Beteigeuze – die nächste Supernova?

Beschriftet sind hier nur diejenigen Sterne, die hin und wieder in den Medien genannt werden. Der Stern im östlichen Bein heißt Saiph (arabisch: das Schwert) und die Sterne im Gürtel heißen Alnitak, Alnilam und Mintaka (v.l.n.r.).

Der Stern im Orion (rechte Schulter des Helden, also links oben im Viereck) ist gerade auf einem historischen Rekord-Minimum (AT13341) . Man kann sogar mit dem bloßen Auge erkennen, dass er derzeit schwächer leuchtet als gewöhnlich. Diese Fotos (mit normaler Kamera, ohne Fernrohr) belegen es, die eine Magnitude ist erkennbar:

Orion (und Sirius und Prokyon) über der Kuppel des Zeiss-Großplanetariums Berlin, fotografiert am 29.12. 2016
(Canon EOS 600D ISO 3200 2s)

Man erkennt deutlich, dass Beteigeuze und Rigel etwa gleich hell sind und die anderen Sterne des Orion viel schwächer.

Orion (und Sirius und Prokyon) fotografiert am 06.01.2020
absichtlich etwas defokussiert, um die Sterne zu verschmieren für die kleine Darstellung im Blog
(Canon EOS 600D ISO 3200 2s)

Bei dem heutigen Bilde wäre ich mir nicht so sicher, dass das noch gilt: Rigel ist deutlich heller als alle Sterne im Orion, Beteigeuze wirkt auf manchen Bildern nur noch so hell wie Bellatrix…

Schauen Sie doch mal, ob Sie das auch freiäugig sehen können!

Was ist da los?

Beteigeuze wird immer mal wieder gehandelt als “die nächste Supernova”. Tatsächlich ist der Radius dieses Riesensterns bereits 1000x größer als der der Sonne und seine Masse beträgt um das 20fache der Sonnenmasse: So große Sterne sind nicht häufig (andere Riesensterne wie Aldebaran im benachbarten Stier oder Arktur am Frühlingshimmel sind kleiner).

Dass Beteigeuze ein Veränderlicher ist, das weiß die Astronomie schon lange. Sicher ist, dass John Herschel, der Sohn des Uranus-Entdeckers Wilhelm H., seine Beobachtung der Veränderlichkeit von Beteigeuze im Jahre 1836 vier Jahre später, also 1840 der Royal Astronomical Society meldete. Es wird darüber spekuliert, ob die Veränderlichkeit dieses Sterns bereits im Altertum bekannt war (Wilk, 1999). Derlei Thesen stehe ich stets skeptisch gegenüber, weil die Schätzung von Magnituden sehr schwierig ist und auch die Magnituden in antiken Sternkatalogen eine Messunsicherheit von ±2 mag haben (d.h. ein Stern, der mit 3 mag angegeben ist, könnte in Wahrheit alles zwischen 1 und 5 mag hell sein), so dass ich es immer mutig finde, daraus irgendwas abzuleiten. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass bei derart hellen Sternen in einer Formation mit anderen hellen Sternen, die charakteristische Muster bilden, eine größere Aufhellung oder Abdunklung bemerkt worden wäre. Vielleicht wäre die Helligkeitsänderung aufgefallen, aber nicht die Periode(n), vielleicht hätte man es als zufällig (oder göttliches Zeichen) interpretiert? Letzlich wissen wir es nicht.

Als gesichertes Wissen würde ich moderne Messungen sehen, mit denen herausgefunden wurde, dass die Variabilität von Beteigeuze tatsächlich (mindestens) zwei Zyklen unterliegt: Einer dauert 423 Tage (Honeycutt et al., 1980) und der andere 2100 Tage (Montargès et al, 2016). Im Augenblick fallen die Minima beider Zyklen zusammen (AT13341) , so dass die aktuelle Verdunklung noch nicht beängstigend ist – aber sich für Schlagzeilen eignet. 🙂 

