Biologische Abfallbehandlung von Asbest?

Achtung, Asbest!

Asbest hat den ganzen Weg von der ehemaligen Wunderfaser hin zum gefürchteten Gefahrstoff zurückgelegt. Mittlerweile ist die Faser, zumindest hier in der Bundesrepublik ja auch seit mehr al 30 Jahren verboten und soll in der näheren Zukunft auch möglichst vollständig aus unserer Welt verschwinden.

Chrysotilfasern auf einem goldbedampften Kernporenfilter

Wobei „verschwinden“ natürlich ein großes Wort ist. Sie soll zunächst mal aus dem Stoffkreislauf ausgeschleust werden und danach möglichst unschädlich und sicher verwahrt werden. Hier beginnen dann meist die Probleme, denn die Faser ist, das hatte sie ja unter anderem so interessant gemacht, relativ unverwüstlich. Das heißt, sie lässt sich kaum ungefährlich machen und muss teuer in immer knapper werdendem Deponieraum gelagert werden. Für sehr lange Zeit.

Sicher, es gibt Möglichkeiten und Wege, die Faser unschädlich zu machen, zum Beispiel durch Hitze. Aber diese Verfahren sind einmal sehr teuer und bedeuten einen hohen Einsatz von Energie und auf der anderen Seite sind sie auch nicht wirklich sicher. Zwar gilt Asbest als „feuerfest“, aber bei Temperaturen deutlich oberhalb 450 °C über längeren Zeiträume gehen die Minerale durchaus in die Knie Kusiorowski,Zaremba,Piotrowski and Gerle [2013] Kusiorowski,Zaremba,Piotrowski and Adamek [2012] . Die Amphibolasbeste verlieren ihr Kristallwasser und selbst Chrysotil verändert sich. Es muss aber sichergestellt werden, dass die gesamte asbesthaltige Abfallmasse diesen Temperaturen für einen längeren Zeitraum ausgesetzt wurde. Das ist bei weitem nicht so einfach. Daran und eben an den Kosten scheiterten all die guten Ideen, Asbest thermisch zu degradieren oder gar aufzuschmelzen.

Darum werden asbesthaltige Abfälle bis heute auf speziellen Deponien entsorgt. Allerdings ist Deponieraum nicht beliebig erweiterbar und somit ebenfalls teuer. Es wäre also sicher eine Gute Idee, hier eine Lösung zu haben. Einen Weg, wie man die ehemalige Wunderfaser Asbest von einem Gefahrstoff, der für eine Ewigkeit auf einer sicheren Deponie gelagert werden muss, in etwas deutlich Ungefährlicheres zu verwandeln. Hier kommt dann ab und an die Idee ins Spiel, die mineralische Faser auf biologischem Weg zu behandeln.

Was macht Asbest gefährlich?

Um Asbestfasern zu behandeln und dadurch ungefährlicher zu machen, müssen wir erst einmal feststellen, welche ihrer Eigenschaften für die Gefährlichkeit der Fasern hauptsächlich verantwortlich ist. Das ist nicht so einfach und wohl auch noch nicht ganz abschließend geklärt. Eine schnelle Antwort auf die Frage ist immer die Morphologie. Faserförmige Partikel, welche in der Lage sind, in die Zellen einzudringen und dort entsprechend Schaden anzurichten. Hier gelten die WHO-Kriterien der Lungengängigkeit, also eine Länge von mindestens 5 sowie eine Dicke von nicht mehr als 3 µm sowie ein Länge/Durchmesser Verhältnis von weniger mehr als als 3/1. Wenn hier noch eine geringe Biolöslichkeit mit ins Spiel kommt, kann dies zu anhaltenden Entzündungen führen, weil der Körper den Störenfried loswerden will, aber nicht loswerden kann. ​Berman,Crump,Chatfield,Davis and Jones [1995]; Mossman and Churg [1998]; Tomatis et al. [2010].

