Wie begann die letzte Eiszeit in Europa?
BLOG: Mente et Malleo
Wir leben in Zeiten des Klimawandels, da hilft kein leugnen und kein nicht-wissen-wollen. Das Problem dabei ist nur, dass wir nicht wirklich wissen, wie das Experiment ausgeht, auf das wir uns mit unserem Klima eingelassen haben. Vielleicht kann uns aber ein Blick in die jüngste Eiszeit unseres Planeten helfen, hier ein wenig Klarheit zu gewinnen. Wie wandelt sich das Klima auf der Erde, und welche Prozesse spielen da eine Rolle? Wenn wir also zum Beispiel verstehen, wie die letzte Eiszeit anfing und wie sie endete, dann könnte uns das also ganz konkret helfen, die Reaktionen unserer heutigen Eisschilde besser zu verstehen.
Der eurasische Eisschild
Der eurasische Eisschild war, neben dem Eisschild Nordamerikas und dem der Antarktis der drittgrößte Eisschild während der letzten Eiszeit. Zusammen senkten sie den Meeresspiegel um satte 120 m ab. Während des Höhepunkts hätte der eurasische Schild mit seinem Eisvolumen von dem gut dreifachen des heutigen grönländischen Eisschildes immerhin eine Absenkung um geschätzte 17 Meter geschafft. Bei einer durchschnittlichen Mächtigkeit von 1,3 Kilometern hätte sein Volumen mehr als 7 Mio. Kubikkilometer Eis umfasst. Aber trotz seiner enormen Größe und seines Einflusses auf die Topographie unseres Kontinents ist seine Dynamik vom Beginn vor 37 000 Jahren bis zu seinem Höhepunkt vor 15 000 Jahren bisher nur sehr lückenhaft bekannt. Dies will eine Arbeitsgruppe um Henry Patton vom Centre for Arctic Gas Hydrate, Environment and Climate (CAGE) nun ändern.
Eiswachstum aus mehreren Zentren
Es begann vor rund 37 000 Jahren mit einem zunehmend kälteren Klima. Dies war ein Bestandteil natürliche Klimaschwankungen im Rahmen von Milankovich Zyklen. Diese Zyklen beruhen auf verschiedenen Parametern der Erdbahn und bestimmten für die letzten rund 1 Million Jahren, grob Vereinfacht gesagt, das Klima auf der Erde. Innerhalb von gut 100 000 Jahren gab es so 90 000 Jahre Kaltzeit und knapp 10 000 Jahre Warmzeit.
Die Abkühlung ließ mehrere kleinere Eiskappen in Europa und Asien wachsen. Dabei spielte der Schneefall eine zentrale Rolle. Um einen kontinentalen Eisschild wachsen zu lassen, braucht es nicht nur kühle Temperaturen, sondern auch entsprechenden Niederschlag. Zum Zeitpunkt der Abkühlung war das Klima in Norwegen, Irland und Großbritannien dem heutigen recht ähnlich, mit feuchtem, maritimem Klima.
Der Eisschild macht sein eigenes Klima
Mit zunehmender Abkühlung wuchsen diese einzelnen Eiskappen langsam und begannen, miteinander zu verschmelzen. Dieser Prozess spielte sich geologisch gesehen relativ schnell ab. Innerhalb von nur 6000 Jahren wurden so drei Eisschilde groß genug, dass von ihnen schnelle Gletscherzungen in ihr Vorland flossen. Nach 13 000 Jahren war aus den drei einzelnen Schilden ein einzelner, kontinentaler Eisschild gewachsen, der mit einer Mächtigkeit von 1,3 Kilometern schwer genug war, um mit seinem Gewicht die Erdkruste unter ihm einzudrücken und die Küstenlinie nachhaltig zu verändern.
Derartig große Eisschilde entwickeln eine ungeheure Eigendynamik. Er beeinflusst das Klima auf dem Kontinent, indem es einen Regenschatten auf seiner östlichen Seite erzeugt. In den kalten und trockenen sibirischen Tundren konnte sich daher aus Schneemangel kein Eisschild entwickeln. Auf der östlichen Seite, im Lee des Eisschildes entstanden Bedingungen, wie wir sie heute in den Trockentälern der Antarktis vorfinden.
