Erster Film eines Schwarzen Lochs? Was uns am 12. Mai vermutlich erwartet

Orangener Ring, etwas unregelmäßig, mit dunklem Schatten in der Mitte

Die Wissenschaftskommunikation ist transparenter geworden. Vor 30 Jahren hätten vermutlich nur die entsprechenden Wissenschaftsredakteure die Ankündigung zur Pressekonferenz einer wissenschaftlichen Kollaboration bekommen und damit vor dem Rest der Welt gewusst: da kommt etwas. Heutzutage bekommt man als wissenschaftsinteressierter Mensch direkt mit, was da läuft. In diesem Falle: Die Event Horizon Telescope Collaboration, die uns im April 2019 bereits das erste Bild vom Schatten des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs bescherte, lädt am 12. Mai um 15 Uhr MESZ zu mehreren internationalen Pressekonferenzen ein – unter anderem auch bei der ESO in München. Und natürlich kann es immer Überraschungen geht, aber in diesem Falle gibt es recht gute Schätzungen, was uns da am 12. Mai erwartet. Vermutlich nämlich eine Art Film des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße.

Hier zur Erinnerung noch einmal das erste Bild, damals:

orangener Ring mit schwarzer Mitte: das erste 2019 veröffentlichte Bild vom Schatten eines Schwarzen Lochs. Das war ein Einzelbild, kommt jetzt ein Film?
Dieses Bild des supermassereichen Schwarzen Lochs von M87 veröffentlichte die Event Horizon Telescope Collaboration am 10.4.2019. Bild: Event Horizon Telescope Collaboration

Rückblick erste Pressekonferenz: was wir damals nicht zu sehen bekamen

Ich habe damals, als die April-2019-Pressekonferenz angekündigt gewesen war, übrigens wie viele andere mit meinen Erwartungen danebengelegen. Ich hatte damals erwartet, dass wir das erste Bild vom Schatten des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße zu Gesicht bekommen würden. Ich hatte bis dahin in meinen öffentlichen Vorträgen über Schwarze Löcher nämlich als Ankündigungsfolie so gut wie immer eine Abbildung aus einem 2001 erschienenen Sterne-und-Weltraum-Artikel aus diesem Konferenzbeitrag von Heino Falcke und Kolleg*innen dabei gehabt, so etwas hier:

Folie mit zwei möglichen Abbildungen eines Schwarzen-Loch-Schattens, Artikel von Falcke, Agol und Melia 2000 (dort fälschlich als 2001)

“Zukunftsmusik 2” war dann in der Anschlussfolie übrigens der direkte Nachweis von Gravitationswellen zwei verschmelzender Schwarzer Löcher.

In einem ein Jahr zuvor, also im Jahre 2000, erschienenen Fachartikel hatten Heino Falcke und seine beiden Kollegen nämlich durchgerechnet, was man mit entsprechend hochaufgelösten Beobachtungen erwarten könnte, von einem (damals noch hypothetischen) Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße zu sehen. Die dafür nötige hohe Detailgenauigkeit war damals noch rund einen Faktor 2 höher, als man es mit dem Zusammenschalten von Radioteleskopen erreichen konnte. Aber das hieß gleichzeitig: soweit weg war das Ziel dann auch wieder nicht!

Seither hatten diejenigen, die sich für die Beobachtung von Schwarzen Löchern interessierten, auf dem Schirm, dass ein solches Bild in nicht allzu ferner Zukunft kommen würde. Allerdings sahen wir im April 2019 dann eben kein Bild vom Schwarzen Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxis. Und von einem Film war zunächst auch nicht die Rede gewesen.

