Currywurst ist CDU?


Als ich neulich in Berlin war, habe ich eine Currywurst gegessen. So ganz stilecht bei Konnopke’s in Prenzlauer Berg. Allein bin ich mit dieser Essenswahl nicht: Als Kanzlerkandidat Olaf Scholz kürzlich in einem Interview vor die Wahl zwischen Veggie-Burger von McDonalds oder Bio-Currywurst vom Imbiss gestellt wurde, antwortete er kurz: „SPD ist Currywurst!“

Zurück geht diese Anspielung auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2012. Damals warb der SPD-Landesverband mit dem Slogan „Currywurst ist SPD“, nachdem das entsprechende Plakat in einem Online-Wettbewerb gewonnen hatte.

Auf wissenschaftlicher Grundlage könnte man sich fragen, ob nicht eine andere Partei viel eher die Wurst für sich arbeiten lassen sollte. Daten aus einer repräsentativen deutschen Studie legen nämlich nahe, dass Fleischesserinnen und -esser sich auf einer politischen Links-Rechts-Skala deutlich häufiger im konservativen Bereich einschätzen. Außerdem sind sie nach Selbstangaben weniger politisch interessiert als die Vegetarierinnen und Vegetarier in der Studie.

Nun könnte man anmerken, dass sich vegetarisch ernährende Menschen nebenbei auch häufiger weiblich, jung und besser gebildet sind. Das wiederum würde die Studienergebnisse klar verzerren. Doch selbst wenn diese Faktoren statistisch rausgerechnet wurden, blieben die Ergebnisse eindeutig.

Auch mehrere Studien aus den USA kamen zu ähnlichen Ergebnissen, wobei sich das dortige Zwei-Parteien-System nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen lässt.  

Sollte es also viel mehr heißen: „Currywurst ist CDU“? Und wie kommt es überhaupt zu solchen Ergebnissen?

Die großen Fünf

Erklären lässt sich dieses Phänomen vermutlich über unsere Persönlichkeitsmerkmale. In der Persönlichkeitspsychologie haben sich fünf Faktoren etabliert, die über verschiedene Kulturen hinweg und bei jedem Menschen weniger oder stärker ausgeprägt sind – die sogenannten „Big Five“. Diese Persönlichkeitsmerkmale sind mindestens zur Hälfte genetisch vorprogrammiert. Im jungen Alter schwanken sie noch, ab dem 30. Lebensjahr etwa sind sie dann relativ stabil ausgeprägt. In standardisierten Fragebögen können die Persönlichkeitsmerkmale abgefragt werden. In Kurzform lassen sie sich so charakterisieren:

Die Offenheit beschreibt, ob jemand neuen Dingen gegenüber offen eingestellt ist. Auch Gefühlsoffenheit zählt hier mit rein. Häufig geht die Offenheit im höheren Lebensalter zurück.

Die Gewissenhaftigkeit gibt an, wie verlässlich, zielstrebig und selbst-diszipliniert eine Person ist. Eine Person, die Dinge gern gründlich im Voraus plant, erzielt hier hohe Werte.

Die Extraversion beurteilt wie, nun ja, extrovertiert eine Person ist. Extrovertierte Menschen sind meist sehr aktiv, reden viel und gehen gern auf neue Menschen zu.

Eine hohe Verträglichkeit ist charakterisiert durch ein Streben nach sozialer Harmonie, Hilfsbereitschaft und Vertrauenswürdigkeit.

Neurotizismus zu guter Letzt beschreibt die Eigenschaft, emotional eher instabil und negativ eingestellt zu sein und eine eher geringe Stresstoleranz zu haben.

Ebenfalls Big Five genannt: Löwe, Elefant, Nashorn, Büffel und Leopard.

Du bist, was du isst?  

Wie sähe nun eine typische Persönlichkeitsstruktur vegetarischer Menschen aus? Mehrere Studien auch im deutschsprachigen Raum haben genau das untersucht. Das Ergebnis: Vegetarierinnen und Vegetarier haben häufig deutlich höhere Werte in den Kategorien Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit. Die Ergebnisse in Bezug auf Extraversion und Neurotizismus sind hingegen uneindeutig.