Daten vom Meeresgrund
Um die Entwicklung eines kontinentalen Eisschildes wie dem europäischen in allen Einzelheiten zu modellieren, benötigt man viele Daten aus den unterschiedlichen Zeiträumen. Dazu zählen neben der räumlichen und zeitlichen Verteilung der glazialen Sedimente und sonstigen glazialen Hinterlassenschaften auch Radikarbondaten und Hinweise auf die Fließrichtung der Gletscher, z.B. aus Gletscherschliff oder Geschiebedaten. Eine sehr wichtige Informationsquelle befindet sich auf dem Boden des Ozeans. Gerade hier wurde in den letzten 10 Jahren eine enorme Menge an Daten gesammelt. Für den eurasischen Eisschild sind hier ganz besonders die Kara- und die Barentssee von Bedeutung. Große Teile des eurasischen Eisschildes hatten im Meer Grundberührung, ganz ähnlich wie heute das Schelfeis in der westlichen Antarktis. Je mehr man also über die Dynamik des Eisschildes in Nordeuropa und seine Einflüsse auf die Umwelt lernt, desto mehr weiß man auch über unsere heutigen Eisschilde und ihre Dynamik. Daher ist das nächste Ziel der Arbeitsgruppe um Henry Patton, den Zerfall des kontinentalen Eisschildes in Nordeuropa zu modellieren.
Denn gerade der Zerfall des kontinentalen Eisschildes könnte uns helfen, die Zukunft der heutigen Eiskappen von Grönland und Antarktika sowie ihr Schicksal in einem sich ändernden Klima besser zu verstehen. In diesem Fall ist nicht, wie in der Geologie oft, die Gegenwart der Schlüssel zur Vergangenheit, sondern die Vergangenheit der Schlüssel zur Zukunft.
Patton, H., Hubbard, A., Andreassen, K., Winsborrow, M., & Stroeven, A. (2016). The build-up, configuration, and dynamical sensitivity of the Eurasian ice-sheet complex to Late Weichselian climatic and oceanic forcing Quaternary Science Reviews, 153, 97-121 DOI: 10.1016/j.quascirev.2016.10.009
Spannender Artikel, der mal wieder zeigt, wie entscheidend es ist, die Vergangenheit zu verstehen, um in die Zukunft zu blicken. Gerade die Eiszeiten und ihre Verformungen der Landschaft prägen unser Leben ja bis heute.
Sind wohl eher 7 mal 10^6 Kubikkilometer. 🙂 Und die Karasee trennt sich ohne “s”
Hat der Eisschild die Plattenteile nur elastisch abgesenkt oder an seinen Rändern Schichten teilweise brechen lassen?
Und wieviel würde sich Grönland heben, wenn das Eis weg ist?
Hoppla, da sind mir doch die Millionen abhanden gekommen… Danke für die Hinweise.
Die Absenkung erfolgte plastisch. das schiere Gewicht des Eises hat die Erdkruste in den plastisch verformbaren Mantel gedrückt. Nachdem das Eis aufgetaut ist, hebt sich die Erdkruste in Skandinavien, während sich im Gegenzug die Kruste im Bereich Niederlande-Norddeutschland-Polen absenkt. Wie weit sich Grönland ohne seine Eisbedeckung heben könnte, weiß ich nicht. Es gibt durchaus die Ansicht, das dies im Bereich bis zu mehreren 100 m liegen könnte (Marcinek, Der Planet Erde: Gletscher, Time Life). Ob das realistisch ist, weiß ich nicht. Der skandinavische Schild hat sich bis vor rund 2000 Jahren mit gut 75 mm pro Jahr gehoben. Seither hat sich der Wert langsam auf 10 mm/Jahr verringert.
Die Vergangenheit studieren um die Gegenwart und Zukunft zu verstehen. Dieser Leitsatz gilt tatsächliche nicht nur für die historische Vergangenheit, sondern auch für die prähistorische, die präinstrumentelle und aufzeichnungslose Vergangenheit, also eine Zeit in der der Mensch keine oder nur eine geringe Rolle bei der Formung seiner Umwelt spielte.
