Entsorgung von Asbest – ist Verbrennen eine Lösung?

Warnschild "Achtung Asbest" und Person im Schutzanzug

Asbest hat eine interessante Karriere von der einstigen Wunderfaser zum gefürchteten Schadstoff hinter sich. Inzwischen ist das faserförmige Mineral in der Bundesrepublik Deutschland seit mehr als 30 Jahren und europaweit seit mehr als 20 Jahren verboten.
Davor waren sie jahrelang in sehr vielen Produkten in unseren Gebäuden und technischen Anlagen verbaut. Wahrscheinlich findet man in den meisten Gebäuden, die vor 1993 gebaut wurden, irgendwo asbesthaltige Materialien. Vermutlich kann man dies sogar bis zum Baujahr 1995 ausdehnen, bis auch die letzten Restbestände asbesthaltiger Produkte aufgebraucht sind.
Wenn diese Gebäude heute modernisiert oder gar rückgebaut werden, fallen also oft große Mengen asbesthaltiger Abfälle an, die bisher teuer deponiert werden müssen. Doch Deponieraum ist endlich. Je knapper er wird, desto teurer wird die Entsorgung. Zudem enthalten viele asbesthaltige Baustoffe vergleichsweise viel organisches Material, das bei der Deponierung oft Probleme bereitet. Abgesehen davon wäre das Recycling vieler Baustoffe sicher eine sinnvolle Lösung, wenn man nur die darin enthaltenen Schadstoffe irgendwie loswerden könnte.
Vor einiger Zeit habe ich über die Versuche geschrieben, Asbest durch biologische Abfallbehandlung weniger schädlich zu machen, und über die Probleme, die dabei auftreten. Nun wurde in der Schweiz untersucht, wie sich Asbestfasern in normalen Müllverbrennungsanlagen verhalten und ob diese eventuell für die Entsorgung von in organischer Matrix gebundenen Asbestfasern geeignet sind.

Aber Asbest ist doch feuerfest?

Eine Möglichkeit, Asbest aus dem Verkehr zu ziehen, ist Hitze. Denn obwohl Asbest gerne im Brandschutz eingesetzt wurde und als weitgehend feuerfest gilt, ist Hitze der Feind der Asbestfaser. Das gilt schon für vergleichsweise niedrige Temperaturen weit unterhalb der Schmelztemperatur. Das liegt daran, dass Asbestminerale, sowohl Amphibole als auch Chrysotil, Kristallwasser enthalten. Dieses wird ab einer bestimmten Temperatur aus dem Kristall ausgetrieben. Dadurch verändert sich die Kristallstruktur so stark, dass sie viele ihrer grundlegenden Eigenschaften verlieren. Dazu gehört auch die krebserzeugende Wirkung.

Man kann sich den Prozess ähnlich wie bei der Umwandlung von Tonmineralen vorstellen [1]. Er beginnt mit dem Verlust des adsorbierten Wassers ab etwa 500 °C. In einem zweiten Schritt werden die strukturell gebundenen OH-Gruppen entfernt.

Dieser Prozess findet bei Chrysotil ab einer Temperatur von 700 °C statt [2] [3]. Schließlich bilden sich wasserfreie Phasen.

Bei Chrysotil, dem wohl am häufigsten verwendeten Asbest, werden die betroffenen Fasern bei diesem Prozess dicker und vor allem spröder. Chrysotil kann sich je nach Umgebung in das Olivin, Forsterit (oder in calziumreicher Umgebung wie in Asbestzementen, in Monticellit) umwandeln.

Die Reaktion folgt in etwa dem Schema ​[4] :

Mg3(OH)4Si2O5 (Chrysotil)=> Mg3Si2O7 (Metachrysotil) + 2 H₂O => Mg2SiO4 (Forsterit)+ MgSiO3 (Enstatit)

Nach den Ergebnissen der Schweizer Studie genügen bereits ca. 15 Minuten bei 800 °C, also Temperaturen und Verweilzeiten, wie sie in Müllverbrennungsanlagen durchaus typisch sind.

Forsterit ist im Gegensatz zu Chrysotil gesundheitlich unbedenklich.

Für Amphibolasbest wie Krokydolith und Amosit werden in der Literatur höhere thermische Umwandlungstemperaturen von 800° bis 950° C angegeben. Krokydolith wandelt sich dabei in die Minerale Acmit (NaFeSi2O6), Hämatit (Fe2O3) sowie Cristobalit, eine Hochtemperaturmodifikation von Quarz, um. Der zweite häufig verwendete Amphibolasbest, Amosit, wird zu Magnetit (Fe3O4) und Cristobalit umgewandelt [5] [2] [3] [6].