Nichtsdestotrotz ist Beteigeuze ein valider Kandidat für eine Supernova. Wann das passieren wird, darüber scheiden sich allerdings die Geister: Irgendwann zwischen “jetzt bald” und “in einigen hunderttausend Jahren”; je nachdem, wen man fragt. Entweder, unsere Modellrechnungen und Daten werden schnell so gut, dass wir es richtig berechnen können oder der Stern kommt unserem Denken zuvor. 🙂 In einer Entfernung von ~650 Lichtjahren ist er jedenfalls weit genug weg, dass diese Explosion uns nicht direkt schaden würde. Es wäre aber ein gewaltiges, beeindruckendes Himmelsspektakel, denn Beteigeuze würde als Supernova gewiss Mondhelligkeit erreichen. Die Modellrechnungen sind sich noch uneins, ob es Halbmond- oder Vollmondhelligkeit wäre, aber in jedem Fall eine eindrucksvolle Erscheinung!

Bonus

Orion über der Stadt
Fokussiert 😉
So soll man sich den antiken Helden Orion vorstellen: Er galt als einer der schönsten Männer, d.h. breite Schultern, schmale Hüfte – der Kopf ist aber nicht so helle. Am Himmel steht er, lasziv den linken Fuß auf irgendwas (Stein/ Baumstumpf) hochgestellt, so dass man sieht, was zwischen den Beinen baumelt (nicht, was Sie denken: nur ein gewaltiges Schwert … in dem sich allerdings ein Sternentstehungsgebiet befinden, der Große Orionnebel).

Namen der Sterne sind noch nicht alle verbindlich festgelegt, aber die Internationale Astronomische Union (IAU) ist dabei, dies zu verändern. Der Name Beteigeuze ist bereits unter den offiziellen Namen: siehe Liste. Er ist ein Missverständnis, eine Fehl-Lesung von arabischen Buchstaben (das y und das b unterscheiden sich nur durch einen Punkt; das kann einem mittelalterlichen Lateiner schonmal entgehen), so dass aus yad-al-gauza (hocharabisch) -> bad-al-gauza wurde. Nun wird im arabischen das A eher wie “ä” gesprochen und ein “g” gibt es nicht (außer im ägyptischen Dialekt); es ist normalerweise ein hartes “ch”, z.B. heißt die Stadt Bagdad nicht “Back dat” wie der Berliner über Weihnachtsplätzchen sagt, sondern Bachdad. Wenn also ein “g” transliteriert wird, lesen Nichtarabisten im deutschen es anders als im englischen. Das englische “Betelgeuse” (gesprochen “beetlejuice”, weil “eu” nunmal engl. “u” ausgesprochen wird, vgl “Zeus”, und aus betl-juice dann sehr leicht scherzhaft beetlejuice werden kann) ist immer noch dicht dran an “Bädälgauze” (mit g->dsch) … und so kommt dann ein Lesefehler zum anderen, eine Verballhornung zur nächsten …

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

13 Kommentare

  1. Vielleicht ist Beteigeuze ja schon real explodiert, wir werden es aber erst in 300 Jahren erfahren (Lichtlaufzeit 650 Jahre).

    Ist die Explosion/Supernova von Eta Carina nun wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher als von Beteigeuze ?

