Idee sicher auch schon von anderen Menschen umgesetzt worden ist, bevor die Europäer des Barock einen Faible für technische Spielzeuge entwickelten. 

Chinesischer Riesenglobus der Neuzeit

Das chinesische “Planetarium” von 1280 ist auch sicher nicht der letzte Meilenstein in der Entwicklung der Astronomie in China. Auf dem Dach des Gebäudes in der alten Stadtmauer von Peking, also wo die Astronomen der Neuzeit ihre Beobachtungen anstellten, gibt es nicht nur von Jesuiten inspirierte Instrumente der Positionsastronomie – einen äquatoriale und eine ekliptikale Armillarsphäre, einen Riesensextanten, horizontale Quadranten etc. – sondern auch einen Riesenglobus, auf dem eindeutig die chinesischen Sternbilder verzeichnet sind. Er datiert relativ spät (um 1780) und zeigt daher einen Stand, als die chinesische Sternkarte bereits von den europäischen Gelehrten im Austausch beeinflusst worden war. Allerdings ist in den Schriften bezeugt, dass dieser Globus auch präjesuitische Vorläufer hatte. 

chin. Riesenglobus (Neuzeit)
chin. Armillarsphäre (Neuzeit, hist. Vorlage)

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als (Kultur)Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Die einleitenden Verse beschreiben eine Grundstruktur in ihrem Denken und Agieren: Physik ist eine Grundlagenwissenschaft, die datenbasiert und mit dem Erkenntnisapparat der Logik ein Verständnis der Natur zu erlangen bestrebt ist. Es gibt allerdings auch Fragen der Welt, die sich der Physik entziehen (z.B. wie wir Menschen auf diesem Planeten friedlich, synergetisch und benevolent zusammenleben können) - darum ist Physik nicht die einzige Liebe der Bloggerin. Sie liebt die Weisheit und hinterfragt die Welt. Das Wort "Philosophie" ist ihr aber zu groß und das populärwissenschaftliche Verständnis davon zu schwammig, als dass sie sich damit identifizieren würde: hier geht's faktenbasiert zu. Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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