Die Winkelgröße hat zwei Faktoren: M87

Stattdessen sahen wir ein Bild des Schwarzen Lochs in einer deutlich weiter entfernteren Galaxie, nämlich der riesigen elliptischen Galaxie M87 – eben das oben wiedergegebene Bild. Zugegeben: wenn man sich systematisch angeschaut hätte, welche supermassereichen Schwarzen Löcher es da draußen gab, hätte man darauf kommen können. Ich habe später, für eine Vorlesung, mal diese Abbildung hier erstellt:

Diagramm, auf dem als Datenpunkte Schwarze Löcher eingetragen sind. Auf der y-Achse die Winkelgröße, auf der x-Achse die Zeitskalen.Auf die waagerechte Achse gehe ich gleich noch ein; die hängt direkt da mit zusammen, dass wir diesmal kein Standbild, sondern eine Art Film erwarten.  Schauen wir aber erst einmal auf die senkrechte Achse. Dort ist der scheinbare Durchmesser aufgetragen, also der Winkel, unter dem jedes der hier geplotteten Schwarzen Löcher von der Erde aus gesehen erscheint. Und zugegeben: SgrA*, das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, hat den größten Winkeldurchmesser. Klar, es ist uns ja auch ungleich näher als die supermassereichen Schwarzen Löcher in anderen Galaxien. Aber der entsprechende Winkeldurchmesser hängt auch von der Masse ab, und da ist unser eigenes supermassereiches Schwarzes Loch mit 4 Millionen Sonnenmassen eher ein Leichtgewicht.

An der Stelle wird dann in der Tat M87 interessant. Deren Schwarzes Loch ist zwar rund 2000 Mal weiter entfernt von uns als das in unserer eigenen Galaxie. Wäre das alles, wäre der Winkeldurchmesser jenes Schwarzen Lochs am Himmel entsprechend 2000 Mal kleiner, und damit weit jenseits dessen, was sich mit heutiger Technik abbilden ließe. Aber das Schwarze Loch in M87 hat eine um rund einen Faktor 1000 größere Masse. Das gleicht den Nachteil gerade wieder aus. Hier sind die entsprechenden Größen, anhand der Daten, die für die Zielauswahl zur Verfügung standen:

Zahlenwerte für die Schwarzen Löcher in M87 und in der Milchstraße im VergleichWie man sieht war die Massenbestimmung für M87 etwas unsicher, der entsprechende Wert nur bis auf einen Faktor 2 bekannt. Aber der scheinbare Winkeldurchmesser, einschließlich des Faktors, der Schwarze Löcher etwas größer erscheinen lässt als die einfache geometrische Relation “Größe ist Winkel im Bogenmaß mal Abstand”, war dem von Sgr A* sehr ähnlich. Kleiner, wenn man Pech hatte sogar weniger als halb so groß, aber in derselben Größenordnung. Die Event Horizon Telescope Collaboration hatte bei der entscheidenden Kampagne im April 2017 daher beide auf’s Korn genommen: Sgr A* als das supermassereiche Schwarze Loch vor unserer Haustür, und das Schwarze Loch in M87. Wer die Details jener Kampagne und dessen, was darauf folgte, wissen möchte, dem sei das Buch “LIcht im Dunkeln” von Heino Falcke empfohlen, dass ich hier bei den SciLogs ja auch schon durchaus positiv besprochen hatte.

Zeitskalen und Lichtgeschwindigkeit

Aber warum dann nur M87? Warum nicht triumphalerweise gleich zwei Bilder der Schatten zweier Schwarzer Locher? Warum nicht auch Sgr A*?

An dieser Stelle wird die zweite Achse im obigen Diagramm wichtig, die x-Achse, wo “Zeitskala in Sekunden” steht. Zeitskala? Astronomische Objekte können sprichwörtlich groß sein. So groß, dass wichtig wird, dass sich Licht eben nicht instantan, sondern mit endlicher Geschwindigkeit ausbreitet. Das bedeutet, dass die Zeitskalen, auf denen sich die Helligkeit eines solchen Objekts maßgeblich (etwa um einen Faktor 2 oder noch mehr) ändern kann, direkt mit der Größe des betreffenden Objekts zusammenhängen. Stellen wir uns vereinfacht vor, die Oberfläche eines durchscheinenden astronomischen Objekts würde zu einem bestimmten Zeitpunkt abrupt aufblitzen. Dann würden wir die Helligkeitsänderung hier auf der Erde nicht als abrupten Blitz wahrnehmen, sondern als allmähliches Aufleuchten. Warum das so ist, ist in der folgenden Darstellung zu sehen. Die roten Punkte sind dabei Lichtteilchen, die von den verschiedenen Orten an der Oberfläche zu uns als Beobachter nach rechts laufen:

