Sprache ist mehr als Sprechen: Eine kognitionswissenschaftliche Betrachtung

So unterschiedlich die mehr als 7000 Sprachen der Welt auf den ersten Blick erscheinen, so sehr vereint sie eines: Alle folgen grammatikalischen Regeln, die Wörter zu Sätzen zusammensetzen. Egal, ob gesprochen, geschrieben oder gebärdet wird. Woher kommt diese Vielfalt an Sprachen? Und warum ist unsere Sprach­fähigkeit nicht an eine bestimme Form gebunden? Eine kognitions­­wissen­­schaft­liche Betrachtung.

von Patrick C. Trettenbrein & Emiliano Zaccarella

Wenn man umgangssprachlich von „Sprache“ spricht, haben die meisten eine klare Vorstellung davon, was das ist: „Sprache“ ist ein Mittel zur Kommunikation, das was gesprochen oder geschrieben wird. Kognitionswissenschaftler verstehen unter „Sprache“ hingegen meistens etwas anders: Sie sehen Sprache als die universelle Fähigkeit des Menschen, Sprache zu erwerben und zu verwenden – eines der wichtigsten Merkmale, das uns von anderen Tieren unterscheidet. Und diese Fähigkeit ist keineswegs auf Laut- oder Schriftsprache beschränkt.

Sprache ist nicht nur etwas Kulturelles, sondern vor allem etwas Biologisches

Trotz der über 7000 verschiedenen Sprachen weltweit ist die Sprachfähigkeit universell: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass sich die kognitiven und neurobiologischen Voraussetzungen für den Erwerb der unterschiedlichen Sprachen der Welt innerhalb der Weltbevölkerung unterscheiden. Das heißt, ein aus Papua-Neuguinea adoptiertes Kleinkind, das in Hannover bei Adoptiveltern in einem deutschsprachigen Umfeld aufwächst, erwirbt mehr oder weniger automatisch und problemlos das lokal typische Hannoveraner Deutsch. Und umgekehrt. Ein adoptiertes Kind aus Deutschland, das in Papua-Neuginea aufwächst, würde ebenso problemlos und automatisch mindestens eine oder wahrscheinlich sogar gleichzeitig mehrere der dortigen Landessprachen erwerben.

Alle Menschen verfügen von Geburt an über eine Art „neurokognitiven Werkzeugkoffer“, den die verschiedenen Sprachen der Welt dann auf unterschiedliche Weise nutzen. Dieser „Werkzeugkoffer“ befindet sich hauptsächlich im Sprachnetzwerk in der linken Hälfte des Gehirns. Verarbeitet man nun eine sogenannte Tonsprache wie etwa Mandarin, eine Varietät des Chinesischen, werden die Ressourcen des „neurokognitiven Werkzeugkoffers“ etwas anders genutzt als bei einer indogermanischen Sprache. Jeder Mensch kann also prinzipiell jede Sprache der Welt erwerben beziehungsweise erlernen. Hierfür folgen unsere Fähigkeiten einem evolutionär vorgegebenen entwicklungsbiologischen Programm, welches dafür sorgt, dass der Spracherwerb im Kindesalter weitestgehend vollautomatisch vonstattengeht. Im Erwachsenenalter bedeutet das Erlernen einer neuen Sprache hingegen meist erheblichen Aufwand. Grund dafür ist der natürliche Reifungsprozess des menschlichen Gehirns: Bis zur Pubertät entwickelt sich das Sprachnetzwerk in der linken Hirnhälfte und weist somit eine erhebliche Flexibilität auf, die sogenannte neuronale Plastizität. Mit zunehmendem Alter nimmt diese stark ab.

Wörter kann man immer lernen, Grammatik nur bedingt

Doch dieses entwicklungsbiologische Programm wirkt sich nicht auf alle Aspekte unserer Sprachfähigkeit gleichermaßen aus: Neue Wörter lassen sich ein Leben lang gut lernen. Für die Fähigkeit aus den sprachlichen Signalen in seiner Umgebung nicht nur Regelmäßigkeiten, sondern automatisch auch grammatikalische Regeln abzuleiten gibt es jedoch ein engeres Zeitfenster. Die Spracherwerbsforschung und dokumentierte Fälle von sogenannten „Wolfskindern“ zeigen, dass die Fähigkeit automatisch grammatikalische Regelmäßigkeit aus sprachlichem Input abzuleiten nach dem Ende der sogenannten „kritischen Phase“ für den Spracherwerb nur noch rudimentär vorhanden ist. Das dokumentiert der tragische Fall von Genie, einer Amerikanerin, die in ihrer Kindheit schwer vernachlässigt und sozial isoliert wurde. Der Nicht-Erwerb der grammatikalischen Regeln einer Erstsprache innerhalb dieser frühen Phase des Lebens zieht irreversible Folgen nach sich: Obwohl sich Genies Sprachfähigkeiten nach ihrer Rettung durchaus entwickelten und sie viele neue Wörter lernte, produzierte sie Zeit ihres Lebens nur relativ kurze Sätze und hatte Probleme mit grammatikalisch komplexen Konstruktionen.

Doch was passiert, wenn ein Kind zum Beispiel taub geboren wird und somit keinen unmittelbaren Zugang zur Lautsprache hat? Wie bekommt es dann den notwendigen sprachlichen Input? Die Forschung zeigt: Das Wesentliche für den Spracherwerb und die normale Ausbildung des Sprachnetzwerks im Gehirn ist keineswegs das gesprochene Wort. Wichtiger ist, dass Kinder überhaupt sprachlichen Input bekommen – die Form der Sprache ist dabei egal. Das heißt, es macht keinen Unterschied, ob gehörlose Kinder eine Gebärdensprache und hörende Kinder eine Lautsprache als jeweilige Erstsprache erwerben. Dies bestätigt wiederum eine andere wesentliche Erkenntnis der kognitionswissenschaftlichen Forschung seit den 1960er Jahren: Die Einsicht, dass die verschiedenen Gebärdensprachen der Welt vollwertige und eigenständige Sprachen mit eigenem Vokabular und eigener Grammatik sind. Wichtig ist lediglich, dass sich durch den Erstspracherwerb das Sprachnetzwerk ausbildet. Dann ist es auch später im Leben – wenn auch mit etwas Mehraufwand – möglich, Fremdsprachen zu erlernen. Denn alle erforderlichen Teile des „neurokognitiven Werkzeugkoffers“ sind ausgereift und in Verwendung.

Dem Gehirn ist egal, ob Sprache gesprochen, geschrieben oder gebärdet wird

Die neurobiologische Forschung zur Gebärdensprache zeigt, dass diese prinzipiell im selben Netzwerk in der linken Hälfte des menschlichen Gehirns verarbeitet wird wie Laut- und Schriftsprache. In einer Meta-Analyse von Studien mit bildgebenden Verfahren konnten wir dies unlängst bestätigen. Beim Sprachnetzwerk handelt es sich somit um ein Netzwerk, das hauptsächlich sprachliche Informationen wie Grammatik oder Bedeutung verarbeitet. Diese sprachlichen Informationen sind prinzipiell abstrakt und in jeder einzelnen Laut- und Gebärdensprache anders. Die Sprachen der Welt unterscheiden sich ja im Hinblick auf das Vokabular und die Grammatik. Folglich scheint das menschliche Gehirn über ein Netzwerk in der linken Hirnhälfte zu verfügen, welches hauptsächlich diese abstrakten Informationen und Regelmäßigkeiten verarbeitet und uns hilft, einzelne Gebärden oder Wörter zu Sätzen zusammenzubauen. Einzelfallstudien von gehörlosen Erwachsenen, die weitestgehend isoliert und mit nur minimalem lautsprachlichem Input aufgewachsen sind und dann erst im Erwachsenenalter eine Gebärdensprache erlernt haben, zeigen zudem: Fehlt im Kindesalter der sprachliche Input, so haben die Erwachsenen später Probleme mit komplexen Sätzen, denn das Sprachnetzwerk in der linken Hirnhälfte scheint nicht ausreichend ausgebildet zu sein.

Ein weiteres Teil in diesem Puzzle liefern schlussendlich Daten von Menschen die gehörlos und blind sind. Ein bekanntes Beispiel ist die Schriftstellerin Helen Keller, welche in der frühen Kindheit wegen einer Krankheit sowohl das Gehör als auch das Augenlicht verloren hatte. Das hinderte sie allerdings nicht daran, mit Hilfe der sogenannten Tadoma-Methode, die englische Lautsprache zu erwerben. Dabei wird zum Beispiel eine Hand des taubblinden Menschen auf dem Gesicht des Sprechers platziert, um die artikulierten Laute zu ertasten. Untersuchungen ergaben, dass selbst diese Form des indirekten lautsprachlichen Inputs mit einem regulären Spracherwerb einhergeht. Aktuellere Untersuchungen zeigen, dass taubblinde Menschen eine Form der Gebärdensprache bevorzugen, bei der das Gegenüber die Bewegungen der Hände im Raum ertastet. Diese sogenannten taktilen Gebärdensprachen basieren häufig auf den lokalen Gebärdensprachen des jeweiligen Landes oder der Region. Von Taubblinden werden diese in der Regel so angepasst, dass rein visuell wahrnehmbare Aspekte von Gebärden, wie zum Beispiel das Hochziehen der Augenbrauen während eines Fragesatzes, durch Signale ersetzt werden, die auch über den Tastsinn wahrnehmbar sind. Interessanterweise folgen diese Anpassungen auch grammatikalischen Regelmäßigkeiten.

Warum gibt es denn überhaupt so viele verschiedene Sprachen?

Obwohl Sprache natürlich auch ein Mittel zur Kommunikation ist, so bildet den Kern der menschlichen Sprachfähigkeit offenbar die Möglichkeit abstrakte Symbole, egal ob Wörter oder Gebärden, anhand von grammatikalischen Regeln zu neuen komplexeren Repräsentationen zusammenzusetzen. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachen (Englisch vs. Chinesisch), und den Modalitäten (Laut- vs. Gebärdensprache), erklären sich daraus, dass es sich bei der Sprachfähigkeit um ein evolutionär sehr junges Merkmal unserer Spezies handelt: Die Fähigkeit, komplexe grammatikalische Strukturen zu bilden, hat somit in erster Linie dazu geführt unserer Spezies eine artspezifische Denkweise zu ermöglichen, die wir als spezifisch „sprachlich“ bezeichnen können. In welcher Verbindung diese komplexen, anhand von Grammatik generierten Strukturen zur internen Struktur unseres nicht-sprachlichen Denkens stehen, ist eine offene Frage. Die Diversität der Sprachen der Welt und vor allem die Existenz von Gebärdensprachen deuten darauf hin, dass in der Biologie des Menschen die Form, in der wir unsere Sprachfähigkeit zum Ausdruck bringen, schlicht nicht zwingend festgelegt ist. Verschiedene Sprachen verwenden den universellen „neurokognitiven Werkzeugkoffer“ also auf unterschiedliche Art und Weise.

Wir sind keine sprechende, sondern eine sprachbegabte Spezies

Wir sind im Kern also eine sprachbegabte Spezies, deren Gehirn darauf spezialisiert ist, abstrakte Relationen zwischen einzelnen Wörtern oder Gebärden herzustellen, um sie in Sätzen zu verbinden. Dies passiert primär im Sprachnetzwerk in der linken Hirnhälfte. Die Details der grammatikalischen Regeln sind in jeder Sprache anders und somit biologisch nur indirekt festgelegt und weitestgehend zufällig, beziehungsweise folgen sie historischen Mustern. Wichtig für die normale Ausbildung des Sprachnetzwerks ist einerseits die angeborene Sprachfähigkeit und andererseits der Input im Kindesalter. Die Form von Sprache ist dabei zweitrangig – was auf die durch und durch abstrakte Natur unserer Sprachfähigkeit hindeutet.