Wie lässt sich daraus nun eine Verbindung zwischen Vegetarismus und liberalerem Wahlverhalten ziehen? Nun, die Offenheit einer Person könnte sich darin zeigen, dass sie gern neue Essweisen, Lebensmittel und Gerichte probiert. Gleichzeitig ist diese Person aber auch neuen Menschen und Kulturen im Rahmen der Geflüchtetenpolitik gegenüber offen. Was ein Mensch isst – oder was er eben gerade nicht isst – kann also mit der grundsätzlichen Persönlichkeitsstruktur dieses Menschen zu tun haben.

Natürlich handelt es sich hierbei nicht um Pauschalurteile, sondern um statistische Tendenzen. Bei Studien zum Ernährungsverhalten muss zudem immer bedacht werden, dass die Ergebnisse auf Selbstangaben der Personen beruhen. Menschen kreuzen also gern mal das an, was sozial erwünscht ist – gesunde Ernährung zum Beispiel. Außerdem sind Essgewohnheiten in der Realität weniger ein ja/nein-Zustand, als vielmehr ein Spektrum, das von „streng vegan“ bis „jeden Tag Fleischkonsum“ reicht.

Die ganze Überlegung dieses Beitrags ist insofern natürlich eher theoretischer Natur. In allen großen Parteien dürften Vegetarierinnen und Vegetarier nach wie vor die Minderheit darstellen. Spannend ist der Zusammenhang trotzdem – und vielleicht eine nette Abwechslung für alle, die vom Wahlkampf inzwischen genervt sind.

Meine Currywurst in Berlin war übrigens vegan. Und trotzdem sehr lecker. Auch das soll ja gehen.

Wer noch mehr zum Thema Politik im Gehirn lesen möchte, sollte unbedingt Louisas Beitrag dazu lesen. Und wer Gedanken zum Text hat oder einfach gern über den besten Currywurst-Imbiss Berlins diskutieren möchte, schreibe doch gern einen Kommentar!

Quellen:

  • https://www.gq-magazin.de/lifestyle/artikel/olaf-scholz-spd-kanzlerkandidat-stellt-sich-dem-politik-fragebogen-von-gq-bundestagswahl-2021, 12.09.2021
  • Bouchard TJ Jr, McGue M. Genetic and environmental influences on human psychological differences. J Neurobiol. 2003;54(1):4-45. doi:10.1002/neu.10160
  • Nezlek JB, Forestell CA. Where the Rubber Meats the Road: Relationships between Vegetarianism and Socio-political Attitudes and Voting Behavior. Ecol Food Nutr. 2019;58(6):548-559. doi:10.1080/03670244.2019.1641801
  • Pfeiler TM, Egloff B. Examining the “Veggie” personality: Results from a representative German sample. Appetite. 2018;120:246-255. doi:10.1016/j.appet.2017.09.005
  • Beitragsbild “Currywurst” von Theresa Becker
  • Bild “Resting lion family and the riverside with reflections” von Birger Strahl on Unsplash

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Veröffentlicht von

Martje Sältz studiert seit 2016 Humanmedizin am UKE in Hamburg und promoviert zum Einfluss der Ernährung auf die Halsgefäße. Medizin auf Italienisch lernte sie in ihrem Auslandssemester in Palermo kennen. Sie möchte wissenschaftliche Themen verständlich und spannend beschreiben und damit mehr Menschen für Gesundheit und ihren Körper begeistern.

23 Kommentare

  1. Spannend wird der Zusammenhang, wenn man weiß, dass Hitler Vegetarier war.
    Wenn ich also meine payback Karte abstemple, dann weiß der Händler, welche Salate er nachbestellen muss und das Statistische Amt rechnet sich aus, wie die nächste Bundestagswahl für die AfD ausgehen wird.

  2. Als Kanzlerkandidat Olaf Scholz kürzlich in einem Interview vor die Wahl zwischen Veggie-Burger von McDonalds oder Bio-Currywurst vom Imbiss gestellt wurde, antwortete er kurz: „SPD ist Currywurst!“ [Artikeltext]

    Klingt Sympathie erzeugend, dennoch ist es schon so, dass einige bundesdeutsche Kantinen die Curry-Wurst verbannen und auch Curry-Gerichte mittlerweile von einigen, vielleicht im postkolonialistischen Sinne als politisch inkorrekte Bezeichnung verstanden werden, nicht das Gericht selbst.
    Bei besonderem Bedarf könnte der Schreiber dieser Zeilen webverweisend werden, geht aber einstweilen davon aus, dass alle hier Mitlesenden zum Stand i.p. “Curry” bestens informiert sind.

    Einigen geht es auch darum, dass die Curry-Wurst ein Fleischprodukt ist, und sozusagen Leben von Leben zehrt, was partiell unterbunden werden könnte, wenn das Subjekt, der Esser, der Vertilgende, so energetisch nach Kompensation Suchende sich nur noch pflanzlich oder gar irgendwie auf Basis rein chemisch erzeugter Produkte ernährt oder kompensiert, eben energetisch.

    Im Sinne von ‘Offenheit’, ‘Gewissenhaftigkeit’, ‘Extraversion’ und ‘Verträglichkeit’ würde sich der Schreiber dieser Zeilen als Sanguiniker beschreiben wollen, sofern so angefragt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  3. Dr. W.
    Essensgewohnheiten und Parteienzugehörigkeit ist ein Thema für den alternativen Nobelpreis.
    Andererseits ist naheliegend, dass sich der “gemeine” Kollektivist keine Trüffel oder eine Bouillabaisse leisten kann oder wird. Die sind dem Connaisseur vorbehalten. Pommes mit Currywurst sind für die SPDler, der AfDler zieht die Thüringer Bratwurst mit Kümmel vor, der Kommunist von der Waterkant, der kauft ein Fischbrötchen, nur die Grünen wählen vegan und raffiniert gewürzt.

  4. Veganismus ist seit mehr als 100 Jahren die Ausnahme
    Laut Allensbach bezeichneten sich 2021 selbst 7.5 Millionen Deutsche als Vegetarier. Das sind weniger als 10% der Deutschen. Eigentliche Veganer sind noch viel seltener, was allein schon daran liegen mag, dass Mangelerscheinungen bei reinen Veganern sehr häufig anzutreffen sind. Anders als viele Veganer meinen ist nicht der Proteinmangel das Problem beim Veganismus, sondern der Mangel bestimmter Vitamine (z.B. B12, Folsäure, Omega3-Fettsäuren) und Metalle (Eisen, Zink, Selen, etc). Britische und deutsche Studien fanden einen Zusammenhang zwischen Veganismus und Depression: je veganer umso depressiver. Siehe dazu: The Baffling Connection Between Vegetarianism and Depression (Zitat: Eine Längsschnittstudie mit 14.247 jungen Frauen ergab, dass 30 Prozent der Vegetarier und Halbvegetarier in den letzten 12 Monaten an Depressionen litten, verglichen mit 20 Prozent der nicht-vegetarischen Frauen. (Baines, 2007))

    Behauptung: Strikte Veganer gehören zu einer Gruppe Menschen mit krassem Ausnahmeverhalten, denn es ist rein schon von der Gesundheit her und der natürlichen Neigung her schwierig völlig auf tierische Produkte zu verzichten. Dass diese Menschen auch politisch/weltanschaulich anders sind als der Durchschnitt verwundert mich in keiner Weise.

    Übrigens: Ich selber esse nur jede zweite Woche Fleisch. Versuchsweise noch längere Pausen haben sich bei mir aber negativ ausgewirkt.

  5. Außerdem ist Vegetarismus weniger ein ja/nein-Zustand, als vielmehr ein Spektrum, das von „streng vegan“ bis „jeden Tag Fleischverzehr“ reicht.

    ? Vegetarismus reicht bis

    jeden Tag Fleischverzehr?

  6. “Meine Currywurst in Berlin war übrigens vegan. Und trotzdem sehr lecker.”

    Mich wundert immer, dass vegane oder vegetarische Produkte das Aussehen ihrer “fleischlichen” Namensgeber haben sollen, für mich ist das fake, auch, wenn man sich die Liste der Zusatzstoffe ansieht, die den “veganen Fleischersatzprodukten” Form und Aussehen, Biss und Geschmack geben ( müssen ).

    Aus der zitierten Formulierung schließe ich zudem, dass es wohl eher die Gewürzmischung war, die den Eindruck von “lecker” hervorgerufen hat, aus Selbsterkenntnis gehe ich davon aus, dass man auch Stroh verspeisen könnte, wenn es nur richtig gewürzt wäre.

    Und was den Fleischverzehr angeht, der im Übermaß ( wer definiert das? ) sogar schädlich sein soll, so muss ich feststellen, ohne der normalen Currywurst zu nahe treten zu wollen, dass darin auch Fleisch enthalten sein wird.
    Es gab mal den Witz, dass ein Studierender das Studierendenwerk – speziell die von ihm betriebene Mensa – verklagt habe, weil er von den Buletten einen Bandwurm gekriegt habe – und dass das Studierendenwerk den Prozess deshalb gewonnen habe, weil man nachweisen konnte, dass in den Buletten kein Krümel Fleisch gewesen sei …
    Wurst, Gepökeltes, Geräuchertes und oberflächig Verkokeltes wie Grill- und Pfannenware heißt zwar auch “Fleisch”, aber ob das ( immer ) gesund zu nennen ist, wage ich zu bezweifeln.
    Sicher hat erhitztes ( degeneriertes ) Eiweiß einen höheren Nährwert und die Evolution lässt uns beim Geruch erhitzten ( angebrannten ) Fleisches nicht ungerührt, aber letztendlich ist alle Kochkunst dieser Welt nur der mehr oder weniger gelingende Versuch, an sich Ungenießbares essbar zu machen. In dem Buch “Neanderthin” ( ich habe den Namen des Autors vergessen ) übersetzt/verdreht der Autor genial einen Satz aus der Bibel ( Apfel der Erkenntnis und so ):
    “Do not eat the fruit of technology, which makes edible the inedible.”

    • Gesundheitlich gesehen sollten natürlich immer möglichst unverarbeitete, frische Lebensmittel verzehrt werden. Also weder die (angebliche) Fleischbulette aus der Mensa noch die vegane Currywurst.
      Ob uns ein Essen schmeckt, ist ja eine Kombination aus mehreren Faktoren (Textur, Schärfe, Reizung der Geschmackssensoren). Insofern ergibt es schon Sinn, dass sich VegetarierInnen nach dem sehnen, was sie von “früher” kennen. Schließlich ist der Beweggrund zur vegetarischen Ernährung eher selten, dass das Fleisch nicht schmeckt. Aber klar macht auch die Gewürzmischung, dass es lecker schmeckt. Ungewürztes Putenfleisch vom Grill schmeckt ja auch eher… so lala.
      Spannende Theorie, auf viele Dinge wie Kakao, Getreide etc. trifft das ja menschheitsgeschichtlich voll zu. Bei Gemüse und Obst würde ich spontan erstmal widersprechen, andererseits essen wir da ja auch das Ergebnis langer Hinzüchtungen.

  7. “Currywurst ist SPD”
    Klingt alles sehr populistisch . Die Werbestrategen dieser Partei werden wahrscheinlich hier eine gewisse “Volksnähe” suggerieren wollen in dem man diese Lieblingsspeise der Malocher mit dieser Partei assoziieren soll. Zielgruppe sind als nicht die 800 000 Millionäre sondern die 80 Millionen, die sich ihre Currywurst am Imbiss Stand und nicht im Fünfsternehotel leisten wollen. Man ist also “Kumpel” wie die anderen Kumpel und kann so gesehen gewählt werden. Da kann die CDU nur kontern: Thüringer Rostbratwurst ist CDU: Außen rostig , innen geschmacksneutral wie Merkel.

  8. CDU Currywurst Deutschland Union
    👊😎 ist doch passend, denn Curry ist gelblich-grün, die Füllung innen meist rötlich, Aussenhaut oft braunlich-schwarz, da ist alles an Koalition und Gesinnung abgedeckt!?

    Und was den Lobbyismus betrifft: so eine Wurst ist ziemlich schmierig vom Fett.

    Apropos Lobbyismus, hat der Scholz dem Laschet Lobbyismus vorgeworfen, als ob wir anhand der Vetternwirtschaft nicht wissen wie lobbyistisch die SPD funktioniert!?
    👋🤣

    • Der Ausspruch „Currywurst ist SPD“ enthält recht viel Einsicht, recht viel Wissen über einen Aspekt des Essens: Was man isst sagt sehr viel über einen aus. In gewissen Fällen kann man sogar sagen, welcher Religion einer angehört oder was sie für eine Geisteshaltung hat, wenn man weiss, was er/sie bevorzugt isst.

  9. @Maier 13.09. 00:56

    „…,aber letztendlich ist alle Kochkunst dieser Welt nur der mehr oder weniger gelingende Versuch, an sich Ungenießbares essbar zu machen.“

    In der Tat. Weniger Fleisch in der Küche ist wohl durchaus eine Frage der Kochkunst. Was bleibt sind natürlich vielfältige tierische Fette und tierisches Eiweiß, die wohl in gewissen Mengen und hoher Vielfalt dann doch gesund sind und in der Folge auch eher sehr gut schmecken.

