Das neue Bild vom EHT
Genau ein Jahrhundert, zwei Jahre, zwei Wochen und zwei Tage nach der Great Debate, bei der 1920 zwei Astronomen öffentlich die Argumente zusammentrugen, ob die “Nebel” am Himmel (z.B. M87) auch Sternansammlungen ähnlich der Milchstraße sind oder gar Bestandteile der Milchstraße, haben nun ca. 200 moderne Forschende aus neu zusammengetragenen Radiodaten sogar Bilder von den Herzen solcher Galaxien. Bereits 2019 wurde das schwarze Herz eines solchen fernen Nebels präsentiert und heute das Bild des schwarzen Herzens der Milchstraße nachgereicht. Hundert Jahre später wissen wir also nicht nur, wer in der Debatte damals recht hatte, sondern auch mehr als die beiden Kontrahenten sich damals auch nur im Entferntesten vorstellen konnte: Schwarze Löcher waren damals noch eine abstrakte Theorie von Masse-Punkten, denn nur die Schwarzschild-Löcher waren postuliert und nicht real observable Schwarze Löcher wie z.B. Kerr-Löcher oder die die Theorien von Penrose, Thorne und anderen, die noch nicht geboren waren. Heute wissen wir, dass Schwarze Löcher die Herzen der Galaxien bilden – und wir können sie sogar abbilden, d.h. bildartige Darstellungen davon zusammenrechnen.
Dies läutet ein neues Zeitalter in der Astronomie ein: Mit Radio- und Infrarot-Astronomie werden solche Abbildungen immer besser gemacht werden können, nicht nur “stills” (stehende Bilder), sondern auch motion pictures erstellt werden können. Mit Gravitationslinsen und Gravitationswellen werden immer mehr weitere Targets für diese neue Astronomie entdeckt und auf den “Speiseplan” der beobachtenden Astronomie gerückt werden.
Aktueller Anlass
Dass das Event Horizon Telescope (EHT) heute ein neues Bild veröffentlicht hat, haben Sie gewiss den Medien entnommen (ESO Live-Stream). Dass es eine Sensation ist, das man nun das erste Foto vom Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxis aufgenommen hat, das ist wohl auch jedem klar: Herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg ans EHT-Team! & DANKE, dass Sie der Welt zeigen, was man erreichen kann, wenn man zusammenarbeitet.
Schwarze Löcher sind das, was wir nicht wissen. ich habe bereits vor ~2 Jahren über das Bild vom Schwarzen Loch in M87 berichtet (wie das Bild gemacht wurde und was die Physik dazu ist) und kürzlich wieder von dem Vortrag, den Heino Falcke in Planetarien hält. Daher möchte ich heute nur kurz über die Daten philosophieren.
Wo liegt der Beobachtungsbereich
Das EHT beobachtet in einem Wellenlängenbereich, der für Menschen nicht sichtbar ist. Er liegt quasi zwischen dem Bereich von Licht und Rundfunkwellen. So ordnet er sich ins elektromagnetische Spektrum:
Licht (Regenbogen) | |||
Infrarot |
780 nm … 1 mm … |
400 THz … 300 GHz … |
Wärmestrahlung Fernbedienungen 3 Kelvin-Hintergrundstrahlung |
EHT |
3.5 mm |
86 GHz |
Schwarze Löcher |
Radiostrahlung | |||
… insbes. UKW |
|
300 … 30 MHz |
… davon Rundfunk: 87.5 bis 108 MHz … |
Amateurfunk |
30 m |
24.9 MHz |
|
Man sieht also: Die Wellenlängen des EHT sind weit jenseits dessen, was man mit Mitteln von Hobby-Astronomie erreichen kann. Sie sind in einem Bereich, der weder für Amateur-Teleskope noch Amateur-Antennen erreichbar ist. Das EHT muss also mit seinen Antennen nicht nur viele Geräte auf der Welt gleichzeitig auf das gleiche Objekt ausrichten, sondern auch in einem Bereich messen, der am besten in sehr einsamen Gegenden (z.B. auf hohen Bergen, in der Antarktis, auf Grönland …) empfangen werden kann. Satellitenteleskope dieses Typs werden gewiss auch irgendwann gebaut werden – aber so lange man auf der Erde schon bzw. noch etwas messen kann, wird man das natürlich weiterhin probieren.
