Das Prinzip Evolution – von Mariano Delgado, Oliver Krüger und Guido Vergauwen (Hrsg.)
BLOG: Natur des Glaubens
Als Charles Darwin 1859 mit "On the Origin of Species – Zur Abstammung der Arten" die Entdeckung der wissenschaftlichen Evolutionstheorie der Menschheit präsentierte, beendete er das Werk mit dem Satz: "Es ist wahrlich eine großartige Ansicht, dass der Schöpfer den Keim alles Lebens, das uns umgibt, nur wenigen oder nur einer einzigen Form eingehaucht habe, und dass … aus so einfachem Anfang sich eine endlose Reihe immer schönerer und vollkommenerer Wesen entwickelt hat und noch fort entwickelt." – wobei er "den Schöpfer" erst in einer späteren Ausgabe einfügte. (Danke an @Balanus für den Hinweis! 🙂 )
Darwin war 1859 genau 50 Jahre alt, so dass sich 2009 sein 200ter Geburtstag und der 150te Jahrestag seines bahnbrechenden Werkes trafen. Gegen Ende dieses Darwinjahres brachte das 5. Religionsforum der Universität Freiburg (Fribourg / Schweiz) europäische Geistes-, Kultur- und Religionswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zusammen, um sich über das "Prinzip Evolution" auszutauschen.
Schon die Tagung selbst war ein Genuss: Hier zeigte das alte Europa seine gewachsenen Stärken – die Vielfalt an Sprachen und Zugängen, die Arbeit mit Originaltexten, die Offenheit auch für Gedanken abseits des gerade dominierenden Mainstreams. Und daraus entstand dann auch der Tagungsband "Das Prinzip Evolution – Darwin und die Folgen für Religionstheorie und Philosophie", für den neben dem Religionswissenschaftler Prof. Oliver Krüger und dem Kirchenhistoriker Prof. Mariano Delgado mit dem Fundamentaltheologen Prof. Guido Verwaugen auch der Rektor der Universität als Herausgeber fungierten.
Neben den hochrangigen Herausgebern machte sich besonders Dr. Barbara Evers Greder um den Band verdient, indem sie fremdsprachige (v.a. französische) Texte hervorragend ins Deutsche übersetzte und damit nicht nur Fakten, sondern auch Geistestraditionen zugänglich machte. Den Lesern bieten sich hier z.B. fachkundige Diskussionen der Memetik (Krüger / Thürig), katholische Würdigungen Darwins (Hattrup) sowie interessante Stimmen aus Christentum, Islam, Hinduismus, Bahaismus und Philosophie zum "Prinzip Evolution". Wussten Sie beispielsweise, dass der moderne, islamistische Kreationismus seine "Argumente" fast durchweg von amerikanisch-evangelikalen Fundamentalisten übernommen hat? Dass hinduistische Denker den Evolutionsprozess an sich keineswegs für problematisch halten, naturalistische Reduktionen und Ansprüche aber schon? Dass (der studierte Theologe) Charles Darwin selbst über die biokulturelle Evolution von Religiosität und Religionen schrieb, Grundlagen zu benennen und Tiervergleiche zu finden versuchte sowie – die Rolle der Frauen unterschätzend – von einem "Fortschritt" der Evolution von Religion(en) hin zu einem moralischen Monotheismus ausging? Wie der Jesuitenpater und Paläoanthropologe Teilhard de Chardin Evolution und Gottesglauben zusammendachte?
Wenn auch nur wenige der o.g. Fragen Sie interessieren, dürfte der Band Ihnen einiges bringen! Er kostet 34 Euro und ist bei Kohlhammer erschienen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Das Prinzip Evolution oder: Die Darwinisierung der Kultur und Religion (Oliver Krüger / Susanne Thürig)
I. Evolution als Thema der christlichen und islamischen Theologie
Dogmenentwicklung – Evolution der Wahrheit? (Rudolf Voderholzer)
Ertrag eines Jubiläumsjahres – Darwin als Kirchenvater? (Dieter Hattrup)
Evolutionstheorie und Kreationismus im heutigen türkischen Islam (Jean-Marc Balhan)
II. Evolution in der Philosophie und im religiösen Denken
Zwischen Evolutionstheorie und Menschheitsreligion – Der Schweizer Monist, Baha’i und Eugeniker Auguste Forel (Serina Heinen)
"Der Du allein der Ew’ge heißt" – Die Evolution Gottes und der Welt in der Prozessphilosophie (Christina Aus der Au)
Die Evolution nach Teilhard de Chardin (Francois Euve)
Der Gedanke einer spirituellen Evolution im Werk Sri Aurobindos (Wolfgang Gantke)
"Eine herzliche Vermischung der Rassen" – Jose Vasconcelos Vision einer "kosmischen Rasse" als Antwort auf die Vorherrschaft Angloamerikas und die Evolutionstheorie Darwins (Mariano Delgado)
Die Evolution des Bewusstseins im Werk von Jean Gebser (Peter Gottwald)
III. Evolution in der Religions- und Wissenschaftstheorie
Das Prinzip Evolution und seine Konsequenzen für die Epistemologie und Erkenntnisphilosophie (Chris Buskes)
Charles Darwin über die Evolution der Religiosität und der Religionen (Michael Blume)
Ursprung und geschichtliche Entwicklung der Religionen – Ein Evolutionsgeschehen? (Ina Wunn)
Religion als Nebenprodukt der Evolution – Religionsgeschichte und die Modularität des Geistes (Dirk Johannsen)
Erschienen bei Kohlhammer 2010, 244 Seiten
Danke für den Tipp
Es ist notwendig, sich die Folgen der rationalen Welterkärung, wie sie durch das Prinzip Evolution gegeben ist, bewusst zu machen.
Doch was bringt es, die Evolution als schöpferisches Werk verstehen zu wollen, wie das auch bei Darwin zu erkennen ist? Solange sich die Kirche als “Buch-religion” versteht, der Glaube auf Gerüchte, Mythen und Gottesbilder bzw. religiöse Gefühle gründet, kann keine Ein-sicht zwischen Glauben und Wissen sein. So wird jede natürliche Theologie scheitern.
Doch je mehr ich mich mit den Wurzeln unseres Kultes bzw. der Kirche befasse, mir gerade vom jüdischen Wissenschaftler Micha Brumlik die “Enstehung des Christentums” erklären lasse. Desto gewisser werde ich, dass die heute als Evolutionsprinzip geltende rationale Welterkärung, die damals als Logos galt (schöpferische Vernunft, von der das kath. Kirchenoberhaupt so gern, jedoch leider rein dogmatisch redet)vor 2000 Jahren der Grund einer echten Verjüngung und Universalisierung des Monotheismus war. (Einer Glaubenwende vom Mythos zum Logos – der ratonalen Welterlärung -, aus der letztlich die drei sich heute wieder meist auf Mythen berufende Glaubensgeschwister hervorgegangen sind.)
In diesem Sinne hat die Naturwissenschaftliche Aufklärung ihre Arbeit getan. Was fehlt scheint mir die geistesgeschichtliche Aufklärung. Ohne die alle Versöhnungsversuche, wie wir sie u.a. von Theilhard de Chardin kennen, als Evolutionsmystik/-spritualität abgetan werden, in modernem Pantheismus Einsteins stecken bleiben oder als eine weitere nun wissenschaftliche Spielart aufgefasst werden, um einen ID aus dem Buch zu beweisen.
@Gerhard Mentzel: Gern geschehen!
Doch, ich bin mir ziemlich sicher, dass Ihnen das Buch gefallen wird! Wenn Sie wollen, schreiben Sie dann doch nochmal etwas drüber.