Und wie man sieht: Was als instantaner Lichtblitz auf der Oberfläche begann, kommt als zeitlich ausgedehntes Signal bei uns als den Beobachtern an. Einfach weil das Licht von den unterschiedlichen Oberflächenregionen unterschiedlich lange benötigt, um uns zu erreichen. Ein Maß für die Länge des länger anhaltenden Lichtsignals ist die Zeit, die Licht benötigt, um ein Objekt der betreffenden Größe zu durchqueren, sprich: der Durchmesser des Objekts, geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit.

Sicher kann man sich auch ein Szenario denken, indem alles Licht von der Oberfläche gleichzeitig bei uns ankommt. Dazu wäre aber ein genau koordiniertes jeweiliges Aufblitzen der verschiedenen Oberflächenregionen nötig – das Licht der weiter von uns entfernten Regionen müsste schließlich genau in der richtigen Weise früher loslaufen, um uns gleichzeitig mit dem Licht der uns näheren Oberflächenregionen zu erreichen. Das ist ein sehr unwahrscheinliches Szenario, zumal so ein koordiniertes Aufblitzen dann ja auch nur für Beobachter in einer einzigen Richtung funktioniert. Die allgemeine Situation ist daher tatsächlich die oben visualisierte: dass ein Lichtblitz eines Objekts des Durchmessers D bei uns über einen Zeitraum D/c hinweg ankommt, und das heißt verallgemeinert: dass signifikante Helligkeitsänderungen eines Objekts der Größe D aus unserer Sicht nicht schneller als über eine Zeitdauer D/c ablaufen.

Im Falle eines Schwarzen Lochs ist es per Definition ja nur die Materie rund um das Schwarze Loch, von der wir Strahlung empfangen – dafür gleich eine ganze Menge Strahlung: Die sogenannte Akkretion, also das Einfallen von Materie auf einen kompakten Körper ist die effektivste Art und Weise, Energie freizusetzen. Schwarze Löcher sind die kompaktestmöglichen Objekte überhaupt, und die sogenannten Akkretionsscheiben, die sie umgeben und in denen Materie umläuft, bevor sie zum inneren Scheibenrand driftet und im Schwarzen Loch verschwindet, sind für einige der hellsten Leuchterscheinungen im Universum überhaupt verantwortlich: für die sogenannten Aktiven Galaxienkerne. Die Helligkeit hängt allerdings auch davon ab, wieviel Materie pro Zeiteinheit auf die Akkretionsscheibe fällt. Bei hellen Aktiven Galaxienkernen fallen typischerweise einige Sonnenmassen an Materie pro Jahr auf die Akkretionsscheibe (und von dort in das Schwarze Loch). Für das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße ist diese Akkretionsrate deutlich geringer, und dürfte bei weniger als einer zehntausendstel Sonnenmasse pro Jahr liegen.

Die unterschiedlichen Zeitskalen von Sgr A* und M87: vom Bild zum Film

Die Ausdehnung der innersten Bereiche der Akkretionsscheibe definiert eine untere Grenze, über welche Zeitintervalle hinweg sich die Helligkeit der Akkretionsscheibe drastisch verändern kann. Und an dieser Stelle macht es dann eben doch einen Unterschied, dass M87 und das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße so unterschiedlich massereich und damit so unterschiedlich groß sind – letztlich den Unterschied zwischen Einzelbild und Film. Legt man alleine die Durchmesser der Schwarzen Löcher zugrunde, dann kommt man, siehe die Tabelle oben, auf eine minimale Zeitskala von rund 40 Sekunden für das Schwarze  Loch Sgr A* im Zentrum der Milchstraße, und 8 bis 16 Stunden für M87.

Diese unterschiedlichen Zeitskalen sind wichtig, denn der Rekonstruktionsprozess, bei dem die Event Horizon Telescope Collaboration aus den Messungen vieler verschiedener Teleskope, die fast über den ganzen Erdball verteilt sind, ein Bild rekonstruiert, ist einigermaßen kompliziert. Wenn sich das, was dem Bild zugrundeliegt, auf kurzen Zeitskalen verändert, ist die Rekonstruktion noch deutlich schwieriger, als wenn das zugrundeliegende Signal einigermaßen stabil bleibt. Das dürfte der wesentliche Faktor gewesen sein, dass das Bild des Schattens von M87 als erstes fertig wurde – während sich die Auswertung der Daten für das Bild des Schattens des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer eigenen Milchstraße deutlich schwieriger gestaltete.

Letztlich rekonstruiert man, wenn sich einige Stunden Beobachtungsdaten angesammelt haben, bei zeitlichen Veränderungen auf einer Zeitskala von weniger als einer Minute eben kein einziges Bild, sondern eine Abfolge sich verändernder Erscheinungsbilder des zugrundeliegenden Beobachtungsobjekts – die zugrundeliegenden Daten eines Videos beziehungsweise Films anstelle eines einfachen statischen Bildes.

Vorfreude auf die Film-Premiere (?) am 12. Mai 2022

Diese Vorgeschichte ist alles andere als ein Geheimnis, sondern jedem/jeder Astrophysiker*in klar, der/die sich mit der betreffenden Materie einigermaßen befasst hat. Entsprechend groß dürfte die Vorfreude auf den 12. Mai sein. Aber trotz der Erwartungshaltung, dass dort so etwas wie einen Film oder zumindest eine Bilderserie des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer eigenen Milchstraße enthüllt werden wird, bleibt natürlich sehr spannend, wie jene Bilder dann aussehen. So ähnlich wie M87 oben? Mit Unregelmäßigkeiten? Auf welche Eigenschaften lassen die Bilder schließen? Nicht zuletzt ist ein weitgehend inaktives Schwarzes Loch wie das im Zentrum unserer Milchstraße natürlich noch einmal ein anderes Gebilde als das Schwarze Loch im aktiven Galaxienkern von M87.

Es gibt also genug, auf das wir uns am 12. Mai freuen können. Und wer weiß: Vielleicht ist es am Ende doch noch ein gänzlich anderes spektakuläres Ergebnis, was dort vorgestellt wird. Kein Film vom Zentrum unserer Milchstraße, sondern …ja, was? Für Überraschungen sind solche aktuellen Forschungsergebnisse ja immer wieder einmal gut.

Bis es soweit ist empfehle ich zur Auffrischung noch einmal diese beiden Videos aus unserer Vortragsreihe “Faszination Astronomie Online” zu den M87-Aufnahmen:

Transparenzhinweis
Das Haus der Astronomie ist als deutscher Knoten des ESO Science Outreach Networks an der Vorbereitung der ESO-Pressemitteilung beteiligt, die zeitgleich mit der Pressekonferenz veröffentlicht wird. Ich selbst bin dabei diesmal allerdings nicht involviert und habe mir die Übersetzungsvorlage für die Pressemitteilung ganz bewusst nicht angeschaut. Dieser Blogbeitrag ist aus einer Außenperspektive geschrieben – er gibt wieder, was ich in entsprechender Form in den letzten Jahren mehrmals in meinen Studium-Generale-Vorlesungen zu Einsteinscher Astrophysik und kompakten Objekten erzählt habe. Langjährige Vorfreude also, und ich bin gespannt, was sich davon am 12. Mai dann tatsächlich realisiert!

Nachtrag
Die Bilder, die ich lange Jahre auf meinen Folien haben, stammen offenbar nicht aus dem Sterne-und-Weltraum-Artikel von Heino Falcke sondern aus diesem IAU-Symposiumsbeitrag. Online gibt es aber leider nur die Schwarz-Weiß-Version, und ich weiß nicht, wo ich damals die Farbversion gefunden habe. Danke an Heino Falcke für die Hilfe beim Suchen.

Update 12.5.2022, 15:30 Uhr

Jetzt ist es also da – und es ist im wesentlichen ein (zeitlich gemitteltes) Bild, aber noch kein Film – ein Film, das haben einige der Wissenschaftler*innen auf der Pressekonferenz direkt gesagt, ist für das Event Horizon Telescope noch ein Zukunftsprojekt. Immerhin haben wir jetzt dieses Bild hier:

Orangener Ring, etwas unregelmäßig, mit dunklem Schatten in der Mitte
Bild: EHT Collaboration

Und rückblickend hätte ich bei meiner Beschreibung der Zeitskalen noch einen weiteren Aspekt herausstellen sollen: Die Zeitskala, die für die Helligkeitsänderungen wichtig ist, ist insbesondere die Umlaufzeit der innersten Gasmassen in der Akkretionsscheibe. Die Umlaufzeit bei fast Lichtgeschwindigkeit ist allerdings von einer ähnlichen Größenordnung wie die Zeitskala, auf die ich mich hier konzentriert hatte – genauer: um einen Faktor Pi (das bringt uns vom Durchmesser zum Umfang) mal 3 (das bringt uns von der Horizontgröße zur innersten stabilen Umlaufbahn), also ziemlich genau um eine Größenordnung größer.

 

Avatar-Foto

Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

15 Kommentare

  1. Danke für den interessanten Artikel. Ich habe mich auch gewundert, warum man kein Bild des SL im Zentrum der Milchstraße zeigt. Dann bin ich mal auf den 12. Mai gespannt.

  2. Die Bilder und bald schon Filme, die das Event Horizon Telescope liefert, sind ja in hohem Masse berechnet und beruhen auf den Daten von 8 oder mehr weit voneinander entfernten Radioteleskopen, die aber während der Ausrichtung auf das jeweilige schwarze Loch hochgradig synchronisiert sind, denn nur mit dieser hochgradigen Synchronisierung können sie zu einem einzigen hochaufgelösten „Bild“ integriert werden, einem Bild, dessen Auflösung mehr oder weniger dem eines Radioteleskops mit der Fläche zwischen den Radioteleskopen entspricht.

    Solche hochgradig berechneten Bilder, die mit komplizierten geometrischen Transformationen arbeiten, werden in bestimmten Teilen der Astronomie wohl in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Ich denke da etwa an Bilder, die irgendwann im Brennpunkt der Gravitationslinse der Sonne gewonnen werden. Man kann heute schon mit Bestimmtheit sagen, dass die Menschheit nie so grosse Einzelteleskope bauen wird, wie sie etwa den interferometrisch zusammengeschalteten Radioteleskopen des Event Horizon Teselscopes entsprechen oder die gar so gross sein werden wie die Gravitationslinse der Sonne.

    Für astronomische Spitzenleistungen, die alles übersteigen, was man sich spontan vorstellen kann, muss man tatsächlich tief in die physikalische und informatische Trickkiste greifen.

  3. Markus Pössel schrieb (08. Mai 2022):
    > […] das Schwarze Loch in M87 hat eine um rund einen Faktor 1000 größere Masse [… als] das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße
    > […] ist [aber auch] rund 2000 Mal weiter entfernt […] scheinbare Winkeldurchmesser […] in derselben Größenordnung.

    > […] Die Ausdehnung der innersten Bereiche der Akkretionsscheibe definiert […] minimale Zeitskala [während der] sich die Helligkeit der Akkretionsscheibe drastisch verändern kann.
    >
    […] rund 40 Sekunden für das Schwarze Loch Sgr A* im Zentrum der Milchstraße, und 8 bis 16 Stunden für M87[*].