Der didaktische Zugang führt aber bei diesem Messverfahren über Amateurfunk und dessen astronomische Anwendungen (z.B. das Hören von Sternschnuppen und Polarlichtern), mindestens ebenso wie über Interferometrie. Letztere zeigt man im Klassenzimmer am besten mit Ultraschall oder handelsüblichen Radiosendern, weil dies erstens im Gegensatz zu Laser-Experimenten ungefährlich ist und zweitens die Wellenlänge im Bereich von Zentimentern liegt, so dass das Interferenzmuster leicht (sogar für Grobmotoriker) mit einem Finger verändert werden. Das ist ein Standardversuch in vielen Physik-Grundpraktika, wo man dabei gleich die Abtrahl-Charakteristik von Antennen, Reflexions- und Brechungsverhalten beobachten kann.
Big Data.
Die Daten, die aus dem Radioteleskop kommen, müssen mit Flugzeugen zu den Rechnern geflogen werden, an denen sie zusammengerechnet werden. Man transportiert sie nicht durchs Internet. Warum? Nun, spätestens nach einem Grundkurs Informatik kann man das ganz leicht ausrechnen (ich überschlage hier in Physikermanier im Kopf). Nehmen wir an, eine LAN-Verbindung hat eine Bandbreite von ca. 6 Gbit/s (das wäre schon ziemlich schnell: was Sie bei der Bundesnetzagentur einfordern können, weil von Telefonanbietern versprochen, liegt im Bereich von einigen hundert Mbit/s, also 10% davon) und da von der Antarktis keine LAN-Verbindung ans MIT bzw. MPI existiert (wäre mit zu hohen Leitungsverlusten behaftet), müssen wir WLAN nutzen und das hat eine Bandbreite von ca. 300 Mbit/s. Ein Peta-Byte sind ca. 10^6 Gigabyte und wir rechnen mal rund, dass ein Byte = 8 bit rund 10 bit sind. Dann braucht man für den Datentransfer der EHT-Kampagne von 2018 (5.5 PB, also rund 6*10^7 Gigabit) etwa 10^7 Sekunden (ein drittel Jahr, da ein Jahr bekanntlich pi mal zehn hoch sieben Sekunden hat) per LAN bzw. 10 Jahre per WLAN.
Sie sehen: Es geht schneller, die Daten mit dem Flugzeug zu transportieren – sogar, wenn man in der Antarktis ein halbes Jahr warten muss, bis es wieder Tag wird.
Die Datenmenge, die vom EHT pro Beobachtungskampagne generiert wird, ist ebenfalls gigantisch im Vergleich. Hier gibt’s mal eine Übersicht:
Zum Vergleich: | |
EHT-Kampagne 2017 | 3.5 PB |
EHT-Kampagne 2018 | 5.5 PB |
Gesamte Wikipedia (das Wissen der Menschheit) mit Stand vom 2. April 2022 |
820 GB (also hundert Millionstel davon!) |
… und Sie dachten, wir wüssten viel? Sie sehen, es fast nichts gegen die Datenmengen, die da draußen – im großen Ozean der Wahrheit – noch unentdeckt vor uns liegen (quote).
Wenn ich groß bin, helfe ich mit, weitere Kieselsteine darin zu entdecken.
Danke für den interessanten Artikel. Da ich selber Funkamateur bin, hat mich der Verweis darauf doch verwundert.
Im Amateurfunk werden Reflektionen an Polarlichter (Aurora) oder Sternschnuppen (Meteor-Scatter) beobachtet. Dazu braucht man wie gesagt Sender und Empfänger.
Dies findet aber im Bereich oberer Kurzwelle und VHF (Aurora) und VHF (Meteor) statt. Bei dem in dem Link gezeigten Empfänger habe ich meine Zweifel, ob man die Polarlichter oder Sternschnuppen wirklich hören kann. Ich selber habe sogar “zufällig” Aurora in den 90ern beobachtet.
Hier meine Beschreibung:
Eines Tages hatte ich auf den “unteren” Frequenzen (14 MHz) wenig Stationen gehört, was selten vorkam. Aber auf 28 MHz hörte ich Stationen, die recht seltsam klangen. Die “Morsesignale” (A1A) waren keine reinen Töne sondern klangen “verrauscht” . Dasselbe bei SSB. Auch auf 155 MHz konnte ich Signale aus Schottland (Damals lebte ich in Hamburg) empfangen. Da war dieses “Rauschen” noch stärker. Vermutlich spielt dabei der Dopplereffekt eine Rolle.
Meteor-Scatter habe ich selber nicht betrieben. Dies ist schon eine schwierige Angelegenheit. Und es sind Reflexionen der Funkwellen an den ionisierten Gasen, für die man natürlich einen Sender braucht, um sie festzustellen.
Gruß
Rudi Knoth
naja, ich habe mal Sternschnuppen “knattern” hören und ich habe diese Experimente immer mal wieder meinen Physik-Lehramt-Studis vorgeschlagen (damals, vor ~10 Jahren), weil es schon als Freihandexperiment geht. Wie viel das aber wirklich gemacht wird, weiß ich nicht.