    Pflanzliches Eiweiß ist zu geringerem Grad geeignet, den essentiellen Eiweißbedarf zu decken, und auch ist der Anbau von eiweißreichen Feldfrüchten auch durchaus aufwändiger als von kohlenhydratreicher Kost. Der Eiweißanteil des Viehfutters ist entsprechend gering, und im Fleisch konzentriert sich dann das Eiweiß.

    Hier ist sicherlich auch mit Kochkunst viel zu erreichen. Aber ich denke nicht, dass sich der tierische Anteil mehr als halbieren lässt, ohne wirklich auf leckeres und voll ernährendes Essen verzichten zu können. Gerade industriell hergestellte vegane Würstchen oder Frikadellen mögen zwar mit allen lebensmittelchemischen Finessen aufgerüstet sein, die dann echt erstmal schmecken. Aber so richtig Hunger macht mir das dann doch nicht.

    Auf gezüchtete Insekten wäre ich wesentlich neugieriger, eventuell mit einem Potential noch mal was ganz Neues in die Küche einzuführen. Ich bin durchaus schon ein Freund von Muscheln und Krabben, als mal was seltenes, das es nicht so oft gibt.

  10. So ganz stilecht bei Konnopke’s in Prenzlauer Berg.

    An dieser Stelle des Fabulierens über ‘ne jute Curry – glücklicherweise schon im zweiten Satz – erübrigt sich jegliche weitere Lektüre. Konnopke war mal ‘ne Institution. Ist viele Monde her; heute nur ‘ne armselige Touristenfalle.

    Wer ‘ne jute Currywurst schnabulieren will, jeht ßum rausjeekelten Sohnemann Mario Ziervogel nach’m Senefelderplatz – ooch an de Schönhauser jelejen. Oder nach de Curry-Baude am U-Bahnhof Jesundbrunn’n. Oder nach de Mahlerstraße in Weißensee.

    • Danke für den Kommentar, damit kann man doch was anfangen! Ich selbst bin nur alle paar Jährchen mal in Berlin und passe mich dann meist den Empfehlungen meiner Mitmenschen an.

  11. Martje Sältz schrieb (12. Sep 2021):
    > […] Daten aus einer repräsentativen deutschen Studie legen nämlich nahe, dass Fleischesserinnen und -esser

    … offenbar lässt sich die (deutsche) Gesamtpopulation N z.B. in (gewohnheitsmäßig) Fleischessende, N_f, und alle anderen (sich im geeignet weiten Sinne vegetarisch Ernährenden) N_v = N - N_f aufteilen …

    > sich auf einer politischen Links-Rechts-Skala deutlich häufiger im konservativen Bereich einschätzen.

    Sowohl die Gesamtpopulation N, als auch deren o.g. Anteile N_f bzw. N_v lassen sich wiederum entsprechend in “konservativ oder progressiv” aufteilen:

    N = N_k + N_p,

    N_f = N_fk + N_fp,

    N_v = N_vk + N_vp;

    sodass insbesondere ein Korrelations- bzw. Orientierungswinkel definiert und ggf. ermittelt oder abgeschätzt werden können:

    ∠[ fv, kp ] := ArcCos[ (N_fk + N_vp - N_fp - N_vk) / N ].

    > Außerdem sind sie [die Fleischessenden] nach Selbstangaben weniger politisch interessiert als die Vegetarierinnen und Vegetarier in der Studie.
    > Nun könnte man anmerken, dass sich vegetarisch ernährende Menschen nebenbei auch häufiger weiblich, jung und besser gebildet sind.

    … und womöglich würde das sogar von repräsentativen (und ggf. im Interesse der “Unverzerrtheit” insbesondere von deutschen) Studien nahegelegt.

    Entsprechend ließen sich sowohl die Gesamtpopulation als auch die verschiedenen Teilpopulationen auch in “weiblich oder männlich”, “jung oder alt”, “besser oder schlechter” aufteilen:

    N = N_w + N_m,
    N = N_j + N_a,
    N = N_b + N_s;

    und entsprechend für Teilpopulationen.

    > Das wiederum würde die Studienergebnisse klar verzerren.

    Wieso ?