Als Hauptverdächtiger für die Gefährlichkeit von Asbestfasern im menschlichen Körper gilt auch die Anwesenheit von Eisen in der Mineralstruktur und ganz besonders der Oberfläche der Mineralfasern​Weitzman and Weitberg [1985] ​Goodglick and Kane [1986]. Die Gehalte an Eisen und auch eventuell Magnesium werden für die Bildung von Hydroxyl-Radikale verantwortlich gemacht, welche DNA Schäden bewirken können ​Kamp,Graceffa,Pryor and Weitzman [1992].

Biologische Behandlung

Für die biologische Behandlung von Asbest bieten sich verschiedene Methoden an. Zum Beispiel durch die Aktivitäten von Pilzen und Flechten, die auch bei der Gesteinsverwitterung eine Rolle spielen. Oder mithilfe von Bakterien.

Pilze und Flechten

Ich hatte einige Möglichkeiten bereits in einem früheren Blogposts zum Thema Asbest in Böden bereits angerissen. Einige Pilze, Flechten aber eben auch Bakterien haben durchaus die Fähigkeit, Minerale zu Nutzen und sie dabei verändern. Das heißt im konkreten Fall, dass die Pilze, Flechten und Bakterien uns dabei helfen können, wertvollen Deponieraum zu sparen. Nach ​[Daghino et al. 2006] zeigen einige Pilzspezies die Fähigkeit, im Falle von Krokydolith, aber auch von Chrysotil durch die Lösung von Eisen und Magnesium zu einer verringerten Toxizität beizutragen.

Auch Flechten, eine komplexe Lebensgemeinschaft aus Pilzen und Grünalgen oder Cyanobakterien, leben durchaus gerne auf Serpentiniten oder auch auf asbesthaltigen Faserzementen wie z.B. Dachbedeckungen. Die von diesen Flechten abgesonderten Säuren wie z. B. Oxalsäure greifen das unterlagernde Gestein an und tragen wesentlich zur Verwitterung bei​, siehe Valouma et al. [2016].

Im Falle des Asbestzements wird dabei nicht nur die Zementmatrix geschwächt, es kann auch über Chelatbildner Mg2+-Ionen aus dem Chrysotil entzogen werden.

Leider wachsen die betreffenden Flechten sehr langsam und ihre Wirkung ist nur auf den direkten Bereich der Hyphen des Mykobionten, also nur in sehr seltenen Fällen mehr als 2 mm Tiefe, begrenzt. Das setzt der Eignung von Flechtenaufwuchs als biologische Abfallbehandlung von asbesthaltigem Material etwas enge Grenzen ​Favero-Longo et al. [2005]; Favero-Longo,Castelli,Fubini and Piervittori [2009].

Bakterien

Bakterien hingegen neigen gerne zu schnellem, unter günstigen Bedingungen exponentiellem Wachstum. Sie sind auch deutlich einfacher zu handhaben als Flechten und Pilze, was sie für die Abfallbehandlung interessant machen kann. Vor allem, da sie ebenso Siderophore und ähnliche Chelatbildner bilden und nutzen. Als Beispiel kann Bacillus mucilaginosus dienen, ein Bakterium, welches Serpentin-haltige Gesteine zu lösen vermag (​Yao,Lian,Teng,Tian and Yang [2013]).

Auch wenn Bakterien über Siderophore den Eisengehalt der Asbestfasern verringern können, zeigt sich der Magnesiumgehalt dagegen hartnäckiger. Bislang scheinen sich die untersuchten Bakterien daran die Zähne ausgebissen zu haben.

Jetzt hat eine Arbeitsgruppe um Jessica Choi an der Universität von Pennsylvania mit zwei thermophilen chemolithoautotrophen Bakterien erste Erfolge bei Amphibolasbesten, vornehmlich Krokydolith, erzielt​ (Choi,Vigliaturo,Gieré and Pérez-Rodríguez [2023]). Ihr Hauptaugenmerk lag dabei auf dem Bakterium Deferrisoma palaeochoriense, welches bei ca. 60 °C Eisen(III) als Elektronenakzeptor nutzt. Dadurch wird das Eisen im Krokydolith reduziert und kann das Mineral leichter verlassen, wodurch die Toxizität verringert werden soll.