M.E. sollten sich lebendige, religiöse und weltanschauliche Traditionen immer wieder neu mit den Befunden der Naturwissenschaft(en) auseinander setzen, und zwar durchaus zu beiderseitigem Erfolg. Einerseits war und bin ich mit der mangelhaften und oft grauenhaft verkürzten Rezeption der Evolutionsforschung in weiten Teilen unserer Geistes- und Kulturwissenschaften unzufrieden. Andererseits haben die Freiburg-Tagung und der Sammelband aber auch gezeigt, dass teilweise bereits ein sehr hohes Niveau erreicht wird. Was aber m.E. noch fehlt, ist eine Einbeziehung der breiteren Öffentlichkeit. Ob das Web 2.0 und v.a. Blogs da ein neuer Weg unter anderen sein können? Ich will es hoffen.
Fragen über Fragen
Für “das alte Europa” ist es eine etwas ungewohnte Vorstellung Religion einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen, wie beispielsweise die Evolutionäre Religionstheorie dies tut. Irritierend finde ich auch, dass Glaubensinhalte hier in ein “evolutionäres” Schema gepresst werden sollen. Was hat das noch mit Religion zu tun? Wird hier der Grundstein für einen religiösen Sozialdarwinismus gelegt?
Schaut man sich das Inhaltsverzeichnis des Buches an, so findet man eine kunterbunte Sammlung verschiedener (religiöser ?) Richtungen, u.a. wird auch das Werk Sri Aurobindos erwähnt. Von diesem Yogi stammt übrigens das folgende Zitat:
“Die Menschheit ist nicht die letzte Stufe der irdischen Schöpfung.
Die Evolution geht weiter, und der Mensch wird übertroffen werden.”
Apropos Zitat! Warum wird der Schlusssatz aus dem Werk von Charles Darwin verstümmelt wiedergegeben, der heißt doch: “Es ist wahrlich etwas Erhabenes um die Auffassung, daß der Schöpfer den Keim alles Lebens, das uns umgibt, nur wenigen oder gar nur einer einzigen Form eingehaucht hat und daß, während sich unsere Erde nach den Gesetzen der Schwerkraft im Kreise bewegt, aus einem so schlichten Anfang eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entstand und noch weiter entsteht.” Mutet da die “kopernikanische Wende” etwa zu atheistisch an?
@Mona: Altes Europa – Mißtrauen?
Liebe @Mona,
danke für die Ansammlung interessanter Assoziationen. Altes Europa, religiöser Sozialdarwinismus, ein Zitat Sri Aurobindos und der gläubige Domherr Kopernikus im Dienste des Bistums Ermsland als vermeintlich atheistisch – gegen was genau richtet sich hier das Mißtrauen? Gegen Wissenschaft an sich, die Evolutionstheorie oder doch einfach gegen Menschen, die glauben? Oder gegen etwas ganz anderes?
Das Darwin-Zitat habe ich übrigens dem Buchcover entnommen – das m.E. aus schlichten Platzgründen kürzte… 😉
Erläuterungen @Michael Blume
Naja, eigentlich habe ja ich die Fragen gestellt und nun muss ich sie auch noch erläutern 🙂
Das alte Europa findet sich ja in Deinem Beitrag im zweiten Absatz, da heißt es: “Hier zeigte das alte Europa seine gewachsenen Stärken – die Vielfalt an Sprachen und Zugängen, die Arbeit mit Originaltexten, die Offenheit auch für Gedanken abseits des gerade dominierenden Mainstreams.”
Ich nehme einmal an, dass man sich hier von Amerika abgrenzen möchte, oder?
Der religiöse Sozialdarwinismus ist eine Assoziation, da mir dazu immer die Natur-Kultur-Debatte einfällt, die wir mal mit @Balanus hatten, der nicht wollte, dass man die Evolutionstheorie auf menschliche Gesellschaften anwendet, da sie ja nur für die Natur gelte.
Das Zitat Sri Aurobindos musste ich einfach bringen, da “Der Gedanke einer spirituellen Evolution im Werk Sri Aurobindos” sich im Inhaltsverzeichnis findet. Sri Aurobindo war zwar ein sehr spiritueller Yogi, aber auch ein Revolutionär, der in Indien eine entsprechende Bewegung leitete und sogar einen Guerillakrieg vorbereitete.
Quelle: http://www.evolutionsforschung.org/…euerB.html#E
Und der “gläubige Domherr Kopernikus” hat ja das geozentrische (ptolemäische) Weltbild in ein heliozentrisches Weltbild verwandelt, da er beobachtete, dass sich die Planeten um die Sonne bewegen und damit die Erde nicht mehr im Mittelpunkt steht, was der Kirche gar nicht gefiel.
Misstrauen hege ich somit nicht, weder gegen die Wissenschaft an sich, noch gegen die Evolutionstheorie und auch nicht gegen Menschen, die glauben. Warum sollte ich auch? Ich wollte vielleicht ein bisschen provozieren um Dich zu einer eigenen Stellungnahme zu bewegen, was leider nicht geklappt hat.
Das ist nicht ganz korrekt. In der ersten Ausgabe von 1959 kam der “Schöpfer” (Creator) noch nicht vor. Erst in den nachfolgenden Ausgaben hat Darwin “by the Creator” eingefügt—wohl um des lieben Friedens willen.
(“There is grandeur in this view of life, with its several powers, having been originally breathed by the Creator into a few forms or into one;…”)
@Mona
Liebe @Mona,
naja, ich mache diesen Blog ja, um Menschen einfachen Zugang zu religionswissenschaftlichen Fragestellungen zu eröffnen und sie zu Informationen, zum Mitdenken und -machen einzuladen. Nur habe ich wirklich nicht mehr Zeit und Lust, mich “provozieren” zu lassen. Was bringt das denn?
Zum Punkt “Sozialdarwinismus” nur soviel: Es ist einfach nur noch billig, jede Beschäftigung mit der Evolutionsforschung mit dem Generalverdacht zu belegen. Denn langsam sollte sich herumgesprochen haben, dass auch der Mensch Teil der Natur ist – wie auch Kultur zur Natur vieler Tiere gehört.
Das Problem des Sozialdarwinismus ist doch nicht, dass auch der Mensch, seine Kulturen und Gesellschaften erforscht werden, sondern dass aus – auch noch verkürzten – Befunden der Forschung unreflektiert normative Handlungsanleitungen abgeleitet werden. Evolutionsforschung ist aber eine empirische – also beschreibende – Tätigkeit, die die philosophische oder theologische – also normative – Bewertung nicht einfach überspringen kann. Vgl. auch meine Kritik an wieder aufgewärmten Konzepten der “Eugenik”:
http://www.chronologs.de/…-eugenik-unm-glich-ist
Bitte habe Verständnis, dass ich lieber inhaltlich über das jeweilige Thema des Blogposts diskutieren mag, statt über jedes “provozierende” Stöckchen zu springen. Dafür sollte uns die Zeit dann doch zu wertvoll sein, oder!?
Creator @Balanus
Ja, das könnte sich mit den Aussagen Darwins übereinstimmen.
Siehe hier: http://www.kath.net/detail.php?id=22106
Religiosität bei Tieren
Moin! 🙂
Ich hab mich gerade mal durch einige Links in diesem Blogpost durchgeklickt und dabei schon wieder viel zu viel Zeit verloren, aber vor allem frage ich mich, ob es inzwischen mehr Antworten in dem Bereich “Religiosität bei Tieren” gibt? Der damalige Blogpost ist zwar auch erst ein halbes Jahr alt, aber vielleicht hat ja noch jemand was erfahren…
Die Antwort darauf wäre jedenfalls sehr interessant! Denn wenn auch Tiere ein (proto-)religiöses Verhalten evolviert hätten, dann könnte das ja (als eine Interpretationsweise) z.B. Teilhard de Chardin bestätigen, dass in der Evolution eine Art “Schau Gottes” verankert ist, die sich ab einer bestimmten Stufe (möglicherweise emergent) ausbildet.