    > [… Dieser Unterschied] dürfte der wesentliche Faktor gewesen sein, dass das Bild des Schattens von M87[*] als erstes fertig wurde – während sich die Auswertung der Daten für das Bild des Schattens des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer eigenen Milchstraße deutlich schwieriger gestaltete.

    Dazu trägt auch bei, dass die (nominelle) Rotverschiebung jeweils zwischen dem innersten Bereich der Akkretionsscheibe eines Schwarzen Loches (als Sender) und einem weit entfernt nahezu starr gehaltenen Empfänger (wie den Radioteleskopen auf der Erde) nicht wesentlich von den Masse des Schwarzen Loches abhängt, und damit keinen erheblichen Unterschied für die betreffenden Beobachtungen ausmachen dürfte.

    p.s.
    > […] Stellen wir uns vereinfacht vor, die Oberfläche eines durchscheinenden astronomischen Objekts würde zu einem bestimmten Zeitpunkt abrupt aufblitzen.

    Wir haben uns diesen “einen bestimmten Zeitpunkt” dabei offenbar so vorzustellen, dass die Aufblitz-Anzeigen aller betreffender Oberflächen-Bestandteile gleichzeitig waren.

    > Was als instantaner Lichtblitz auf der Oberfläche begann, kommt als zeitlich ausgedehntes Signal bei uns als den Beobachtern an. Einfach weil das Licht von den unterschiedlichen Oberflächenregionen unterschiedlich lange benötigt, um uns zu erreichen.

    Die Aufblitz-Anzeigen der Oberflächen-Bestandteile werden von “uns als Beobachter(n)” nicht zwangsläufig alle zusammen (“auf einmal”, koinzident) wahrgenommen, sondern womöglich stattdessen nicht alle zusammen (d.h. nicht alle koinzident, sondern zeitlich ausgedehnt bzw. verteilt, nacheinander).
    Ein Beobachter benötigt (bzw. “wir benötigen”) ggf. unterschiedlich lange von seiner bzw. unserer allerersten (Anzeige der koinzidenten) Wahrnehmung von Signalfronten der betreffenden Aufblitz-Anzeigen der Oberflächen-Bestandteile, bis jeweils zur (Anzeige der koinzidenten) Wahrnehmung (der Signalfronten) von einigen anderen dieser Aufblitz-Anzeigen.
    (Und i.A. lassen sich daraus Schlüsse über die Geometrie der Region ziehen, die Sender und Empfänger enthielt.)

    > Ein Maß für die Länge des länger anhaltenden Lichtsignals ist die Zeit, die Licht benötigt, um ein Objekt der betreffenden Größe zu durchqueren

    Die Dauer unseres Empfangs (aller Signalfronten) des “instantanen Lichtblitzes (auf) der Oberfläche” hängt i.A. mit den Dauern der Bestandteile dieser Oberfläche, jeweils von der eigenen Aufblitz-Anzeige bis zur (Anzeige der) allerletzten Wahrnehmung der Signalfront der gleichzeitigen Aufblitz-Anzeige eines anderen Bestandteile dieser Oberfläche, zusammen.

    > sprich: der Durchmesser des Objekts, geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit.

    … sofern ein bestimmter Durchmesser-Wert des betreffenden Objektes existiert (und dessen Oberfläche insbesondere eine Kugelschale bildet);
    ansonsten der Durchmesser bzw. die Dicke des betreffenden Objekts jeweils bzgl. eines bestimmten Bestandteiles seiner (blitzenden) Oberfläche, geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit.

    > Sicher kann man sich auch ein Szenario denken, indem alles Licht von der Oberfläche gleichzeitig bei uns ankommt.

    Zumindest kann man sich auch ein Szenario denken, indem alles Licht von der Oberfläche zusammen/koinzident bei uns ankam, bzw. wir alle Aufblitz-Anzeigen der Oberflächen-Bestandteile zusammen wahrnahmen.