Eine weitere Möglichkeit bietet das Bakterium Thermovibrio ammonificans. Dieses Bakterium ist bei rund 75 °C in der Lage, Silizium aus der Umgebung aufzunehmen und einzubauen. Dabei zeigte sich, dass T. ammonificans zwar bei Anwesenheit von Serpentinasbest, also Chrysotil Silizium aufnahm, dies jedoch unterließ, wenn die Bakterien auf Amphibolasbesten siedelten. Hier zeigte sich eines der Probleme, wenn man asbesthaltige Abfälle biologisch behandeln will. Es muss vermutlich für jede Art des Asbests eine speziell angepasste Variante gewählt werden, da es keine universell wirksame Methode gibt. Zu unterschiedlich sind die Minerale, die uns als Asbest bekannt sind. Das sollte eigentlich auch nicht verwundern, denn Chrysotil als Schichtsilikat der Serpentingruppe und die Kettensilikate der Amphibolasbeste sind von ihrer Mineralogie und Kristallstruktur wohl zu verschieden.

Fazit

Dennoch, so sind die beteiligten Forschenden sicher, stellen die neuen Varianten eine deutliche Verbesserung gegenüber früheren Experimenten mit Pilzen oder Flechten dar. Allerdings sind die hier untersuchten Methoden wohl noch lange nicht in eine wirklich funktionsfähige und mengenmäßig relevante Behandlung von asbesthaltigen Abfällen geeignet. Hier dürfte noch einiger Forschungsbedarf bestehen, bevor die ersten biologischen Behandlungsanlagen mit asbesthaltigem Material gefüllt werden können.

Literatur

  • Berman, D. W.; Crump, K. S.; Chatfield, E. J.; Davis, J. M. and Jones, A. D. (1995). The Sizes, Shapes, and Mineralogy of Asbestos Structures that Induce Lung Tumors or Mesothelioma in AF/HAN Rats Following Inhalation1, Risk Analysis 15 : 181-195.
  • Choi, J. K.; Vigliaturo, R.; Gieré, R. and Pérez-Rodríguez, I. (2023). Microbe-Mineral Interactions between Asbestos and Thermophilic Chemolithoautotrophic Anaerobes, Applied and Environmental Microbiology 0 : e02048-22.
  • Daghino, S.; Turci, F.; Tomatis, M.; Favier, A.; Perotto, S.; Douki, T. and Fubini, B. (2006). Soil Fungi Reduce the Iron Content and the DNA Damaging Effects of Asbestos Fibers, Environmental Science & Technology 40 : 5793-5798.
  • Favero-Longo, S. E.; Castelli, D.; Fubini, B. and Piervittori, R. (2009). Lichens on asbestos–cement roofs: Bioweathering and biocovering effects, Journal of Hazardous Materials 162 : 1300-1308.
  • Favero-Longo, S. E.; Turci, F.; Fubini, B.; Castelli, D. and Piervittori, R. (2013). Lichen deterioration of asbestos and asbestiform minerals of serpentinite rocks in Western Alps, International Biodeterioration & Biodegradation 84 : 342-350.
  • Favero-Longo, S. E.; Turci, F.; Tomatis, M.; Castelli, D.; Bonfante, P.; Hochella, M. F.; Piervittori, R. and Fubini, B. (2005). Chrysotile asbestos is progressively converted into a non-fibrous amorphous material by the chelating action of lichen metabolites, Journal of Environmental Monitoring 7 : 764-766.
  • Goodglick, L. A. and Kane, A. B. (1986). Role of Reactive Oxygen Metabolites in Crocidolite Asbestos Toxicity to Mouse Macrophages1, Cancer Research 46 : 5558-5566.
  • Kamp, D. W.; Graceffa, P.; Pryor, W. A. and Weitzman, S. A. (1992). The role of free radicals in asbestos-induced diseases, Free Radical Biology and Medicine 12 : 293-315.
  • Kusiorowski, R.; Zaremba, T.; Piotrowski, J. and Adamek, J. (2012). Thermal decomposition of different types of asbestos, Journal of Thermal Analysis and Calorimetry 109 : 693-704.
  • Kusiorowski, R.; Zaremba, T.; Piotrowski, J. and Gerle, A. (2013). Thermal decomposition of asbestos-containing materials, Journal of Thermal Analysis and Calorimetry 113 : 179-188.
  • Mohanty, S. K.; Gonneau, C.; Salamatipour, A.; Pietrofesa, R. A.; Casper, B.; Christofidou-Solomidou, M. and Willenbring, J. K. (2018). Siderophore-mediated iron removal from chrysotile: Implications for asbestos toxicity reduction and bioremediation, Journal of Hazardous Materials 341 : 290-296.
  • Mossman, B. T. and Churg, A. (1998). Mechanisms in the Pathogenesis of Asbestosis and Silicosis, American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine 157 : 1666-1680.
  • Salamatipour, A.; Mohanty, S. K.; Pietrofesa, R. A.; Vann, D. R.; Christofidou-Solomidou, M. and Willenbring, J. K. (2016). Asbestos Fiber Preparation Methods Affect Fiber Toxicity, Environmental Science & Technology Letters 3 : 270-274.
  • Tomatis, M.; Turci, F.; Ceschino, R.; Riganti, C.; Gazzano, E.; Martra, G.; Ghigo, D. and Fubini, B. (2010). High aspect ratio materials: role of surface chemistry vs. length in the historical “long and short amosite asbestos fibers”, Inhalation Toxicology 22 : 984-998.
  • Valouma, A.; Verganelaki, A.; Maravelaki-Kalaitzaki, P. and Gidarakos, E. (2016). Chrysotile asbestos detoxification with a combined treatment of oxalic acid and silicates producing amorphous silica and biomaterial, Journal of Hazardous Materials 305 : 164-170.
  • Weitzman, S. A. and Weitberg, A. B. (1985). Asbestos-catalysed lipid peroxidation and its inhibition by desferroxamine, Biochemical Journal 225 : 259-262.
  • Yao, M.; Lian, B.; Teng, H. H.; Tian, Y. and Yang, X. (2013). Serpentine Dissolution in the Presence of Bacteria Bacillus mucilaginosus, Geomicrobiology Journal 30 : 72-80.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

