Trauma – Narben der Erinnerung

Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich auf Social Media nicht mit dem Begriff Trauma konfrontiert werde. Meine ganze Generation scheint traumatisiert zu sein. Nicht von Kriegen oder Naturkatastrophen, sondern von grausamen Filmen, peinlichen Situationen oder gescheiterten Beziehungen. Es gehört geradezu zum guten Ton, ein „Trauma“ zu haben und daran zu arbeiten.  Dass hier in den allermeisten Fällen von echten Traumata keine Rede sein kann, sollte allen klar sein. Vielmehr handelt sich wohl um ein weiteres Symptom der Wohlstandsverwahrlosung, die meiner sonst so woken und achtsamen Generation vorgeworfen wird. Dennoch hat mich das Thema nicht losgelassen.

Anders als bei den hypersensiblen Söhnen und Töchtern aus der Mittelschicht, die mit inspirierenden Instagram-Motivationsposts verarbeiten, dass sie in der 7. Klasse nicht das neueste iphone hatten, sieht es nämlich bei unseren ukrainischen Neuankömmlingen aus. Bei vielen hat der Krieg Spuren hinterlassen, bis zu 40 % der Kriegsflüchtlinge entwickeln eine posttraumatische Belastungsstörung. Symptomatisch äußert sich diese durch Flashbacks, Albträume, Gedächtnis-, Konzentrations- und Angststörungen, Vermeidungsverhalten und einem erhöhten Risiko für Suchterkrankungen und Depressionen. Wie kann es sein, dass eine einzige, manchmal nur ein paar Minuten lange Erfahrung die Betroffenen ein Leben lang verfolgen kann? Und was passiert dabei im Gehirn?

Der Krieg im Kopf

Bei einem Trauma sind im Gehirn drei Bereiche besonders signifikant betroffen: die Amygdala, der präfrontale Cortex und der Hippocampus.

Die Amygdala, unser Angstzentrum, ist mit dem Überlebensinstinkt assoziiert und essenziell für die Analyse möglicher Gefahren. In potenziell gefährlichen Situationen sendet sie Signale an das Großhirn, welches die Situation mit Erinnerungen abgleicht und bewertet. Bei Gefahr kommt es zu einer Ausschüttung mehrerer Stresshormone wie Adrenalin. Besteht keine Gefahr, hemmt das Großhirn die Amygdala und der Stress lässt nach.

In Extremsituationen kommt es nun zu einer Unterbrechung dieser Kommunikation, auch Dissoziation genannt. Um die Reaktionszeit zu beschleunigen, schüttet die Amygdala Stresshormone aus, ohne eine Interpretation und Bestätigung der Gefahr durch das Großhirn abzuwarten. Während man diese Funktion auf der Flucht vor Säbelzahntigern sicherlich nicht missen will, führt sie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu unverhältnismäßigen körperlichen Stressreaktionen, die vom Betroffenen nicht bewusst beeinflusst werden können.

Solche Symptome können auch lange nach dem traumatischen Ereignis auftreten und von scheinbar belanglosen Triggern ausgelöst werden. Das liegt unter anderem an einer Überaktivität der Amygdala. Der Prozess der Dissoziation verfestigt sich, Reize kommen ohne Beteiligung und Bewertung vom Großhirn in der Amygdala an und lösen enorme Stresshormonfreisetzungen aus.

Der präfrontale Cortex ist ein hochentwickelter Bereich unserer Großhirnrinde, der für die Einordnung und Kontrolle diverser Prozesse im Gehirn verantwortlich ist. Um seinen Aufgaben, wie Handlungsantizipation, Emotionsregulation und Impulskontrolle gerecht zu werden, bedarf es einer einwandfreien Kommunikation mit anderen Hirnarealen. Eine hohe Stresshormonkonzentration, wie sie bei traumatischen Ereignissen durch die Amygdala entsteht, stört diese Kontakte. Der präfrontale Cortex zeigt eine deutlich geringere Aktivität. Die Folge ist eine mangelhafte Furchtkontrolle.

Der Hippocampus bildet die Schaltstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis.  Er sortiert durch unsere Sinnesorgane aufgenommene Informationen nach Wichtigkeit und entscheidet darüber, ob diese verworfen oder gespeichert werden. Ein Überschuss an Stresshormonen kann hier zu komplexen Schäden führen. Durch diese wird das Großhirn vom Nachrichtenfluss abgetrennt und es kann keine langfristige rationale Bewertung des Erlebten erfolgen.

