Stellarium im Großplanetarium 2 (Jena 2023)

Wie bereits erwähnt, lässt sich die Software Stellarium auch im Großplanetarium nutzen. Der Clou war bei der Vorführung in Jena am 1. November, dass wir auch Zugriff auf einige 3D-Modelle der Archäologie hatten: Die Arbeit von Herrn Zotti am Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie hat er den Sternhimmel von Stellarium mit interaktiven 3D-Modellen kombiniert, so dass man virtuell durch den Steinkreis von Stonehenge oder den Tempel im ägyptischen Karnak laufen kann und dabei anschauen, welche Gestirne neben den Steinen auf- oder untergehen. Da dies für die Archäologie eine Vermessungs- bzw. Analysemethode ist, sind diese Darstellungen auch fachlich korrekt und akkurat (und nicht nur symbolisch wie in früheren Projektionsplanetarien). 

Im Zeiss-Großplanetarium Jena erstrahlte auf der Leinwand der wunderschöne Stellarium-Dämmerungshimmel zusammen mit den Steinkreisen von Stonehenge (c) 2017 LBI ArchPro (Wien).

Zwar ist sich die kulturastronomische Forschung heute einig, dass Stonehenge keine Sternwarte oder Sonnenwarte war, dass damit keine Finsternisse berechnet wurden und dass die Anlange wahrscheinlich auch gar nichts mit Astronomie zu tun hatte (sondern eine Art Kultstätte war), aber das hält ja nicht zahllose Menschen an den Sonnenwenden davon ab, zu dem Heiligtum zu pilgern und dort ein rollenspielartiges Spektakel mit Druiden und anderen Wunder-Meistern abzuhalten. Wir müssen die Frage daher ähnlich wie den Stern von Bethlehem hin und wieder in öffentlichen Vorträgen diskutieren. 

Lassen wir Crux empor steigen

Nur wenige Jahrhunderte jünger als die Steinsetzungen in Südengland ist der Tempel von Karnak in Ägypten. Er datiert ins ausgehende dritte Jahrtausend BCE und ist ebenfalls Gegenstand von Forschungen zur astronomischen Orientierung. Lichtspiele, dass die Sonne in bestimmten Sichtachsen zwischen Toren oder Tempelwänden auf- oder untergeht, sind immer recht attraktiv – egal, ob die Gebäude mit diesen astronomischen Visuren absichtlich gebaut wurden oder nicht, das Lichtspiel an sich ist ein Spektakel.

Ägyptische Sternbilder aus dieser Zeit sind uns nicht bekannt. Erhalten sind nur so genannte “Sternuhren” (eigentlich eher: Kalender) in den Deckeln von manchen Särgen zu dieser Zeit. Diese Schemata wurden natürlich nur von der Mumie im Sarg gesehen und sind daher eher “Abbildungen von Sternkalendern” als wirkliche Kalender. Sie überliefern also nur die Information, dass es zu dieser Zeit in Ägypten astronomische Datumsbestimmungen gab und nicht die exakten Geräten, mit denen das gemacht wurde.

Ägyptische Diagonalsternuhr im Sargdeckel (gemalt von Bettina Hoffmann)

Als berühmtestes Abbild einer “ägyptischen” Sternkarte kennt man landläufig den sog. “Tierkreis von Dendera”, den die Expedition von Napoleon nach Paris brachte, wo er im Musée du Louvre gezeigt wird. Diese runde Sternkarte ist tatsächlich eine recht genaue Sternkarte, aber – obwohl sie im ägyptischen Zeichenstil gemalt ist – sie zeigt nur wenige originale ägyptische Sternbilder. Original ägyptisch sind die Dekan-Gottheiten, die die Sternbilder-Karte säumen, aber das Sternbilder-Set an sich ist überwiegend nicht ägyptisch, sondern babylonisch oder griechisch und in ägyptisierter Darstellung. Im Planetarium können wir natürlich einen (völlig anachronistischen) Zeitsprung machen und die Sternbilder von Dendera, die in römische Zeit datieren, über dem Tempel von Karnak (2000 Jahre früher) darstellen. 

3D-Modell und Implementierung des Karnak-Tempels: Georg Zotti, Identifizierung und Implementierung der Dendera-Sternbilder auf der Sternkarte: Susanne M Hoffmann (Foto im Planetarium Jena: Fabien Chéreau)

Napoleon Bonaparte war aber nicht nur in Ägypten, sondern auch in Jena. Nicht nur gibt es in dieser Gegend zahlreiche Gedenksteine an diverse Schlachten, sondern die berühmte (zufällig gleichzeitigen) Doppelschlacht von Jena und Auerstedt, bei der er über die preußische Armee siegte, wurde auch in einer eigenen Planetariumsshow von Planetarium Jena verarbeitet.  

Blick über Jena und Napoleonstein (Fotos: Fabien Chéreau). Auf dem Bild links sieht man mittig das ehemalige Zeisswerk aus der Zeit 1923, auf dessen Dach sich noch immer eine kleine Kuppel befindet: die ehemalige Testkuppel für Zeiss-Teleskope. Das prototypische, provisorische Planetarium stand 1923 quasi daneben auf dem gleichen Dach. Heute ist der Gebäudekomplex, der auch das erste Hochhaus Deutschlands enthält, von einem Einkaufszentrum und der Universität Jena bewohnt.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

Schreibe einen Kommentar