11 Kommentare

  1. hallo,
    kann man den abschätzen, wieviel asbestzement oder asbesthaltige stoffe sich noch in bauten und dächern befinden?
    ich lebe hier auf dem land, und sehe auf jedem 2ten – 3ten älteren scheunen- oder garagendach die alten – oft bemosten und löchrigen – faserzement-wellplatten liegen.

    selbst bei meinem garagendach sind diese platten aus den 70ern noch verbaut, lösen sich teilweise auf, und werden im laufe des jahres aber von einer fachfirma entsorgt werden.
    ja, mit erheblichen kosten, aber wenn man auch sieht, dass an jeder garage oder scheune noch ein wasserfaß für die Bio-tomaten des eigenen garten zur bewässerung steht …. weiß ich nicht, ob das dann immer noch so gesund ist für den privaten kleingärtner.

    mir persönlich ist das nicht geheuer, denn wie bei manchen anderen schad- und giftstoffen ist das auch bei asbest so: man riecht und schmeckt es nicht, und kann die folgen (die oftmals jahrzehnte brauchen) gar nicht abschätzen.

    grüssle

    • Genau kann man das nicht abschätzen, aber es wurden insgesamt (alte und neue Bundesländer) 5,7 Mio. Tonnen Asbest importiert. Der weitaus überwiegende Anteil dürfte für Asbestzement verwendet worden sein, sodass wir wohl irgendwo zwischen 40 und 5o Mio. Tonnen Asbestzement haben (ca. 10 M% Asbestgehalt). Davon dürfte wohl nur ein kleinerer Teil bereits saniert worden sein.

  2. Hier gelten die WHO-Kriterien der Lungengängigkeit, also eine Länge von mindestens 5 sowie eine Dicke von nicht mehr als 3 µm sowie ein Länge/Durchmesser Verhältnis von weniger als 3/1

    Muss das nicht größer heißen?
    vgl.

    https://www.bgbau-medien.de
    › handlungshilfen_gb › daten › tr › trgs517 › 2.htm
    TRGS 517: Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen …
    … Durchmesser 3:1) aufweisen [4].