Aufruf: Wenn Sie unsere Forschung zur Gebärdensprache unterstützen möchten, können Sie sich hier als Teilnehmer bewerben.

Patrick C. Trettenbrein hat Linguistik, Philosophie und Psychologie in Graz und London studiert. Aktuell ist er Doktorand in der Abteilung für Neuropsychologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Derzeit konzentriert sich seine Forschung auf die Modalitäts(un-)abhängigkeit von sprachlichen Prozessen. Anders gesagt, er fragt nicht: „Warum können (nur) Menschen sprechen?“ Stattdessen untersucht er die menschliche Sprachfähigkeit als eine artspezifische Denkweise. Dafür führt er vor allem Studien zur Gebärdensprache durch.   •  •  •  •  •   Emiliano Zaccarella hat Kommunikationswissenschafen und Linguistik in Siena (Italien) und Edinburgh (Schottland) studiert und danach im Rahmen der Berlin School of Mind and Brain an der Universität Potsdam im Fach Kognitionswissenschaften promoviert. Derzeit ist er Gruppenleiter in der Abteilung für Neuropsychologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. In seiner Forschung beschäftigt er sich in zahlreichen interdisziplinären Projekten und Kooperationen hauptsächlich mit der Frage, nach welchen Prinzipien das menschliche Gehirn auditorische und visuelle sprachliche Signale in diskrete Kategorien abstrahiert. Gemeinsam mit Patrick forscht er hierfür auch zur Gebärdensprache.

70 Kommentare

  1. Vielleicht könnte man sich das so vorstellen: Ein sprachlicher Begriff ist ein Abstraktum, in dem alle Elemente einer Gegenstandsklasse (z.B. Baum) gesellschaftlich vergegenständlicht sind. Ebenso überlagern sich alle Muster von Bäumen im Gehirn im Sinne einer Extrapolation, die mit dem Begriff (Baum) assoziiert oder besser codiert wird. Es wäre so etwas wie ein Impulsmuster, das die wesentlichen Merkmale (aller Bäume) enthält. Diese Extrapolation wäre allen zentralnervösen Lebewesen gemein, allerdings auf, im Gegensatz zum Menschen, ‘einfachem’ Niveau, da diese Extrapolationen durch (abstrakte) Sprache erst extrem unterstützt wird (und genetisch niedergelegt ist). Diese Fähigkeit zur Abstraktion bei Tier und (insbesondere) Mensch beinhaltet die Tatsache, dass aus chaotischen sensorischen Reizen strukturiertes Denken und somit Bewusstsein wird. Es ist, wenn man so will, der Zwang zur grobkörnigen Reizverarbeitung (im Sinne der Ressourcenschonung), der zur neurophysiologischen Abstraktion führt. Es sind also physiologische funktionelle Metastrukturen, die uns den Eindruck vermitteln, als wäre unser Bewusstsein eine eigene, losgelöste Welt der Gedanken. Denn wir sind ja in der Lage, unendlich viele Begriffskombinationen zu erfinden und damit diese Gedankenwelt als eigene (Fantasie-) Welt zu entwickeln.

    • Hmja :

      Vielleicht könnte man sich das so vorstellen: Ein sprachlicher Begriff ist ein Abstraktum, in dem alle Elemente einer Gegenstandsklasse (z.B. Baum) gesellschaftlich vergegenständlicht sind. [Kommentatorenfreund Herr Wolfgang Stegemann]

      Im empiristischen Sinne geht es so :

      -> ‘Der Ausdruck Empirismus wird bei Klassifikationen erkenntnistheoretischer Ansätze für Theorien verwendet, denen zufolge Wissen, verstanden als gerechtfertigte wahre Erkenntnis, zuerst oder ausschließlich auf Sinneserfahrung beruht (einschließlich der Verwendung wissenschaftlicher Instrumente).’ [Quelle, d-sprachig]

      Insofern bemüht sich der hier gemeinte Homonide um Kategorisierung und sprachliche Kennzeichnung – Prozesse, die in der Natur (das, was gegeben, das, was entstanden ist, ist gemeint) taugen insofern zur Verbenbildung.

      Das erkennende Subkjekt erkennt also Gegenstände, so wie das Subjekt Objekte erkennt, in anderer Sprache, diesmal im : Latein, und Veränderung, die lateinisch das Procedere meint.

      Das ist und war, wie einige meinen, schon recht pfiffig, die Welt meinend, auch trefflich formuliert, sprachlich in Form, eben Sprache, gebracht.

      Denkbarerweise, Dr. Webbaer mag diese Möglichkeit, ist es so, wie Sie, lieber Herr Wolfgang Stegemann, schreiben :

      -> ‘Es ist, wenn man so will, der Zwang zur grobkörnigen Reizverarbeitung (im Sinne der Ressourcenschonung), der zur neurophysiologischen Abstraktion führt. Es sind also physiologische funktionelle Metastrukturen, die uns den Eindruck vermitteln, als wäre unser Bewusstsein eine eigene, losgelöste Welt der Gedanken.’ [Ihre Nachricht, vely schlau, wie einige finden]

      MFG + erfolgreiches neues Jahr
      Dr. Webbaer

    • Ob ein Tier nicht weiss was ein Baum ist, ja ich meine auch die Gegenstandsklasse, finde ich fraglich. Sprache dient der Kommunikation. Erhöht Sprache auch “extrem” die Abstraktion? Dazu sind mir keine Untersuchungen bekannt. Was mir bekannt ist je mehr Untersuchungen je weiter schmilzt der Abstand Tier – Mensch.

      • Tier und Mensch ‘denken’ gleichermaßen elektrochemisch und bilden mittels der Grobkörnigkeit Metastrukturen, also Bewusstsein (so jedenfalls mein Modell, dem man folgen kann oder nicht). Der Unterschied besteht m.E. darin, dass der Mensch durch seine elaborierte Sprachfähigkeit die Möglichkeiten dramatisch erweitert, ‘geistige’ Produkte aller Art herzustellen, die er kulturell speichern und damit weitergeben kann.
        Als artspezifisch übergreifende Intelligenz würde ich das Verhältnis bezeichnen aus der Gesamtmenge der intergierten Information (Tononi) und derjenigen des ICH (als steuernde Metastruktur). Damit wäre Intelligenz ein relativer Begriff, der sich nicht nur auf den Menschen bezieht.

      • Das Tier weiß nicht, was ein Baum ist, weil es keine Begriffe kennt, die es untereinander austauschen, kommunizieren kann.
        Das Tier weiß auch nicht, was ‘wissen’ ist und was ein ‘Begriff’ ist.

        Ansonsten, dies ist gut möglich, geht es mit einem Baum, aus humaner Sicht so genannt, vielleicht wesentlich zielgerichteter, also eigenen Interessen folgend besser um als ein Mensch, der den Begriff ‘Baum’ kennt – so könnte sein, nicht wahr?

        Der “Abstand Mensch-Tier” ist insofern groß, da ‘schmilzt’ auch nichts, aus anthropologischer und humanistischer Sicht.

  2. Ein richtig spannendes Thema
    ergänzend dazu “Dem Gehirn ist egal, ob Sprache gesprochen, geschrieben oder gebärdet wird”
    Als ehemaliger Lehrer weiß ich, dass die meisten Kinder sich die geschriebene Sprache optisch einprägen. Sie merken sich die Wortbilder. Etwa 3/4 aller Schüler und Schülerinnen gehören diesem Typ an. Praktische Folgen hat das beim Lesenlernen gefunden, die Wörter werden weder in Buchstaben noch in Silben zerlegt, es reicht das Wortbild. Die Methode nennt sich Ganzheitsmethode. Etwa 10 % der Kinder haben ein akustisches Gedächtnis, sie lesen nach Silben und hören die Silben im Kopf, man kann das beobachten wenn Schulanfänger sich die Worte laut vorlesen.
    Es gibt auch noch die habtischen Typen, die merken sich die Worte wenn sie sie schreiben. Die prägen sich die richtige Schreibweise eines Wortes ein, indem sie das Wort schreiben. Die haben später Vorteile bei der Benützung von Computern wenn sie die 10-Finger-Blind Schreibweise beherrschen.

    Beim erlernen einer Sprache ist es am besten, wenn man optisch, akustisch und habtisch aktiv bleibt. Die Südländer sprechen gern mit den Händen. Das prägt sich für das Gegenüber besonders gut ein, und wenn man dann noch entsprechende Gesten macht, das vergisst man nicht. Man sollte also akzentuiert sprechen. Ich habe in Italien einmal eine Großmutter beobachtet, wie sie dem Kleinkind im Supermarkt die Nudelpackung erklärt hat. Das war nicht nur großes Theater , das war auch akustisch wie ein Musikstück mit Vorspiel, Hauptteil und einem Abschluß mit einer Gestik die das Herz erfreut.
    Leute, wenn ihr italienisch lernen wollt ,geht nach Norditalien, dort wird nicht nur gesprochen, da wird Sprache geschauspielert.

  3. Ich habe zuletzt bei SciLogs > thinky brain> predictive coding wie innere vorhersagen unser leben bestimmen darauf aufmerksam gemacht, DASS/WIE wir uns lebenslang an akustische Erlebnisse aus der Fötus-Zeit erinnern können.

    Dies bedeutet, dass die dafür notwendigen Netzwerke ( neurokognitiver Werkzeugkoffer) lebenslang unverändert existieren müssen.

  4. Sprache erlernen bedeuten also vor allem Lernen mit Satzgefügen, mit Wortanordnungen umzugehen und zwar entsprechend der konkreten Sprache, die es zu erlernen gilt. Die Worte selbst spielen dabei eine untergeordnete Rolle wohl weil die meisten Worte eine unmittelbare Beziehung zu Objekten besitzen und ein Kind, das Sprache erlernt, bereits über die Fähigkeit besitzt Objekte zu erkennen und weil das Kind mit Objekten auch zugehörige Eigenschaften verbindet.

    Wenn man also das Wort „Hund“ benützt für den Familienhund, so lernt das Kind nur eine Bezeichnung für ein Objekt, das es längstens kennt und von dem es sogar viel über sein Verhalten weiss. Nicht das Erlernen des Wortes „Hund“ ist die Herausforderung, sondern vielmehr in welchen Wortbeziehungen das Wort „Hund“ verwendet wird und was die Bedeutung dieser Wortbeziehungen ist.

    Mir scheint es naheliegend, dass Kinder schon früh oder gar angeboren mit grammatikalischen Konstellationen wie Subjekt, Verb und Objekt umgehen können, etwa in dem Sinne, dass es selbst im vorsprachlichen Denken so etwas gibt wie Subjekte, Objekte und Verben (Handlungen?). Dass das so ist, scheint mir durch die Beobachtung bestätigt, dass Menschen, die die kritische Phase des Sprachlernens verpasst haben, später mindestens zu diesen einfachen Sätzen in der Lage sind in denen nur gerade Subjekt, Verb und Objekt vorkommen. Komplexere Sätze aber beherrschen sie weniger, weil diese im vorsprachlichen Denken nicht vorkommen. Subtilere, differenziertere Arten Worte miteinander sprachlich in Beziehung zu bringen, müssen also in der kritischen Zeitspanne des primären Spracherwerbs erlernt werden.