Bei der Rekonstruktion der letzten Kaltphase unseres Eiszeitalters geht es auch um die Paläoklimatologie, also um Klimata der Erdvergangenheit. Eine ganze Gruppe von Klimaforschern hat sich schon damit beschäftigt und beschäftigt sich weiterhin damit. Vielleicht noch interessanter als vergangene Kaltphasen sind vergangene Warmphasen wie das Eem (die letzte Warmphase), welches wärmer war als das Holozän bis jetzt und wo der Meeresspiegel höher stand. Der Research-Gate-Artikel Delayed maximum northern European summer temperatures during the Last Interglacial as a result of Greenland Ice Sheet melt, welcher im Januar 2017 veröffentlicht wurde, und wo Hinweise darauf gegeben werden, dass das initiale Teilabschmelzen des grönländischen Eisschildes, die europäischen Sommertemoperaturen niedriger hielt als aufgrund der übrigen Erwärmung zu erwarten war. Das könnte uns wieder passieren, denn die von uns durch emittierte Treibhausgase eingeleitete Wärmephase beschleunigt bereits das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes. Es könnte also in den nächsten paar hundert Jahren hier in Europa eher etwas kühler werden.Zitat:
Wenn ich den Artikel richtig verstehe, hat auf der Erde schon immer ein Klimawandel, also einen Wechsel zwischen Kalt- und Warmphasen gegeben – ohne menschliche Einwirkung, wobei die Dauer dieser Zyklen auf versch. Parametern der Erdbahn beruhen.
Auf die Parameter der Erdbahn hat der Mensch keinen Einfluss.
Damit kann er auch keinen Einfluss auf die sich zwangsläufig ergebenden Änderungen (z.B. steigen und fallen des Meeresspiegels) während der momentan bestehenden Warmphase nehmen.
Die von den Menschen verursachten Treibhausgase beschleunigen die mit Ende der letzten Kaltphase begonnene Warmphase.
Mich interessiert wie Wissenschaftler die folgende Frage einschätzen:
Um wieviel Jahre (Jahrzehnte, Jahrhunderte?) beschleunigt denn der menschliche Einfluss den natürlichen Zyklus des Klimawandels, bzw. ist der überhaupt berechenbar?
Die durch den Menschen verursachte Überhitzung des Planeten ist in meinen Augen eine Beschleunigung des Klimawandels , da stimme ich zu. Einem Eiszeit / Warmzeitzyklus stimme ich auch zu . Alle zigtausend Jahre , nur, haben wir nichts von .Und ich sehe in dieser Phase die Gefahr der Verwüstung großer Landstriche , wie z.B. die Ausdehnung der Sahara , der Wüste Gobi sowie in Zukunft der Wüste Amazonas bedingt durch irrsinnige Abholzungen . Russland nehme ich davon nicht aus ( Aralsee , zunehmende Versteppung ) .Das wird eines Tages zur Folge haben dass wir gar nicht mehr zum Mars müssen , denn wir erschaffen ihn hier. Zugänglich für Jedermann und Frau , trocken und versandet .Hiergegen kann der Mensch etwas tun !
Nehmen wir einmal an , wir würden in der Sahara drei riesige Salzwasser Seen erschaffen, grösser aber ähnlich dem Rest Tschadsee. Solarbetriebene Pumpen laufen rund um die Uhr und bringen über Pipeline Wasser aus dem Atlantik und dem Mittelmeer in natürliche Becken innerhalb der Sahara.
Durch die Verdunstung entstehen Wolken und Niederschlag , die Wüste wird enthitzt und somit der Planet . Flüsse können entstehen ( Süsswasser ). In den Seen gibt es Fische zur Versorgung der Bevölkerung , Palmen und andere Bäume können wachsen , binden CO2 und produzieren Sauerstoff . Felder für Getreide , Gemüse können angelegt werden, Viehwirtschaft. Die Seen müssen regelmässig entsalzt werden sonst enden diese wie das Tote Meer , das Projekt schafft Arbeitsplätze , der Flüchtlingsstrom wäre reduziert , lokale Ernährung ist möglich u.s.w. Das wäre Klimawandel mit Intelligenz . Gäbe es Erdöl in der Sahara würde die Pipeline schon liegen .Wir denken nach über Terraforming Mars , lasst uns hier beginnen ! Danach können andere Wüsten urbar gemacht werden , ein Weltprojekt welches unser Überleben weit in die Zukunft sichert. Über Resonanz würde ich mich freuen. Gruß Peter