Abschied von einer ganz Großen: ¡Adiós, Montserrat Caballé!

Eine der besten Opernsängerinnen ist tot. Am 6. Oktober starb Montserrat Caballé im Alter von 85 Jahren in ihrer Heimatstadt Barcelona. Ein kleiner Nachruf und Dank an eine große Frau. (Hier der Link zur spanischen Version dieses Artikels.)

Die lange und schwere Geburt einer Diva

Am Abend des 20. April 1965 sollte eine unbekannte, etwas pummelige Sopranistin aus Spanien in der weltberühmten Carnegie Hall in New York die plötzlich ausgefallene Mezzosopranistin Marilyn Horne ersetzen. Auf dem Plan stand Donizettis Oper “Lucrezia Borgia”. Der Saal war nur spärlich gefüllt, denn viele hatten ihre Tickets aus Frust über den Wechsel zurückgegeben. Doch diejenigen, die dennoch das Risiko dieser unbekannten Stimme eingegangen waren, wurden mehr als reichlich belohnt. Sie wurden Zeugen bei der Geburt eines der größten Opernstars des 20. Jahrhunderts.

Montserrat Caballé galt als die letzte große Operndiva. Am 12. April 1933 wurde sie in Barcelona als Arbeiterkind geboren. Trotz bitterer Armut und Bürgerkrieg erhielt die begabte und begeisterte kleine Sängerin eine professionelle Gesangsausbildung. Dennoch bedurfte es 32 Jahre und dieses glücklichen Zufalls (Serendipität), bis die Sopranistin gebührende Anerkennung für ihre außergewöhnlich reiche, reine und kraftvolle Stimme bekam.

Die ungewöhnliche Freundschaft mit einem Tumor

Die Sängerin war in vieler Hinsicht ein besonderer Mensch. Mehrmals im Leben schaffte sie es, das sprichwörtliche Fünkchen Glück im rechten Moment zu fassen, damit ihr Leben und damit ihre Mission weitergehen konnten.

1985 diagnostizierten die Ärzte einen Hirntumor mit infauster Prognose. Die Mediziner gaben ihr maximal drei Jahre, sagte die Diva 2006 in einem Interview der Wochenzeitung “Die Zeit”. Doch nach einem individualisierten Konzept mit Laserstrahlen und Alternativmedizin lebte sie mehr als 30 Jahren mit diesem Tumor.

Die Sopranistin bezeichnete ihr Gehirngewächs als “ihren kleinen Freund”. Ein Kumpel, “den man ein bisschen im Auge behalten muss”. Mit diesem Freund sei das Leben ein noch größeres Geschenk, so Caballé in besagtem Interview. Jeder Tag erfülle sie mit Dankbarkeit, weil sie wisse, “wie beschenkt man schon allein damit ist, zu existieren”.

Im Jahr 2012 erlitt die Sopranistin während einer Russland-Tournee einen Schlaganfall. Dabei stürzte sie auf der Bühne und brach sich den Oberarmknochen. Doch all diese Probleme hielten sie nicht ab vom Leben und vom Gesang. Nun starb sie schließlich doch –  wohl aufgrund eines Blasenproblems.

Ein erfülltes Leben mit vielen Hindernissen

Caballé vergaß nie ihre Kindheit während des grausamen spanischen Bürgerkrieges. Die Nöte in diesen schweren Zeiten ließen sie zum Glück nicht verhärten, sondern lehrten sie Solidarität, Menschlichkeit und Großzügigkeit. So war sie Botschafterin der Vereinten Nationen. Sie engagierte sich für Schulprojekte in Mali und Palästina und half einem Waisenhaus für HIV-positive Kinder in Äthiopien.

Im Jahr 2015 erhielt die Sängerin eine Strafe von sechs Monaten Gefängnis für einen Steuerbetrug von einer halben Million Euro. Um nicht tatsächlich ins Gefängnis zu müssen, zahlte sie 240.000 Euro Geldstrafe. Caballé gab zu, dass sie 2010 in Andorra gemeldet gewesen sei, obwohl sie eigentlich in Barcelona lebte, wenn sie nicht gerade auf Tournee war.

Mit dem Tod von Montserrat Caballé verlieren wir eine einzigartige Persönlichkeit. Eine außergewöhnliche Sopranistin, die nie aufgehört hat, Mensch zu sein. Ihre Stimme und ihre Gedanken werden hoffentlich immer bei uns bleiben:

“Wenn Du eine Partitur öffnest, dann musst Du sie mit Respekt anfassen. Du musst Dich fragen: Kann ich dem Komponisten wirklich dienen? Denn er hat so phantastische Melodien geschaffen. Wenn Du Dir nicht bewusst bist, dass Du nur ein Diener des Komponisten bist, dann wirst Du zu einem falschen Opernstar.”

Die, die mit Freddie Mercury sang

Viele werden Montserrat Caballé wohl als “diejenige, die mit Freddie Mercury sang” in Erinnerung behalten. 1986 sangen sie gemeinsam “Barcelona”. 1992 wurde das Lied die Hymne der Olympischen Spiele. Da war Freddie Mercury bereits tot. Er starb 1991 im Alter von nur 45 Jahren an einer Lungenentzündung als Folge seiner AIDS-Erkrankung. Montserrat Caballé über den Sänger der Gruppe Queen und ihr gemeinsames Projekt:

“Freddie Mercury hatte eine Bewunderung… er spürte, dass ich bestimmte Dinge tun konnte, die er vielleicht gerne getan hätte. Er hatte eine großartige Baritonstimme. Und als ich ihm sagte, wir sollten in seinem Haus in London ein Bariton- und Sopranduo aufnehmen, sagte er: Nein, denn wenn die Leute mich wirklich singen sehen würden…! Dieses Wort blieb: “Wirklich.” Er sagte mir nein, denn es würde ihm so vorkommen, als verriete er sein Publikum und seine Leute. Er war ein großartiger Komponist. Er spielte hervorragend Klavier.”

Glücklicherweise gelang es Montserrat Caballé dann doch, Freddie Mercury davon zu überzeugen, uns zu “verraten”. Nun sind sie beide fort. Doch ihr Vermächtnis bleibt.

Moltes gracies, Montserrat Caballé! Descansi en pau cantant per i amb tots els nostres estimats en el paradis.

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Dr. Karin Schumacher bloggte zunächst als Trota von Berlin seit 2010 bei den SciLogs. Nach dem Studium der Humanmedizin in Deutschland und Spanien promovierte sie neurowissenschaftlich und forschte immunologisch in einigen bekannten Forschungsinstituten, bevor sie in Europas größter Universitätsfrauenklinik eine Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe abschloss. Hierbei wuchs das Interesse an neuen Wegen in der Medizin zu Prävention und Heilung von Krankheiten durch eine gesunde Lebensweise dank mehr Achtsamkeit für sich und seine Umwelt, Respekt und Selbstverantwortung. Die Kosmopolitin ist leidenschaftliche Bergsportlerin und Violinistin und wenn sie nicht gerade fotografiert, schreibt oder liest, dann lernt sie eine neue Sprache. Auf Twitter ist sie übrigens als @med_and_more unterwegs.

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