    Dass Erwachsene Mühe haben mit später erlernten Sprachen erkennt man unter anderem daran, dass viele, die sich eine neue Sprache aneignen, die Tendenz haben, beim Sprechen Wort für Wort in die neue Sprache zu übersetzen. Das heisst: Worte können sie leicht lernen, schwieriger ist es zu lernen wie die Worte in der neuen Sprache „richtig“ angeordnet werden.

    • Danke für Ihren Beitrag! Sie sprechen zwei spannende Punkte an:

      Tatsächlich gibt es einige Linguisten, die den Spracherwerb als einen Prozess verstehen, bei dem vor allem das, was Sie als “Wortanordnung” bezeichnet haben, erworben wird. Das heißt, man nimmt an, dass das Kind vor allem die Fähigkeit erwirbt ein Mapping von einer abstrakten internen Repräsentation zum sensomotorischen System herzustellen. Dieses entspricht dann den Anforderungen (z.B., Wortfolge) der jeweiligen Zielsprache.

      Was den Erwerb des Wortes “Hund” angeht ist die Frage woher das Kind weiß, dass sich das Wort “Hund” auf den Familienhund, aber auch auf alle anderen Hunde bezieht, jedoch nicht alle vierbeinigen Tiere mit Fell miteinschließt. Interessant ist auch, dass Kinder keineswegs – wie man vielleicht vermuten würde – Anfangs nur Wörter für Objekte erwerben. Das frühe Vokabular enthält bereits Wörter für Handlungen, Eigenschaften, usw. Der Psychologe Paul Bloom hat sich damit im Detail beschäftigt.

      –PCT

      • Mir ist es schon öfter passiert, dass ein entgegenkommendes, völlig fremdes Kleinkind im Buggy auf mich deutete und ´Papa´ rief. Damit wollte es seiner Mutter ganz stolz zeigen, dass es einen Mann gesehen hat.

        Hier kann man schön erkennen, wie Kinder Sprache nach einer Struktur lernen: Zunächst lernen sie den Überbegriff – dann sind alle Menschen die wie ein Mann aussehen ein ´Papa´. im zweiten Schritt lernen sie zu differenzieren: dann ist nur mehr der eigene Vater ein ´Papa´, es gibt andere Männer, Opas, Onkel

        Ähnlich ist es mit Tieren: vom Sohn einer Bekannten wurden Tiere zuerst als ´Löwe´ bezeichnet. Einmal deutete er aufgeregt auf eine Wand und rief ´Löwe´, dort war aber nur eine kriechende Raupe zu sehen

        • Ähnlich ist es mit Tieren: vom Sohn einer Bekannten wurden Tiere zuerst als ´Löwe´ bezeichnet. Einmal deutete er aufgeregt auf eine Wand und rief ´Löwe´, dort war aber nur eine kriechende Raupe zu sehen

          Eine sehr schöne Anekdote, wenn man sich sie bildlich vorstellt! 🙂

          –PCT

        • Die Äußerung “Papa” kann für das Kleinkind alles Mögliche bedeuten, von “Hallo!” über “Guckt mal!” und “ich sehe dich!” bis hin zu “wie interessant!” “ich freue mich” oder “gib mir das!” Ich erinnere mich an einen vielleicht 14jährigen , der mit ein paar Freunden in einem Bus saß und plötzlich einen knallroten Kopf bekam, nachdem ein kleines glatzköpfiges Männlein plötzlich über die Rückenlehne blickte, den Jugendlichen mit großen Augen und breitem Lächeln anvisierte und ein erfreutes “Papa!” ausrief! Was für den Kleinen wahrscheinlich hieß: “Hallo! Hier bin ich!” könnte für den Jugendlichen dessen neuer Spitzname gewesen sein.

          Auch beim Kleinkind dürfte gelten: Ohne Kontext keine Bedeutung. Und nachdem das Kind mit einem freundlichen “Papa!” den Neuankömmling begrüßt und nach einem energischen “Papa!” das Plastikförmchen ergattert hat, wird schnell ein versonnenes “Papapapapa” oder auch “Mamama” daraus.

          “Papa” ist nichts weiter als eine der ersten “sprechtechnischen” Unterscheidungen in Richtung “Konsonant versus Vokal”: “Mund auf”, und es kommt ein “A”, “Mund zu” und es kommt ein “M” oder im nächsten Entwicklungsschritt ein “P”. Mehr bringen die Sprachwerkzeuge des Kleinkindes noch nicht zustande. Bis “Löwe” (lateraler Konsonant + stimmhafter Frikativ und dazwischen noch das komische “ö”) ist es noch ein weiter Weg.

      • Danke für die Antwort. Zur Frage wie ein Kind das Wort „Hund“ in die richtige Objektkategorie/-hierarchie einordnet, denke ich spontan, dass das Kind die Fähigkeit das zu tun bereits vor dem Spracherwerb besitzt. Den Familienhund muss es genau so wiedererkennen wie es seine Mutter wiedererkennen muss und die Mutter kann es wohl schon früh von einer anderen Frau unterscheiden, selbst wenn eine andere Frau seiner Mutter ähnelt. Ganz ähnlich erlebt das Kind auch andere Hunde und andere Tiere, wenn es beispielsweise sowohl eine Katze als auch einen Hund im selben Haushalt gibt. Ich denke, ein Kind weiss schon sehr früh, dass es verschiedene Hunde und verschiedene Tiere gibt und dass Menschen in eine andere Kategorie gehören. Wenn es nun das Wort „Hund“ im Zusammenhang mit dem Haushund hört, dann weiss es unbewusst, dass es vor einem Such-/Einordnungsproblem steht und dass das Wort „Hund“ der Name des Haushundes sein könnte, aber auch der Name der Tierart oder gar eine Bezeichnung für Tiere oder Lebewesen überhaupt. Das heisst das Kind weiss, das es vor der Aufgabe steht das neue Wort richtig einzuordnen. Aus der Art wie die Erwachsenen das Wort verwenden, spürt es dann heraus, was gemeint ist.

        Verallgemeinert denke ich, dass man den Spracherwerb nur verstehen kann, wenn man die geistigen Fähigkeiten des Lernenden kennt und versteht. Ich vermute aber, dass man heute nur zum Teil weiss, welche geistigen Fähigkeiten Kinder im Alter des Spracherwerbs besitzen.

        • Danke für Ihre Ausführungen! Ihre Darstellung deckt sich, soweit mir bekannt, mit den Ergebnissen der Spracherwerbsforschung, wo sich zeigt, dass Kinder wohl schon vorab über ein immenses, teilweise angeborenes Wissen verfügen müssen damit Spracherwerb überhaupt möglich ist. Das führt im nächsten Schritt dann natürlich zur Frage was solche grundlegenden (nicht-sprachlichen?) Konzepte sind und woher sie kommen – eine der großen offenen Fragen in den Kognitionswissenschaften.

          –PCT

          • Ich denke nicht, dass man von Wissen sprechen kann, eher davon, dass bestimmte Hirnareale innerhalb eines Zeitfensters in der Ontogenese sensibel dafür sind, semiotische, semantische und syntaktische Muster zu entwickeln, wenn sie entsprechend gefordert werden.

          • @Wolfgang Stegemann (Zitat): „ eher davon, dass bestimmte Hirnareale innerhalb eines Zeitfensters in der Ontogenese sensibel dafür sind, semiotische, semantische und syntaktische Muster zu entwickeln, wenn sie entsprechend gefordert werden.„
            Zustimmung: Sprachsensibilität bedeutet eine Sensibilität für bestimmte Muster in der Sprache. Doch das genügt nicht. Denn Sprache lernen bedeutet ja bei einem Kind nicht zuletzt verstehen lernen und geht damit über das hinaus was ein Papagei macht, wenn er Gesprochenes wiederholt.
            Verstehen geht letztlich nicht ohne Wissen und Verständnis.
            Wenn man einem Kind sagt: „Fang den Ball“, dann erwartet man vom Kind dass es das versteht und dass das Kind sich auf einen zugeworfenen Ball vorbereitet. Das aber ist der Beweis dafür, dass das Kind etwas über die Alltags-Physik von Bällen versteht und dass es den gesagten Satz mit einer Aktion in Zusammenhang bringt. Ein Papagei dagegen versteht solch einen Satz wohl nicht. Selbst wenn er darauf reagiert indem er ihn wiederholt.

          • Wo kommt so schnell das Wissen her, auf das die Sprache von Beginn an aufbauen kann? Der alte Grieche meint, Wissen sei Erinnerung. Descartes und Jung sprechen von Archetypen, welches die an sich unzugänglichen Prämissen für die Urbilder sind. Nüchterner gesagt: die tausend Umweltbedingungen, in die die ganze Entwicklung hineingewoben ist, prägen nicht nur die Anatomie vor, sondern auch neuronale Vorgänge und mithin Vorstellungen. Jedenfalls sind wir so gebaut, dass es zu dieen Vorstellungen kommt und zu jenen nicht. Das lässt sich auch am Erwachsenen beobachten. Es muss also nicht jede Vorstellung auf die Außensinne angewiesen sein.

        • @PCT
          Man kann sich lebenslang an akustische Erlebnisse aus der Fötuszeit erinnern – d.h. diese Sprachgrundagen sind im Gedächtnis gespeichert.

          Untersuchungen der Schreimelodie von Neugeborenen haben gezeigt, dass diese im Rhythmus der Muttersprache schreien. D.h. wichtige Grundlagen für das spätere Erlernen von Sprache sind bereits vor der Geburt erlernt worden
          DOI: 10.1080/2050571X.2016.1187903 Fundamental frequency variation within neonatal crying: Does ambient language matter?
          DOI: 10.1016/j.jvoice.2016.06.009 Fundamental frequency variation in crying of Mandarinand German neonates

          Foeten können sogar schon vor der Geburt verschiedene Sprachmelodien unterscheiden
          DOI: 10.1097/wnr.0000000000000794 Fetal rhythm-based language discrimination

          D.h. man sollte nicht von ´angeborenem´, sondern von erlerntem Wissen sprechen.
          Wie gut/schlecht sich eine Mutter während der Schwangerschaft ihrem Fötus zuwendet, wirkt sich später auf die Entwicklung des Kindes aus
          DOI: 10.1007/s10995-016-2138-2 Association between maternal-foetal and infant development outcomes: a systematic review

    • Es ist schon so, Kommentatorenfreund “Martin Holzherr”, dass am Anfang das Wort war, das Johannes-Evangelium hat so betont, was allen anderen Denkenden, Philosophen jener Zeit bekannt war.
      Das Sapere Aude meinte dann Individualität (vs. Kollektivität) und das Cogito Ergo Sum sozusagen die Technik, die Fähigkeit, die Definition.
      Es ist – definitiv – schon vglw. cool zu wissen worüber geredet wird.

      Der hier gemeinte Hominide verfügte vielleicht seit 100.000 Jahren über die (biologisch bemerkbare, theoretisierbare) Möglichlichkeit für das Wort.
      Niemand weiß genau, wann ihm so gelungen ist.
      Höhlenmalereien müssen nicht vom Wort kunden.

      Zu Ihrem Hund, Herr “Martin Holzherr”, der “Hund” ist schon sehr interessant, ist er doch (weitgehend anerkannt, er hatte stets Altvorderen zu dienen) der beste Freund des Menschen, weitgehend unwidersprochen, und doch ist er einer Methode, einer Kladistik folgend gebildet (!) worden, auch gezüchtet.