Mit den anderen Gedanken zur Vereinigung von Religion und Evolution kenne ich mich nicht besonders gut aus, also vielleicht ist das vorgestellte Buch hier noch mal eine Investition wert 😉
Schöne Grüße!
Sebastian
@Mona
Da Sie mich im Zusammenhang mit Ihren sozialdarwinistischen Assoziationen erwähnten und Michael Blume in seiner Replik von einem billigen Generalverdacht spricht, sehe ich mich veranlasst, etwas dazu sagen. Also, Sie schrieben:
» Der religiöse Sozialdarwinismus ist eine Assoziation, da mir dazu immer die Natur-Kultur-Debatte einfällt, die wir mal mit @Balanus hatten, der nicht wollte, dass man die Evolutionstheorie auf menschliche Gesellschaften anwendet, da sie ja nur für die Natur gelte. «
Diese Assoziation ist ja nahe liegend, zumal, wenn man sich die gängigen Ausführungen zum Sozialdarwinismus so anschaut (z.B. auf Wikipedia), aber Ihre Bezugnahme auf mich verkürzt meine diesbezüglichen Auffassungen doch ein wenig. Dies sind—in aller Kürze—wie folgt:
Der Mensch ist als ein soziales Wesen evolviert, insofern sind die Aspekte sozialer Organisationsformen und kultureller Entwicklungen völlig zu Recht auch Gegenstand der Evolutionsforschung. Wir möchten eben wissen, aus welchen evolutionären Wurzeln sich unsere heutigen soziokulturellen Verhältnisse entwickelt haben. Und klar ist auch, dass die Evolution als natürlicher Prozess des Artenwandels auch in der Gegenwart stattfindet. Soweit besteht also kein Dissens.
Der Streit geht m. E. primär darum, wie sich die gegenwärtige Evolution des Menschen zeigt—wenn überhaupt. Deutliche Hinweise auf evolutionäre Veränderungen liefern uns z. B. die Genetiker. Die unterschiedlichen Häufigkeiten bestimmter Allele in bestimmten Populationen lassen sich gut evolutionstheoretisch erklären, gerade auch unter der Einbeziehung kultureller Entwicklungen. Auch gegen derartige Untersuchungen ist m. E. überhaupt nichts einzuwenden.
Die evolutionäre Religionswissenschaft geht nun aber noch einen Schritt weiter und untersucht unter anderem, wie sich die Häufigkeiten des religiösen Verhaltens in den verschiedenen Gesellschaften unterscheiden; und sie fragt, ob religiöse Menschen etwa eine höhere evolutionäre Fitness besitzen als nichtreligiöse Menschen.
Und hier sehe ich eben ein Problem. Weil Sozialdarwinismus auch dann vorliegen kann, wenn evolutionäre Theorien fälschlicherweise auf gesellschaftliche Entwicklungen angewendet werden. Ich halte es einfach für einen Fehler (oder zumindest für eine Überstrapazierung der Evolutionstheorie), die Religiosität, die ja als solche genetisch überhaupt nicht hinreichend definiert ist (denn schließlich ist ja alles Lebendige irgendwie genetisch bedingt) und die auch kaum valide messbar ist, aufgrund von aktuellen Geburtenraten als ein evolutionäres Fitnessmerkmal zu betrachten. Schließlich kann man unterschiedliche Geburtenraten auch dann finden, wenn man die Menschen anhand anderer sozialer Kriterien in diverse Gruppen einteilt.
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt. Zum sozialdarwinistischen Programm gehört auch die Auffassung, das Prinzip der Evolution beinhalte eine Höherentwicklung der Arten (Mensch als Krone der [evolutionären] Schöpfung; oder Ihr Zitat von Yogi Sri Aurobindos: “Die Menschheit ist nicht die letzte Stufe der irdischen Schöpfung. Die Evolution geht weiter, und der Mensch wird übertroffen werden.”; oder die Vorstellungen von Teilhard de Chardin).
Und damit wären wir auch wieder bei einem Thema dieses Blog-Beitrags: Was bedeutet das Prinzip Evolution für das Selbstverständnis einer Offenbarungsreligion?
(Michael Blume sind meine diesbezüglichen Auffassungen bekannt und erträgt sie inzwischen mit großer Geduld 😉 )
@Balanus & Mona
Danke für die Hinweise zur Darwin-“Schöpfer”-Datierung, die ich oben gleich gerne aufgenommen habe.
@Balanus
Da es ja Thema meines Kapitels in “Das Prinzip Evolution” ist: Würden Sie also sagen, dass Charles Darwin falsch darin lag, in seiner “Abstammung des Menschen” auch Sprachfähigkeit, Musikalität und eben Religiosität als evolvierende, biokulturelle Merkmale aufzunehmen?
@Sebastian: Salz auf die Wunde…
Lieber @Sebastian,
Sie streuen da Salz auf die Wunde – es gäbe in der Tat allein schon zum Thema “Religiosität bei Tieren” noch viel zu berichten, einiges zu recherchieren, viel zu diskutieren. Und ich hoffe auch, auch dieses Thema bald einmal wieder aufgreifen zu können.
Das Problem ist nur: Das gesamte Feld der Evolutionsforschung zur Religion entwickelt sich so schnell, dass kaum noch ein Nachkommen ist. Wir sind v.a. im deutschsprachigen Raum einfach zu wenige, die in dem Bereich arbeiten und publizieren. Ich tue, was ich kann, aber es ließe sich allein mit dem vorhandenen Material noch ein Mehrfaches veröffentlichen, von dem Bedarf an weiteren Studien ganz zu schweigen… Ein bißchen Hoffnung macht mir, dass der Themenbereich unter den Jüngeren zunehmend Zuspruch findet und sich auch bei den Älteren durchsetzt (siehe das obenstehende Buch). Möglicherweise also wird es in einigen Jahren besser aussehen…
Lieber Michael,
das ist natürlich sehr schade, aber Sie können ja auch nicht alles hier vorkauen… dann werde ich mich eben auch noch mal selber umgucken! 🙂
Der Mensch als Krone der (evolutionären) Schöpfung @Balanus
Vielen Dank für Ihre Ausführungen, denen ich auch weitgehend zustimmen kann. Interessant wäre auch für mich “der andere Aspekt”. Sie schrieben. “Es gibt aber noch einen anderen Aspekt. Zum sozialdarwinistischen Programm gehört auch die Auffassung, das Prinzip der Evolution beinhalte eine Höherentwicklung der Arten (Mensch als Krone der [evolutionären] Schöpfung; oder Ihr Zitat von Yogi Sri Aurobindos: “Die Menschheit ist nicht die letzte Stufe der irdischen Schöpfung. Die Evolution geht weiter, und der Mensch wird übertroffen werden.”; oder die Vorstellungen von Teilhard de Chardin).
Und damit wären wir auch wieder bei einem Thema dieses Blog-Beitrags: Was bedeutet das Prinzip Evolution für das Selbstverständnis einer Offenbarungsreligion? “
Genau aus diesem Grund erwähnte ich auch Sri Aurobindo: Er war der Überzeugung, dass er seine “spirituellen” Ziele auch mit Gewalt verwirklichen könnte und da hört für mich der Spaß auf, denn was unterscheidet diese Leute noch von gewöhnlichen Fanatikern, die einen “Übermenschen” schaffen wollten? Wenn eine Religion, gleich welcher Art, ihre “Evolution” nur mit Gewalt durchsetzen kann, dann muss ich mich davon distanzieren, da ich Gewalt nun einmal ablehne.