  12. In der gesamten Menschheitsgeschichte ( und eigentlich bei allen Lebewesen ) ging und geht es immer darum, nicht zu verhungern, zu überleben ( nicht eines anderen Nahrung zu werden ) und Nachkommen zu erzeugen, die ihrerseits überleben …
    Die ( heutige ) Menschheit ist aus meiner Sicht deshalb so “erfolgreich” geworden, weil sie im Grunde nicht wählerisch bei der Nahrung war und verspeist hat, was gerade verfügbar war – wenn etwas verfügbar war. Dass es das nicht kontinuierlich war, sieht man an der evolutionären Einrichtung “Wampe”, in der Überfluss für magere Wochen gespeichert werden kann – Wasser können wir nur Tage speichern und Luft nur für Minuten, daran sieht man unsere Anpassung an die Gegebenheiten, was es ( immer ) gibt und was nicht.
    Andere Anpassungen ( Sucht nach Süßem, Fett als Geschmacksträger ) zeigt auch, worauf es in einer solchen Mangelwirtschaft ankommt: Kalorien.
    Das Problem ist, dass Kalorien nicht verbreitet verfügbar sind ( so, wie Gras oder Blätter in den entsprechenden Habitaten ) , man muss danach suchen und gegebenenfalls auch etwas dafür riskieren – und dafür braucht man ein leistungsfähiges Gehirn, was seinerseits leider auch seinen Anteil an den Kalorien verbraucht – in gewisser Weise ein Teufelskreis. Bis zur Beherrschung des Lagerfeuers und der Kochgrube gab es nur das, was roh genießbar und – vor allem – stets verfügbar war, was auch die geographische Verbreitung der Menschen begrenzt hat. Die Erschließung von wertvollen Kalorien durch die Jagd auf Pflanzenfresser hat eine geographische Verbreitung ermöglicht und durch die indirekte Erschließung der Grasressourcen auch die Vermehrung begünstigt. Der nächste Fortschritt war dann zwangsläufig, nicht mehr hinter dem Viehzeug hinter zu rennen, sondern als Herde vor sich her treiben, Gras und Blätter als Resource nutzen, bis man dann auch gemerkt hat, dass bestimmte Grassamen ( Getreide ) selber auch ohne Umwege über Schaf und Ziege genießbar und handwerklich so aufbereitbar sind, dass sie als Nahrung taugen, bis zu dem Punkt, dass zwar pro ha mehr Menschen leben konnten, diese aber dann doch mangelernährt waren, wie man noch heute an den Knochen sieht. Mit dem letzten großen Evolutionsschritt vor 10 – 8 ka ( Nicht-Abschaltung des Enzyms zur Verdauung von Kuh-/Kamelmilchzucker ) konnte man auch indirekt von Heu und Stroh überleben und brauchte die Kuh nicht zu schlachten, und mit den zusätzlichen Techniken der Konservierung konnte man dann auch Lebensräume erschließen, wo ein halbes Jahr nichts Brauchbares mehr wächst.

    Wir sollten unsere Historie nicht vergessen, unsere ( westliche ) Genetik ist noch auf dem Stand vor 10 ka, wohingegen die “technology” mittels Chemie und Verfahrenstechnik heute, nahrungsmittelmäßig gesehen, wirklich “Stroh zu Gold spinnen” kann und das in Mengen und zu Preisen, dass die Wampen eher übervoll sind als die Regale leer.

  13. Für mich bedeutet Politik vor allem, einen Zoo aufzumachen, in dem für jede Menschenart ein geräumiger, artgerechter Käfig existiert. Also eine Welt zu schaffen, in der sowohl Liberale wie Konservative genug Raum und Ressourcen finden, um so zu leben, wie es ihnen beliebt. Zurzeit bedeutet das vor allem, eine Alternative zum Kapitalismus zu finden, denn die Bugs-Bunny-Parodie einer Wirtschaft, die Wirtschaft von Kindern, die willkürlich einen Bonbonladen plündern, erfordert einen vollen Bonbonladen, um erfolgreich zu sein. Es kann keinen Frieden geben, wo zwei Menschen nix zu futtern haben, als einander, und die Konflikte in der Welt im Allgemeinen und in der Gesellschaft im Besonderen nehmen zu, weil der Bonbonladen übermäßig beansprucht wird.