    • Das klingt wie eine …beindruckend verkomplizierende Neuformulierung meiner einfachen Abschätzung? Was hat das für einen Mehrwert? Eigentlich ist das Bewusstsein dafür, wann exakte Analysen angebracht sind und wann Pi-mal-Daumen die Größenordnung eines Effekts geschätzt wird (wie in meinem Beispiel) schließlich eine zentrale Grundkompetenz von Physiker*innen….

      • Markus Pössel schrieb (10.05.2022, 13:19 Uhr):
        > […] Was hat das für einen Mehrwert?

        1. “Das” ausdrückliche Diskutieren von “(gravitativer) Rotverschiebung” im Vergleich zwischen M87* und Sgr A* ? —
        bringt durch meinen obigen Kommentar (10.05.2022, 12:38 Uhr) den Mehrwert, dass deren (vermutlich unerheblicher) Beitrag zum Unterschied zwischen M87* und Sgr A* hinsichtlich Schwierigkeiten in der Gewinnung und Auswertung von Beobachtungen damit ausdrücklich in Betracht gestellt wurde;
        anstatt, wie im oben vorliegenden SciLogs-Beitrag, lediglich durch Nicht-Erwähnung als unerheblich impliziert zu sein.

        (Manchen, die von “(gravitativer) Rotverschiebung” auch im Zusammenhang mit Schwarzen Löchern schon mal gelesen haben, mag diese Abschätzung angesichts des bedeutenden Unterschieds der Massen womöglich bemerkenswert vorkommen.)

        2. “Das” Gegenüberstellen von Terminologie im “p.s.” meines obigen Kommentars (10.05.2022, 12:38 Uhr), in Kontrast zu Terminologie des obigen SciLogs-Beitrags ? —
        bringt im Einzelnen folgenden Mehrwert:

        – “gleichzeitige Aufblitz-Anzeigen aller Oberflächen-Bestandteile” (gegenüber “Aufblitzen der Oberfläche zu einem bestimmten Zeitpunkt”)
        weist ausdrücklich auf den Fachbegriff für eine (die?) der Versuchsanordnung zugrundeliegende Messgröße hin: Gleichzeitigkeit;

        – “Dauer unseres Empfangs (gegenüber “Länge eines länger anhaltenden Lichtsignals”)
        nennt den Fachbegriff für die relevante Messgröße: “(Empfangs-)Dauer“, und weist ausdrücklich darauf hin, wessen Eigenschaft der betreffende Messwert ist: unsere;

        – “Dauern der Bestandteile dieser Oberfläche, jeweils von der eigenen Aufblitz-Anzeige bis zur (Anzeige der) allerletzten Wahrnehmung der Signalfront der gleichzeitigen Aufblitz-Anzeige eines anderen Bestandteile dieser Oberfläche” (gegenüber “Zeit, die Licht benötigt”)
        benennt und beschreibt die relevante Messgröße sowie den vom entsprechenden Messwert charakterisierten Beteiligten;
        und verdeutlicht damit insbesondere relevante Anforderungen, die auf “Licht”, alias auf eine Null-Geodäte, gar nicht anwendbar sind;

        – ein Szenario, in dem “alles Licht zusammen/koinzident bei uns ankam, bzw. wir alle Aufblitz-Anzeigen zusammen wahrnahmen” (gegenüber einem, in dem “alles Licht von der Oberfläche gleichzeitig bei uns ankommt”)
        weist ausdrücklich auf den zutreffenden Fachbegriff hin: Koinzidenz(-Bestimmung).

        (“Das” ausdrückliche Gegenüberstellen von womöglich ungleichen “Dicken” eines bestimmten Objekts, bzgl. verschiedener Bestandteile seiner Oberfläche, gegenüber “de[m] Durchmesser des Objekts”, mag als Bonus ohne Mehrwert gelten.)

        > […] zentrale Grundkompetenz […]

        Physik entsteht im Gespräch bzw. in der Korrespondenz, die vermittels SciLogs (weitgehend) Barriere-frei geführt werden kann.