      • Gunnar Ries schrieb (06./07. Jun 2023):
        > […] Morphologie. Faserförmige Partikel, welche in der Lage sind, in die Zellen einzudringen und dort entsprechend Schaden anzurichten. Hier gelten die WHO-Kriterien der Lungengängigkeit, also eine Länge von mindestens 5 sowie eine Dicke von nicht mehr als 3 µm sowie ein Länge/Durchmesser Verhältnis von mehr als als 3/1.

        Dieses im obigen SciLog-Beitrag beschriebene, Morphologie-bezogene Kriterium ist allerdings jedenfalls von der WHO nicht als ein Kriterium bzw. als eine Definition von “Lungengängigkeit” (“(human) respirability”) dargestellt;
        sondern als Kriterium bzw. Definition eines bestimmten, mess-technisch praktikablen und ggf. gesundheitlich relevanten Begriffes von “Faser” (vgl. “WHO fibre”), die mit bestimmten Messmethoden einzeln zählbar sind (und sich diesbezüglich insbesondere von noch kürzeren “Filamenten” unterscheiden, die mit dieser Methode so gut wie nicht einzeln zählbar sind, sich aber doch erst recht “tief” einatmen lassen).

        • Das ist soweit richtig, wobei es bei der gesundheitlich relevanten Seite ja gerade um die Fasern geht, die in die tieferen Bereiche der Lunge eindringen können, vergl. hier die DGUV Faserdefinition. Die kürzeren sind, zumindest nach der derzeitigen Meinung, nicht so schädlich (ob das wirklich so ist, ist Gegenstand intensiver Debatten) und die dickeren sollen nach der Theorie wohl auch nicht so schädlich sein. Wenn man zum Beispiel den Schweizern folgt, gelten erst Fasern mit mindestens 10 µm und weniger als 1 µm als schädlich.
          Wie das bei allen diesen Definitionen so ist, haben sie oft auch messtechnische Hintergründe und beruhen auf Konventionen.

          • Gunnar Ries schrieb (10.06.2023, 21:44 Uhr):
            > […] wobei es bei der gesundheitlich relevanten Seite ja gerade um die Fasern geht, die in die tieferen Bereiche der Lunge eindringen können […] Die kürzeren sind, zumindest nach der derzeitigen Meinung, nicht so schädlich (ob das wirklich so ist, ist Gegenstand intensiver Debatten) und die dickeren sollen nach der Theorie wohl auch nicht so schädlich sein. Wenn man zum Beispiel den Schweizern folgt, gelten erst Fasern mit mindestens 10 µm [Länge (?)] und weniger als 1 µm [Durchmesser (?)] als schädlich.

            Alles völlig unbestritten. Trotzdem:

            > vergl. hier die DGUV Faserdefinition. [ https://www.dguv.de/staub-info/was-ist-staub/fasern/index.jsp?query=webcode+d114838 ]

            Dort steht [ Hervorhebung FW ]:

            Als Faserstäube werden luftgetragene Partikel aus anorganischen oder organischen Stoffen bezeichnet, die eine längliche Geometrie besitzen. Eine besondere Rolle spielen dabei Fasern, die eine Länge von > 5 µm, einen Durchmesser < 3 µm haben und ein Länge-Durchmesser-Verhältnis von 3:1 überschreiten, da nur sie in die tieferen Atemwege vordringen können. Fasern dieser Geometrie werden auch als WHO-Faser bezeichnet.

            Es erscheint mir (als Laie) doch zweifelhaft, dass von allen luftgetragenen Partikeln, die eine längliche Geometrie besitzen, ausgerechnet nur solche in die tieferen Atemwege vordringen würden, deren Länge größer als 5 µm ist. (Oder ist das etwa tatsächlich so ? …)

          • Darum habe ich dir auch prinzipiell Recht gegeben. Natürlich können auch kleinere fasern in die tieferen Atemwege eindringen und vermutlich können sie dort auch Schäden verursachen, das zeigt ja der alveolengängige Feinstaub. Die längeren Fasern bei Asbest und vergleichbaren Materioalien zeigen sich aber wohl als besonders schädlich, wenn sie bestimmte Dimensionen erfüllen. Bei Fasern scheint zu gelten, dass sie umso gefährlicher sind, umso dünner und länger sie sind. Aber frag mich nicht, warum das so ist. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass die Verletzungen, die solche Fasern hervorrufen, mit dazu beitragen.

