Chariklo und ihre Ringe – was man aus Sternbedeckungen lernen kann
BLOG: Astronomers do it at Night
Eigentlich findet man tagtäglich Neuigkeiten aus Astronomie und Astrophysik in den Schlagzeilen, aber einige Meldungen erregen mehr Aufsehen als andere. Die Ankündigung einer Pressekonferenz heute Abend, auf der brasilianische Astronomen eine unerwartete Entdeckung in den Außenbereichen unseres Sonnensystems bekanntgegeben haben, führte zu wilden Spekulationen, die bis hin zu einem bislang unentdeckten massearmen Begleitstern unserer Sonne reichten.
Gerüchte über das, worum es eigentlich gehen sollte, gab es allerdings auch, denn je mehr Spannung im Vorwege aufgebaut wird, desto schwieriger ist es mit der Geheimhaltung. Und so hat – über einen der Beteiligten und/oder über die im Vorwege informierten Journalisten – die Story bereits am Vortag ihren Weg in die sozialen Netzwerke und kurzzeitig sogar bis in die englische Wikipedia geschafft.
Worum geht es? Der knapp 250 km große Asteroid (10199) Chariklo – ein Zentaur, dessen Umlaufbahn sich zwischen denen der Planeten Jupiter und Neptun befindet und damit viel weiter draußen liegt als die der typischen Hauptgürtelasteroiden – ist offenbar von zwei Ringen umgeben.
Und woher weiß man das? Am 3. Juni 2013 führte Chariklos Umlaufbahn um die Sonne den Asteroiden genau in die Sehlinie zu dem knapp 12 mag “hellen” Stern UCAC4 248-108672, zumindest von Teilen Südamerikas aus gesehen. Das Ergebnis ist eine Sternbedeckung, bei der nochmal deutlich lichtschwächere Asteroid den Stern verdunkelt – eine Finsternis sozusagen. Von wo genau auf der Erde ein solches Ereignis beobachtet werden kann, läßt sich zwar vorhersagen, allerdings nur mit einer gewissen Unsicherheit, die davon abhängt, wie genau die Bahndaten des Asteroiden bekannt sind.
Beobachtungen solcher Sternbedeckungen durch die Kleinkörper unseres Sonnensystems helfen uns also zum einen, die Bahnparameter dieser Objekte genau festzunageln, zum anderen lassen sich anhand der Messungen aber auch die Größe und die Form des Asteroiden rekonstruieren, denn beides hat einen direkten Einfluß darauf, wie lange die Verfinsterung des Sterns für einen Beobachter an seinem jeweiligen Standort dauert.
Da diese Methode (abgesehen von der Spektroskopie, mit der man aber nur andere Dinge wie die chemische Zusammensetzung, nicht aber Größe und Form ermitteln kann) so ziemlich die einzige Möglichkeit ist, mehr über so weit entfernte Objekte wie Chariklo zu erfahren – für eine direkte Abbildung sind sie viel zu klein – greift man gern darauf zurück. Und weil hierbei keine großen Teleskope gefragt sind sondern möglichst viele Beobachter, die das Ereignis von unterschiedlichen Standorten auf der Erde aus verfolgen, können Amateurastronomen auf diesem Gebiet wichtige Beiträge leisten.
Weil Zentauren relativ selten sind und eine Mittelstellung zwischen Kometen und Asteroiden einnehmen, versprach man sich von der Chariklo-Bedeckung weitere Informationen über das größte derzeit bekannte Objekt dieser Klasse. Was die Messungen dann ergeben haben, haben die Wissenschaftler, die die Beobachtungskampagne initiiert haben, dann allerdings doch nicht erwartet: Zusätzlich zu der eigentlichen Verfinsterung gab es weitere Einbrüche in der Helligkeit des Sterns vor und nach der eigentlichen Bedeckung.
Lichtkurve der Bedeckung des Sterns UCAC4 248-108672 durch den Zentauren (10199) Chariklo, aufgenommen mit dem dänischen 1.5m-Teleskop auf La Silla. Deutlich zu erkennen sind die beiden zusätzlichen Verfinsterungen vor und nach der eigentlichen Bedeckung, die wiederum eine Doppelstruktur haben und durch zwei scharf abgegrenzte Ringe verursacht werden, die den Asteroiden umgeben. Abbildung auf dem Fachartikel von Felipe Braga-Ribas in der Zeitschrift Nature.
Die genauesten Messungen sind dabei dem dänischen 1,5m-Teleskop auf La Silla gelungen, das mit besonders hoher Zeitauflösung beobachten konnte. Die zusätzlichen Verfinsterungen waren wiederum zweigeteilt und ließen sich anhand der Daten der anderen beteiligten Sternwarten zu einem etwa 20 km breiten Ringsystem um den Asteroiden rekonstruieren – eine einmalige Entdeckung, denn bisher kennt man Ringe nur um die großen Gasriesen in unserem Sonnensystem. Ihre Existenz deutet in jedem Fall darauf hin, daß Chariklo außerdem auch noch Monde hat, die das Ringsystem zusammenhalten, ähnlich wie die schafhütenden Monde des Saturn, denn sonst würden sich die Ringe, die vermutlich aus den Trümmern einer Kollision entstanden sind, schnell auflösen.