Dissoziative Amnesie

Ohne eine funktionierende Verbindung zwischen Amygdala, präfrontalem Cortex und Hippocampus landet ein Großteil der Erinnerungen im impliziten- anstatt wie normalerweise im expliziten Gedächtnis. Hier können sie nicht bewusst abgerufen werden, werden aber dennoch Teil automatischer Abläufe im Gehirn und beeinflussen das Verhalten. Im schlimmsten Fall führt die Dissoziation zum Gedächtnisverlust, der dissoziativen Amnesie. Je nach Stärke des Traumas können die Erinnerungslücken unterschiedlichen Ausmaßes sein – von einem Ausfall der Raum- und Zeitorientierung bis hin zum Vergessen ganzer Erlebnisse, Tage oder sogar Jahre. Manche Betroffene wissen nicht einmal von der Existenz ihres Traumas. Dennoch reagieren sie auf Grund der Überfunktion der Amygdala, die Zugang zum impliziten Gedächtnis hat und vom Hippocampus und Großhirn entkoppelt agiert, auf Trigger mit enormem Stress.

Und jetzt?

Es ist wenig verwunderlich, dass solche strukturellen Veränderungen fundamentale Folgen für die Betroffenen haben. Auch wenn die Entkopplung theoretisch durch Traumatherapien rückgängig gemacht werden kann, handelt es sich um einen aufwändigen und langwierigen Prozess, der häufig unerfolgreich bleibt. Es ist denkbar, dass die Auswirkungen nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft spürbar sind; immerhin leidet in Kriegsgenerationen ein großer Anteil der Bevölkerung unter posttraumatischen Belastungsstörungen und gibt diese durch Bindungsprobleme an die nächste Generation weiter. Doch solange Millionen Menschen weiterhin unter den verehrenden Folgen der Kriege leiden, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als die Betroffenen bestmöglich zu unterstützen und unsere eigenen Befindlichkeiten mitunter etwas sensibler zu betiteln.

Literatur

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Veröffentlicht von

Mein Name ist Louisa Sohmen und ich bin Medizinstudentin in Hamburg. Da ich erst am Anfang meines Studiums stehe, konnte ich noch keine eigenen Erfahrungen in der wissenschaftlichen Forschung sammeln, allerdings kann ich mir gut vorstellen, später in einem solchen Bereich tätig zu werden. Die Komplexität des menschlichen Gehirns faszinierte mich schon immer, weswegen ich mich sehr freue, mich hier regelmäßig mit spannenden Fakten auseinandersetzen zu können.

21 Kommentare

  1. Ereignisse werden in der zeitlichen Gegenwartsform erlebt, so im Gedächtnis abgespeichert und auch so beim Erinnern wieder reaktiviert.

    D.h. Erinnern ist ein lebensechtes Wieder-Erleben!

    • @KRichard: “… lebensechtes Wieder-Erleben”

      Ja, das ist das was mich mit Migräne und Alpträumen traumatisiert. 😴😵🤯🤕

  2. @ KRichard 22.05.2022, 15:20 Uhr

    Zitat: „Ereignisse werden in der zeitlichen Gegenwartsform erlebt, so im Gedächtnis abgespeichert und auch so beim Erinnern wieder reaktiviert.

    D.h. Erinnern ist ein lebensechtes Wieder-Erleben!“

    Es dürfte sich nur teilweise so verhalten.

    Es sind offensichtlich zusätzliche Assoziationen mit „Zeitfaktoren“ vorhanden, die auch die „zeitliche Biografie“ abbilden können.

    Man erinnert sich z.B. daran, dass man 1970 erstmals in Venedig war und man dies z.B. mit dem Hochzeitstermin assoziiert.

    Die Muster dürften einerseits eher baumartig auf den von der Sensorík ausgehenden Strukturen abgebildet werden. Die Assoziationen werden andererseits eher „vermascht“ abgebildet, so dass „Querassoziationen“ ermöglicht werden.

    Dass auch „Zeitschlitze“ die von „Gehirnwellen“ gesteuert werden („Bindungsproblem“), bei den dynamischen Verknüpfungen eine grundsätzliche Rolle spielen, haben v.d. Malsburg/Singer in ihren Arbeiten erklärt.

    Es sind grundsätzliche, sozusagen „uralte“ Mechanismen, die in der Elektronik, z.B. bei der größten „Maschinerie der Welt“, dem Telefon/Internetnetz eine Rolle spielen.