      Schopenhauer, andere tun dies ebenfalls, legte insofern Wert auf die Ansicht (oder “Theorie”), dass das hier gemeinte Erkenntnissubjekt nicht zuvörderst den Hund bearbeitet, sondern die Idee (! – das Bild) von einem Hund.
      Nachweise für derartige Ansicht könnten vom Schreiber dieser Zeilen beigebracht werden.

      Es ist sozusagen die Theorie, die Sicht, die bestimmt, was einstmals gewesen ist oder gewesen sein könnte.
      Wie auch zulünftig sein werden könnte.

      Mit freundlichen Grüßen
      Dr. Webbaer (der streng naturwissenschaftlich gebunden ist und keiner Esoterik beispricht)

  5. Zu hWied:
    “Die Südländer sprechen gern mit den Händen…”
    Aus Neugier drehe ich manchmal beim TV sehen die Lautstärke ab und beobachte nur die Mimik und Gestik der Personen beim sprechen. Wer da genau hinschaut wird erkennen das hier ein unmittelbarer Zusammenhang besteht bzw. das das Lügen, was ja sprachlich dargeboten wird, oft im Gegensatz zur Mimik und Gestik steht bzw. man kann erkennen ob die jeweilige Person authentisch wirkt. Besonders bei Politikern die ihre Reden mit Körpersprache verbinden wollen, so wie sie es bei ihren Coachs gelernt haben, wirkt dieser Widerspruch oft komisch /lächerlich . Will sagen: Sprache ist auch Körpersprache .Und : Der Körper kann nicht lügen, der ist immer authentisch.

  6. Ich stelle mir manchmal vor, wie Sprache sonst noch aussehen könnte. Wieso haben alle Alien-Sprachen im Star-Trek-Universum die gleiche Satzlänge, wie das Englische? Man sieht irgendwie nie, dass der Klingone schon fünf Sekunden labert, bevor der Universal-Übersetzer den Satz komplett hat, oder dass sich ein Vulkanier bereits umdreht und geht, bevor seine Abschiedsworte verklungen sind. Lineare Sprache, wie wir sie entwickelt haben, ist ineffizient, man könnte sich Wesen mit mehrstimmigen Breitband-Kehlen vorstellen – wir geben Emotionen ja auch nicht vorwiegend durch Wörter weiter, sondern durch Stimmlage, Mimik und Körpersprache, da könnte mehr zu machen sein. Wenn ich mit einigen Tonhöhen Substantive bekannt gebe, mit anderen Adjektive, Adverbien und Grammatik, kann ich den Satz: „Über eine grüne Wiese im Frühling am Morgen hoppelt schnell und oft ein graues, flauschiges Häschen“ in zwei Worte quetschen. Je vielseitiger die Kehle, je feiner die Ohren, je schneller das Hirn, desto kürzer kann Sprache werden.

    Laute sind wie Buchstaben auf einer Tastatur – Signale, die bestimmte Programme im Hirn auslösen. Damit sie funktioniert, muss ein gemeinsames Betriebssystem vorinstalliert sein, das gemeinsame Assoziationen, Bilder, Verknüpfungen auslöst. Wenn ich ein Wort für „Tisch“ habe, bedeutet es nichts, wenn ich nicht vorher einen Tisch benutzt, die Muster verinnerlicht habe. Erst dann wird es zum Lego-Baustein virtueller Welten, der Sätze wie „Der Tisch tanzt“ als unsinnig wertet und aus meinem Denken wegzensiert, aber es mir auch möglich macht, mich im Kopfkino über tanzende Tische zu amüsieren. Unterschiedliche Muster machen Kommunikation schwierig: Im Ukrainer-Linux ist „Ruthene“ ein anderes Wort für „Ostslawe“, die alle von den Rus abstammen, sich aber auseinander entwickelt haben. Im Russen-Windows ist „Ruthene“ gleich „Russe“, und damit entlaufenes Privateigentum des Zaren, das heim ins Reich muss, weil weiß der Teufel, aber der Zar einen verprügelt, wenn man es anzweifelt, aber man total stolz sein darf, wenn man mitspielt. Eine gemeinsame Sprache finden, heißt nicht nur, dass man gemeinsame Wörter findet. Im Allgemeinen erkennt man das korrekte Betriebssystem daran, dass es vom Sieger installiert wurde.

    Anders gesagt, bevor das Wort „Tisch“ eine Bedeutung bekam, hat mir die Umwelt den Tisch genaustens beschrieben – mit “Wörtern”, Buchstaben, Stimuli, die über mehrere Sinne aufgenommen wurden. Die Sprache der Welt lernen wir per Immersion – so, wie wir auch gesprochene Sprachen am besten lernen. Das Sprachzentrum braucht nur Konzepten, Wissen, das bereits ein Tier besitzen kann, ein abstraktes Symbol hinzuzufügen – ein Interface, durch das wir unser Gegenüber nicht nur dadurch an einen Tisch denken lassen können, indem wir ihm einen Tisch zeigen, sondern, indem wir die entsprechende Vorstellung, das Netzwerk in seinem Hirn, mit einem Laut zünden.

    Einer Katze muss ich einen Fressnapf zeigen, damit sie weiß, was ich von ihr will. Einem Menschen muss ich es nur sagen. Das Wesentliche an Sprache ist viel älter, als die Kommunikation mit Lauten. Die ganze Welt ist ein Buch, das uns ständig vollquatscht, Tag und Nacht, das versucht, uns durch Wiederholungen bestimmte Muster einzupauken. Je öfter sich ein Muster wiederholt, desto mehr halten wir es für die Wahrheit. Falls die Zeit fehlt, kann die zum Einmeißeln der Muster in die Neuronenstruktur notwendige Energie auch konzentriert verabreicht werden – ich lerne Faust, indem ich das Buch oft lese, oder eine einmalig in die Zähne bekomme, wirkt beides ähnlich. Nur entfaltet sich bei der einmaligen Applikation die Energie so schnell, dass das System die Veränderungen nicht kompensieren kann und leichter Schäden davonträgt. Vom Standpunkt des Universums gibt es keinen Unterschied zwischen Bildung und Missbildung, Schaffen und Zerstören, die Fähigkeit, lebenslang Goethe zu zitieren, gilt genauso als Lernerfolg, wie die Fähigkeit, lebenslang Nahrung nur noch durch einen Strohhalm aufnehmen zu können. Und oft sehen wir, dass die letztere Fähigkeit vom Faustinhaber als positiver Erwerb gewertet wird – er hat zwar nichts gelernt, aber die Umwelt, nicht er musste sich an sie anpassen, sondern sie an ihn, und so ist er trotzdem angepasst und damit, relativ zu ihr, perfekt.

    Wenn aber Realität und Wort die gleiche Wirkung im Hirn haben, lässt sich mit Worten wunderbar Schabernack treiben. Die Realität gönnt sich oft den Spaß, sich ein Weilchen zurückzuhalten, sodass wir uns an eine selbst geschaffene, fiktive Welt anpassen können, eine virtuelle Realität, die mit der physischen nicht mehr zu tun hat, als das nachsichtige Minimum, das sie uns immer abverlangen muss. Und wenn die Realität dann einschreitet und uns zeigt, wer hier der Boss ist, reagieren wir auf die Vernichtung der VR genauso, wie auf die Zerstörung realen Lebensraumes. Wenn unsere Fantasien in die Brüche gehen, ziehen wir oft echte Knarren und kämpfen ums Überleben, als würde einer unser Haus abfackeln wollen, auch wenn der „Angreifer“ nur drei Sätze hat fallen lassen und seiner Wege geht. Was passiert, wenn nach siebzig Jahren Nickerchen in R’lyeh die Realität plötzlich aufwacht und einfach mal achtlos all die fügsamen, von Menschen beschworenen Gespenster an die Wand klatscht, die es sich auf ihrem Thron gemütlich gemacht haben, sehen wir gerade auf der ganzen Welt.

    Umgekehrt gibt es die Möglichkeit, Kriege mit Worten auszufechten. Das menschliche Gehirn ist eine Massenvernichtungswaffe, könnten wir nicht „Atombombe“ oder „Massaker“ sagen, würden wir viel mehr davon spüren. Taten sagen mehr als Worte, dafür machen Worte mehr Taten möglich, die keinen realen Schaden anrichten. Wenn wir uns unsere Mitmenschen angucken, begehen wir in der Matrix drei Völkermorde täglich; das geht nicht nur mir so, und gerade, weil ich meine Aggressionen ins Virtuelle verlagern kann, kann ich in der Wirklichkeit ein recht umgänglicher Zeitgenosse sein. Virtuelle Kriege können schnell ins Lächerliche ausarten, zum Beispiel, weil wir Statistik-Zahlen oft so verwenden, als würden sie für Dezibel stehen – wir treiben sie mit allerlei Tricks himmelhoch, um die Gegner nieder zu brüllen, ob’s für die Argumentation nun Sinn macht oder nicht.

    Wenn wir uns aber zu sehr in unsere Fantasiekriege hineinsteigern, kann es passieren, dass wir sie in die Realität hineintragen, und dann auf die grausigste Weise lernen, dass ein Menschenkrieg etwas Anderes ist, als eine Prügelei unter Schimpansen. Vieles in unseren Fantasiewelten wird von angeborenen Mustern bestimmt, der instinktiven Weltanschauung eines Affen. Der Alpha-Gott mit seinem Heer aus stärksten Engeln, der die Teufel der Dschungelhölle fernhält, aber einen zu ihnen vertreibt, wenn man nicht pariert. Die siegreichen Feldzüge, um Bananen zu erobern, die Paradiese, die in allen Kulturen, Religionen und Ideologien das gleiche Schema F nachzeichnen, mal mehr, mal weniger originalgetreu, der Märchenfuchs, der sprechen kann und clever ist, weil die Sprache des Affen nur drei Grunzlaute und zwei Schreie enthält, er dafür sehr viel klarer die Körpersprache versteht und sein eigenes Hirn die Größe einer Orange hat, der Drache ist riesig, weil der Affe einen Meter groß ist und die Krokodile, samt der gesamten Welt, doppelt so groß wirken wie für uns, und so weiter.

    Das mit dem „originaltreu“ ist auch in der Sprachwissenschaft wichtig. Chomsky sagt, alle Menschen würden im Gleichschritt marschieren, während seine Gegner die ganze Welt nach dem einen Einbeinigen durchsuchen, der ihn widerlegt. Nein, angeborene, grammatikalische Muster können von unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich stark beansprucht, und auch variiert werden. Also genau das, was Sie schildern, nur mit anderen Worten beschrieben. Aber ich hab schon lange nicht mehr nachgesehen, vielleicht hat sich der Streit inzwischen erledigt.