Labor und Feldversuche

Um das Verhalten von asbesthaltigen Materialien im Verbrennungsofen besser zu verstehen, wurden zunächst Versuche im Labormaßstab durchgeführt. Dazu wurden ungebundene Asbestfasern zusammen mit Stoffen, die typischerweise in Abfällen für Müllverbrennungsanlagen vorkommen, in einem Muffelofen auf Temperaturen zwischen 500 °C und 1000 °C gebracht. Eine röntgendiffraktometrische Analyse zeigte, dass bereits nach 15 Minuten bei 800 °C die für Chrysotil typischen Peaks verschwanden und stattdessen Peaks für Forsterit auftraten. Dies deutet darauf hin, dass die Umwandlung weitgehend stattgefunden hat.

Um das Verhalten in einer Müllverbrennungsanlage besser simulieren zu können, wurden in einem zweiten Schritt wiederum Cushionvinyl und Asbestdichtschnur, diesmal zusammen mit typischer MVA-Schlacke, in einem Labor-Drehofen unter Luftzufuhr für ca. 30 Minuten bei 800 °C erhitzt.

Auch hier hatte sich das Chrysotil in Forsterit umgewandelt. Außerdem waren die Fasern durch die Drehbewegung mit der Schlacke weitgehend zerkleinert worden.

Asbestrouladen

Die Laborversuche wurden durch Feldversuche in realen Müllverbrennungsanlagen ergänzt. Dabei wurden asbesthaltige Bodenbeläge in Stahlkäfige eingeschweißt. Andere asbesthaltige Bodenbeläge wurden mit Draht zu echten Asbestrouladen aufgewickelt. Beides wurde in eine normale Müllverbrennungsanlage eingebracht und mit dem Müll verbrannt. Die Reste der Stahlkäfige und der Rouladen wurden anschließend aus der Schlacke herausgefischt.

Die Proben in den Stahlkäfigen waren nach dem Durchlaufen der Verbrennungsanlage vollständig verbrannt und die Asbestfasern in Forsterit umgewandelt. Bei den Asbestrouladen war es ähnlich, aber die Kerne waren nicht verbrannt. Aber auch hier waren die Asbestfasern bis auf einen Fall in Forsterit umgewandelt.

Lediglich im Kern einer Roulade fanden sich im Diffraktometer noch Spuren von nicht vollständig umgewandeltem Chrysotil, ansonsten waren die Asbestfasern auch in den Rouladen vollständig umgewandelt. Einige Rouladen hatten sich in den Öfen auch vollständig aufgelöst, sodass sie nicht mehr geborgen werden konnten. Auch hier kann vermutlich von einer vollständigen Umwandlung ausgegangen werden.

Verhalten in der Verbrennungsanlage

In die Probekörper wurden kleine Metallstücke mit bekannter Schmelztemperatur eingelegt. Wenn diese nach dem Durchlauf geschmolzen sind, muss die Temperatur mindestens der jeweiligen Schmelztemperatur entsprochen haben. Üblicherweise liegen die Temperaturen in Verbrennungsanlagen zwischen 800 und 1000 °C. Die in den Prüfkörpern erreichten Temperaturen lagen im oberen Bereich dieser Spanne. Hier hat vermutlich die gute Brennstoffversorgung zu einer starken Erwärmung der Fasern geführt.

Wie sieht es mit mineralisch gebundenem Asbest aus?

So vielversprechend die Versuche mit in organischer Matrix gebundenen Asbestfasern waren, so enttäuschend verliefen die Versuche mit mineralischer Matrix, auch wenn sie in Verbindung mit brennbarer organischer Matrix in die Verbrennungsanlagen eingebracht wurden. Auch hier wurden Rouladen hergestellt, bei denen das Laminat mit chrysotilhaltigem Spritzasbest beschichtet wurde. Hier wirkte der Zement offenbar so stark isolierend, dass die Temperaturen für eine Umsetzung des Chrysotils nicht ausreichten. Dies ist auch einer der Gründe, warum Spritzasbest früher gerne im Brandschutz eingesetzt wurde.

Auch in diesen Rouladen wurden wieder Temperaturindikatoren angebracht. Sie zeigten deutlich, dass die Temperaturen im Inneren der Rouladen auch nach gut 8 Stunden im Verbrennungsofen teilweise nicht 800C° erreichten. Dennoch konnten in einem Fall beginnende Umwandlungen im Cushionvinylkern von Chrysotil zu Forsterit beobachtet werden.