  3. Es erstaunt mich, dass es so etwas wie Posttraumatische Belastungsstörungen überhaupt gibt. Das Erstaunliche daran ist für mich die Schwere und Langfristigkeit und die Zäsur, die eine PTBS darstellt. Die Zäsur bedeutet oft, dass das normale Leben vorbei ist und es sich bei PTBS-Betroffenen im Extremfall um Halbtote handelt, um Menschen, die nicht mehr zurückfinden in einen unbelasteten Alltag.

    Erstaunt bin ich auch darum, weil man annehmen muss, dass es eine solche Störung auch bei Tieren geben kann oder sogar geben muss, denn vieles aus dem affektiven Bereich hat sich bei der Evolution zum Menschen nicht geändert. Ein Tier oder Mensch sollte so etwas eigentlich nie erleiden, rein von der Nützlichkeit für das Überleben her betrachtet. Die Evolution scheint da einen Fehler begangen zu haben. Vielleicht aber auch nicht oder nur teilweise, denn es gibt ja auch Menschen, die schwerste Belastungen einfach so wegstecken – meint man als Aussenstehender mindestens.

    • Martin Holzherr
      22.05.2022, 19:11 Uhr

      Wir gehen logisch von der Sinnhaftigkeit unseres Tuns und demzufolge auch der Technik aus, weil wir uns auch die Zukunft ( meine Einschätzung, dass diese Fähigkeit den Unterschied zwischen Affe und Mensch ausmacht ) imaginieren können.

      Die Natur optimiert nur im hier und jetzt – über die Anzahl der überlebenden Nachkommen, die ihrerseits überlebende Nachkommen hervorbringen, sie kann nicht die Zukunft antizipieren.

      Dabei werden kleine Unzulänglichkeiten “in Kauf genommen”, wenn diese die Fortpflanzungsrate nicht einschränken oder erst auftreten, wenn die “aktive Zeit” vorüber ist, dafür an anderer Stelle Vorteile für das Überleben aber Vorteile bieten. Auch Konstruktionsdetails, die mal Sinn gemacht haben und nun unsinnig erscheinen, werden einfach fortgesetzt und “weiterentwickelt”, aber niemals rückgebaut und neu entwickelt, mein Beispiel dafür ist die Verlegung von Samen- und Harnleiter beim Mann, was für einen Vierfüßler sinnvoll ist, erscheint für den reinen Zweibeiner ziemlich fehl am Platz, dieses Detail hat aber die Fortpflanzung seit mindesten 2 -3 Millionen Jahren ( seit Einführung des aufrechten Gangs ) nicht nachhaltig behindert.

  4. Zustimmung hierzu :

    Es gehört geradezu zum guten Ton, ein „Trauma“ zu haben und daran zu arbeiten. Dass hier in den allermeisten Fällen von echten Traumata keine Rede sein kann, sollte allen klar sein. Vielmehr handelt sich wohl um ein weiteres Symptom der Wohlstandsverwahrlosung, die meiner sonst so woken und achtsamen Generation vorgeworfen wird. [Artikeltext]

    Der Schreiber dieser Zeilen kannte noch viele durch den Zweiten Weltkrieg (oder seinen Folgen, Vertreibung und so) auch psychisch Geschädigte, wie auch körperlich Geschädigte.
    Mit sog, Traumata kann ausgekommen werden, Kriegsgeschädigte konnten oft, hatten damit auszukommen, hier hilft auch die schlichte Verdrängung (der Schreiber dieser Zeilen folgt Freud oft nicht en détail), Dr. W mag abär das Vergessen von einstmals sehr unschönem Geschehenen.

    Dies kann trainiert werden, Dr. W hat selbst so einige (persönliche) Experimente sozusagen versucht, es gelingt so, dass genau in dem Moment, in dem sich ertappt wird an geschehenes Ungutes zu denken, “weggedacht” wird, geschieht dies häufig, verschwindet der Gedanke sozusagen aus dem Hirn (kann aber auch nach Jahrzehnten, abgemildert, wieder auftauchen) sukzessive.

    Es gibt viele Amygdala-Theorien, einige sind auch böse und meinen, dass Menschen genau so auch (z.B. politisch) gesteuert werden können.

    Mit freundlichen Grüßen und schöne 21 noch
    Dr. Webbaer

    PS:
    Huch, V2 kommt, da gab es wohl ein Problem mit der Auszeichnung von Text, V1 gerne ignorieren, danke!