    • Solche Fragen sind, glaube ich, nicht wirklich beantwortbar: Eta Carinae ist tatsächlich ein faszinierender Stern, dessen Variabilität man noch viel zu wenig verstanden hat. Ich schrieb schon vor ~19 Jahren mit gewisser Faszination über den sonderbaren (unverstanden) Lichtwechsel: Zwischen 1952 und 2018 stieg die Helligkeit von ~6.6 auf ~4.7 mag und der Stern zeigte eine weitere Variabilität mit kürzerer Periode: https://www.aavso.org/vsx/docs/6328/133/ETA_JD_VSX.gif . Es ging einmal die Mär, dass er im Altertum einer der hellsten Sterne gewesen sein könnte, da es sich um einen der jüngsten Sterne des Himmels handelt, der also extrem und unverhersehbar wandeln könnte (Kontraktion wegen Gravitationskollaps, Strukturieren der Staubscheibe im Umfeld, Akkretion von Material, Ausstoßen von Material (starker Sternwind), Zerstören verschiedener Elemente in der Sternatmosphäre…). Im antiken Sternkatalog (Almagest) ist er aber nicht verzeichnet – zu weit südlich. Der bisherige allmähliche Helligkeitzuwachs von eta Car bringt ihn nur wieder zurück zu einem Level, das er bereits im 19. Jh gehabt hatte: Um 1860 war er so hell wie jetzt (2019) und die größte je verzeichnete Helligkeit hatte der Stern während des großen Ausbruchs 1843. (Am Anfang der elektrischen Photometrie.) Zwar wurde 2002 das Lichtecho dieser Eruption photometrisch als auch spektroskopisch gemessen, aber die Ursache ist nicht ganz klar: Es handelt sich um einen extrem selten blauen Riesensterntyp, so dass nicht andere Sterne des gleichen Typs als Vergleich herangezogen werden können. Rezente Erkenntnisse weisen Eta Car als Heartbeat-Stern aus (BRITE Collaboration), d.h. die kurze seiner beiden Perioden hat die Form eines Cardiogramms und rührt daher, dass es sich um einen Doppelstern handelt, dessen Komponenten auf stark elliptischen Orbits kreisen und aufgrund der Gezeitenkräfte sind die Sterne stark deformiert (also weit weg von Kugelgestalt, sondern Ellipsoide). Eta Carinae ist kein alter (roter Riese) Stern, der bald explodieren wird. Weil dieser Stern viel größer ist als Beteigeuze, wird er sich schneller entwickeln und nicht so lange leben, aber im Augenblick ist er nicht mal im Greisenstadium. Zudem ist nicht klar, wie er sich weiter wandeln wird: Ob er heller wird oder dann auch wieder schwächer.

      Im Vergleich zu Beteigeuze rede ich mich gern damit heraus, dass Eta Carinae von Europa aus nicht sichtbar ist, d.h. an unserem nördlichen Sternhimmel (wenn man über Tagessichtbarkeit-Supernovae Beteigeuze nachdenkt) würden wir von einem Aufleuchten eta Carinaes ggf nichts bemerken.

    • Das ist eine sehr vage Spekulation des belgischen Autors Robert Bauval. Mehr können Sie dazu in der wikipedia unter dem Stichwort “Pyramidologie” nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Pyramidologie
      Dass es dort beschrieben wird und nicht unter “Ägyptologie” zeigt bereits, dass die Hypothese in der Wissenschaft keine Akzeptanz fand.

    • Ja mei, nix genaues, weiß ma nich so genau. Wer weiß denn schon, was die Ägypter im Sinn hatten? Eine Dokumentation darüber haben sie nicht hinterlassen. Alles Andere ist Spekulation und der Interpretation des jeweiligen Spekulanten überlassen. Toyota sagt, nix is unmöglich.

      • Spekulanten gibt’s an’ner Börse. Für Wissenschaft, auch die Geschichtswissenschaft, ist die Devise keine Zahlungseinheit im Ausland, sondern hypotheses non fingo (I. Newton).

  2. Ich muß spekulierend noch etwas fragen :

    Wenn ein Stern den 1000-fachen Radius der Sonne hat, dann hat er das 10^9-fache Volumen der Sonne. Auch wenn dieser Stern die 20-fache Sonnenmasse hat, dürfte dieser Stern nur die 10^-8 fache Dichte der Sonne haben. In den Randbereichen noch weniger, da ein wesentlicher Teil der Masse im Zentrum konzentriert sein dürfte. Die Sonne hat eine mittlere Dichte von 1,4 g/cm^3. Die Erdatmosphäre hat am Boden etwa ein Tausenstel dieser Dichte. Die Dichte im Außenbereich von Beteigeuze dürfte noch um den Faktor von 10^5 darunter liegen. Das ist deutlich dünner als die Marsatmosphäre und würde auf der Erde als Vakuum gelten. Dieses dünne Gas (10^-8 g/cm^3 entspricht 10^-5 kg/m^3 oder 10 mg/m^3) leuchtet nur auf Grund der gewaltigen Energiemengen, die vom Zentrum dorthin gelangen.

