Beteigeuze

Es gibt eine neue Aufnahme von Beteigeuze! Erst jetzt komme ich dazu, was ich schon letzte Woche schreiben wollte: An der ESO, der Europäischen Südsternwarte in Chile, beobachtete der belgische Astronom Miguel Montargèes von der KU Leuven den Stern. 

Montargèes et al., ESO, 2020

Mit einem Instrument, das eigentlich für die Forschung zu Exoplaneten gedacht ist, nämlich dem SPHERE (Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet REsearch instrument), wurde zufällig letztes Jahr im Januar ein Bild von Beteigeuze aufgenommen. Das war bekanntlich vor dem Helligkeitseinbruch und da sieht der Stern groß, rötlich (orange) und einigermaßen rund aus.
Ein neues Bild, das im Dezember 2019 aufgenommen und letzte Woche veröffentlicht wurde, zeigt nun im Vergleich eine starke Deformation und Oberflächenvariation

This comparison image shows the star Betelgeuse before and after its unprecedented dimming. The observations, taken with the SPHERE instrument on ESO’s Very Large Telescope in January and December 2019, show how much the star has faded and how its apparent shape has changed.
SOURCE: ESO
HIER DIESES BILD ALS ANIMATION

Auch nichtastronomische Medien berichten über dieses aufregende neue Bild, z.B. der MDR oder Der Standard.

Man sieht, dass die untere Hälfte des Sterns jetzt dunkler erscheint. Sie scheint durch irgendwas verdeckt zu sein. Da Beteigeuze von einer großen Menge Staub umgeben ist, ist es gut möglich, dass wohl von diesem etwas den Stern teilweise verdeckt. Beteigeuze pulsiert sehr heftig (Radiusvariation zwischen 950 und 1200 Sonnenradien – sie ist also im Normalzustand stets etwa so groß wie im Sonnensystem die Jupiterbahn) und das bringt starken Massenauswurf mit sich. Das bereits ausgeworfene Material um den Stern hat ein Vielfaches der Ausdehnung des riesigen Sterns selbst (bis NeptunBAHNradius entfernt) – auch das wurde bereits bei der ESO fotografiert und zwar von dem französischen Astronomen Pierre Kervella vom Observatoire de Paris:

BILDQUELLE: ESO Dieses Bild wurde mit dem VISIR Instrument im Infraroten aufgenommen und ins Sichtbare (orange) übersetzt. Das oben gezeigte Bild von Beteigeuze vom SPHERE Instrument ist der kleine Punkt in der Mitte (dieses Pünktchen hat etwa JupiterBAHNdurchmesser). Die orange-rot eingefärbten Massenauswürfe des Stern dehnen sich also schon lange weit ins All aus.
Original-Pressemitteilung vom Juni 2011

Man kann sich nun leicht ausmalen, dass es solche Massenauswürfe nicht nur “neben” dem Stern gibt, sondern auch in unserer Sichtachse und der Massenauswurf von Roten Riesensternen geschieht pausenlos – allerdings wahrscheinlich nicht gleichmäßig. 

In dem ESO-Report heißt es daher in einem Zitat des Astronomen von der KU Leuven, dass die man sich zwei Szenarien vorstellen kann (vllt auch eine Kombination aus den beiden), wieso der Stern dimmt:

1) Es kann sein, dass die Oberfläche des Sterns gerade in größeren Bereichen kühler wird, so wie es bei der Sonne Sonnenflecken gibt. Dass Beteigeuze auch sowas wie Sonnenflecken hat, konnte bereits 2010 auf Bildern gezeigt werden (Astronomy Picture of the Day, 8. Januar 2010, auf deutsch). Auch hier wurde Infrarot-Interferometrie genutzt und das Bild dann zusammengerechnet. Für einen anderen Roten Riesenstern im Sternbild Kranich wurde 2017 von Astronomen der Universität Wien in einem Artikel der renommierten Zeitschrift Nature gezeigt, dass es riesige Konvektionszellen gibt: Granulen, die sich von der Sonne bis zur Venus erstrecken würden. Denkbar wäre, dass es auf Beteigeuze also nicht nur einzelne Flecken gibt, sondern manchmal (wie jetzt) weitere Teile der Oberfläche durch Konvektionsstörung abkühlen. 

2) Es könnte aber auch sein, dass der Stern normal leuchtet und nur Staub in unserer Sichtlinie die Oberfläche verdeckt. Miguel Montargèes spricht von einem möglichen Massenauswurf in unsere Richtung. 

Durch aktuelles Imaging des Sterns mit den hochauflösenden Instrumenten der Europäischen Südsternwarte versuchen diese Teams in Leuven/Belgien und Paris/Frankreich also, den Geheimnissen des besonders aufregenden Sterns Beteigeuze und damit auch den Entwicklungsprozessen von Roten Riesensternen im Allgemeinen auf die Spur zu kommen. 

Mit dem bloßen Auge sieht Beteigeuze immer noch schwach aus: Dieses Foto ist mir zwischen den Februarstürmen am 17.02.2020 gelungen. Man sieht klar, dass Beteigeuze immer noch schwächer ist als Rigel.

Die österreichische Webseite Starobserver.org zeigt Maria Pflug eine Sammlung von schöneren Bildern – d.h. bunter, die Echtfarben noch mehr aufgedreht als in meinen Fotos, die direkt aus der Kamera kommen und den natürlichen Eindruck über der Großstadt wiedergeben. 

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), ... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

  1. Beim Very Large Telescope können ja auch 3 bis 4 Teleskope für die optische Interferometrie zusammengeschaltet werden, z.B. In der Form des Astronomical Multi-Beam Recombiner instrument . Damit sollte eine noch grössere Auflösung möglich werden.

Schreibe einen Kommentar