    Unsere VR, die Matrix, in der wir leben – ob als Gesellschaft oder in individueller Ausprägung – dient also stets zwei Herren, die sich nicht gut miteinander vertragen: Dem Affen, der immer noch glaubt, wir würden auf Bäumen leben, und der Wirklichkeit, in der Affen bedroht sind, weil IKEA die Bäume auffrisst. Die Affenwelt ist gemütlich, sie kennt kein Mitleid außer Selbstmitleid, keine Gerechtigkeit außer Selbstgerechtigkeit, als Psychopath lässt es sich schön Gott spielen, für den die Welt in Ordnung ist, solange sie für ihn in Ordnung ist – menschliche Gefühle, wie wir sie kennen, gelten nur für Mitglieder der eigenen Horde, die aber nach Außen hin wie ein psychopathisches, kollektives Raubtier agiert. Diese Sichtweise war ein notwendiges Übel für ein Tier, das in der Hölle auf Erden überleben musste und keinen Verstand hatte, es besser zu machen, doch ihre Realitätskompatibilität ist mit dem Aufstieg des Verstands ausgestorben. Der Verstand hat mehr Macht, die Welt zu verstehen, zu manipulieren – doch je besser er sie versteht, desto mehr begreift er, dass es tatsächlich die Hölle ist. Der Affe hat keine passenden Instinkte, keine Gefühle, um mit der Realität fertig zu werden, die Hölle kennt er nur als Zähne und Klauen. Wenn er sie sieht, läuft er weg, und hört nicht auf zu laufen, bis er sie nicht mehr sehen muss. Dann vergisst er sie schnell, um weiter Gott spielen zu können. Das geht am schnellsten im eigenen Kopf.

    Wenn man sich die Art ansieht, wie wir Sprachen gebrauchen, hat die Sprachdifferenzierung sehr mit dem Selbstschutz-Aspekt des Psychopathen zu tun. Sprachen, die wir nicht verstehen, beeinflussen uns nicht. Sprachen, die nur wir verstehen, beeinflussen nur uns. Mit ihnen lässt sich ein Schutzwall ziehen, der nur die eigene Horde umfasst, der verhindert, dass Fremde in unsere virtuellen Gemeinschaften eindringen, Knöpfe drücken, die sie nicht verstehen, Chaos stiften, die Ordnung gefährden. Manchmal reicht ein Wort, um die Verteidigungsnetzwerke hochzufahren – wenn Sie einem Linken „rechts“ sagen, oder einem Rechten „links“, hört er nicht mehr zu, sein Hirn wehrt Barbarenstürme ab, was sie mit Pfeil und Bogen in seine schöne, heile Holodeck-Welt hineinschießen, muss durch Nichtverstehen entschärft werden, bevor es Netzwerke zünden, einen Weltenbrand entfachen kann, der hinter ihm zurückbleibt, während er am Strick zum Sklavenmarkt geführt wird. Und wenn man sich die missionarische Herr-und-Meister-Einstellung vieler Argumentierender ansieht, ist diese Furcht wohl berechtigt. Alle Wörter, die wir von uns geben, reden mit. Auch jene, die älter als die Sprache sind. Der Affe versteht, auch wenn der Verstand auf die Lügen reinfällt.

    In der modernen, großen Menschenwelt wird man von der Masse nach Beute lechzender Horden zermalmt, wenn alle die gleiche Sprache sprechen, doch wenn jeder seine eigene hat, fallen die Horden übereinander her. Das Ideal wäre also Zweisprachigkeit – eine für die eigene, geschützte Welt, den eigenen Stamm, die eigene Höhle. Und eine für den Staat, die große Gemeinschaft. Der Staat schützt die kleinen Heimatwelten, dafür arbeiten die kleinen Welten zusammen, um den Staat aufrechtzuerhalten. Die gleiche Beziehung, die zwischen Menschen und Gemeinschaften schon immer bestand.

    In der Wirklichkeit gibt’s keine knappen Budgets, die an Special Effects sparen lassen, sodass Klingonen alle ein Einheits-Outfit und ein Einheits-Denken haben, und auch keine Zuschauer, die sich durch linguistische Komplikationen gestört und zum Abschalten motiviert fühlen können. Doch dass die Föderation mit ihrem toleranten Gesellschaftsmodell ins Unermessliche wachsen und sich als Großmacht aufspielen kann, ist glaubwürdig, und gerade für Europa sehr interessant. Doch der Universal-Übersetzer ist auch nur ein Symbol, das „Latein“, „Englisch“ oder „Esperanto“ ersetzt.

    Das Einfachste für Europa wäre ein Englisch, das als eigene Sprache gilt, klar getrennt vom Britischen oder Amerikanischen – phonetische Schreibweise, vereinfachte Aussprache, flexible Grammatik, weil die, wie Sie hier schreiben, für Erwachsene schwer zu lernen ist. Diese Sprache könnte sich dann eigenständig entwickeln, zu einem echten Europäisch werden. Alternativ gäb’s Esperanto, oder vielleicht Griechisch, da würden Katholiken, Orthodoxe und Protestanten mitspielen. Dann aber auch von der griechischen Landessprache getrennt, denn wir würden es sofort mit Anglizismen zukleistern und die Griechen würden auf die Barrikaden gehen. Wir könnten auch irgendein Neo-Indoeuropäisch aus schlecht rekonstruierten Wurzeln zusammenschustern, und dann gleich durch Afghanistan in Indien einmarschieren, mit dem gleichen Erbrecht, mit dem Adolf Russland beanspruchte (weil Goten und Wikinger), oder Russland die Ukraine (weil Rus). Affe sieht Banane, Affe fühlt sich vom Schicksal berufen, Banane zu fressen, virtuelle Rationalisierung wird mal schnell eben dazu gebastelt, um das Großhirn ruhig zu stellen.

    Wir sind schon eine selten doofe Spezies, ne? Da erfinden wir so was Schlaues wie die Sprache, und nützen sie nur, um uns noch doofer zu machen.

    • Danke für Ihre Frage. Leider zählt die lexikalische Semantik nicht zu meinen/unseren Forschungsinteressen, weshalb ich Ihnen diesbezüglich nicht weiterhelfen kann.

      –PCT

  7. Bestimmtes an der hier gemeinten sprachlichen Äußerung folgt sozusagen den Gesetzen der Natur, es wird sich sozusagen angegrunzt (von hier gemeinten Hominiden) und bestimmte Filter (die das Rauschen heraus nehmen) erlauben die Extraktion von möglicherweise beim Verlautbarenden angestrebten Inhalt, dies geschehen in der Hoffnung beim Hörenden zumindest näherungsweise verstanden zu werden; der eine kodiert Inhalt, der andere dekodiert, abstrahiert ihn, Shannon-Weaver sozusagen, ihr Modell ist gemeint.

    Semantik und Grammatik sind dann sozusagen auszuhandeln, Wörter können für Interessierte auf ihre Begriffsgeschichte zurückgeführt werden, sprachliche Regeln können bei anderen abgefragt werden, die für diese Zwecke nicht einmal mehr leben müssen.
    Sofern sie wie hier gemeinte Regelkunde hinterließen.

    Sicherlich findet hier ein sozusagen allgemeines und nie enden währendes “Gerühre” statt, die Unterscheidung zwischen Wörtern und Regeln wird von einigen als nicht so-o wichtig angesehen, vgl. mit dieser Artikelüberschrift im dankenswerterweise bereit gestellten Text : ‘Wörter kann man immer lernen, Grammatik nur bedingt’.

    Ein gewisses Rauschen gibt es auch im Geschriebenen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  8. @Holzherr:

    Denn Sprache lernen bedeutet ja bei einem Kind nicht zuletzt verstehen lernen und geht damit über das hinaus was ein Papagei macht, wenn er Gesprochenes wiederholt.

    Genau. Würde ein Papagei unsere Sprache sprechen, würde er auch verstehen, was wir sagen.😊 Sprache beinhaltet neben den begrifflichen Abstraktionen eben auch die Bedeutungen.

    • @Wolfgang Stegemann (Zitat): “ Sprache beinhaltet neben den begrifflichen Abstraktionen eben auch die Bedeutungen.“
      Sowohl die begriffliche Abstraktion als auch die Bedeutung geht über das rein sprachliche hinaus. Ich sehe das eher als Abbildungsprozess, bei dem innerlich bekannte Dinge und ihre Beziehungen abgebildet werden. Sprache erlernen bedeuten also eine Methode der Abbildung zu erlernen. Wenn ein Kind ein Haus zeichnet ist das auch eine Abbildung, die oft mehr dem inneren Bild entspricht, die das Kind von einem Haus hat als einem wirklichen Haus.

  9. Wolfgang Stegemann,
    Sprache hat eine praktische Seite, wenn das Kleinkind Hunger hat schreit es. An der Art des Schreiens erkennt die Mutter ob das ein Protestschrei ist, ein Angstschrei oder nur Jammern, weil das Kind trockengelegt werden muss.

    Die Lautwiedergabe ist an Bedürfnisse geknüpft, verallgemeinert kann man sagen Sprechen dient der Artikulation von Gefühlen.
    Das begriffliche Sprechen, das kommt erst später. Dazu muss der Mensch Abstrahieren lernen und das wiederum ist einem Reifeprozess unterworfen.

    Im Gegensatz zum Papagei versteht der Hund den Sinn eines Satzes. Wenn wir fragen, “Waldi, gehn wir Gassi ?” dann holt der Hund seine Hundeleine.

    • “Im Gegensatz zum Papagei versteht der Hund den Sinn eines Satzes. Wenn wir fragen, “Waldi, gehn wir Gassi ?” dann holt der Hund seine Hundeleine.”

      Das ist ein Trugschluss. Der Hund versteht nichts, er reagiert lediglich, er ist konditioniert. Das erreichen Sie auch durch einen anderen Impuls. Könnte er Sie verstehen, könnten Sie sich auch über das Wetter mit ihm unterhalten.

  10. @Übersetzungs-KI

    Die aktuelle Übersetzungs-KI kann schon ganz gut von jeder Sprache in die andere übersetzen, versteht aber dennoch nichts davon, was der Inhalt der Botschaft ist. Möglicherweise ist auch bei uns die Sprache zunächst ein eigenständiges Konstrukt, dass nur zusätzlich auch an Weltverständnis gekoppelt sein kann. Nur Labern kann jeder, inzwischen auch KI, ob das Ausgesprochene auch eine Grundlage von Verstand hat, ist eine andere Kunst.

    Entsprechend macht dann die persönliche Erfahrung mit der Welt erst das Weltverständnis aus, und dieses Weltverständnis ist dann immer sehr persönlich, auch wenn es mit derselben Sprache beschrieben wird.

    Ähnliches gilt vielleicht auch für die Mathematik. Diese ist zunächst auch ein recht unabhängiges Konstrukt, das man separat erlernen kann. Will man Mathematik z.B. in der Physik auch konkret anwenden, muss man dieses noch mal extra lernen, und den Kontakt von Theorie und Praxis hier anhand von Experimenten herstellen.

  11. Dr. Webbaer
    “der streng naturwissenschaftlich gebunden ist und keiner Esoterik beispricht”

    Jedes Kind durchläuft eine magische Phase in der es glaubt, dass man mit Worten Dinge verändern kann. Politiker glauben das auch und bringen es bis zur Vollkommenheit.
    Wer Esoterik ablehnt, beweist die Angst vor dem Unbekannten.
    Was halten Sie von Traumdeutung ?
    Was halten Sie vom Besprechen von Warzen ? (Soll funktionieren)
    Eingangs haben Sie zugestimmt zu : “Im Anfang war das Wort”
    Das Wort ist eine Möglichkeit die Psyche zu beeinflussen.
    Psychoanalytiker arbeiten nur mit Worten.
    Worte des Trostes sind keine Begriffe.
    also schauen sie nicht verächtlich auf die Esoteriker herab.