@Sebastian & @Mona
Wenn Sie was Spannendes finden, lassen Sie es uns wissen! Und wenn Sie einmal Lust und Zeit hätten, einen Gastbeitrag einzurichten, auch.
Der Gastbeitrag von @Mona zum Buddhismus hat es inzwischen sogar unter die TOP 10 gebracht und wird weiterhin täglich abgerufen!
http://www.chronologs.de/…ne-gott-zen-buddhismus
@Mona
Auch Wolfgang Gantke kritisiert übrigens – allerdings andere – Aspekte der Lehre Sri Aurobindos, die Aspekte westlicher Ideen (Monotheismus, Evolution) mit klassisch-hinduistischen Narrativen verbinden. Dass wir (auch @Balanus? 😉 ) z.B. den Mensch in seiner jetzigen Form als würdig und bewahrenswert erfahren, hat mit Sicherheit mit unseren monotheistischen Traditionen zu tun, nach denen der Mensch als Gottes Abbild geschaffen sei. Im Hinduismus haben sich z.T. deutlich andere Menschenbilder entwickelt.
@Michael Blume, @Mona
» Würden Sie also sagen, dass Charles Darwin falsch darin lag, in seiner “Abstammung des Menschen” auch Sprachfähigkeit, Musikalität und eben Religiosität als evolvierende, biokulturelle Merkmale aufzunehmen? «
Hm, ich verstehe weder diese Schlussfolgerung als solche, noch was sie mit meinen Ausführungen zum Sozialdarwinismus zu tun hat. Zumal ich ja (sinngemäß) geschrieben habe, dass die Kulturfähigkeit Teil der menschlichen Natur ist und kulturelle Entwicklungen völlig zu Recht auch Gegenstand der Evolutionsforschung sein können, einfach deshalb, weil wir mehr über die evolutionären Wurzeln unserer Kultur wissen möchten.
Soweit ich weiß hat Darwin sein Evolutionsprinzip “natural selection” nicht auf rezente menschliche Gesellschaften und soziale Gruppen bezogen. Was er da, nur so als Beispiel, auf nur dreieinhalb Seiten über die evolutionäre Entstehung des Glaubens an übernatürliche Akteure geschrieben hat, findet sich zum Teil auch in heutigen Vorstellungen (soweit ich das als Laie überblicke). Und über einen Reproduktionsvorteil der Gläubigen schreibt er auch nichts (was irgendwie auch nahe liegt, da er als Agnostiker ja ‘ne Menge (zehn?) Kinder gezeugt hat ;-).
» Dass wir (auch @Balanus? 😉 ) z.B. den Mensch in seiner jetzigen Form als würdig und bewahrenswert erfahren, hat mit Sicherheit mit unseren monotheistischen Traditionen zu tun, nach denen der Mensch als Gottes Abbild geschaffen sei. «
Woher nehmen Sie diese Sicherheit? Ich fürchte, Sie sind da der christlich-monotheistischen Propaganda aufgesessen 😉
@ Mona
Danke für die ergänzende Erklärung.
Evolution und Offenbarung
“Und damit wären wir auch wieder bei einem Thema dieses Blog-Beitrags: Was bedeutet das Prinzip Evolution für das Selbstverständnis einer Offenbarungsreligion?”
Dazu fiel mir gerade ein Zitat von Hoimar von Ditfurth ein, das sich auf das Christentum bezieht und dem ich persönlich zustimme. Es stammt aus seinem Buch “Wir sind nicht nur von dieser Welt”, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1981, S. 144: „Die Identifikation eines Gottessohnes mit dem Menschen in der Gestalt einer bestimmten von unzähligen vergangenen und zukünftigen Entwicklungsstufen lässt sich nicht als für alle diese verschiedenen Entwicklungsstufen in dem gleichen Sinne gültige Identifikation verstehen.“
Der Theologe und Religionsphilosoph John Hick bietet im Rahmen der “Inspirationschristologie” einen Ausweg: Danach ist Jesus nicht als Gottes physischer/geschlechtlicher Sohn zu sehen, sondern der Begriff Gottessohn bekommt eine rein metaphorische Bedeutung, so wie es, laut Hick, auch ursprünglich im hebräischen Sprachraum verstanden worden sei. Das Kriterium einer Gottessohnschaft ist bei Hick die Abkehr von der Selbstbezogenheit und stattdessen die Öffung für die Welt und somit eine Realitäts-/Gottesbezogenheit (Gott als höchste Realität). Dieses trifft ebenso auf andere Menschen wie z.B. Buddha oder auch Ghandi zu und ermöglicht somit die Vereinbarkeit der Religionen, aber eben auch die Vereinbarkeit des Christentums mit Aspekten der Evolution.
@Balanus
Es freut mich ungemein, dass Sie hier über die Religionswissenschaft neue Seiten Darwins kennenlernen! 🙂
Sie schrieben: Soweit ich weiß hat Darwin sein Evolutionsprinzip “natural selection” nicht auf rezente menschliche Gesellschaften und soziale Gruppen bezogen.
Selbstverständlich hat er das. So diskutiert er den (bio-)kulturellen Aufstieg des Monotheismus ebenso wie z.B. das katholische Zölibat, schreibt zudem (a la Sarrazin) über die hohen Geburtenraten der Iren im England seiner Zeit u.v.m. Aus seiner Sicht traf die Evolutionstheorie entweder als Erklärung biologischer und kultureller Prozesse bis in die Gegenwart zu – oder eben nicht.
Was er da, nur so als Beispiel, auf nur dreieinhalb Seiten über die evolutionäre Entstehung des Glaubens an übernatürliche Akteure geschrieben hat, findet sich zum Teil auch in heutigen Vorstellungen (soweit ich das als Laie überblicke).
Zum einen äußert sich Darwin nicht “nur” in diesen dreieinhalb Seiten zum Thema, sondern auch an vielen anderen Stellen in seinen Büchern (nur ein Beispiel: er behandelt Devotion als Anbetung auch in seinem Buch über Emotionen bei Tieren und Menschen). Und, ja, mein Kapitel in “Das Prinzip Evolution” misst Aussagen von ihm am heutigen Kenntnisstand. Und da war er an einigen Punkten seiner Zeit weit voraus, in anderen lag er daneben (z.B. in der Abwertung der Frau oder dem Übersehen des Reproduktionsvorteils).
Und über einen Reproduktionsvorteil der Gläubigen schreibt er auch nichts (was irgendwie auch nahe liegt, da er als Agnostiker ja ‘ne Menge (zehn?) Kinder gezeugt hat ;-).
Oh, als sich Darwin für Ehe und Kinder entschied, war er noch ein frommer Mann. Und wir wissen dies deswegen so genau, weil er seine Entscheidungsfindung – inklusive Gottesanrufung – schriftlich hinterlassen hat. 🙂 Eine kostenlose Leseprobe dazu aus “Gott, Gene und Gehirn” zum Thema finden Sie hier:
http://www.chronologs.de/…s-gott-gene-und-gehirn
Ich fürchte, Sie sind da der christlich-monotheistischen Propaganda aufgesessen 😉
Keineswegs – sondern z.B. Nietzsche, der ja in der deutschen Geistesgeschichte vom “Übermenschen” träumte und genau wusste und formulierte, dass dies nur gegen die christlichen Traditionen durchzusetzen sei. Schade, dass der heutige Antitheismus kaum mehr über die klassische Bildung verfügt wie ein Nietzsche, Voltaire etc. Heute sind diese Diskussionen vielleicht oft lustiger, aber leider meist auch unhistorischer und flacher.