          • Gunnar Ries schrieb (12.06.2023, 22:56 Uhr):
            > Darum habe ich dir auch prinzipiell Recht gegeben.

            Es ist ja ein besonderes, seltenes Vergnügen, mal ausdrücklich prinzipiell Recht gegeben zu bekommen; danke!
            Hast Du mir also mit Deinem Kommentar 10.06.2023, 21:44 Uhr prinzipiell Recht geben wollen, und dabei eine Webseite verlinkt, deren Aussage (vgl. Zitat mit Hervorhebung in meinem Kommentar 12.06.2023, 09:43 Uhr) mir offenbar widerspricht, und somit offenbar auch Dir ?? — Auch gut.

            > Natürlich können auch kleinere Fasern in die tieferen Atemwege eindringen […]

            Schön, dass zumindest wir darin einig sind!
            Wobei ich allerdings fürchte, dass (auch) wir den Begriff “Faser” dabei nicht strikt im Sinne der WHO gebrauchen. …

            (Und mal sehn, ob und wann die DGUV ihre zitierte und in Frage gestellte Aussage diesbezüglich ändert.)

            p.s.
            > […] Bei Fasern scheint zu gelten, dass sie umso gefährlicher sind, [je] dünner und länger sie sind. Aber frag mich nicht, warum das so ist. […]

            Bei meiner Recherche zu den (vermeintlichen, im obigen SciLog-Artikel immer noch so bezeichneten) »WHO-Kriterien der Lungengängigkeit« sind mir beiläufig die folgenden öffentlichen Dokumente untergekommen, die “Gefährlichkeit” aus der beschriebenen Morphologie herleiten:

            https://www.baua.de/EN/Service/Events/Proceedings/Hazardous-substances/pdf/Symposium-2016-03.pdf?__blob=publicationFile&v=2
            »Hazards and risks from WHO fibres at the workplace«

            Und darin zitiert:

            https://particleandfibretoxicology.biomedcentral.com/articles/10.1186/1743-8977-9-34
            »Use of back-scatter electron signals to visualise cell/nanowires interactions in vitro and in vivo; frustrated phagocytosis of long fibres in macrophages and compartmentalisation in mesothelial cells in vivo«

  3. Ich habe vor Jahren mal einen kleinen Schuppen mit so einem Wellasbestbeton Dach abgebrochen. Das Dach war feucht, bröselig, löchrig und stark von Moosen und Flechten bewachsen.
    Habe das Well Eternit unter alten Zweigen gestapelt und feucht gelagert.
    Da wird nie etwas stauben, es ist ein Schneckenparadies; und nur der Staub kann in die Lunge eindringen.
    Es verwittert, wird weich und vermischt sich mit dem dauerfeuchten Boden und ist nach 10 – 20 Jahren einfach weg, natürlich abgebaut.

    Andere Asbestplatten z.B. aus einem alten Bäckerei Ofen, verwittern fast gar nicht und sollten regulär entsorgt werden.
    Es kann sein, dass UV Licht auch dazu beiträgt, Asbestbetonplatten verwittern zu lassen, was die Asbestplatte aus dem Bäckerofen aber nicht betrifft, weil sie noch nie Sonnenlicht gesehen haben.

    Bei trockener Umgebung ist die Verwitterungsmethode nicht zu empfehlen,
    weil Asbestbeton nur in feuchtem Zustand sicher ist und der Wind bei Trockenheit schädlichen gesundheitsschädlichen Staub verteilen könnte..

  4. Ich würde die Verwitterungsmethode generell nicht empfehlen. Was da verwittert ist die Zementmatrix. Diese zumindest deutlich schneller als die Asbestfasern, die sich durchaus als recht inert erweisen. Du entfernst also mit der Methode nur die Matrix und setzt die Fasern frei. In feuchten Böden mag das nicht zu einer Freisetzung an die Luft führen, aber eine illegale Abfallbehandlung ist es dennoch und die ist meiner Kenntnis nach durchaus strafbar.

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