  12. @Stegemann 08.01. 15:34

    „Der Hund versteht nichts, er reagiert lediglich, er ist konditioniert.“

    Nach 20.000 Jahren als Haustier traue ich Hunden schon mehr zu. Ich würde sagen, er versteht vielleicht Vieles nicht ganz, aber er interpretiert oft erstaunlich zielsicher. Konditionieren muss man Hunde nicht unbedingt, oft genügt es dem Hund klar zu machen, was man von ihm erwartet. So zumindest meine persönliche Erfahrung mit Hunden.

    Ein Forscherteam in den USA hat mal jungen Schimpansen Taubstummensprache beigebracht, und kam damit nach vielen arbeitsreichen Lehrjahren auf 500 Vokabeln. Überrascht waren sie dann, dass die Affen die Gebärdensprache auch untereinander einsetzten, um sich zu verständigen. Man hätte theoretisch den Affen auch normale gesprochene Sprache beibringen können, aber denen fehlt dafür der richtige Kehlkopf.

    Hunden natürlich auch. So muss sich der Hund uns gegenüber anders ausdrücken, hier muss unser bester Freund ordentlich improvisieren. Mit dem Interpretieren von unserer Sprache hat er es leichter wie wir mit ihm. Wenn der Hund mit seinem professionellem Schnorrerblick versucht, uns zu hypnotisieren, damit wir ihm was zu Fressen abgeben, sind wir auch nicht nur konditioniert, sondern Interpretieren u.U. auch sehr zielsicher.

    Kommunikative Interaktionen mit allerlei Haustieren über die Artgrenzen hinweg ist ziemlich verbreitet, das hängt mehr an der Erfahrung des einzelnen Menschen mit diesen Tieren, als an den Fähigkeiten der Tiere selbst. Ein erfahrener Landwirt weiß die 50 verschiedene Arten zu Muhen bei seinen Kühen zu interpretieren, wo unsereins immer nur Muh hört.

  13. @Jeckenburger:

    “Nach 20.000 Jahren als Haustier traue ich Hunden schon mehr zu. Ich würde sagen, er versteht vielleicht Vieles nicht ganz, aber er interpretiert oft erstaunlich zielsicher. Konditionieren muss man Hunde nicht unbedingt, oft genügt es dem Hund klar zu machen, was man von ihm erwartet. So zumindest meine persönliche Erfahrung mit Hunden.”

    Wir Menschen haben eine (elaborierte) Sprache, mit der wir abstrakte Begriffe und (sozial generierte) Bedeutungen zum Ausdruck bringen. Tiere können an dieser Sprache nicht teilhaben, da gibt es eine artspezifische Grenze, die nicht überschritten werden kann. Es ist ähnlich wie mit KI. Dort können nur statistisch korrelierte sprachliche Zusammenhänge gelernt werden, aber niemals Sprache direkt, denn dazu fehlt der Maschine der Code.

  14. Über Hunde und die Art zu sprechen.

    Wenn die Marktfrau aus dem Lärm das Wort „Kartoffel“ heraushört, dann weiß sie, dass sie Kartoffeln kaufen wollen. Ist das jetzt konditioniert oder ein wirkliches Verstehen?
    Man kann das nicht trennen. Vielleicht ist Sprache zu 50? Konditionierung und die anderen 50 % sind ein Denkakt. Manche Leute unterhalten sich gleichzeitig mit vier anderen, das geht nur , wenn man einem die volle Aufmerksamkeit schenkt, dem anderen auf Stichworte antwortet, dem Dritten ein bejahendes Lächeln schenkt, dem vierten eine verneinende Geste zeigt.
    Herr Stegemann
    Hunde sind Herdentiere. Waren sie schon mal bei einer Treibjagd, wenn 20 Hunde gleichzeitig durcheinander kläffen, bellen. Die machen nicht nur Lärm. Die begrüßen sich gegenseitig, mehrere auf einmal und die wissen alle was kommt und freuen sich.

    Und…..Hunde sind intelligent. Gehen Sie mal nach Irland, wenn Hütehunde eine Schafherde zusammenhalten. Das gelingt nur, wenn der Hund vorher erahnt, was die Schafe machen werden. Er ist immer einen Schritt schneller. Wenn nicht, dann ist er als Hütehund ungeeignet.

    Herr Jeckenburger ich gebe ihnen recht, Hunde haben sich schon so an den Menschen angepasst, dass sie erahnen was der Mensch vorhat. Der Hund versteht nämlich die Körpersprache des Menschen.

  15. @hwied:

    Es geht gar nicht um mehr oder weniger Intelligenz, es geht um verschiedene Codes (abgesehen davon, dass wir Menschen wohl die differenzierteste Sprache haben). Sprache besteht aus sozialen Übereinkünften. Das Wort Baum hat für uns neben der sprachlichen Abstraktion eine Bedeutung und beides können wir nicht mit z.B. Hunden teilen. Oder verstehen Sie genau, was ein Hund “sagt”? Sie interpretieren es bestenfalls. Wir interpretieren die Welt sowieso gern nach unseren (antropozentrischen) Vorstellungen.
    Wir können natürlich Verhaltensäußerungen von Tieren klassifizieren, ihre Sprache verstehen wir nicht.

    • Mal eine “blöde” Frage: Sprichwörtlich meint das chinesische Zitat “Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom” was bitte? 👋😎

    • Die sprachsensible Phase als kommunikationssensible Phase
      Meine These:
      1) ein Kind lernt Wörter und grammatikalische Strukturen aufgrund von gleichen oder ähnlichen kognitiven Fähigkeiten und Motivationen. Das Erlernen des Vokabulars und der Grammatik basiert also auf den gleichen Grundlagen.
      2) ein Kind in der sprachsensiblen Phase besitzt neben kognitiven Fähigkeiten zum Spracherwerb auch eine innere Motivation, ein inneres Verlangen, Sprache zu erlernen. Dieser „Kommunikationshunger“ ist das Bedürfnis Mitteilungen, die von Erwachsenen und anderen Personen des Umfelds kommen zu verstehen und zu entschlüsseln.
      3) eine Sprache lernen geht nicht ohne selbst irgendwann zu sprechen und das selber Sprechen ist wichtig um die Feinheiten der Sprache zu lernen.

      Zusammengefasst bin ich also der Meinung, Sprache bedeute für Menschen vor allem der Austausch von Sinn, ich betone also den Mitteilungscharakter von Sprache und dass in der sprachsensiblen Phase das Kind sehr gut „raten“ kann, was etwas bedeutet.
      Damit wäre dann folgender Abschnitt aus dem Wikipedia-Eintrag Language acquisition erklärt:

      Kinder lernen durchschnittlich zehn bis fünfzehn neue Wortbedeutungen pro Tag, aber nur eine davon kann durch direkten Unterricht erklärt werden. Die anderen neun bis vierzehn Wortbedeutungen müssen auf andere Weise erworben worden sein. Es wurde vorgeschlagen, dass Kinder diese Bedeutungen durch Prozesse erwerben, die durch latente semantische Analyse modelliert werden; das heißt, wenn Kinder auf ein unbekanntes Wort stoßen, verwenden sie Kontextinformationen, um die ungefähre Bedeutung richtig zu erraten. Ein Kind kann die Bedeutung und Verwendung bestimmter Wörter, die bereits Teil seines mentalen Lexikons sind, erweitern, um alles zu benennen, was irgendwie verwandt ist, aber für das es das spezifische Wort nicht kennt. Zum Beispiel kann ein Kind den Gebrauch von Mama und Papa erweitern, um alles anzuzeigen, was seiner Mutter oder seinem Vater gehört, oder vielleicht jeder Person, die seinen eigenen Eltern ähnelt; Ein anderes Beispiel könnte sein, „Regen“ zu sagen, während es meint, „ich möchte nicht aus dem Haus gehen“.

      Das Kind erschliesst sich die Bedeutung vieler Wörter also selber ohne dass es instruiert wird oder fragen muss, was das Wort bedeutet und es benutzt Wörter in einer erweiterten Bedeutung um etwas auszudrücken wofür es noch keine Wörter hat. Das machen übrigens auch Fremdsprachen Lernende. Das nämlich, dass sie etwas mit bekannten Worten umschreiben wofür ihnen das exakte, richtige Wort fehlt. Man könnte also sagen, dass ein Kind in der Spracherwerbsphase die kognitive Fähigkeit hat, das Maximum aus seinem aktuellen sprachlichen Wissen zu machen. Und das tut es auch darum weil das Kind über einen „Kommunikationshunger“ verfügt: es will kommunizieren.

    • @Holzherr
      Eine Untersuchung von Babys innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt zeigte, dass unterschiedliche Gehirnareale aktiv sind – je nachdem ob die Stimme der Mutter oder einer anderen Frau gehört wird.
      Diese erkennbare Unterscheidung bedeutet, dass bereits bei der Geburt beim Baby viel Lernwissen vorhanden ist
      DOI: 10.1093/cercor/bhq242
      Mother and stranger: an electrophysiological study of voice processing in newborns

  16. @PTC 08.01. 18:19

    Ok, dass das mit dem Affenexperiment überbewertet wurde, wusste ich jetzt nicht. Ich hatte von diesem Experiment vor Jahrzehnten mal irgendwo gelesen.

    @Stegemann 08.01. 21:11

    „Wir interpretieren die Welt sowieso gern nach unseren (antropozentrischen) Vorstellungen.
    Wir können natürlich Verhaltensäußerungen von Tieren klassifizieren, ihre Sprache verstehen wir nicht.“

    Auch Hunde klassifizieren unsere Verhaltensäußerungen und aufgrund eben subjektiver Interpretation gelingt dann doch von beiden Seiten her eine gewisse Kommunikation über Artgrenzen hinweg. Wobei hier auch emotionale Interaktion dazu gehört.

    Klar verstehen wir uns selber besser, genau wie sich auch Hunde unter sich immer besser verstehen, als eben ein Versuch der Kommunikation über Artgrenzen hinweg. Einen gewissen Anthropozentrismus können wir sowieso kaum vermeiden, so wie auch der Hund immer hundezentriert unterwegs ist. Und doch ist es möglich, dass Mensch und Hund gut zusammenarbeiten kann. Hier mag auch z.B. beim Schafehüten ein gewisses Weltverständnis bei Hund und Schäfer über Jahre hinweg wachsen, und so dann eben die eigentlichen Sprachschwierigkeiten ausgleichen.

    Wobei eine gewisse evolutionäre Anpassung bei Haustieren schon auch eine Rolle spielen mag. Seit 20.000 Jahren leben die Hunde mit uns zusammen, und angesichts einer recht kurzen Generationenfolge von um die 5 Jahre kommen wir dann vergleichsweise auf Zeiträume von 80.000 Jahren Menschenevolution. So viel älter ist der moderne Mensch dann auch nicht mehr.

    So ist sicherlich die Sprache von Delfinen viel komplexer und unserer vermutlich ähnlicher als die Kommunikation von Hunden, aber dennoch verstehen wir die Delfinsprache noch am wenigsten. Womöglich, weil wir mit Delfinen eben keine Jahrtausende von gemeinsamer Evolution durch eine Haustierbeziehung durchgemacht haben.

  17. “Wir sind keine sprechende, sondern eine sprachbegabte Spezies”

    Mensch bedeutet eine vernunftbegabte Spezies, die aber mittels der Krücke Sprache sich und ihre geistigen Kräfte weg vom Wir konfusioniert, seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (“Vertreibung aus dem Paradies”)!

