Beteigeuze-Verschmutzung und saubere Erdluft

Der März war relativ wolkig, erst letzte Woche konnte ich auf Balkonien wieder ein Foto ergattern. Orion neigt sich jetzt schon sehr deutlich nach Westen am Abend. 

Letzte Woche erwischte ich ihn in “Wolke 7” 😉 im Ernst: ein hübsches Stimmungsbild mit ein paar Schleierwolken und einem “Regenbogen”. Heute Abend ist es überraschend klar: ich habe den Eindruck, den Himmel selten so klar gesehen zu haben. Was man jedenfalls klar sieht, ist die Helligkeitszunahme von Beteigeuze. 

Orion im März 2020

Die Staubwolke, die sich vor den greisenhaften Riesenstern in Orions Schulter geschoben hatte, ist also inzwischen wieder vergangen bzw. steht woanders. Dass so ein Riesenstern wie Beteigeuze ständig Staub ausstößt und das war ja auch bereits vor Jahren von Infrarot-Astronomen abgebildet worden. 

Den ganzen Winter über hatte uns die lädierte Schulter des himmlischen Heroen in Atem gehalten, denn um Weihnachten hatte die bunte Presse bereits spekuliert, ob dieser Greisenstern nun bald als Supernova explodieren würde (ich hatte darüber berichtet). Das würde sich aber unwahrscheinlich ankündigen und schon gar nicht durch Verdunklung. 

Seit Anfang/Mitte Februar wird Beteigeuze nun wieder heller, was bereits das Astronomer’s Telegram am 22.02. 2020 berichtet wurde. Bereits eine Woche zuvor (~15.2.) war ein neues spektakuläres Oberflächenbild von Beteigeuze von der ESO veröffentlicht worden, das im Dezember aufgenommen worden war: https://scilogs.spektrum.de/uhura-uraniae/beteigeuze-2/  (es braucht halt einen Moment bis Daten prozessiert sind). Im Vergleich mit früheren Aufnahmen der Oberfläche des Riesensterns ist darauf deutlich eine Verdunklung (Abschattung) der unteren Hälfte erkennbar. Die Opazität des umgebenden Mediums ist deutlich herabgesetzt, wobei noch nicht ganz klar war, ob der Staub schon vorher da war und sich gerade vor den Stern bewegt hatte oder der alte Stern einfach mal heftig geniest hatte (also eine gewaltige Staubwolke in unsere Sichtrichtung ausgestoßen hatte). 

Lichtkurve der American Association for Variable Star Observers (AAVSO),
link.
Während Orion im Westen untergeht, steigt der andere Hirte, Bootes, im Osten auf. Er bringt den Wächterstern “Arkturos” mit
und auch das Sternbild der Saison mit: Corona Borealis, völlig ungefährlich, wunderschön und mit dem babylonischen Namen “Gestirn der Würde” auch genau das, was wir jetzt gerade zu bedenken angehalten sind: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Wie klar ist der Himmel?

Mein Eindruck heute Abend ist, dass der Himmel außergewöhnlich sauber ist. Sollte es tatsächlich so schnell schon sichtbar sein, dass die Lufthansa ihre Aktivitäten auf 5% herunter gefahren hat??? Es kann natürlich auch an der Inversionswetterlage oder am Jetstream liegen, für die das in dieser Jahreszeit typisch sind. Allerdings erzählte man mir letztes Jahr, dass wohl nach 9/11 in den USA so ein Effekt der Himmelsaufklarung aufgrund weniger Luftverkehr beobachtet worden war. Das gibt mir zu denken: wie schnell macht sich das visuell bemerkbar?

Liebe Sterngucker, schreiben Sie doch bitte mal in die Kommentare, ob das nur mein Eindruck ist oder wie tatsächlich gerade eine ungewöhnlich gute Durchsicht haben! 

[Bedenken Sie aber bitte, dass ich Kommentare erst aktiv freischalten muss, d.h. sie werden nicht sofort öffentlich sichtbar.]

Die Nachrichten sind ja andererseits voll von positiven Umwelt- und Klimameldungen: In Venedigs Kanälen wird von außergewöhnlich klarem Wasser berichtet (Welt, BR24) und die Raumfahrtagenturen beobachten weniger Stickoxide in der Luft (MDR über China, Scinexx über Italien). 

Sehen Sie das auch? 
Können wir Menschen das visuell erkennen? 

Ich weise nochmals auf die Alpha-Version der Handy App eines meiner (ehemaligen) Studenten: Hier download. Wir wollten die Software eigentlich für Untersuchungen des Sehvermögens von Menschen beim Beobachten in der Dämmerung einsetzen, aber vllt ist es auch für andere Zwecke einsetzen, nämlich die Luftverschmutzung zu evaluieren?! 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

8 Kommentare

  1. Man darf doch gar nicht raus zum Gucken 😉
    Mir fällt morgens gegen 7 Uhr derzeit ein strahlend blauer Himmel auf.
    Liegt es am Wetter, oder auch die bodennahen Emittenten sind weniger.
    Vielleicht ist es auch nur eine getriggerte Erwartungshaltung.
    Gerade sind die Sterne punktscharf bis in Horizontnähe ohne Unruhe.

    • doch, man darf raus: allein, mit HandyApp oder Teleskop – nur nicht mit anderen Menschen 😉 also eigentlich so wie immer für Astronom(inn)en 😉

      Woran es liegt und ob der Effekt überhaupt real ist (oder nur Erwartungshaltung) will ich ja gerade herausfinden.

  2. Bei über 10.000 Flugbewegungen nur am Himmel über Deutschland, verwundert es mich nicht, wenn man es mit den eigenen Sinnen wahrnehmen kann.

    Gruß
    Tim

  3. Wenn die Wahrnehmung zuerst ist und die intellektuelle Verarbeitung hinterher kommt, dann hat es nichts mit Erwartungshaltung zu tun. Auch mir (Stadtrand) ist das zur Zeit extrem schöne und klare Blau des Himmels aufgefallen.

    • … es lag aber wohl eher am Wetter, nicht an der Luftverschmutzung.
      Der Taupunkt hat’s gemacht, wir hatten sehr trockene Luft.

      • Ich lebe weit “oben” im Nordosten, schaue faktisch direkt auf den Himmel über der Ostsee. Wir hatten zuletzt viel Luftströmung aus Ost bzw Nordost. Dann haben wir hier eigentlich immer sehr klare Luft, einen (noch) weiteren Blick und einen prachtvollen Sternenhimmel .

  4. Mir ist aufgefallen, dass nicht nur der Sternenhimmel besonders klar und deutlich ist, sondern auch tagsüber tiefblau und klar. Die Luft ist besser und ich denke nicht, dass es an einer Erwartungshaltung luegt, sondern reele Wahrnehmung ist. Ich wohne sehr ländlich und mir fällt auf, dass diese Dunstglocke weg ist. Man sieht weiter und klarer.

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