    Menschen, die in Heimat und Traditionen verwurzelt sind und keine Neuerungen mögen, sind nicht schlechter, als Menschen, die weltoffen sind und sich gern durch Neues ändern lassen. Konflikte gibt’s, wenn die einen über die anderen herrschen wollen. Im idealen Staat würde es unzählige Zellen geben, unzählige Kulturen und Traditionen, und ein gemischtes, übergeordnetes Staatsvolk, das all das zusammenhält. Denn die Zellen scheren sich stets nur um sich selbst auf Kosten des Staates, und der Staat nur um sich selbst auf Kosten der Zellen, es bräuchte also ein Spannungsfeld, ein Set aus Regeln, das es ermöglicht, den Interessenkonflikt auf ewig ungelöst zu halten. Denn unabhängig davon bleiben Sachzwänge, Wirtschaft, Außenpolitik – was der Staat zum Überleben braucht, weicht stark davon ab, was seine Bürger wollen. All die Zellen brauchen den großen Staat, um sie durchzufüttern und zu beschützen, und der Staat braucht die Zellen, damit sich die Menschen zurückziehen können, die mit der großen, weiten Welt überfordert sind. Jeder braucht ein Zuhause, und ein Zuhause ist ein Ort, wo die fremden Einflüsse durch Wände reduziert sind, sodass man sich auf das Wenige konzentrieren kann, das man für wesentlich hält.

    Menschen schaffen immer Subkulturen mit ein paar Wänden drum herum, in denen sie sich zuhause fühlen, und dass der Vegetarismus heute mit dem Liberalen verknüpft ist, heißt nicht, dass es immer so sein muss. Ich meine, nach den westlichen Maßstäben bin ich eher liberal, nach polnischen Maßstäben erzreaktionär mit ein paar Updates – ich wurde von der Erinnerung an eine Kultur geprägt, in der „konservativ“ und „liberal“ das Gleiche waren. Das heutige Polen verhält sich zu alten Polen-Litauen, wie ein Redneck-Trailer-Park in Alabama zu den USA, ist halt nur das Schlechteste vom Original übrig geblieben. Der ideale, hypothetische polnische Adelige, den es in Wirklichkeit nie gab, war erzkatholisch und würde sein Leben geben, um Protestanten, Orthodoxe, Juden, Moslems, zum Katholizismus zu bekehren, doch er würde auch sein Leben geben, um Protestanten, Orthodoxe, Juden, Moslems, vor jedem zu schützen, der ihnen den Katholizismus mit Gewalt aufzuzwingen versucht. Man hält die eigene Identität und Mentalität hoch, verteidigt sie verbittert, doch respektiert und verteidigt auch die Identität der Anderen. Heutzutage bedeutet die Mentalität, logisch weiterentwickelt, dass ich Schwulen- und Frauenrechte verteidige, und gleichzeitig einen Macho-Hetero spielen kann, so viel es mir beliebt. Dass Dinge in meinem Privatleben für mich funktionieren, heißt nicht, dass ich sie der ganzen Gesellschaft aufzwingen muss. Und wenn die Gesellschaft mir was aufzwingen will, was für sie als Ganzes richtig ist, aber für mich individuell falsch, kriegt sie einen Arschtritt. Ich finde alles zum Kotzen und motze darauf rum, doch ich verteidige das Recht aller Menschen, so sehr zum Kotzen zu sein, wie es ihnen beliebt, ohne dass sie Anderen schaden. Diese Mentalität war in Polen-Litauen schon Gang und Gäbe, bevor die Franzosen sie abgekupfert und weltbekannt gemacht haben. Ob sie als Vorbild für Europa taugt, müssen Sie beurteilen.

    Offen und verschlossen zu sein, verträglich und Asi, ist kein natürlicher Widerspruch. Irgendwo spielt hier der Zeitgeist mit, die Art, wie die Gesellschaft die Dinge sieht und wie die Menschheit ihre Angelegenheiten ordnet. „Fremdes will ich nicht, meins lasse ich nicht anrühren“ – die kämpferische, polnische Fortentwicklung von „Leben und leben lassen“, die in einer Gegend entstand, in der Papst, Zar, Sultan, Schwedenkönig die Multikulti-Bevölkerung ständig gegeneinander aufhetzten und die neoliberale Wirtschaft des Adels soziale, religiöse und ethnische Konflikte anheizte. Ein Staat, in dem täglich vierzig Sprachen gesprochen wurden und jede ethnische Gruppe sich für was Besonderes hielt, aber der gemischte Adel eine Nationalität darstellte, die all das zusammenhielt. Es ging nicht ewig gut, irgendwann hatten Misswirtschaft und Korruption alle sozialen Mechanismen, mit Folgeschäden fertig zu werden, übertrumpft. Aber wenn Sie nur Zeit gewinnen möchten, bis Sie Misswirtschaft und Korruption beseitigt haben, sodass Sie wieder reich genug werden, um zu leben und leben zu lassen, ist diese Mentalität vielleicht gar nicht so schlecht.