Die Chrysotilfasern im Spritzasbest selbst waren jedoch offenbar durch die Zementmatrix gut geschützt, sodass hier keine Umwandlung nachgewiesen werden konnte. Vermutlich ist die Zementmatrix ein guter Wärmeisolator, wodurch mineralisch gebundener Asbest vermutlich deutlich höhere Temperaturen und längere Verweilzeiten benötigt, um vollständig umgewandelt zu werden.

Was ist mit Amphibolasbest?

Auch wenn Chrysotil mit gut 96 % der in Deutschland am häufigsten verwendete Asbest ist, darf der Amphibolasbest nicht ganz außer Acht gelassen werden. Mit etwa 3 % der importierten Asbestmenge liegt Krokydolith jedoch deutlich zurück. Auf Amosit entfällt nur noch etwas mehr als 1 % [7] . In der Schweiz sieht es vermutlich nicht viel anders aus. Aus diesem Grund wurde auch in der Schweizer Studie das Hauptaugenmerk auf Chrysotil und weniger auf Amphibolasbest gelegt. Zudem erwies es sich als schwierig, geeignetes Probenmaterial mit entsprechenden Gehalten an Amphibolasbesten zu erhalten.

Es wurden jedoch einige Versuche mit Amphibolasbest durchgeführt, bei denen nicht ganz klar war, ob es sich um Amosit oder Krokydolith oder vielleicht um beides zusammen handelte. Beim Erhitzen der Proben auf 800 °C für 15 bzw. 45 Minuten im Muffelofen konnten die spezifischen Peaks der beiden Amphibole (die zudem direkt übereinander lagen und somit nicht unterscheidbar waren) im Röntgendiffraktometer nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden.

Eine gezielte Untersuchung der Umwandlungsprodukte wurde im Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht weiter durchgeführt.

Welche Rolle spielt die Analytik

Hier spielt die Asbestanalytik eine wichtige Rolle. Das Problem besteht darin, auch kleinste Mengen von Asbest nachzuweisen. In der Regel geschieht dies, zumindest im deutschsprachigen Raum, mit dem Rasterelektronenmikroskop (REM). Das Thema habe ich hier auch schon mehrfach angesprochen. Auch die Probleme, die dabei auftreten.

Die Probleme gibt es auch hier. Daher auch der Versuch, die Asbestproben mit den Prüfkörpern (Käfige und Rouladen) möglichst intakt aus der Asche zu bergen. Wenige Fasern in der Menge der Verbrennungsschlacke dürften sonst schwer nachweisbar sein.

Zumal wir es mit Umwandlungen und Pseudomorphosen zu tun haben, die chemisch und morphologisch nur schwer, wenn überhaupt, von Chrysotil zu unterscheiden sind. Damit dürfte das REM mit energiedispersiver Analyse (EDX) an seine Grenzen stoßen.

Aus diesem Grund wurde die Röntgendiffraktometrie eingesetzt. Dabei nutzt man die Eigenschaft von Kristallen, Röntgenstrahlen in einer für das jeweilige Mineral typischen Weise zu beugen. Dadurch ist es möglich, chemisch identische, aber kristallographisch unterschiedliche Minerale gut zu unterscheiden.

Der Nachteil ist jedoch, dass die genaue Nachweisgrenze nicht genau bekannt ist. Inwieweit hier eventuell Transmissionselektronenmikroskope (TEM) von Vorteil gewesen wären, weiß ich nicht. Möglich wäre es, da das TEM neben der energieintensiven Analytik meist auch die Möglichkeit bietet, Elektronenbeugung an den zu untersuchenden Fasern durchzuführen. Das funktioniert im Großen und Ganzen ähnlich wie die Röntgenbeugung.

Und was folgt daraus?

Generell ist die thermische Behandlung von asbesthaltigen Abfällen keine neue Idee, aber bisher fehlten Daten darüber, was genau mit den Fasern in den Verbrennungsanlagen passiert. Hier kann die Schweizer Studie helfen. Zumindest für asbesthaltige Abfälle in organischer Matrix scheint die Verbrennung auch in normalen Müllverbrennungsanlagen durchaus geeignet zu sein, vor allem wenn die Abfälle einzeln und nicht wie in der Versuchsanordnung hier in dicken, mit Stahldraht zusammengehaltenen Bündeln vorliegen.

Denn durch den Draht waren die Rollen im Versuch recht gut vor mechanischer Beanspruchung geschützt. Dies sollte bei losen asbesthaltigen Abfällen gerade nicht der Fall sein. Die mechanische Einwirkung sorgt dann dafür, dass bereits thermisch behandelte Schichten entfernt werden und die inneren Bereiche besser abbrennen können.

Dachpappen als Sekundärbrennstoff der Zementindustrie

Die Ergebnisse der Schweizer Studie könnten auch in Deutschland helfen, das Problem der asbesthaltigen Dachpappen besser in den Griff zu bekommen. Normalerweise sind bituminöse Dachabdichtungen bzw. Dachpappen ein guter Brennstoff z.B. für die Zementindustrie. Leider ist die Zementindustrie in den letzten Jahren zunehmend davon abgekommen, asbesthaltige Dachpappen in ihren Öfen zu verbrennen, auch wenn diese nur sehr geringe Mengen an Asbest enthielten.

Die organische Matrix der Dachpappen stellte jedoch die Betreiber der Deponien vor erhebliche Probleme. Wenn sich jetzt und in weiteren Versuchen herausstellt, dass die Asbestfasern bei der Verbrennung ausreichend unschädlich gemacht werden, sollte einer Verwertung der Dachpappen in den Öfen der Zementindustrie zumindest von dieser Seite her nichts mehr im Wege stehen.

Abwägung der Risiken

Letztlich geht es immer um eine Abwägung der Risiken. Denn auch die Deponierung von asbesthaltigen Abfällen ist nicht ohne Risiko. Dies gilt insbesondere für schwach oder ungebundene asbesthaltige Abfälle. So kann z.B. nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Asbestfasern unter bestimmten Umständen auch im Boden mobilisiert werden können. Inwieweit hier auch im normalen Deponiebetrieb die Gefahr einer Freisetzung besteht, ist möglicherweise noch nicht abschließend geklärt.

Darüber hinaus besteht bei Deponien immer die Gefahr, dass sie aus welchen Gründen auch immer (Asbest dürfte in der Regel nicht der einzige eingelagerte Gefahrstoff sein) umgelagert oder saniert werden müssen.

Andererseits muss sichergestellt werden, dass die zu verbrennenden asbesthaltigen Abfälle frei von mineralischen Bindemitteln sind, die die thermische Umwandlung der Fasern verzögern oder gar verhindern.

Auch das Verhalten der vergleichsweise selteneren Amphibolasbeste in Verbrennungsanlagen sollte geklärt werden. Die vorliegende Studie liefert zwar Hinweise darauf, dass auch sie sich umwandeln, aber hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf.

Natürlich besteht auch im Normalbetrieb einer Müllverbrennungsanlage immer die Gefahr, dass einzelne Chargen nicht ausreichend verbrannt werden, d.h. dass immer irgendwo noch Reste von Asbestfasern in der Schlacke vorhanden sind. Dies dürfte aber in erster Linie ein Problem des Arbeitsschutzes sein, und die Reduktion der Asbestmenge dürfte beträchtlich sein, vermutlich deutlich über 90 – 95 %.

Insgesamt finde ich die Ergebnisse ermutigend. Ich denke, wir tun gut daran, unsere Schweizer Kollegen zumindest aufmerksam zu beobachten. Denn über kurz oder lang werden wir mit den gleichen Deponieproblemen konfrontiert werden. Und dann sollten wir eine Lösung parat haben.

References

  • [1] Mendelovici, E. (1997). Comparative study of the effects of thermal and mechanical treatments on the structures of clay minerals, Journal of Thermal Analysis and Calorimetry 49 : 1385-1397.
  • [2] Kusiorowski, R.; Zaremba, T.; Piotrowski, J. and Adamek, J. (2012). Thermal decomposition of different types of asbestos, Journal of Thermal Analysis and Calorimetry 109 : 693-704.
  • [3] Kusiorowski, R.; Zaremba, T.; Piotrowski, J. and Gerle, A. (2013). Thermal decomposition of asbestos-containing materials, Journal of Thermal Analysis and Calorimetry 113 : 179-188.
  • [4] Gualtieri, A. F. and Tartaglia, A. (2000). Thermal decomposition of asbestos and recycling in traditional ceramics, Journal of the European Ceramic Society 20 : 1409-1418.
  • [5] Bloise, A.; Catalano, M.; Barrese, E.; Gualtieri, A. F.; Bursi Gandolfi, N.; Capella, S. and Belluso, E. (2016). TG/DSC study of the thermal behaviour of hazardous mineral fibres, Journal of Thermal Analysis and Calorimetry 123 : 2225-2239.
  • [6] JEYARATNAM, M. and N. G., WEST (1994). A STUDY OF HEAT-DEGRADED CHRYSOTILE, AMOSITE AND CROCIDOLITE BY X-RAY DIFFRACTION, The Annals of Occupational Hygiene 38 : 137-148.
  • [7] und-Arbeitsmedizin, B.-f.-A. (2020). Nationales Asbest-Profil Deutschland,

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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