@Sebastian
Spannend. Wenn ich Sie richtig verstehe, würden Sie also den Evolutionsprozess als Offenbarung (auch) einer höheren Wahrheit verstehen, die das einzelne religiöse Ereignis (z.B. das Leben eines Religionsstifters) einerseits einschließt, aber andererseits auch in größere Zusammenhänge mitnimmt… Coole Gedanken, und einige Kapitel des o.g. Buches könnten zu Ihren Überlegungen passen.
@Michael Blume
Nun, das sind jedenfalls, soweit ich weiß, die Ansichten von Hick und Ditfurth 🙂
Mir persönlich kommen diese Gedanken sehr entgegen, aber ich möchte mich auch noch nicht zu früh auf bestimmte Meinungen/Interpretationen festlegen. Wer weiß, was wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch alles herausfinden… 😉
@Michael Blume
» Es freut mich ungemein, dass Sie hier über die Religionswissenschaft neue Seiten Darwins kennenlernen! 🙂 «
Sagen wir mal so: angeregt durch Ihren Blog habe ich mich erheblich mehr mit Darwins Schriften beschäftigt, als ich es sonst wohl getan hätte (Danke dafür! :-)). Schließlich musste ich ja überprüfen, ob Ihre Lesart von Darwins Texten schlüssig ist, wenn sie von dem abwich, was ich über Darwin gelesen hatte. Vermutlich liest man ohne religionswissenschaftlichen Hintergrund Darwins Texte ohnehin ein bisserl anders als Sie es tun (z.B. hätte ich unter ‘devotion’ nicht “Anbetung” verstanden, auch wenn es schon in diese Richtung geht—überhaupt scheint mir diese Passage evolutionstheoretisch wenig ergiebig zu sein).
Auf meinen Satz: “Soweit ich weiß hat Darwin sein Evolutionsprinzip “natural selection” nicht auf rezente menschliche Gesellschaften und soziale Gruppen bezogen”, haben Sie geantwortet: “Selbstverständlich hat er das.”
Nun, Darwin war doch der Auffassung, dass der Einfluss der “natürlichen Selektion” bei zivilisierten Völkern gering sei. Demzufolge wäre es doch merkwürdig, wenn er dieses Evolutionsprinzip (“struggle for life”) für die Entwicklung und den Fortbestand von ganzen sozialen Gruppen für relevant gehalten hätte. Zwar meinte er, dass sich die intelligenten Individuen langfristig durchsetzen würden (ungeachtet der “Irländer”), aber ich würde die Intelligenten jetzt nicht als eine echte soziale Gruppe bezeichnen.
» Oh, als sich Darwin für Ehe und Kinder entschied, war er noch ein frommer Mann. «
Da würde ich an Ihrer Stelle noch mal genau die Quellen überprüfen. Andere behaupten nämlich, dass er sich vor der Heirat, ehrenhaft wie er war, zu seiner Ungläubigkeit bekannt hat. Was Emma angeblich fast das Herz gebrochen hätte…
» Schade, dass der heutige Antitheismus kaum mehr über die klassische Bildung verfügt wie ein Nietzsche, Voltaire etc. «
Ja, finde ich auch ;-)… Aber beim heutigen Theismus sieht’s auch nicht viel besser aus. Wirklich schade… 🙂
@Balanus: Quellen, bitte! 🙂
Lieber @Balanus,
danke, es freut mich sehr, dass Ihnen dieser Blog etwas bringt! Und ist es nicht interessant, dass sich auch in Sachen Charles Darwin offenkundig ganz unterschiedliche, auch atheistische “Heiligenbiografien” entwickelt haben? Darwinisten sind halt auch geschichts(um?)deutende Menschen! 😉
So schreiben Sie: Nun, Darwin war doch der Auffassung, dass der Einfluss der “natürlichen Selektion” bei zivilisierten Völkern gering sei. Demzufolge wäre es doch merkwürdig, wenn er dieses Evolutionsprinzip (“struggle for life”) für die Entwicklung und den Fortbestand von ganzen sozialen Gruppen für relevant gehalten hätte. Zwar meinte er, dass sich die intelligenten Individuen langfristig durchsetzen würden (ungeachtet der “Irländer”), aber ich würde die Intelligenten jetzt nicht als eine echte soziale Gruppe bezeichnen.
Auch wenn es Ihnen vielleicht aus heutiger Sicht nicht zusagt – genau das schrieb Darwin in seiner “Abstammung des Menschen”:
“Bei hoch civilisirten Nationen hängt der beständige Fortschritt in einem untergeordneten Grade von natürlicher Zuchtwahl ab; denn derartige Nationen ersetzen und vertilgen einander nicht so, wie es wilde Stämme thun. Nichtsdestoweniger werden in der Länge der Zeit die intelligenteren Individuen einer und derselben Genossenschaft besseren Erfolg haben, als die untergeordneteren, und werden auch zahlreichere Nachkommen hinterlassen: und dies ist eine Form der natürlichen Zuchtwahl.
http://de.wikisource.org/…I/F%C3%BCnftes_Capitel
Das ist doch wohl recht eindeutig…
Und in anderen Passagen im gleichen Kapitel wird es nicht nur gruppenbezogen, sondern geradezu sarrazinisch – wobei Darwin hier sogar religiöse Merkmale erwähnt!
“Oder, wie Mr. Greg den Fall darstellt: „der sorglose, schmutzige, nicht höher hinaus wollende Irländer vermehrt sich wie die Kaninchen; der frugale, vorausdenkende, sich selbst achtende ehrgeizige Schotte, welcher streng in seiner Moralität, durchgeistigt in seinem Glauben, gescheidt und disciplinirt in seinem Wesen ist, verbringt die besten Jahre seines Lebens im Kampfe und im Stande des Cölibats, heirathet spät und hinterlässt nur wenig Nachkommen. Man nehme ein Land, welches ursprünglich von tausend Sachsen und tausend Celten bevölkert gewesen sei; und nach einem Dutzend Generationen werden 5/6 der Bevölkerung Celten sein, aber 5/6 des Besitzes, der Macht und des Intellects werden dem einen übrig gebliebenen Sechstel der Sachsen angehören. In dem ewigen Kampfe um’s Dasein wird die untergeordnete und weniger begünstigte Kasse es sein, welche vorherrscht und zwar vorherrscht nicht kraft ihrer guten Eigenschaften, sondern kraft ihrer Fehler“.
Sie können sich ja, wenn Sie wollen, in diesen Punkten – Vergleich von zeitgenössischen Gruppen, Merkmalen, Reproduktionsunterschieden etc. – von Darwin distanzieren. Aber Sie sollten m.E. nicht einfach leugnen, dass er geschrieben hat, was er geschrieben hat.
Und weiter fragten Sie: Da würde ich an Ihrer Stelle noch mal genau die Quellen überprüfen. Andere behaupten nämlich, dass er sich vor der Heirat, ehrenhaft wie er war, zu seiner Ungläubigkeit bekannt hat. Was Emma angeblich fast das Herz gebrochen hätte…
Die Quellen, auf die auch ich mich beziehe, sind u.a. Darwins eigene Aufzeichnungen, die im Nachlass erhalten sind, und in denen er für sich (und nicht für Emma) zwischen Ehe und Nichtehe abwägt und dabei mehrfach Gott anruft… Ebenso ist belegt, dass er noch viele Jahre gemeinsam mit seiner Frau Gottesdienste besuchte. Vgl. “Annies Schatulle” von Randal Keynes, einem Urenkel.
http://www.amazon.de/…he-Evolution/dp/3870244992
Wer sind denn dagegen nun also diese ominösen “Anderen”, die “behaupten”, Darwin wäre schon agnostisch gewesen – und auf welche Quellen stützen diese sich? Da Sie von mir mal eben locker einfordern, Quellen nochmal zu überprüfen, darf ich doch wohl umgekehrt um klare Beleg- und Quellenangaben bitten, wenn Sie eine alternative Geschichtsdeutung entwerfen!? 😉
Beste Grüße!