Natürlich haben die Messungen jede Menge Fragen aufgeworfen, wie zum Beispiel ob Chariklos Ringsystem auch als Musterbeispiel für die Entstehung neuer Monde herhalten könnte, die sich dann wiederum aus der Trümmerwolke bilden. Die zu beantworten, dürfte allerdings nicht leicht werden.. Eines steht jedenfalls fest: Die ferne Welt Chariklo reiht sich damit in die Liste der spannenden Himmelsobjekte ein.
Zum Nachlesen: „A ring system detected around the Centaur (10199) Chariklo” von Felipe Braga-Ribas et al. in der Fachzeitschrift Nature
Das ist in der Tat sine sehr interessante Sache. Die Messungen scheinen ja wirklich eine klare Sprache zu sprechen. Eine andere Interpretation fiele mir da auch nicht ein. Das verlinkte Paper ist wirklich lesenswert. Da wird auch auf die Genese und das mögliche Alter der Ringe eingegangen.
“Eigentlich findet man tagtäglich Neuigkeiten aus Astronomie und Astrophysik in den Schlagzeilen”. Schlagzeilen wie die: NASA Supported Research Helps Redefine Solar System’s Edge wo man über die Entdeckung eines Zwergplaneten ( an object in orbit around the sun that is large enough to have its own gravity pull itself into a spherical, or nearly round, shape) liest:
With the discovery of 2012 VP113, Sedna is not unique, and 2012 VP113 is likely the second known member of the hypothesized inner Oort cloud. The outer Oort cloud is the likely origin of some comets……
“Some of these inner Oort cloud objects could rival the size of Mars or even Earth,” said Sheppard. This is because many of the inner Oort cloud objects are so distant that even very large ones would be too faint to detect with current technology.”
Hier zu Anschauung eine dreidimensionale Darstellung der Bahn von 10199 Chariklo im Sonnensystem. Allein schon diese Bahn ist interessant. Stark geneigt, schwach exzentrisch und wie man sieht, komplett innerhalb des Bereichs zwischen den Bahnen von Uranus und Saturn. Da schwer zu vesrstehen ist, wie diese Bahn angesichts der jetzigen Bahnen der Planeten im äußeren Sonnensystem zustandegekommen sein sollte, weist diese Bahn nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten darauf hion, dass 10199 Chariklo schon sehr lange in dieser Bahn gewesen sein muss. Seit der Zweit, als Uranus (und Neptun) noch dichter an der Sonne waren. Inzwischen sind diese beiden nach außen migriert und Chariklo ist dadurch isoliert worden.
So gesehen ist die Bahn von Chariklo auch ein Indiz für die Richtigkeit des Nice Models.
Sternbedeckungen sind ein lehrreiches Phänomen – schon immer gewesen: zuerst lernte man daraus in der Antike, dass der Mond näher ist als die Planeten. Kopernikus lernte aus solchen Planet-Mond-Bedeckungen, dass die Berechnungen des ptolemäischen Systems nicht mehr stimmen. Hipparchus (150 v.Chr) und Ptolemaios (150 n.Chr) hatte damit Beobachtungen, die genau genug waren, die Präzession zu bestimmen (noch nicht ganz die korrekte Zahl, aber eine Abschätzung). und viel später – im 20. Jh. n.Chr – fand man durch Sternbedecungen das RINGSYSTEM des URANUS.
Davon mal abgesehen natürlihch durch streifende Sternbedeckungen das Profil des Mondrandes, Vermessungen der Höhe der Mondberge am Rand und zwar vor der Raumfahrt und auch nach den ersten Apollo-Missionen, weil ja damals noch nciht andauernd irgendein Erkundungssatellit um den Erdtrabanten sauste … irdische Beobachtungen waren für solche Sachen also immer noch unverzichtbar.
Ergänzung zum Loblied auf Okkultationsbeobachtungen: Olaf Roemer überprüfte den Fahrplan Cassinis für die Verfinsterung der 4. Jupitermonde und fand Abweichungen, die er mit einer endlichen Lichtgeschwindigkeit erklärte. Er fand das Licht brauche 22 Minuten um den Erdbahndurchmesser zu durchqueren, was ein Fehler von etwa 30% gegenüber dem richtigen Wert von 17 Minuten ist.
Die Bedeckung der Jupitermonde durch den Jupiter erlaubte es also die Lichtgeschwindigkeit zu berechnen – und das 1676. Durch eine Beobachtung und Überlegung, die so überzeugend war, dass auch Newton, Halley und Huygens zustimmten. Huygens rechnete dann den Erdbahnradius aufgrund von Parallaxbeobachtungen aus und kam auf eine Lichtgeschwindigkeit von 212.000 km/s.
Okkultationen, aber auch Transite bringen die Astronomie in der Tat weiter.
Dazu und zum 1. April passt folgende Meldung: