Vom schrumpfenden Hippocampus, oder das Gehirn isst mit

„Jeden Tag bei MacDonalds essen gehen ist nicht gesund. Das wirkt sich schlecht auf die körperlichen Leistungen aus und macht außerdem dick.“ 

Diese Information immer und immer wieder aus jeder Richtung an den Kopf geworfen zu bekommen, geht Ihnen sicherlich genauso auf die Nerven wie mir. Jeder Mediziner hat dazu etwas zu sagen, die Köche erst recht und genauso auch die Ernährungswissenschaftler. Und sie alle haben recht. Zu viele Kalorien machen dick, der Mangel an Vitaminen und sonstigen wertvollen Nährwerten ist schlecht für den Muskelaufbau, das Herz und das Immunsystem. Das wissen wir allerdings schon und trotzdem ist fast food ein integraler Bestandteil der westlichen Ernährung. Erzählt uns etwas Neues! Dieser Beitrag möchte eine andere Seite aufzeigen. Die Auswirkungen, die falsche Ernährung auf unser Gehirn hat. Sowohl im positiven Sinne, wie auch im negativen. Vielleicht wissen Sie das schon, dann dürfen Sie gerne die Augen verdrehen und gedanklich woanders sein. Diejenigen unter den Lesern, die ebenso wie ich davon bisher noch nichts gehört haben, dürfen sich stattdessen die Lesebrille aufsetzen und sich mit einer Tasse warmen Tees und diesem Text aufs Sofa setzen. 

2015 hat Prof Ap Zaalberg in Den Haag eine Studie mit Sträflingen durchgeführt. Die Gefangenen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe erhielt über einen längeren Zeitraum Nahrungsergänzungsmittel wie Fischöl und bestimmte Vitamine, während die andere Gruppe als Negativkontrolle diente, da sie nur Placebo-Produkte bekam. Das Ziel der Wissenschaftler war es herauszufinden ob sich Verhaltensänderungen einstellen würden. Und tatsächlich war das Ergebnis der Studie erstaunlich, die erste Gruppe hat im Vergleich zu der Placebo Gruppe deutlich weniger Aggressivität gegen die Gefängniswärter oder weitere Insassen ausgeübt. Hat die Ernährung also einen Einfluss auf die Stimmung? 

Während die Studie aus Den Haag sich mit Erwachsenen beschäftigte, so gibt es auch einige Studien, die sich mit Kindern befassen. Prof. Felice Jacka, Leiterin des food and mood centers der Universität von Melbourne hat mit anderen Professoren eine Studie zu den Auswirkungen der Ernährung der Mütter während der Schwangerschaft durchgeführt. Hierbei hat sie mehrere Mütter während und nach der Schwangerschaft begleitet. Darunter waren Mütter, die sich vermehrt mit fast food ernährt und Mütter, die sich gesund ernährt haben. Das Ergebnis war, dass die Kinder von den „fast food-Eltern“ verstärkt zu Aggressivität neigen im Vergleich zu den Kinder der anderen Mütter. Die Qualität des Essens während der Schwangerschaft scheint also nachhaltige Auswirkungen auf die Kinder zu haben. Was ist dafür die Ursache? 

Nicht nur Menschen reagieren auf falsche Ernährung mit neuronalen Verhaltenseinbußen, sondern auch Mäuse. An der Universität von Bordeaux hat Dr. Sophie Layè ein Experiment an Mäusen durchgeführt. Das Ergebnis war, dass Mäuse, die keine Omega 3 Fettsäuren durch ihre Nahrung erhalten viel ängstlicher sind als Mäuse, die Omega 3 Fettsäuren durch die Nahrung aufnehmen können. Woran liegt das? 

Der Verdacht, dass die Ernährung tatsächlich einen Einfluss auf das Gehirn und damit auf Stimmungen und Emotionen ausüben kann, verhärtet sich stark. Auch wenn das nur drei Studien sind, so glauben Sie mir, wenn ich sage, dass diese nur beispielhaft für eine ganze Reihe an vergleichbaren Experimenten sind. Das Ergebnis dieser Forschung ist klar, die Qualität der Ernährung hat Auswirkungen aufs Gehirn und damit auf die Stimmung. 

Welche Nahrungsmittel sind also besonders hilfreich, wenn man seine mentalen Konditionen verbessern möchte und welche Nahrungsmittel sind vielleicht sogar schädlich? Und was sind die Mechanismen hinter diesen Auswirkungen? Da ich es mir als Studentin nicht leisten kann auch nur minimale kognitive Einbußen in Kauf zu nehmen (aber wer kann das schon), habe ich das weiter recherchiert und eine Liste an sinnvollen Inhaltsstoffen zusammengestellt.  

Mindmap wichtiger Nährstoffe für das Gehirn, erstellt von Leah Wildenmann

Omega 3 Fettsäuren 

Chia Samen

Der erste Stoff, der unerlässlich für das Gehirn ist, sind die Omega 3 Fettsäuren. Diese findet man in Nüssen und Fischprodukten. Auch in Leinsamenöl sind viele Fettsäuren vorhanden. Omega 3 Fettsäuren fördern die Neurogenese, also die Neubildung von neuronalen Zellen. Das heißt sie sind wichtig für die Bildung der Fortsätze am Neuron und dadurch auch für Verbindungen an den Synapsen. Auch braucht man Omega 3 als ungesättigte Fettsäuren an den Myelinscheiden, das sind die „Isolierungsmembranen“ von Axonen, die eine beschleunigte Signalweiterleitung ermöglichen. Das heißt Omega 3 Fettsäuren steigern die Effizienz der Signalweiterleitung in der weißen Substanz des zentralen Nervensystems, wo die Myelin-umwickelten Axone liegen. Das erklärt, warum die Mäuse mit einem Mangel an Omega 3 Fettsäuren so ängstlich sind. Durch schwächere Myelinscheiden ist die Signalweiterleitung beeinträchtigt und die Mäuse sind schnell überfordert, also viel ängstlicher. Gleiches gilt auch für die Gefängnisinsassen. Ohne die Omega 3 Fettsäuren, welche die erste Gruppe erhalten hat, konnte die Placebo-Gruppe Reize aus der Umwelt schlechter verarbeiten und wurde dadurch schneller gereizt und aggressiv. 

Proteine

Aminosäuren können als Baustein von Neurotransmittern eine wichtige Rolle spielen. Zwei solcher wichtigen Aminosäuren sind Tyrosin und Tryptophan. Tyrosin ist ein wichtiger Baustein für Dopamin, das bekannte Glückshormon. Bei Dopaminmangel leiden die Patienten unter Schlaffheit und Antriebslosigkeit, weil das gesamte Belohnungssystem des Gehirns beeinträchtigt ist. Tyrosin ist also ein wichtiger Nährstoff. Ebenso nicht zu verachten ist Tryptophan, der als Baustein von Serotonin eine große Rolle beim Schlaf-Wach Rhythmus, Appetit und Sexualverhalten spielt. Tryptophan braucht allerdings einen Zucker, um die Blut-Hirnschranke zu überwinden. Deswegen ist Schokolade ein besonders guter Lieferant, durch sie bekommt man sowohl eine Menge an Tryptophan als auch Zucker. Das erklärt, warum Schokolade kurzfristig glücklich macht. Aber nicht nur Schokolade liefert viele Proteine, sondern auch Nüsse, Soja und Tofu. Nährstoffe, in diesem Fall Aminosäuren, können folglich eine Wirkung auf die Emotionen haben. Deswegen gibt es auch Forschungsansätze, die spezielle Diäten als ergänzende Behandlungsmethoden von beispielsweise Depressionen vorschlagen. Aber das ist ein Thema für einen anderen Tag.   

Vitamine

 Vitamine sind Stoffe, die der menschliche Körper nicht selbst herstellen kann und deswegen durch die Ernährung aus der Umwelt aufnehmen muss. Vitamine spielen in vielen chemischen Reaktionen im Körper eine unterstützende Funktion. Für das Gehirn besonders wichtig sind vor allem die B-Vitamine. B-Vitamine sind wasserlöslich und werden deswegen besonders schnell verstoffwechselt, weswegen eine tägliche Einnahme nötig ist. Allerdings haben diese Vitamine völlig diverse Funktionen. Vitamin B6 beispielsweise überträgt funktionelle Gruppen von oder auf Aminosäuren. Nachdem wir ja schon gesehen haben, dass Aminosäuren wichtig sind für die Herstellung einiger Neurotransmitter wundert es auch nicht, dass ein Mangel an Vitamin B6 zu Depressionen und Schlaffheit führen kann. Vitamin B9, auch bekannt als Folsäure, spielt eine große Rolle bei der Gehirnentwicklung von Embryonen, da es verantwortlich für die Thyminsynthese ist. Darum wird schwangeren Frauen empfohlen viel Folsäure zu sich zu nehmen. In welchen Lebensmitteln finden wir diese B-Vitamine? Vor allem in tierischen Produkten wie Milch, Fleisch und Eier. Wenn man sich vegan ernähren möchte, dann wird es etwas schwerer, aber Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte enthalten diese Nährstoffe ebenfalls. 

Konsumiert man also genügend Vitamine, Proteine und gute Fettsäuren, dann sollte doch alles in Butter sein mit der kognitiven Leistung oder? Nicht ganz. 

Falsche Ernährung: fast food 

Fast food ist nicht nur schädlich für die Körperform, sondern auch für das Gehirn. Studien zeigen, dass schon nach sieben Tagen dauerhaften Konsums von fast food das Kurzzeitgedächtnis leidet. Die gleiche Region im Gehirn, die für das Gedächtnis zuständig ist, sorgt normalerweise auch für das Sättigungs-Gefühl nach dem Essen. Diese Hirnregion ist der Hippocampus, der beidseitig tief hinter den Schläfen sitzt. Laut Studien führt der vermehrte Konsum von fast food – neben der normalen Altersbedingten – zu einer weiteren Schrumpfung des Hippocampus. Der Schädling, der diese Wirkung hat, ist wohl der Zucker. Er begünstigt nicht nur sämtliche Entzündungsfunktionen, sondern stört über Wechselwirkungen im Stoffwechsel letztendlich auch noch das Gehirn.   

Als letztes Wort von mir: Die Dosis macht das Gift. Ein bisschen Zucker ist wichtig für das Gehirn, zu viel aber schädlich. Auch bei den Vitaminen gilt, dass man nur eine gewisse Menge verwerten kann, der Rest muss wieder ausgeschieden werden. Jetzt also loszugehen und die wichtigen Nährstoffe in Massen zu konsumieren wird nicht unbedingt den erwünschten Erfolg erzielen. Und auch fast food alle Jubeljahre mal zu sich zu nehmen wird Sie nicht weniger schlau machen. Es gilt also wie immer: Übermäßiger, einseitiger Konsum ist selten gut und gesunde, ausgewogene Ernährung lohnt sich!

Bei weiterem Interesse zu diesem Thema lesen Sie gerne die Texte meiner Kollegen:

https://scilogs.spektrum.de/hirn-und-weg/wenn-essen-zur-qual-wird/

https://scilogs.spektrum.de/hirn-und-weg/zimt-sterne-gegen-alzheimer/

https://scilogs.spektrum.de/hirn-und-weg/schokolade-zum-fruehstueck-innere-uhr/

https://scilogs.spektrum.de/hirn-und-weg/currywurst-ist-cdu/

Quellen

Labrousse, V. F., Leyrolle, Q., Amadieu, C., Aubert, A., A, S., Coutureau, E., Grégoire, S., Bretillon, L., Pallet, V., Gressens, P., Joffre, C., Nadjar, A. & Layé, S. (2018). Dietary omega-3 deficiency exacerbates inflammation and reveals spatial memory deficits in mice exposed to lipopolysaccharide during gestation. Brain Behavior and Immunity73, 427–440. https://doi.org/10.1016/j.bbi.2018.06.004

Iss dich klug! (o. D.). Google Books. https://books.google.de/books?hl=en&lr=&id=Mh8EEAAAQBAJ&oi=fnd&pg=PT3&dq=Ern%C3%A4hrung+Auswirkungen+Gehirn&ots=av-JX7WwIP&sig=iBYy9awpcNUHdzsRAneBs0t9I1c#v=onepage&q&f=false

Dawson, S. (2022, 1. Februar). Supporting Maternal and Child Mental Health Through Dietary Changes Focused on the Gut Microbiota. figshare. https://hdl.handle.net/10536/DRO/DU:30163327

Deakin University. (o. D.). Professor Felice Jacka. Deakin. https://www.deakin.edu.au/research/researcher-stories/professor-felice-jacka

Unser Hirn ist, was es isst – Die ganze Doku | ARTE. (o. D.). ARTE. https://www.arte.tv/de/videos/082725-000-A/unser-hirn-ist-was-es-isst/

Zaalberg, A. (2015). Nutrition, Neurotoxicants and Aggressive Behaviuour. ResearchGate. https://doi.org/10.13140/RG.2.1.3281.4568

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Leah Wildenmann studiert seit 2021 Biologie in Freiburg. Sie ist noch am Anfang und hat dadurch eine sehr frische und unerfahrene Sicht auf das Thema des Gehirns. In ihrem nächsten Semester hat sie Zusatzfächer rund um Neurobiologie gewählt und freut sich schon ihr Gelerntes mit anderen Interessierten zu teilen. Besonders spannend findet sie, die Möglichkeit Emotionen durch gezielte Stimulation von Nerven auszulösen. Außerdem fände sie es superspannend, sich dem neurobiologischen Teil der Bewusstseinsforschung zu widmen.

5 Kommentare

  1. Videoempfehlung zum Thema: “Super Size Me”, 2004 von Morgan Spurlock, https://archive.org/details/super-size-me

    Der Burger im Stockfoto allerdings sieht nicht nach Fast Food aus, der ist offensichtlich aus guten Zutaten handwerklich hergestellt, ein auch aus ernährungsphysiologischer Sicht hochwertiges Gericht.

  2. Ein gutes und wichtiges Thema.
    Zu bemängeln bleibt, es wird nicht gesagt, was denn fast Food sei.

    Ist damit gemeit, dass man jeden Tag das gleiche isst. Ist damit gesagt, dass die Qualität eines Hamburgers auf Fleisch minderer Qualität beruht.
    Ist damit gesagt, dass fast food zu viele Zusatzstoffe enthält, Geschmacksverstärker, künstliche Aromastoffe, Konservierungsstoffe. ?

    Es stimmt schon, der Mensch ist , was er isst.

    • Da haben Sie recht. Mit fast food ist im Grunde alles Essen gemeint, dass man bei MAcDonalds beispielsweise bekommt. Also Fritiertes, zu viele Zusatzstoffe, unnötig viel Zucker, Geschmacksverstärker und so weiter. Essen, dessen nutritional value gegen Null konvergiert.

  3. Diese Studie mit den Mäusen ist nicht logisch da im Umkehrschluss Mäuse mit weniger Angst schneller Opfer von Fressfeinden wären. Also je mehr sie “gesunde Kost” bekommen um so schneller werden sie von anderen tierischen Gourmets verspeist. Will sagen: Angst ist ein Grundbaustein des Überlebens in der Natur und dieser wird nicht durch die Art des Fressens bestimmt sondern durch den Fluchtmechanismus welcher genetisch vorgegeben ist. Diese Forscher scheinen also nicht zu wissen worüber sie reden da in der Natur nur die ängstlichste Maus überlebt.

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