@Michael Blume
» Aber Sie sollten m.E. nicht einfach leugnen, dass er geschrieben hat, was er geschrieben hat. «
Meine Aussagen zu Darwin beziehen sich genau auf die Passagen, die Sie jetzt freundlicherweise zitieren.
“Bei hoch civilisirten Nationen hängt der beständige Fortschritt in einem untergeordneten Grade von natürlicher Zuchtwahl ab; …”
(Das unterscheidet uns halt von den “Wilden” ;-).
Oder hier:
“Was einen erhöhten Maassstab der Moralität und eine vermehrte Anzahl gehörig gut begabter Menschen betrifft, so scheint bei civilisirten Nationen die natürliche Zuchtwahl nur wenig zu bewirken, trotzdem die fundamentalen socialen Instincte ursprünglich hierdurch erlangt wurden.”
Im Übrigen fände ich es verwunderlich, wenn Darwin sich _keine_ Gedanken zu den aktuellen demographischen Entwicklungen gemacht und diese diskutiert hätte. Wie z.B. hier im Anschluss an Gregs “der sorglose, schmutzige, nicht höher hinaus wollende Irländer vermehrt sich wie die Kaninchen …”:
“Es sind indessen mehrere Hemmnisse gegen diese nach abwärts strebende Bewegung vorhanden. Wir haben gesehen, dass die Unmässigen einem hohen Sterblichkeitsverhältniss unterliegen und dass die im höchsten Grade Lüderlichen wenig Nachkommen hinterlassen. Die ärmsten Classen häufen sich in Städten an und Dr. STARK hat nach den statistischen Ergebnissen von zehn Jahren in Schottland bewiesen, dass auf allen Altersstufen das Sterblichkeitsverhältniss in Städten höher ist als in ländlichen Bezirken, ; …” … und so fort.
(Was die Vermehrung à la Kaninchen betrifft, da konnte Darwin ja durchaus mithalten)
Kurz: Dass das Prinzip Natürliche Selektion mit der Zivilisation nicht einfach aufhört, hat Darwin klar gesehen. Aber ganz offensichtlich postuliert er keine relevante “natürliche Zuchtwahl” zwischen sozial definierten Gruppen (so in dem Sinne: Die “Irländer” [oder die “Unmässigen”] werden die Erde erben. Oder: Der “Irländer” ist das Ergebnis der natürlichen Zuchtwahl und evolviert noch heute sehr erfolgreich).
» Wer sind denn dagegen nun also diese ominösen “Anderen”, die “behaupten”, Darwin wäre schon agnostisch gewesen – und auf welche Quellen stützen diese sich? «
Vielleicht war Darwin 1839 noch kein ausgereifter Agnostiker, aber “fromm” war er gewiss nicht. Ich stütze mich da auf sehr schöne ;-), aber leider nur sekundäre Quellen :
Benjamin Wiker, Discovery Institute, 2009:
Und hier: http://www.freethoughtpedia.com/wiki/Charles_Darwin
Ergiebiger ist sicherlich diese Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin%27s_religious_views
Beste Grüße zurück und viel Spaß beim weiteren Primärquellenstudium!
@Michael Blume
Meine Antwort ist mal wieder im Anti-Spam-Filter hängen geblieben. Ich weiß zwar, dass hier ist die Wissenschaftssprache Deutsch ist, aber ich versuche es trotzdem immer wieder ;-).
(Ist auf SciLogs.eu die Spam-Sprache eigentlich Deutsch?)
@Michael Blume
Ich bin wegen der Aussagen von Charles Darwin etwas ratlos, denn in Deinem Zitat heißt es: “Oder, wie Mr. Greg den Fall darstellt: „der sorglose, schmutzige, nicht höher hinaus wollende Irländer vermehrt sich wie die Kaninchen; der frugale, vorausdenkende, sich selbst achtende ehrgeizige Schotte, welcher streng in seiner Moralität, durchgeistigt in seinem Glauben, gescheidt und disciplinirt in seinem Wesen ist, verbringt die besten Jahre seines Lebens im Kampfe und im Stande des Cölibats, heirathet spät und hinterlässt nur wenig Nachkommen. Man nehme ein Land, welches ursprünglich von tausend Sachsen und tausend Celten bevölkert gewesen sei; und nach einem Dutzend Generationen werden 5/6 der Bevölkerung Celten sein, aber 5/6 des Besitzes, der Macht und des Intellects werden dem einen übrig gebliebenen Sechstel der Sachsen angehören. In dem ewigen Kampfe um’s Dasein wird die untergeordnete und weniger begünstigte Kasse es sein, welche vorherrscht und zwar vorherrscht nicht kraft ihrer guten Eigenschaften, sondern kraft ihrer Fehler.”
Die Schotten stammen doch zum großen Teil selber von den Kelten ab, “Sachsen” waren die Engländer. Warum schreibt er das, wollte er hier nur jemanden schmeicheln? M.E. taugen solche Argumente nicht als wissenschaftliche Grundlage, denn über die Frauen hat er ja ähnlich diffamierende Dinge gesagt. Außerdem sollte man auch die politischen Verhältnisse jener Zeit berücksichtigen.
Du schreibst an @Balanus: “Wer sind denn dagegen nun also diese ominösen “Anderen”, die “behaupten”, Darwin wäre schon agnostisch gewesen – und auf welche Quellen stützen diese sich?”
Das sind die Katholiken, die in dieser Frage zu anderen Ergebnissen kamen.
Nachtrag
Siehe dazu auch das Buch von Franz Stuhlhofer (Mitglied der evangelikalen Freikirche Wien) “Weltreise zum Agnostizismus”.
@Balanus
Nun, Sie nehmen mir das Wort aus dem Munde – Darwin erkennt in den von Ihnen zitierten Sätzen an, dass in “zivilisierten” Gesellschaften “natürliche Selektion” nicht mehr primär über das Überleben, sondern über Reproduktionsunterschiede funktioniert! Sie müssen nur seine je folgenden Sätze dazu lesen, lieber @Balanus! 🙂
Und zu Ihren “schönen Quellen” ein kleiner Tip: Das von Ihnen lobend zitierte Discovery Institute ist eben gerade keine seriöse Quelle, sondern ein führender Think-Thank des fundamentalistischen Kreationismus! Natürlich wollen diese (wie auch ihre Counterparts, atheistische Extreme) Darwin als frühen Atheisten hinstellen. Denn zuzugeben, dass ein (noch) Glaubender die Evolutionstheorie entdeckt hätte, wäre ja ein Gegenargument gegen ihre These, wonach die Evolutionstheorie widergöttlich sei. (Lebenslang glaubende Befürworter der Evolutionstheorie wie Alfred Russel Wallace und Antoinette Brown Blackwell ignorieren sie natürlich gleich ganz.)