  18. Herr Stegemann,
    Haben Sie Haustiere, haben schon einmal eine gefühlsmäßige Bindung zu einem Tier gehabt.? vielleicht kommen wir mit dem Begriff “Code” weiter.
    Also Sie hauen sich mit dem Hammer auf den Daumen.
    Ist niemand anwesend, dann verziehen sie nur das Gesicht, das ist ein Mimikcode.
    Ist jemand anwesend, schreien Sie „Aua“ , das ist ein „Gefühlsakustikcode“.
    Jeder versteht den, wenn er den Zusammenhang sieht. Franzosen sagen dann „merde“.

    Die dabeistehende Frau signalisiert Ihnen Mitgefühl und sagt : „tut weh, nicht!“ Das ist ein akustischer Sprachcode.
    Um das sagen zu können muss die Frau gedanklich die Situation verstanden haben, sie muss Empathie besitzen, sie muss jetzt das Gefühl der Empathie in Sprache übersetzen (Sprache = Code)
    , sie muss den Gedanken „tut nicht weh“ akustisch codieren und tuut weeh artikulieren = akustisch codieren.
    Ein Hund kann das auch, der merkt wenn sein Herrchen sich verletzt hat und rennt zu ihm hin. Er bellt aber nicht, das wäre unpassend, er leckt ihn ab. Das Ablecken ist ein Gebärdencode.
    Beißen und zwicken übrigens auch.
    Wenn der Hund die Lefzen hochzieht, dann ist Vorsicht geboten, dann greift er gleich an. Das ist eine Gebärdensprache.
    Also, der Hund benutzt keinen Sprachcode, sondern einen Gebärdencode. Und in dem tonfall wie wir antworten erkennt der Hund, wie die Worte gemeint sind.
    Hunde erkennen sogar, wenn sich zwei Menschen über ihn unterhalten.

  19. Zaccarella, Trettenbrein,
    Danke für den Hinweis mit den Gebärden, dieser Begriff ist schon belegt, ich meinte Körpersprache.
    Schon die Art wie sich jemand hinstellt, die Pose, ist eine Information für den Anderen.

    In der Umgangssprache sagt man jedoch: “Er hat sich wie ein Verrückter gebärdet”.

  20. Ihr Artikel: „Sprache ist mehr als Sprechen: Eine kognitionswissenschaftliche Betrachtung“, veröffentlicht von Patrick C. Trettenbrein & Emiliano Zaccarella am 07. Januar 2022.

    Ihre Behauptung: „Sie sehen Sprache als die universelle Fähigkeit des Menschen, Sprache zu erwerben und zu verwenden – eines der wichtigsten Merkmale, das uns von anderen Tieren unterscheidet. Und diese Fähigkeit ist keineswegs auf Laut- oder Schriftsprache beschränkt.“

    Ihre kognitionswissenschaftliche Betrachtung, dass „die Sprache eine universelle Fähigkeit des Menschen ist“ und „eines der wichtigsten Merkmale, das uns von anderen Tieren unterscheidet“ ist aus wissensschaftlicher Sicht völlig falsch!

    GEGENMEINUNG:
    Für den Menschen ist die Stimme der Inbegriff der Sprache. Auch Tiere benutzen zur Verständigung vielfach Laute als Sprache zur Kommunikation, zum Beispiel als Erkennungszeichen bei der Paarung, zur Verteidigung ihres Reviers oder zur Orientierung. Aus diesem Grund röhrt der Hirsch zur Brunftzeit und quakt der Frosch im Gartenteich. Noch wichtiger als die Kommunikation mithilfe von Lauten sind die Mitteilungen, die Tiere über mimische und gestische Signale machen. Dabei spielen Gesichtsausdrücke ebenso eine Rolle wie die Körperhaltung.

    In ihrem Buch “Die Sprachen der Tiere” demonstriert die niederländische Schriftstellerin und Philosophin Eva Meijer, wie vielfältig tatsächlich aber die Sprachen der Tiere sind, und wie falsch die großen Welterklärer, wie René Descartes, Immanuel Kant, Martin Heidegger, einst lagen. Zugleich liefert sie zahlreiche Beispiele für die vielfältigen Arten und Weisen tierischer Kommunikation.- und plädiert für ein neues Rechtsverständnis der Tiere.

    “Die Kommunikation der Tiere ist auf ihr jeweiliges Lebensumfeld abgestellt”, heißt es in ihrem Buch, “sie ist das Ergebnis ihrer physischen und kognitiven Fähigkeiten. …Da sich Tiere nicht in Menschensprache artikulieren können, glauben wir oft, wir können nicht erfahren, was sie denken. …Doch wenn man ein Tier gut kennt, kann man es oft hervorragend verstehen, manchmal sogar besser als einen Menschen aus einer anderen Kultur.” Es gibt ihn also, den über scheinbare ontologische und sprachliche Barrieren hinweg geführten Dialog zwischen Mensch und Tier – ein funktionierendes Sprechen miteinander.

    Es gibt auch den Dialog zwischen Mensch und Tier: Wie das funktioniert, davon erzählt ihr Buch. Und zu welchen Tricks und Modifikationen Tiere bisweilen greifen, um sich zu verständigen. So verwenden etwa Erdhörnchen nicht nur unterschiedliche Laute, um ihre Artgenossen vor drohenden Feinden zu warnen; sie zeigen ihnen darüber hinaus auch noch an, ob der feindliche Angriff aus der Luft droht oder ebenerdig zu erwarten ist.

    Neueste Forschungen zeigen, dass die Tiere auch über diesen „neurokognitiven Werkzeugkoffer“, wie z.B. Instikte, von Geburt an verfügen und ihn auch für die Kommunikation untereinander und mit uns Menschen in verschiedenen Sprachen dann auf unterschiedliche Weise nutzen. Es ist ein wissenschaftlicher Irrtum, zu behaupten, „die Menschen seien die einzigen „sprachbegabten Spezies.“ Die Tiere existieren seit einigen hundert Millionen Jahren, aber der Homosapiens erst seit ca. 130 tausend Jahren (die ältesten Funde von Knochen eines Homo sapiens in Äthiopien). Die Tiere sind die am weitesten entwickelten Lebensformen auf unserem Planeten. Die Tiere leben genauso in sozialen Gruppen wie die Menschen.

    Wer die Menschen in den Mittelpunkt unseres Planeten stellt, hat die Naturwissenschaft und die Evolution auf unserer Erde auch nicht verstanden. Die „Schöpfungsgeschichte“ ist ein von einigen irregeleiteten Menschen erfundener kosmogonischer Mythos!

    Abschließend bleibt festzuhalten: Ja, wir können von Kognition bei Tieren sprechen, Tiere besitzen auch einen Geist und kommunizieren nicht nur, sie sprechen miteinander – und mit uns – wie die besten Freunde der Menschen, Hunde und Katzen. Unsere Umwelt ist voll von tierischen Klängen. Ob morgens die Vögel zwitschern oder nachts die Wildschweine grunzend durchs Unterholz laufen: Wer genau hinhört, hört sie überall. “Wie wir über Tiere denken”, so Meijer, “hängt damit zusammen, wie wir sie behandeln.”

    • Danke für Ihren Kommentar. Die Existenz von Gebärdensprachen widerlegt die These, dass die “Stimme der Inbegriff der Sprache” ist. Tiere verfügen natürlich über kognitive und kommunikative Fähigkeiten. Doch Kommunikation ist nichts spezifisch menschliches oder gar sprachliches. Sie ist lediglich ein Aspekt wofür Sprache auch verwendet wird. Der in der von Ihnen zitierten Passage verlinkte Fachartikel legt diese Sichtweise aus einer evolutionären Perspektive dar.

      –PCT

  21. Interessant, die Sprachentwicklung am eigenen Kind zu beobachten: Wir kommunizieren mit dr nun bald zwei-jährigen verbal und gestisch (angelehnt an “Babysignal” von Wibke Gericke).
    Erstens erstaunlich, wie schnell ein Begriff gelernt und abrufbar ist, zweitens ist die Kombination für den Spracherwerb, glaub’ ich sehr hilfreich und jedenfalls sehr viel frustärmer für’s Kind, wenn es sich schon via Gestik verständlich achen kann, wenn es mit der Artikulation noch nicht so klappt…Drittens auch erstaunlich, welche kognitive Leistung da schon verbracht wird: Aus den Gesten für Buch, Raupe und satt wird die Bitte, die “Raupe Nimmersatt” anzugucken, aus der Geste für Schnee/schneien und dem Wort Mann wird “Schneemann” usw usf

  22. Mir scheint der Begriff Sprache wird hier unterschiedlich verstanden. Ist Sprache der Oberbegriff oder ist Kommunikation der Oberbegriff.
    Aus Wikipedia
    „Unter Sprache versteht man im allgemeinen Sinn alle komplexen Systeme der Kommunikation. Darunter fallen die menschlichen natürlichen Sprachen sowie auch konstruierte Sprachen, aber auch im Tierreich existieren Zeichensysteme und kommunikative Handlungen, die als Sprache bezeichnet werden. „

    Anders gesagt, ist Kommunikation ohne Sprache möglich?

  23. Auch spannend: scheinbar ist die logische Verneinung für Kinder kein Problem:
    “Willst Du nichts mehr essen?” wird logisch korrekt ( und im Unterschied zu den meisten Erwachsenen) mit “Ja” beantwortet

  24. Stefan,
    Kinder sind noch fähig zu Wortneubildungen.
    Unser Sohn auch 2 Jahre alt, zeigte nach oben auf dem Küchenschrank und sagte “Ladihunger”. Das war verständlich, er hatte Appetit auf Schokolade und wollte welche.
    Ein Hund schafft das mit einem Blick und wenn er dabei sabbert. Seltsamerweise hat dem Hund Schokolade geschmeckt auch wenn viele davor warnen.

  25. “.. durch und durch abstrakte Natur unserer Sprachfähigkeit .. ” — in der filosofie : idee , logik .. in der psychologie : wahrnehmung , erfahrung – repräsentation , assoziation .. aus der begrenztheit : verortung – die bildung, eines subjekts – individualisierung , universalisierung , diversifizierung etc .. — merke : sinn – ist immer nur gedacht , sein – immer nur gemeint .. ..

  26. @hwied 10.01. 12:55

    „Ein Hund schafft das mit einem Blick und wenn er dabei sabbert.“

    Es gibt viele Möglichkeiten, sich kurz und knapp zu verständigen. Vor allem wenn man z.B. selber mal einen Hund hatte, versteht man auch andere Hunde viel besser.

    Gerade wenn man ständig zusammen ist und sich lange kennt, gelingt Kommunikation noch mal viel schneller und treffender. Das gilt auch für die Kommunikation über Artgrenzen hinweg. Die gemeinsame Kommunikationserfahrung machts möglich, man improvisiert erst, und lernt nach und nach, was der andere womit meint. Auch verstehen sich Ehepartner oder Geschwister ziemlich gründlich, ohne viele Worte machen zu müssen.

    Im Jemen gibt es wilde Gruppen, die aus Affen, verwilderten Hunden und verwilderten Hauskatzen bestehen. Das funktioniert nur, weil die Tiere regelmäßig von Menschen gefüttert werden, und jede Art andere Teile des Futters bevorzugt. Die Affen bestimmen, was gemacht wird, die Hunde freuen sich, dass sie eine gewisse Führung haben, die sie vom Menschen her gewöhnt sind und bieten Sicherheit gegenüber anderen verwilderten Hunden, und die Katzen werden von den Affen gerne gesehen, weil sie sie einfach süß finden. Irgendwie schaffen es diese gemischten Gruppen, erfolgreich zu kommunizieren und ein gemischtes Sozialleben zu organisieren.