Nun gut eventuell habe ich dies dies besonders wahrgenommen. Dies hat wohl zei Gründe:
1. Ich betrachtete dieses “Knattern” eher als Störgeräusch, weil ich ja auf Stimmen oder “Gepiepse” konzentriert war.
2. Bei den Empfängern, die ich auf Kurzwelle benutze, hat man immer Filter drin, die im Vergleich zu der im Link dargestellten Schaltung recht schmalbandig sind.
Offensichtlich haben wir einfach unterschiedliche Sichtweisen auf das Thema Amateurfunk.
Gruß
Rudi Knoth
PS: Mein Rufzeichen ist DL9HCR
Das (Zitat) neue Bild vom EHT ist also gemäss der Darstellung hier Ausdruck einer Forschung und Technologie an den Grenzen des heute möglichen. Und ja, diese Grenzen liegen auch an den Grenzen des Vorstellbaren, sie liegen quasi am Ereignishorizont dessen was Menschen in dieser Welt momentan erreichen können. Dazu gehört ein virtuelles Teleskop mit den Abmessungen des ganzen Planeten Erde und es gehören Datenmengen dazu, die an Unvorstellbarkeit sogar den mit Goldstücken gefüllten Swimmingpool von Donald Ducks Onkel in den Schatten stellen.
Es gibt/gab ja Leute, die die Wissenschaft der Entzauberung unserer Welt anklagen. Und Ja, das stimmt bis zu einem gewissen Grade: Feen und Hobbits haben ihren Dienst getan. Aber anstelle von Feen und Hobbits, die sich nicht an die Regeln und Begrenzungen der Menschenwelt halten müssen, kommen wir Heutigen nun in den Bereich von real existierenden Übergangszonen, die zugleich das momentan zu Verstehende übersteigen, die schon fast jenseits des Horizonts selbst der Besten unter uns liegen.
Ereignishorizonte, aber auch noch im Dunklen sich verbergende Elementarteilchen und die Apparate, die ihrer Untersuchung dienen sind quasi die Quintessenzen und Kathedralen des 21. und der folgenden Jahrhunderte. Sie entsprechen den Blauen Blumen der Romantiker (Zitat Wikipedia: „ Die blaue Blume ist ein zentrales Symbol der Romantik. Sie steht für Sehnsucht und Liebe und für das metaphysische Streben nach dem Unendlichen. “).
Es ist also auch im 21. Jahrhundert noch möglich, alle neugierigen Menschen, vom Kind bis zur Greisin mit dem zu faszinieren und zu verzaubern, was einerseits Stoff der Wissenschaft und Technologie ist, was aber andererseits Wissenschaft und Technologie nur schemenhaft abbilden können (wie jetzt mit dem EHT) und hinter dem sich womöglich noch viel Tieferes verbirgt.
Wir schauen ja eher von der Seite auf das SL, müssten wir da nicht ein helles Oval sehen, statt eines Loches. Wie ein Donut von der Seite?
bitte lesen Sie meinen Blog-Post von 2020 (verlinkt): Dort habe ich ausführlich erklärt, dass das Licht von “hinter” dem Loch durch den Gravitationslinseneffekt in Wahrheit _über_ dem Loch ge”sehen” wird. Darum wird es immer ein Donut sein – egal, wie orientiert.
Danke. Stimmt ist hochgradig von relativistischen Effekten betroffen.
Wenn ich noch eine andere Frage in diesem Zusammenhang stellen darf, die mich schon länger beschäftigt?
Für die Materie am Ereignishorizont gilt ja das gleiche. Je höher die Gravitation zum EH je mehr wird die Zeit gedehnt, quasi bis zum Zeitstillstand. Jedenfalls aus unerer Sicht. Müsste man dann sagen das die Materie da quasi festhängt bis in die Unendlichkeit? Die ganze gesammelte Materie wäre gar nicht im Loch sondern ausserhalb.
Aus Sicht der Materie selbst, wird sie in das SL fallen nach diversen Umkreisungen. Allerdings müsen wir die Sache von unserem Standpunkt betrachten, wenn wir fragen wo sich die Materie befindet.?
Wenn ich das richtig verstanden habe,
dann müssen die Messungen auf weniger als
0,0013 m / 299792458 m/s =
4,336 mal 10 hoch minus 12 Sekunden
synchronisiert werden, um eine
konstruktive Interferenz zu errechnen.
Ich will nur mal “sagen”, daß im edge-Browser die Formatierung der Tabelle nicht funktioniert,
in anderen geht es 😉