Ich nehme jetzt einfach mal an, dass Sie den Hintergrund Ihrer Quellen nicht gekannt haben und rege an, dass Sie sich bei Interesse vielleicht mit ernsthaften Darwin-Biographien auseinandersetzen. Beste Grüße! 🙂
@Mona
Inhaltlich besteht da kein Widerspruch – Darwin war ein Mann seiner Zeit, der unglaublich Geniales und eben auch Falsches formuliert hat. Was wir jedoch seit Jahrzehnten beobachten sind ärgerliche Versuche, ihn nachträglich umzuschreiben: Beispielsweise versuchen sowohl religiös-fundamentalistisch wie antitheistische Leute ihm nachträglich anzudichten, er habe früh seinen Glauben verloren und Evolutionstheorie und Glauben für unvereinbar gehalten. Andere ignorieren seine Überlegungen zur Evolution auf Gruppenebene oder zur Evolution von Religiosität usw. Sein Mitentdecker Alfred Russel Wallace wird entweder völlig ignoriert oder zum Gegen-Darwin aufgebauscht, von der Verdrängung von Antoinette Brown Blackwell habe ich ja auch bereits geschrieben. Jeder backt sich so den Darwin, den er für seine pro- oder contra-“darwinistische” Argumentation braucht, die Ergebnisse differenzierter Forschung stören da manchen nur.
Die Aufgabe seriöser Wissenschaft muss es dagegen sein, den echten Menschen in seinem Umfeld samt seiner biografischen und wissenschaftlichen Brüche zu schildern und sowohl Stärken wie Schwächen herauszuarbeiten. Dafür trete ich ein. Und empfehle auch meinen Studierenden, bei so grundlegenden Themen nicht nur Internetrecherchen zu machen, sondern auch echte, seriöse Bücher (wie das erwähnte “Annie’s Schatulle”) zur Hand zu nehmen.
Zitat @Michael Blume
“Inhaltlich besteht da kein Widerspruch – Darwin war ein Mann seiner Zeit, der unglaublich Geniales und eben auch Falsches formuliert hat.”
Ich sehe da sehr wohl einen Widerspruch, denn wenn Darwin von falschen Prämissen ausging ist die ganze Argumentation nichts wert.
@Michael Blume
» Ich nehme jetzt einfach mal an, dass Sie den Hintergrund Ihrer Quellen nicht gekannt haben…«
Sorry, ich hätte deutlicher darauf hinweisen können, dass mir der Hintergrund der ersten beiden Quellen durchaus bewusst ist (mein “;-)” hinter “sehr schöne” und die Erwähnung des Discovery Instituts waren als Hinweise wohl zu wenig).
Trotzdem wäre eine Widerlegung der dort gemachten Aussagen überzeugender gewesen als die bloße Wertung “nicht seriös”. Und dann gab es ja noch die dritte, recht seriöse Sekundärquelle, auf die Sie aus Zeitmangel leider nicht eingehen konnten.
Dann stimmt es nach Ihren Quellen also nicht, dass Robert Darwin seinem Sohn Charles den Rat gegeben habe, er solle seine Glaubenszweifel seiner zukünftigen Frau offenbaren. Und der auf Wikipedia zitierte Brief Emmas an Charles (http://www.darwinproject.ac.uk/entry-441) wäre demnach wohl als Fälschung zu werten.
Nein, lieber Michael, da müssen Sie schon ein bisschen mehr beibringen (nicht hier im Blog, überhaupt) als die von Darwin gebrauchten Redewendungen mit Gott, Himmel, Allmächtiger usw. und seine Beibehaltung bestimmter religiöser Rituale wie etwa Gottesdienstbesuche (schließlich war seine Frau tief gläubig).
An Monas Adresse schrieben Sie:
» Andere ignorieren seine [Darwins] Überlegungen zur Evolution auf Gruppenebene oder zur Evolution von Religiosität usw. «
Vielleicht zählen Sie mich auch zu diesen anderen. Deshalb ein Wort dazu:
Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass man Überlegungen darüber anstellt, ob und inwiefern bestimmte demographische Entwicklungen für die Evolution des Menschen von Bedeutung sind oder sein können. Das ist völlig legitim. Für mich wird es erst dann kritisch, wenn eine sozial definierte Gruppe als eine (womöglich noch “erfolgreiche”) Einheit der Evolution betrachtet wird. Wenn Darwin das getan hat (wovon ich keineswegs überzeugt bin), dann lag er damit m.E. falsch. Wie mit einigen anderen Dingen auch (z.B. mit seinen lamarckistischen Annahmen oder eben dort, wo er von einem evolutionsbedingten “Fortschritt” spricht).
Was die Evolution der Religiosität (definiert gemäß Darwin) betrifft, so kann ich den bislang zitierten oder selbst gefundenen Textstellen nur entnehmen, dass Darwin die evolutionäre Entwicklung dieser Fähigkeit in der Urzeit verortet, so dass alle rezenten Menschen diese Fähigkeit (an übernatürliche Akteure glauben oder sie sich zumindest vorstellen zu können) besitzen. Die späteren Entwicklungen der Religionen bis hin zum Monotheismus sind laut Darwin aber nicht auf die natürliche bzw. geschlechtliche Zuchtwahl zurückzuführen.
Das scheint mir ein wesentlicher Unterschied zu den Auffassungen der modernen evolutionären Religionswissenschaft zu sein.
Schlusswort: Würde Darwin heute leben und wissen wollen, welche evolutionären Veränderungen es in den letzten 10.000 Jahren in der Menschheit gegeben habe, ich glaube, er würde einen Genetiker fragen und nicht einen Kulturwissenschaftler.
Neue Fragen
Lieber Michael Blume,
leider hat Ihre Antwort (statt meine Frage zu beantworten) nur neue Verwirrungen hervorgerufen.
Ich habe mit meiner Frage nicht die Tatsache eines religiösen Marktes in Frage gestellt, sondern den Zusammenhang mit der Evolutionstheorie. Diesen kann ich nicht erkennen.
Auch ging es ja nicht um Religionsfreiheit oder die Freiheit, nicht zu glauben, sondern um den Wettbewerb der Religionen untereinander. Und dort hat der Nicht-Glaube eben nichts zu suchen. Es sei denn, wir machen daraus einen Wettbewerb der Weltanschauungen. Aber das ist ja eine andere Fragestellung.
Dazu kommt für mich die Unklarheit im Umgang mit dem Begriff “religiöse Gemeinschaften” – manchmal beziehen Sie ihn auf Kommunen und Aussteiger, manchmal auf alle Kirchen und Sekten. Und da Sie den Vergleich zu nicht religiös, sondern politisch (besser eigentlich: gesellschaftskritisch) motivierten Gemeinschaften suchen (und hier wahrscheinlich solche wie etwa die Kommune 1 meinen und nicht etwa Nordkorea), bin ich vollends verwirrt.
Ich muss auch gestehen, dass ich Unterschiede in den Staatsbegräbnissen nicht wirklich erkennen kann oder zumindest nicht verstehe, worauf Sie dabei hinaus wollen. Ist es nicht egal, welche Form von Gottesglaube damit verbunden wird, wenn der so Beschenkte Atheist war? Und welchen Einfluss soll die Religionsvielfalt darauf haben?
Ich sehe da keine Zusammenhänge und habe mehr Fragen und Verwirrungen denn je …
@Balanus
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich es nicht für hilfreich halte, mich mit eilig zusammengeklaubten Zitaten aus fundamentalistischen Websiten auseinander zu setzen. Das Internet ergänzt, ersetzt aber keine seriösen Recherchen, lieber @Balanus. Wissenschaftliche Bücher behalten ihren Wert.