    Auch gehen Buckelwale, Delfine und Seevögel regelmäßig gemeinsam auf die Jagd nach Fischschwärmen.

  27. @Jeckenburger:

    Nochmal zu den Beschreibungsebenen: In dem Artikel geht es um menschliche Sprache, nicht um Kommunikation im Allgemeinen, die natürlich auch Tiere einschließt. Menschliche Sprache hat ein Alleinstellungsmerkmal, indem sie Grundlage dafür ist, dass wir Wissen generationsübergreifend speichern können, über Dinge reden können, die es gar nicht gibt, Beziehungen thematisieren oder Literatur verfassen, mithin eine ‘zweite Natur’ schaffen, die abstrakte Bedeutungsinhalte hat. Dies ist der entscheidende Unterschied zwischen Mensch und Tier. Diese sprachliche Grenze kann ein Tier nicht überschreiten. Wie gesagt, es geht nicht um Kommunikation im Allgemeinen, die findet selbstverständlich zwischen allen Lebewesen auf die ein oder andere Art statt und ist vor allem nonverbal.

  28. Geehrte Autoren, die Plastizität des Gehirns bringt es mit sich, dass sich das Sprachnetzwerk auch in der rechten Gehirnhälfte entwickeln kann, oder, wie in meinem Fall, auch in beiden. Außerdem gibt es einen leider immer noch nicht erforschten Bereich nichtkognitiven Denkens, und auch einen Einfluss von nichtsprachlich erzeugten Bewegungen und Spannungen auf verbalisierbare Vorstellungen.

  29. @Stegemann 10.01. 18:38

    „…mithin eine ‘zweite Natur’ schaffen, die abstrakte Bedeutungsinhalte hat. Dies ist der entscheidende Unterschied zwischen Mensch und Tier. Diese sprachliche Grenze kann ein Tier nicht überschreiten.“

    Ja, meistens sind wir in der Tat sehr von spezifisch menschlicher Sprache bestimmt. Das macht uns Menschen und unsere Kultur aus.

    Aber ein gewisses Weltwahrnehmen und ein unmittelbares Weltverständnis, eine nonverbale Art zu existieren und zu kommunizieren haben wir immer auch noch, die wir untereinander wie auch mit Tieren, insbesondere Haustieren, direkt teilen können.

    Was jetzt Delfine und Orcas so machen, fände ich aber nochmal spannend. Und was zukünftige KI oder auch eventuelle zukünftige Kontakte mit intelligenten Außerirdischen angeht, da wird es auch nochmal interessant.

  30. @Jeckenburger:

    Wollten Tiere uns verstehen, müßten sie unsere Sprache 1:1 in ihre übersetzen, so wie wir es mit Fremdsprachen machen. Das setzt nicht nur einen Dekodierer voraus, sondern auch einen (kulturellen) Speicher, aus dem eine solche Dekodierung erfolgen könnte. Das sehe ich bei keinem einzigen Tier, die morphologischen Voraussetzungen gar nicht einbezogen. Nonverbale, gestische Kommunikation bleibt davon unberührt.
    Bei KI fehlt es bereits an der einfachsten Voraussetzung: selbständiges Denken (strukturierende Reizverarbeitung). Derzeitige KI sieht nur intelligent aus, ist aber dumm, da man lediglich auf von Algorithmen gesteuerte plumpe Elektrotechnik setzt und dafür enorme Datenmengen verarbeiten muss.

  31. In der Diskussion über Sprache wird die fundamentale Bedeutung der Emotionen nur unzureichend berücksichtigt. Folgende Zusammenhänge sind zu beachten: Jedes menschliche Wort hat in allen untersuchtenSprachen eine emotionale Bedeutung in einem dreidimensionalen System von Evaluation (positiv-negativ), Potency/Macht (stark-schwach) und Activity (aktiv-passiv), s. Osgood, C. E., May, W. H. & Miron, M. S. (1975). Cross-cultural universals of affective meaning. Urbana, Ill.: University of Illinois Press. Dieses System geht offensichtlich zurück auf dieselben Dimensionen in der non-verbalen Kommunikation, s. Mehrabian, A. (1972). Nonverbal communication. Chicago: Aldine-Atherton. und letztlich in der Emotionalität, s. Fontaine, J. R. J., Scherer, K. R., Roesch, E. B., & Ellsworth, P. C. (2007). The world of emotions is not two-dimensional. Psychological Science, 18, 1050-1057. Emotionen dienen der Orientierung des eigenen Handelns: Was gilt es zu erstreben oder zu vermeiden? (E=Evaluation), inwieweit bin ich dazu in der Lage oder muss mit Einwirkungen anderer rechnen? (P=Potency) und wie dringlich ist es (A=Activity). Sie dienen über nonverbale Kommunikation auch der Orientierung anderer Anwesender, indem sie zeigen, was in der betreffenden Person gerade vorgeht. Die tierische Kommunikation beruht auf diesem System, während die menschliche Kommunikation das auch sprachlich mit den gewählten Worten vermittelt. Wie mächtig diese emotionale Grundlage der Sprache ist, zeigen die Forschungen zur Affect Control Theory (ACT, e.g. Heise, D. R. (2007). Expressive order. Confirming sentiments in social actions. Berlin: Springer. / Heise, D. R. (2010). Surveying cultures. Discovering shared conceptions and sentiments. Hoboken, NJ: Wiley.) Sie bilden das Weltbild der jeweiligen Gesellschaft ab mit den zur Verfügung stehenden Rollen und Identitäten und den dazu passenden Handlungen (die sich mit ACT mathematisch errechnen lassen) und ermöglichen so die wechselseitige Verständigung, die weit über die Kenntnis einzelner Worte hinausgeht. Ein viel zitiertes Beispiel: Angenommen, eine Mutter (E: 3 / P: 1,3 / A: 0,4) lobt ihr Kind, dann ist die Handlung bzw. diese wörtliche Beschreibung gegenüber dem Kind stimming bzw. mathematisch ohne große Abweichung (E: 3 / P: 2,5 / A: 0,3). Damit bestätigt die Mutter ihre Identität als Mutter in dieser Gesellschaft und das entstehende positive und mächtige Gefühl lässt sich mathematisch ableiten (E: 3 / P: 2,8 / A: 0). Eine Mutter (E: 3 / P: 1,5 / A: 0,5), die ihr Kind schlägt, handelt negativ, mächtig, aktiv (E: -1,3 / P: 2,2 / A: 1,7), eine große Abweichung (euklidisch), so dass sie entweder als zornig (E: -1,5 / P: 1,5 / A: 1,8) oder als autoritär (E: -1,2 / P: 2,5 / A: 1,8) wahrgenommen wird und nicht als typische Mutter wertgeschätzt werden kann. Interessanterweise lassen sich mit dem sprachbasierten Gleichungssystem auch Wahrnehmungen nonverbalen Verhaltens stimmig ableiten, s. Schröder, T., Netzel, J., Schermuly, C. C., & Scholl, W. (2013). Culture-constrained affective consistency of interpersonal behavior: A test of affect control theory with nonverbal expressions. Social Psychology, 44, 47-58. Das tragende System der Sprache besteht also aus der Koppelung von Gefühlen und ihrem nonverbalen Ausdruck, das mit der präziseren und kleinteiligeren Welterfassung durch Wörter verfeinert, aber nicht wesentlich verändert wird. Dementsprechend ist zu erwarten, dass die Gebärdensprache in vergleichbarer Weise Gefühle im dreidimensionalen Gefühlssystem zum Ausdruck bringt, verstärkt durch eine noch direktere Koppelung mit dem nonverbalen Ausdruck als bei der wortbasierten Sprache.

    Eine ausführlichere Darstellung dieser Zusammenhänge findet sich in Scholl, W. (2013). The socio-emotional basis of human interaction and communication. How we construct our social world. Social Science Information, 52, 3-33.

  32. @Wolfgang Scholl
    Mich würde erstens interessieren,ob Sie Reflex,Trieb und Motiv zu den Emotionen zählen?
    Und zweitens, wie Sie,wenn Sie Antagonismen wie positiv-negativ,stark-schwach,aktiv-passiv,verwenden, diesen Antagonismus auch in Antonymen wieder erkennen? Wenn ja,dann würde mich ihr Gedanke dazu interessieren.

  33. Etwas einfacher,
    der Laut eines Wortes sagt schon etwas über die Absicht aus, auch wenn wir die Sprache gar nicht kennen.
    Hier ein Beispiel: Was könnten die Worte bedeuten?
    Mna und Fir .

    • @hwied: “Was könnten die Worte bedeuten?”

      Toleranz, Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Sicherheit, Liebe, etc. – In der herrschenden/globalisierenden Welt- und “Werteordnung” gibt es kein Wort das wirklich-wahrhaftig einen zweifelsfrei-eindeutigen Wert bedeutet, alles ist manipulativ-schwankend/abhängig zur wettbewerbsbedingt-konfusionierenden Symptomatik, obwohl es zweifelsfrei-eindeutige Wahrheit geben könnte.

      Sprache ist deshalb VOR ALLEM der intrigante wie kapitulativ-bewusstseinsbetäubende Ausdruck des “gesunden” Konkurrenzdenkens (ein gegen die Konfusion merk- und denkwürdiges Symptom der wettbewerbsbedingten Symptomatik)!?

  34. hto,
    wenn du vor einem Klohäuschen stehst, dann ist das einzig Intrigante dein Darm, du kannst aber erraten was Frau und was Mann bedeutet.
    Die Vokale Mn drücken ein Gefühl aus, das warm und weiblich ist. Mna = Frau
    Fir dagegen , lass es mal auf der Zunge zergehen, enthält das spitze I mit einem rollenden r. Das f erinnert an Feuer, Furcht, flüssig Fir = Mann.
    Und Sprache ist mehr als Sprechen, Konsonanten sind mehr als Buchstaben, sie drücken ein Gefühl aus.
    Bei den Vokalen wird es noch deutlicher, das U steht für das Dunkle , Unheimliche, I steht für Ekel, Erschrecken, E ist neutral, A steht für Erstaunen.
    Sprache ist nicht zufällig so wie sie ist, sie verkörpert ein Gefühl.

    • Eines Tages, wenn Mensch es schafft diese Realität wirklich-wahrhaftig menschenwürdig und zweifelsfrei-eindeutig zu organisieren, werden wir den Dreh “finden” gedanklich zu kommunizieren, ohne technische Hilfsmittel, ähnlich wie es unsere “primitiven” Mitlebewesen können, nur mit dem Unterschied das unsere Sensorik nicht nur über Nase, Augen, Ohren, Haut abläuft – Sprache ist eine Geräuschkulisse die ziemlich blöd ist,😏 wenn man mal weiß wie der Hase im geistigen Stillstand läuft, auch in der schönsten Musik sollte man sich nicht so sehr darauf konzentrieren😉😎

  35. Da wir gerade blogübergreifend sind: Sprache und Stimme ist das eigentliche Thema.
    Wie entsteht Stimme und wie wird Stimme wahrgenommen?

  36. Mussi,
    Ein Sänger wäre jetzt der richtige Gesprächspartner.
    Stimme hat auch mit Musik zu tun. Man kann unterscheiden zwischen der Lautstärke, der Tonhöhe, der Diktion, an der Stimme kann man Freude heraushören, Angst, Zorn, und auch den Charakter. Hör dir mal die Stimmen der großen Diktatoren an.
    Hör dir mal die Stimme von Klaus Kinski an, der war auch nicht normal.

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