  5. gegen PTBS gibt es gute Therapien – dabei macht man sich zu Nutze, dass Erlebnisse immer aus einem Kontext von Fachwissen, Körper-Reaktion, Sinnes-Reaktion, Immunsystem-Reaktion und Emotionen bestehen.
    Wenn man an einem dieser Teilbereiche ansetzt, kann man dadurch Erinnerungen so verändern, dass der ursprüngliche Bedrohungseffekt verschwindet.

    (off topic
    DOI: 10/1073/pnas.2114377119 Selective memory retrieval can revive forgotten memories Diese Arbeit zeigt, wie man sich zu Nutze machen kann, dass Teilinformationen auf eine Gesamtinformation rückwirken)

  6. MH
    “Die Evolution scheint da einen Fehler begangen zu haben.”
    Das scheint mir eine übertriebene Formulierung. Aus Fehlern lernen ist überlebenswichtig. Wer einmal eine Pilzvergiftung gehabt hat, der meidet in Zukunft Pilze. Oder eine Fischvergiftung, das vergisst man nie. Und das sind nützliche Traumata.

  7. “Der Begriff Dissoziation bezeichnet das (teilweise bis vollständige) Auseinanderfallen von psychischen Funktionen, die normalerweise zusammenhängen.” Wikipedia

    Unsere “individualbewusst”-konfusionierte (Welt)Gemeinschaft, die durch Bewusstseinsbetäubung von/zu wettbewerbsbedingter Symptomatik nie wirklich einen wahrhaftigen Zusammenhalt gestalten konnte, erlebt dies gerade wieder zunehmend, aber fast alle schreien im “Tanz um den heißen Brei” (Schuld- und Sündenbocksuche) geradezu nach “Normalität”/Bewusstseinsbetäubung, anstatt endlich geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein in wirklich-wahrhaftiger Vernunft und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln, indem die Instinkt Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und egozentriertem “Individualbewusstsein” vom Druck der wettbewerbsbedingten Symptomatik befreit wird – Mensch bedeutet ALLE, seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (“Vertreibung aus dem Paradies”), von/zu einem Gemeinschaftseigentum “wie im Himmel all so auf Erden”, OHNE Irrationalität des wettbewerbsbedingten Daseins.

    “Als Mensch anfing seine Toten zu bestatten, wurde Mensch zum Mensch.” (unbekannter Anthropologe)

    Als Mensch aber anfing auch daraus ein GESCHÄFT zu machen, war alles für’n Arsch, bzw. war der geistige Stillstand im zeitgeistlich-reformistischen Wettbewerb MANIFESTIERT. hto

    @Holzherr: “Erstaunt bin ich …”

    Hätte die Schöpfung unseres holographischen Universums eine nicht lernfähige “KI” programmiert, dann wärst Du sicher nicht fähig erstaunt zu sein!?

  8. Hallo Herr Holzherr.
    Ja, die Frage ist, welche evolutionären Vorteile die Posttraumatischen Belastungsstörungen haben könnten.
    Oder welche evolutionären Vorteile ein Gesamtsystem mit solchen Eigenschaften haben könnte.

  9. Zu M. Holzherr
    “Trauma und Halbtote…”
    Für mich sind diese “Halbtoten” eher diese kognitiven Psychologen die selbst nicht erfahren haben wie ein Trauma entsteht und wirkt denn es ist das Gegenteil von halbtot. Schon in der menschlichen Frühzeit nannte man solche die leicht Erregbaren (auf Deutsch: die Schamanen) die wohl auf Grund eigener Traumata sich in die Psyche anderer leichter versetzen konnten, was einleuchtend ist da Hocherregbare wesentlich sensibler sind als die Norm. Diese Sensibilität ,die ich auch oft bei Künstlern finde, kann für mich ein Zeichen von Traumata sein. Letztere erkennen sie u.a. auch in der Meditation ,also in ihrem Körper der diese scheinbar unerklärlichen Spannungen
    festhält bzw. in Phobien die aus den Dissoziationen entspringen. Dissoziationen
    betrachte ich als Abspaltung der Angst im traumatischen Geschehen . Diese führen dann ein Eigenleben, ohne das der Verstand sie erkennt. So gesehen wissen viele bewusst nicht um die Existenz ihres Traumas ,was der Körper allerdings nie vergießt und bei entsprechender Betrachtung offenbaren kann.

    • Hochsensibilität wie sie bei Künstlern zu finden sein mag ist ein eigenes Konstrukt und hat wenig mit Traumata zu tun.

      Traumata können aber eine Sensibilität für jene Bereiche entwickeln, die mit dem trauma verbunden werden; dieser Prozess ist vererbbar.

  10. PTBS lässt Betroffene schneller altern
    Gemäss dem Spektrum der Wissenschaft 6.22 Artikel WAS UNS ALTERN LÄSST gilt folgendes:

    Wenn verstörende Kindheitserlebnisse zu Traumata und einer Posttraumatischen Belastungsstörug DTBS) führen, kann sich das später in Form von verfrühten AIterserscheinungen bemerkbar machen.

    Die Psychologin Erika Wolf von der Boston University hat US-Militärveteranen untersucht, die Anfang 30 waren und im Irak beziehungsweise in Afghanistan gedient hatten. ihnen stellte die Psychologin vermehrt das so genannte Metatabolische Syndrom fest. Zu dessen Symptomen gehören Fettleibigkeit und Bluthochdruck, die wiederum das Risiko von Diabetes, Herzproblemen und Alzheimerdemenz erhöhen. Andere Studien haben bei Veteranen, die an PTB erkrankt waren, ein gehäuftes Vorkommen des metabolischen Syndroms, früh einsetzende Alzheimer-Erscheinungen und weitere Formen der Demenz festgestellt.

    Wolf und ihr Team nahmen bei jungen Veteranen zudem epigenetische Analysen vor. Dabei zeigte sich: Jene, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung litten, waren epigenetisch überdurchschnittlich stark gealtert. Das sonders für Personen mit pathologisch erhöhter Wachsamkeit, gesteigerter Aggressionsneigung und schlechterem Schlaf. Veteranen mit PTBS, bei denen sich Anzeichen einer beschleunigten Alterung zeigten, schnitten in kognitiven Tests schlechter ab und wiesen strukturelle Schäden in den Hirnbereichen auf, die für so genannte exekutive Funktionen wie Handlungsplanung verantwortlich sind.

  11. PTBS in der Literatur: Murakamis Buch „Naokos Lächeln“
    Das 1987 erschiene Buch Haruki Murakami‘s NAOKOS LÄCHELN (nur eine Liebesgeschichte) hat als Ausgangssituation eine Posttraumatische Belastungsstörung, die das Leben der beiden Hauptakteure Toru und der wunderschönen Naoko überschattet. Und so begann es: Naoko war zur Gymnasialzeit die Freundin des besten Freundes von Toru, nämlich Kizuki. Naoko und Kizuki waren seit ihrer Kindheit zusammen und verbrachten jede freie Minute miteinander. Toru wurde von den beiden aufgenommen und Kizuki spielte den warmherzigen und klugen Gastgeber, der beide mit seiner Aufmerksamkeit und seinen Witzen unterhielt und beiden seine Wertschätzung zeigte und beiden das Gefühl gab wertvolle und interessante Menschen zu sein. Das einzige, was auffiel an Kizuki war, dass er eigentlich kein geselliger Mensch war und mit niemandem anderen verkehrte als mit Naoko und Toru. Und dann beging Kizuki ohne erkenntlichen Grund Selbstmord. Und dieser Selbstmord veränderte das Leben von Naoko und Toru für immer – oder mindestens für sehr lange Zeit. Naoko und Toru sahen sich gegenseitig nicht mehr. Beide aber zogen – ohne voneinander zu wissen – von Kobe nach Tokio um dort zu studieren und beide aus dem gleichen Grund: sie wollten alles vergessen was mit ihrer Zeit zusammen mit Kizuki zu tun hatte. Für Toru wird das so beschrieben:

    Die zehn Monate zwischen Kizukis Tod und meinem Schulabschluss verbrachte ich orientierungslos und meiner Umgebung entfremdet. Ich freundete mich mit einem Mädchen an, schlief auch mit ihr, doch letztlich dauerte die Geschichte nicht mehr als ein halbes Jahr. Mich berührte nichts mehr.

    Später liest man noch zu Toru:

    Mitten in meinem jungen Leben drehte sich alles um den Tod.

    Dann in Tokio treffen sich Naoko und Toru irgendwann zufällig. Und Naoko geht es noch schlechter als Toru. Sie kann über nichts Wichtiges reden. Zitat:

    Wir sprachen über das, was uns so einfiel, unseren Alltag, die Uni – willkürliche Gesprächsfetzen eben. Die Vergangenheit erwähnten wir mit keinem Wort.