Die von Ihnen zitierten Briefe dagegen betonen doch genau den seriösen Konsens: Dass Darwin als junger Mann zeitweilig sehr bibelfromm war und während seines Lebens zunehmende Glaubenszweifel (zunächst an einzelnen, theologischen Lehren, später an Gottes Existenz) hatte, die ihn schließlich in höherem Alter zur Selbsteinschätzung als Agnostiker brachten. Und dass er mit seiner Frau Emma von Anfang an und ein Leben lang über diese Fragen im Dialog stand. Dass diese wachsenden Glaubenszweifel ein Thema waren, die Hochzeit ggf. hätten gefährden können und dass ihm empfohlen wurde, sie gegenüber Emma nicht anzusprechen, ist Wasser auf die Mühlen der Gretchenfrage-Hypothesen! 🙂
http://www.chronologs.de/…-religi-se-frauen-dumm
Darwins Leben ist sehr spannend und differenziert und eignet sich nicht für die Vereinnahmung durch je religiöse oder atheistische Extreme. Die wir Wissenschaftler m.E. viel zu lange zugelassen haben. Und endlich überwinden sollten.
Ihrer nun endlich auch kritischen Auseinandersetzung mit Inhalten Darwins kann ich nur zustimmen. Wobei ich ihm z.B. dabei Recht geben würde, dass Religiosität biologisch veranlagt ist, aber auch in seinen sozialen Formen (z.B. Religionsgemeinschaften) kulturell ausgeprägt wird. Ich kenne auch keinen Religionswissenschaftler, der das anders sieht.
An Ihrem “Schlusswort” melde ich freilich Zweifel an. Der studierte Theologe Charles Darwin sprach sich schon in seiner Abstammung des Menschen für die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Natur- und Kulturwissenschaftlern aus, letztere reichlich zitierend (z.B. im Hinblick auf die Evolution der Sprache). Mal locker zu behaupten, das würde er heute ganz anders sehen, halte ich – mit Verlaub – für recht verwegen! Die menschliche Evolutionsgeschichte entfaltet sich mindestens seit Jahrhunderttausenden in einer Wechselwirkung aus biologischen Veranlagungen und kulturellen Formen und kann entsprechend auch nur interdisziplinär sinnvoll erforscht werden. Denken Sie nur an den auch biologischen Einfluss des Kulturgutes “Feuer”!
http://www.chronologs.de/…t-von-feuer-und-flamme
@Mona
Nun, in der empirischen Wissenschaft ist die Falsifizierung von Hypothesen der Normalfall und niemand, der je wissenschaftlich gearbeitet hat, ist davon gefeit. So sind heutige Physiker viel weiter als es Newton war – und ehren ihn dennoch als einen der ganz Großen seiner Zeit.
Ebenso wusste Darwin z.B. noch nichts von Genen und unterschätzte die Rolle der Frau. In seinen Büchern finden sich abertausende verschiedener Hypothesen, von denen manche bewährt und andere widerlegt sind. Gerade aber sein Grundentwurf der Evolutionstheorie hat sich als außerordentlich erfolgreich erwiesen. Zugleich hat er nie den Anspruch erhoben, unfehlbar zu sein.
@Ralph Würfel: Evolution und Ökonomie
Es tut mir wirklich Leid, wenn ich mich nicht verständlich machen konnte. Meine Fähigkeiten wie auch die Möglichkeiten von Blogs sind sicher begrenzt. Und zumal ich zu jedem der angesprochenen Themen (z.B. Religion & Wettbewerb) hier auch schon eigene Blogbeiträge gepostet habe, kann ich es aus Zeitgründen auch nicht unendlich oft versuchen. Wenn Sie der Zusammenhang von Ökonomie und Evolutionsforschung vertieft interessiert, so kann ich “The Fatal Conceit” von F.A. von Hayek empfehlen. Oder auch die neuere Diskussion zwischen Ökonomen und Biologen:
http://scienceblogs.com/…evolution_as_dif_11.php
Ein verbindendes Thema sind z.B. Fragen der Selbstorganisation und ein ergiebiges Bindeglied z.B. die (z.T. experimentelle) Spieltheorie. Da ist viel im interdisziplinären Werden!
@Michael Blume
Warum nicht gleich so? 😉
» Dass diese wachsenden Glaubenszweifel ein Thema waren, die Hochzeit ggf. hätten gefährden können und dass ihm empfohlen wurde, sie gegenüber Emma nicht anzusprechen, ist Wasser auf die Mühlen der Gretchenfrage-Hypothesen! «
Hätten Sie dieses sinngemäß schon vorgestern geschrieben (statt: “Oh, als sich Darwin für Ehe und Kinder entschied, war er noch ein frommer Mann.”), hätten wir ‘ne Menge Zeit gespart. Aber ist schon interessant, wie wichtig die (fehlende) Religiosität Darwins manchen ist (ich denke da an ID-Anhänger etc.). Ich selbst fand das ja nur im Zusammenhang mit Darwins Zeugungsfreudigkeit und den diesbezüglichen Thesen der ERW bemerkenswert.
Was die Gretchenfrage anbelangt: Offenbar sind letztlich andere Dinge doch wichtiger, selbst bei einer so frommen Frau wie Emma Wedgwood.
Dass Sie bei meinem Schlusswort schon wieder Zweifel anmelden, war ja fast zu erwarten. Ich will keineswegs die Bedeutung der Kulturwissenschaften klein reden und hier auch kein neues Fass aufmachen, aber ich denke schon, dass Darwin als Entdecker der natürlichen Selektion den evolutionären Wandel mehr in den Genen als in den Köpfen der Menschen vermuten würde. Ist doch logisch… 😉
(Wobei sich die Frage, unter welchen natürlichen und kulturellen Umweltbedingungen dieser Wandel stattgefunden hat, quasi von selbst ergibt.)
Ich würde gerne noch einmal zum Ausgangspunkt der Diskussion zurückkehren. Würden Sie mir denn zustimmen, dass Darwin selbst nur wenig mit der Lehre des Sozialdarwinismus zu tun hat? Dieses eine Kapitel, wo er sich recht differenziert der Frage der natürlichen Selektion bei hoch zivilisierten Völkern widmet, kann ja doch wohl kaum als sozialdarwinistisches Programm gelesen werden, oder?
Darwin als Sinnsucher
Lässt man einmal die vielen Äußerlichkeiten außer Acht, so könnte doch Darwin, wie so viele Menschen, schlicht einen Sinn hinter dem Ganzen gesucht haben. Die Kirche seiner Zeit hat ihm mit ihrem rigiden Weltbild wahrscheinlich wenig Hilfe geboten.
Wer Sie einmal viel Zeit übrig hat, der kann hier ein interessantes Buch lesen: Charles Darwin – ein Leben/Autobiographie, Briefe, Dokumente:
http://mirror.lib.unair.ac.id/…,%20Dokumente.pdf
@Balanus, Mona
Freut mich, dass ein differenzierteres Darwin-Bild angekommen ist! Und erneut möchte ich hier – wie auch in meinem o.g. Kapitel, in dem ich seine wachsenden Glaubenszweifel ebenfalls thematisiere – darauf hinweisen, dass der lange, qualvolle Tod seiner Tochter Annie eine große Rolle bei seinem Agnostizismus gehörte. Auch das Leid in der Natur ließ ihn an einem gütigen Schöpfergott zweifeln, ohne dass er je bestritt, dass Evolution und Theismus grundsätzlich vereinbar wären. Seine persönliche Entwicklung finde ich nachvollziehbar und möchte da durchaus um ein wenig Respekt vor den Lebensläufen von Menschen werben, deren Lebens- und Glaubenshaltungen reicher als “An-Aus” ausgeprägt sind… @Monas Annahme einer lebenslangen Sinnsuche trifft m.E. Darwins reiches, inneres Leben besser als jede einseitige Kategorisierung, wie sie religiöse und atheistische Extreme propagieren.
Die Frage von Darwin und Sozialdarwinismus ist in der Tat spannend und gibt genug Stoff für dann mal einen eigenen Blogbeitrag.