    „Zeit gewinnen“ kann ein Gift sein, denn diejenigen, die nichts ändern wollen, nützen es, um nichts ändern zu müssen, sodass alle Probleme wuchern und wachsen können, bis sie übermächtig und unlösbar werden. Muss man halt aufpassen. Die halbe Lösung steigert das Problem, die ganze Lösung löst es.

    Ich bin übrigens Vegetarier. Kleiner Anfall von Ethik, als ich noch Teenager war. Jetzt bin ich alt, und die Änderung von Gewohnheiten fällt mir nicht mehr so leicht. Ich will ins Altenheim, wo die schöne, alte Welt des letzten Jahrhunderts noch ein wenig überleben darf, während draußen die Jugend schon den Ground Zero aufräumt, den sie hinterlassen hat. Ich will weder stören noch sterben, bevor meine Zeit gekommen ist. Weil der Westen seine Jugend mit dem Kondom das Klo runtergespült hat, wird sie aus aller Welt importiert werden müssen, falls wir eine Zukunft haben wollen. Was die Importe von Fleischkonsum halten, müssen Sie mit ihnen klären.

  14. @ Herr Karl Maier :

    Die Erfindung der Landwirtschaft war aus Sicht Vieler zentral für das hier gemeinte kulturelle Enstehen.
    Amüsanterweise ist es wohl erst vor etwas mehr als 12.000 Jahren entstanden, Städtebildung, Bürgerwerdung, den Cives meinend “Zivilisation” und die Stadt meinend “Politik”, auch das dann anfällige Ständewesen meinend.
    Es kann sich gefragt werden, was der Homo Sapiens zuvor getan hat, viele zigtausende, hunderttausende Jahre.

    Wie dem auch sei, Sprache, Sprache im heute gemeinten Sinne könnte erst im oben beschriebenen Sinnbezug entstanden sein.
    Das Wort war bekanntlich der Anfang (heutiger Zivilisation).

    Dr. Webbaer empfiehlt sich den Film mit dem Namen ‘The Man from Earth’ einmal anzuschauen, ohne hier “fanboy-mässig” zu werden, nur zur Kenntnisnahme :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/The_Man_from_Earth

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    • Dr. Webbaer
      19.09.2021, 16:47 Uhr

      Ich sehe die Angelegenheit etwas anders. Ich betrachte die Levalloistechnik ( Neandertaler seit ~200 ka ) und die Klingentechnik ( Cromagnon spätestens seit ~50 ka ) schon als Kultur, wenn auch das Wort “Kultur” selbst seinen Ursprung im Ackerbau ( agri”cola” ) hat. Spätestens seit den Venus- und anderen Elfenbeinfiguren und den Höhlenmalereien hatten “wir” das, was wir heute “Kultur” nennen, inklusive einer Sprache, denn ohne diese kann man die Informationen über Bedeutung und handwerkliche Herstellung nicht vermitteln, allerspätestens seit dem können wir auch vom “kulturellen Erbgang” neben dem genetisch-evolutionären Erbgang sprechen.
      Sicher hat die Steinzeit-Kultur in gewisser Weise dazu “gedient”, Gefahren von der Sippe abzuwehren, Nahrung “herbeizubeten”, vor dem Tod bei der Jagd zu schützen, viele ( überlebende ) Kinder zu erwünschen.

      Provokativ formuliert:
      Ich weiß allerdings nicht einzuschätzen, in wie weit uns “Dada-Gedichte”, Jammergesingsel, Po-Schwenken auf der Bühne, abstrakte Malerei oder was der heutigen “Kultur” sonst noch zugerechnet wird, vor den Gefahren der Gegenwart und Zukunft mental schützen kann, in wie weit die Menschen beim Untergang der Titanic mit den Tönen des Orchesters im Ohr glücklicher ertrunken sind.
      Klar, die Erfindung der Kultur scheint schon einen Überlebensvorteil gehabt zu haben ( angesichts der ausgestorbenen Neandertaler und Denisovaner ), aber es wird wohl der größere Anteil der heutigen “Kultur” keine solche Wirkung entfalten, denke ich.

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