• Von Markus Pössel
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Wie kommt man dazu, Astronom/in zu werden?

Wie sie zur Wissenschaft gekommen sind, haben ja bereits ein paar der Kollegen hier beschrieben – eine kurze Suche fördert u.a. Beiträge von Andreas Müller und Carolin Liefke zutage. Heute morgen stellte ein junger Teilnehmer auf einer (geschlossenen) Facebook-Astronomen-Gruppe dieselbe Frage und bekam eine Menge persönlicher Antworten. Daraus lässt sich zwar keine belastbare Statistik bauen, aber der Vergleich der zahlreichen Rückmeldungen zeigt doch einige deutliche Trends. In Klammern schreibe ich jeweils dahinter, wie alt der-/diejenige zur entscheidenden Zeit war, falls angegeben. Die meisten Mitglieder der Facebook-Gruppe dürften aus den USA kommen, aber was sie schreiben, scheint mir weitgehend auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar.

Sonden, Beobachtungen, Mathematik

In einer Reihe von Fällen waren konkrete Ereignisse die Auslöser: Voyager passiert Uranus (11 Jahre). Der Start der Cassini-Huygens-Mission (12 Jahre). Als Voyager seine Jupiter-Bilder zur Erde zurückfunkte (10 Jahre).

Alternativ sind da noch eigene Beobachtungen: Das geschenkte kleine Teleskop (6 Jahre). Aufwachsen auf dem Lande, mit entsprechend beeindruckendem Sternenhimmel. Oder die Besuche bei den Großeltern, die fernab größerer Städte lebten, an klaren Nächten mit Blick auf die Milchstraße.

Aber Astronomie und Physik haben ja auch eine andere, theoretischere Seite, und auch über die Faszination mit der Mathematik haben eine Reihe derer, die geantwortet haben, den Zugang zu diesen Fächern gefunden. Etwa, als dann mit der Physik in der Schule endlich eine Naturwissenschaft daran kam, wo man spannende Mathematik machen konnte.

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Ferngesteuerte Teleskopbeobachtungen via Internet am Girls’ Day 2015 am Haus der Astronomie. Wenn von den Teilnehmerinnen in 10 Jahren jemand käme und uns sagte, wir seien die Initialzündung für Physik- bzw. Astronomiestudium gewesen, wäre das natürlich toll.

 

Bücher, Vorträge, Studienwechsel

Und dann sind da noch diejenigen, die über Science Fiction in die entsprechende Wissenschaft gerutscht sind: Star Wars und Star Trek wurden dort genannt, aber auch die väterliche Sammlung mit lauter Science-Fiction-Romanen.

Bücher! Einmal war “Mein erstes Buch vom Weltraum” der Auslöser, einmal Martin Gardner mit mathematischen Rätseln und Hexaflexagonen, Brian Greene, Stephen Hawkings “Kurze Geschichte der Zeit”. Carl Sagan wird mit “Kosmos” mehrmals genannt, mal als Buch, mal als TV-Serie – in letzterer Kategorie werden auch die entsprechenden Sendungen von PBS oder BBC genannt. Einmal trug die Wiederholung der Mondlandung zum 25. Jubiläum bei. Eine Generationsfrage; die Mondlandung live anzusehen dürfte für die entsprechende Generation die häufigste Motivation überhaupt gewesen zu sein, in die entsprechenden Wissenschaften zu gehen.

Fachvorträge im Planetarium. Schauexperimente des Physikers, der die Grundschulklasse besuchte.

Nicht selten erst der Wunsch, Astronaut zu werden, und danach erst Astronomie sozusagen als zweite Wahl.

Wichtig sind, das verwundert kaum, die Lehrer in der Schule. Ein Lehrerwechsel kann den kompletten Umschwung von Gleichgültigkeit oder Nicht-Klarkommen mit Physik zum Lieblingsfach Physik bewirken (war bei mir übrigens auch so).

Umgekehrt schildern aber auch einige, wie sie erst spät, während ihres Studiums noch die Kurve gekriegt haben: Nach Problemen im Medizinstudium, nach Unterforderung im Studiengang Journalismus, nach der Erkenntnis, dass theoretische Teilchenphysik dann doch zu theoretisch für einen selbst ist, oder in den USA, wo man sich zu Studienanfang nicht unbedingt festlegen muss, wegen des spannenden Astronomiekurses. Und, tatsächlich und etwas verschämt vorgetragen: Die Spezialisierung auf Astronomie im Physikstudium in der Überzeugung, damit seine Attraktivität gegenüber dem anderen Geschlecht zu steigern.

…und wie ist es heute?

Solche Schilderungen haben an sich, dass sie nachträglich gemacht werden. Es geht um Menschen, die bereits Astronom sind und rückblickend beschreiben, wie sie dorthin gekommen sind.

Es ist reizvoll zu spekulieren, wie es heute aussieht und was wohl die zukünftigen Astronomen in zwanzig Jahren erzählen werden.

Spielen dann Webseiten und Apps eine Rolle? Gibt es ein kleines Alexander-Gerst-Maximum? Oder spielen auch dann noch gut geschriebene Bücher eine Rolle? Werden die Kinder, deren Zeichnungen in miniaturisierter Form mit der CHEOPS-Mission ins Weltall starten dürfen, häufiger Astronomen als ihre Altersgenossen?

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Eine von 3000 Kinderzeichnungen, die mit CHEOPS in den Weltraum fliegt

Was sich nicht geändert haben dürfte ist der große Einfluss von Lehrern. Umso wichtiger, denjenigen Lehrern, die von ihrem Fach fasziniert sind und diese Faszination mit viel Engagement weitergeben, möglichst gute Bedingungen zu schaffen. In Zeiten von G8 scheinen z.B. vollgestopfte Lehrpläne gerade solche besonders anregenden Aktivitäten zu behindern. Am Haus der Astronomie kommen wir aber glücklicherweise mit einer ganzen Anzahl von Positivbeispielen unter den Lehrerinnen und Lehrern in Kontakt, die sicher in zwanzig Jahren auch in zahlreichen als Inspirationsquelle genannt werden dürften. Als Beispiel – weil es gerade in meiner Facebook-Timeline erscheint – hier ein Link mit einer Übersicht zu den Aktivitäten der Astronomie-AG unseres Partnerlehrers Olaf Hofschulz am Einstein-Gymnasium Neuenhagen bei Berlin.

Meine Übersicht bezieht sich naturgemäß auf die Astronomie – wie sieht es bei anderen Wissenschaften aus? Wenn ihr selbst in der Wissenschaft oder in der Lehre gelandet seid, beschreibt doch bitte kurz in den Kommentaren, wie es bei euch angefangen hat!

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.