Planetarium von 1280 (Peking)
Anlässlich des Starts der Centennial Celebrations des Projektionsplanetariums hatte ich letztes Jahr im Oktober bis November ein kleines Bloggewitter über verschiedene Planetariumsvorläufer veranstaltet. Im Wesentlichen handelt sich um begehbare Globen der Frühen Neuzeit, insbesondere
- der Gottorfer Riesenglobus (1660er), der mit einem Wasserantrieb drehbar gelagert war und dessen aufgesteckte Metallsterne vom Kerzenschein beleuchtet wurden,
- der Weigelsche Pankosmus (1660er), der ein Metallglobus war, in den Löcher gepiekt waren, so dass das Sternlicht durch das Tageslicht simuliert wurde,
- große Orreries wie das Eisinga-Planetarium in Franecker, NL (1780er),
- der nicht gebaute “Newton-Kenotaph” des Architekten E. Boullée (1790er)
- … und verschiedene begehbare Riesengloben der frühen Weltausstellungen im 19. Jh.
Über die Vorgeschichte dieser Apparate lässt sich viel spekulieren, aber erhalten sind aus früheren Zeiten nur wenige Hinweise und Artefakte. Es ist z.B. in den Chroniken dokumentiert, dass die Idee für den Gottorfer Globus aus Persien stammt. Der Baumeister des Globus hat in jüngeren Jahren eine Reise dorthin unternommen und ihm wurde erzählt, dass es dort früher einen gläsernen begehbaren Globus gegeben haben soll. Diese Idee hat ihn beflügelt und zu eigenen Bauplänen inspiriert.
Unklar ist zwar, ob es diesen Globus in Persien je gegeben hat und wenn ja, dann wann (die Königsangabe würde auf 1.5 Jahrtausende früher, also Spätantike, verweisen). Dass Menschen sich zu jeder Zeit Bilder des Himmels erschaffen haben, wird an der Himmelsscheibe von Nebra deutlich, die überwiegend auf “vor 1600 BCE” datiert wird und ein schematisches Bild des Himmels zeigt.
Griechische Antike
Der griechische Antikythera-Mechanismus mag ein Vorläufer eines Geräts zur Berechnung von Planetenpositionen überliefern und sicher ist auch, dass antike Globen der großen Astronomen (z.B. Hipparch von Nicäa und Ptolemäus von Alexandria) als Rechenmaschinen entworfen und gebaut worden sind: sie dienten als eine Art “Analog-Computer” und keineswegs nur als Anschauungsobjekte. In meiner wissenschaftlichen Arbeit habe ich diese Globen digital rekonstruiert.
China 1280
In Peking ist aber ein begehbarer Globus erhalten, der deutlich früher datiert als die neuzeitlichen europäischen Globen und somit eine zeitliche Lücke füllt. Er wurde von dem Baumeister Guo Shoujing (1231 – 1316 CE) der Yuan-Dynastie entworfen und gebaut und gestaltet sich als ein Globus, in dem der Beobachter auf einer kleinen Plattform steht. Die Sterne sind als Löcher in der Globuswand modelliert, so dass – wie beim Weigel-Globus – das Tageslicht den Sternhimmel malt.
Im alten Observatorium Peking, das überwiegend für die Instrumente der Frühen Neuzeit (also der Jesuiten im 17. und 18. Jh.) bekannt ist, befindet sich in der Freilicht-Ausstellung auch dieser historische Globus. Er wurde gebaut, bevor (oder etwa als) Marco Polo als erster Europäer in China die Kultur dokumentierte und das detaillierte Wissen über die ostasiatische Geographie und andere Wissenschaften nach Europa brachte.
Auch dieser Globus soll durch einen Wasserantrieb drehbar gewesen sein, was zeigt, dass diese Idee sicher auch schon von anderen Menschen umgesetzt worden ist, bevor die Europäer des Barock einen Faible für technische Spielzeuge entwickelten.
Chinesischer Riesenglobus der Neuzeit
Das chinesische “Planetarium” von 1280 ist auch sicher nicht der letzte Meilenstein in der Entwicklung der Astronomie in China. Auf dem Dach des Gebäudes in der alten Stadtmauer von Peking, also wo die Astronomen der Neuzeit ihre Beobachtungen anstellten, gibt es nicht nur von Jesuiten inspirierte Instrumente der Positionsastronomie – einen äquatoriale und eine ekliptikale Armillarsphäre, einen Riesensextanten, horizontale Quadranten etc. – sondern auch einen Riesenglobus, auf dem eindeutig die chinesischen Sternbilder verzeichnet sind. Er datiert relativ spät (um 1780) und zeigt daher einen Stand, als die chinesische Sternkarte bereits von den europäischen Gelehrten im Austausch beeinflusst worden war. Allerdings ist in den Schriften bezeugt, dass dieser Globus auch präjesuitische Vorläufer hatte.