    Naoko war früher eine Läuferin gewesen und jetzt laufen beide zusammen wort- und ziellos stundenlang durch Tokio. Irgendwann fragt Naoko Toru dann doch, ob er einmal eine Freundin gehabt habe und dazu liest man folgendes:

    Ich erzählte ihr von dem Mädchen, das ich in Kobe zurückgelassen hatte. Sie sei ein nettes Mädchen gewesen, das mir eigentlich auch fehle. Es habe mir gefallen mit ihr zu schlafen, aber irgendwie habe sie nichts in mir berührt, sagte ich. Anscheinend bestünde eine Verhärtung in meinem Herzen, die nur schwer zu durchdringen sei. Möglicherweise sei ich gar nicht fähig, wirklich zu lieben.

    Jedes Wochenende wiederholen sich die Stadtläufe immer mit Toru hinter Naoko.
    Dann am 20. Geburtstag Naokos passiert es: Plötzlich redet Naoko stundenlang, aber in einer ausweichenden, gewundenen Art und erzählt die langweiligsten Dinge mit unglaublicher Ausführlichkeit. Als Toru sie schliesslich unterbricht bricht Naoko plötzlich in Tränen aus und hört nicht mehr auf zu weinen. Am nächsten Tag ist Naoko weg und später erfährt Toru, dass Naoko nun in einem Sanatorium ist, einem Ort (Zitat) an dem sich meine Nerven erholen können

    Etwas lässt sich jedenfalls sagen: Naokos Lächeln muss besonders gewesen sein, denn sie lächelte praktisch nie.

  12. MH
    Die Alltagsdroge gegen Traumata ist der Alkohol .
    Danach haben große Teile der Bevölkerung Traumata.
    Und ob die jetzt an den folgen des Traumas früher sterben oder an den folgen des Alkoholgenusses sollte mal geklärt werden.

  13. Zu Sven Göttling
    Eine Posttraumatische Störung ist in der Regel immer !!! mit mit einem erhöhten Erregungszustand verbunden da die Ursache des Traumas nicht gelöst ist. Solange dieser Zustand dauert, manchmal ein Leben lang, befindet sich das Individium in dieser Erregungsphase und wird aus dieser heraus die Reize bewerten, was dann Teil seiner (ängstlichen )Persönlichkeit wird, also eine erhöhte Sensibilität mit Folge wie ADHS etc…

  14. Bonuskommentar hierzu, Dr. W hat sich mehrfach in lebensgefährlichen Situationen befunden (nicht abär als Soldat, der auch mal war) :

    In Extremsituationen kommt es nun zu einer Unterbrechung dieser Kommunikation, auch Dissoziation [diese Auszeichnung, Artikeltext, ist so ausgezeichnet fett übernommen worden] genannt. Um die Reaktionszeit zu beschleunigen, schüttet die Amygdala Stresshormone aus, ohne eine Interpretation und Bestätigung der Gefahr durch das Großhirn abzuwarten. Während man diese Funktion auf der Flucht vor Säbelzahntigern sicherlich nicht missen will, führt sie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu unverhältnismäßigen körperlichen Stressreaktionen, die vom Betroffenen nicht bewusst beeinflusst werden können. [Artikeltext]

    Anders bei Obermaschinist Johann, Dr. Webbaer bezieht sich hier auf den populären Film “Das Boot”, vergleiche :

    -> https://www.youtube.com/watch?v=II9_fpbGaoI

    Denkbarerweise sind ‘Säbelzahntiger’ auch einstmals gejagt worden, denkbarerweise sind so auch Mammuth und so entschwunden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  15. drveb
    Stressreaktionen formen unser Gesicht. Man kann in den Falten lesen, genau so wie es eine Wahrsagerin bei den Handlinien macht.
    Hand aufs Herz, wollen wir darauf verzichten ?

  16. Zu Dr. Webbaer
    “Säbelzahntiger…”
    Heute gibt es ja viel gefährlichere Raubtiere -Ich denke da an den Menschen.
    Viele Ursachen von Traumata -eigentlich alle – sind Gewalt ! Und der Mensch ist darin ein Meister der Doppelmoral. Denken sie an Gewalt in de Ehe (jede Dritte) , an Gewalt gegen Kinder (beinahe jedes zweite Kind ), an Gewalt (Mobbing) im Beruf bzw. in der Gesellschaft (Kriminalität, Verrohung) dann ist der Säbelzahntiger dagegen harmlos aber das System im Kopf , was dadurch “traumatisiert” wurde, funktioniert weiter im Zwischenhirn.

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