        • OK, ich bin im Hinblick auf den Mehrwert für die hier Mitlesenden nach wie vor skeptisch – Details und Komplikationen können ja durchaus die einfachen Grundlagen verdecken. Aber hej, warum nicht – vielleicht nützt es ja jemandem hier.

          • Für mich als Durchschnittsleser gibt es jedenfalls keinen Mehrwert.

            Herr Wappler begeht seit Jahren den Denkfehler, ein Wissenschaftsblog mit einer Doktorarbeit zu verwechseln.

            Danke für den Artikel, Herr Pössel

  4. … mal auf Herrn Wapplers Einwände eingehend, bestand das “Problem?” nicht darin, daß es
    – um das SL von M87 relativ ruhig ist und die “Langzeitbelichtung” eine klare Abbildung rechnen konnte
    – um Sgr A aber recht turbulent zuging, die Aufnahme “verwackelt” wurde, keine Details erkennbar

    Wie früher beim Fotografieren “bitte lächeln, Luft anhalten und stillhalten” ok im Kasten, aber beim Zappeln:
    jetzt wird es einen Zeitrafferfilm geben und die Dynamik kann mit der Richtigkeit der ART verglichen werden

    Die “Sensation” wird wohl sein, daß der Film geklappt hat und Einstein überzeugend bestätigt wurde.

  5. Herr Senf schrieb (10.05.2022, 21:32 Uhr):
    > … mal auf Herrn Wapplers Einwände eingehend,

    Im Rest des zitierten Kommentars kann ich allerdings keinerlei Bezug auf die, wenn man sie denn so nennen will, “Einwände” erkennen, die ich in meinem Kommentar 10.05.2022, 12:38 Uhr geäußert und im Anschluss (10.05.2022, 18:59 Uhr) nochmals zu erläutern versucht habe.

    Herrn Senf ist bestimmt nicht abzusprechen, dass er schon hin und wieder mal von “gravitativer Rotverschiebung” gelesen hat. Aber dass er im Zusammenhang mit Abbildungen der (Umgebungen der) o.g. Schwarzen Löcher über die entsprechenden gravitativen Rotverschiebungen im Vergleich zueinander nachgedacht hätte, ist jedenfalls nicht erkennbar.

    Indem auch der oben vorliegende SciLog-Beitrag “gravitative Rotverschiebung” nicht erwähnt, geschweige denn hinsichtlich der genannten Abbildungen diskutiert, mag u.a. Herr Senf oder Herr Pössel ihn zwar für geeignet einfach halten.
    Für all jene, die davon nicht einmal zum Nachdenken über die entsprechenden gravitativen Rotverschiebungen im Vergleich zueinander angeregt wurden, ist er aber zumindest in dieser Hinsicht deshalb zu einfach;
    und für all jene, die davon erst recht zum Nachdenken über die entsprechenden gravitativen Rotverschiebungen im Vergleich zueinander angeregt wurden, ist er zumindest in dieser Hinsicht deshalb unnötig kompliziert.

    p.s.
    Im Übrigen hat sich Einstein nicht über Vorhandensein oder Fehlen der o.g. zwei Schwarzen Löcher in irgendeiner Weise geäußert, die eventueller experimenteller bzw. astronomischer Bestätigung oder Widerlegung zugänglich wäre.

  6. Wenn das Schwarze Loch unserer Milchstraße nur 10 hoch 26 kg /a verschlingt, dann ist es ziemlich inaktiv.
    Hat das etwas zu bedeuten ?

  7. Danke für die schnelle Antwort.
    Könnte man auch behaupten, je schärfer wir einen Ausschnitt einer Galaxie sehen, desto ruhiger ist er und je unschärfer er uns erscheint, desto dynamischer ist der Bereich ?

    • Hm. Würde ich so pauschal nicht sagen, nicht zuletzt weil “wie scharf” in so einer Situation eine Aussage über Winkelauflösung ist, die Zeitskalen aber von den absoluten Größenverhältnissen abhängen. Das ist also im Gegenteil grundlegend entkoppelt.

Schreibe einen Kommentar