    Und jetzt meine Frage : Was passiert, wenn ein Planet wie die Erde (Dichte 5 g/cm^3) auf Grund der Expansion der dünnen Gashülle in diese dünne Gashülle eintaucht ? Dieser Planet wird doch nicht innerhalb weniger Umkreisungen abgebremst. Dieser Planet wird als heller Fleck auch unter der Oberfläche der Gashülle sichtbar bleiben und nur langsam in Richtung Zentrum spiralieren.

    Sehr spekulativ gefragt : Kann man die regelmäßigen Helligkeitswechsel von Beteigeuze mit unter der Oberfläche der Gashülle kreisenden Ex-Planeten erklären ?

    • Die Dichteüberlegungen sind korrekt. Das ist doch auch schon bei dem Film Passenger, 2016, über den Roten Riesenstern Arktur diskutiert worden (hm, oder hab ich das nur mündlich im Planetarium diskutiert und nicht hier? Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=adK5zqeMdd0 ) Man braucht aber keinen Exoplaneten, der inzwischen unter der Hülle kreist, um die Variabilität von Beteigeuze zu erklären: So ein Riesenstern pulsiert (siehe Radius-Variation zwischen 950x und 1200x Sonnenradius) und damit ändert sich die Leuchtkraft. Das schließt keinen Ex-Exoplaneten aus: Wir sollten mal danach fahnden, danke für den Hinweis! Aber bisher können wir das meiste von der Beobachtung auch ohne solchen erklären.

    • Das dürfte wohl in etwa der Dichte der Thermosphäre in zirka 300km über der Erdoberfläche entsprechen. Wenn man dabei bedenkt, das Satelliten, respektive auch die ISS, in dieser Höhe innerhalb weniger Jahre soweit abgebremst werden, das sie abstürzen, dürfte einem potentiellen Planeten wohl ein ähnliches Schicksal drohen. Die zyklischen Schwankungen sind natürlich für eine Planetentheorie verlockend, aber bei dem aktuellen Helligkeitseinbruch, müßte das schon ein verdammt großes Teil sein, das so eine Verdunkelung auslöst, oder wahlweise ein ganzer Sack voll.

  3. @Susanne M. Hoffmann

    Der arme Stern … zu den Verballhornungen seines englischen Namens “Betelgeuse” dürfte man wohl noch “Beetlejuice” zählen. Aber wäre das phonetisch dann tatsächlich noch dicht dran am arabischen “yad-al-gauza”? (Was ja auch wieder nur eine Transkription für Nicht-Araber ist, bei der die korrekte Aussprache nicht so offensichtlich wird.)

    Aber eine Frage zur stellaren Distanz, denn da variieren die Angaben beträchtlich. In dieser Press Release der UC Berkeley von 2009 heisst es:

    Last year, new measurements of the distance to Betelgeuse raised it from 430 light years to 640, which increased the star’s diameter from about 3.7 to about 5.5 AU.

    Wie kommt das? Hatte man zuvor einfach zu schlecht gemessen, oder hat man neue Methoden zur Distanzmessung angewendet?

    • Die Parallaxe ist geringer als der Winkeldurchmesser Beteigeuzes. Deshalb ist eine Entfernungsbestimmung schwierig und die Angaben schwanken, je nach Messung. Wir dürfen aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, das Beteigeuze deutlich über 500Lj (wahrscheinlich sogar über 600Lj) von uns entfernt ist.

  4. Hallo, gibt es da irgendwelche messbaren Vorboten bevor es zu einer Supernova kommt, oder ist darüber zu wenig bekannt?

    • Die Neutrino-Aktivität steigt bereits vor der visuellen Helligkeit, aber das ist so kurzfristig (Zeitskala von Stunden), dass es keine ernst zu nehmende Warnung ist.

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