Warum verschließt man aktive Vulkane nicht einfach?

Der Ausbruch des Mount St. Helens am 18. Mai 1980. USGS

warum das Verstopfen eines aktiven Vulkans wohl keine gute Idee wäre

Screenshot eines Tweets mit der Frage, ob es vielleicht eine gute Idee wäre, Vulkane einfach mit Beton zu verstopfen
Screenshot eines Tweets mit der Frage, ob es vielleicht eine gute Idee wäre, Vulkane einfach mit Beton zu verstopfen

Vor einiger Zeit tauchte auf Twitter folgender Screenshot auf. Darin stellt ein User in einem Chat die Frage, warum man aktive Vulkane nicht ganz einfach mit Beton oder schweren Blöcken verstopft und damit verhindert, dass die Lava austritt.

Natürlich wurde sich darüber lustig gemacht (und ich bin da auch keine rühmliche Ausnahme). Aber wenn man länger darüber nachdenkt, ist die Frage weit weniger dumm, als sie auf den ersten Blick erscheint. Fragen sind ja weit seltener dumm als die Antworten, die darauf gegeben werden. Und sie ist eine prima Gelegenheit, einmal über die Ausbruchsmechanismen von Vulkanen zu reden. Daher will ich hier mal etwas weiter ausholen. Und ich will erläutern, warum man genau das nicht tut. Nämlich Vulkane einfach zustopfen, um sie am Ausbruch zu hindern. Abgesehen davon ist flüssige Lava nicht die Hauptgefahr bei Vulkanen.

Warum brechen Vulkane aus?

Zuerst müssen wir die Frage beantworten, warum Vulkane ausbrechen. Was bewirkt, dass flüssiges Gestein aus den Tiefen der Erde an die Oberfläche tritt? Hier können zwei Phänomene als Ursachen auftreten. Zum einen ist geschmolzenes Material, Magma, oftmals weniger Dicht als dasselbe Material im festen Zustand. Das bedeutet, dass zum Beispiel geschmolzenes Gestein in der Tiefe durch die Auflast der darüber lagernden Gesteine an die Oberfläche gedrückt wird. Das ist im Falle der Erde aber nicht so trivial, wie es sich anhört. Denn die Erdkruste besteht aus unterschiedlichen Gesteinen, die sich durchaus durch ihre jeweilige Dichte unterscheiden. Und dasselbe gilt auch für geschmolzene Gesteine. Auch hier kann es, je nach deren Zusammensetzung, zu unterschiedlichen Dichten kommen.

Hinzu kommt, dass Magma auch größere Mengen an Gas gelöst haben kann. Dessen Löslichkeit steigt mit zunehmendem Druck. Oder sie sinkt eben mit abnehmendem Druck. Und hier kommen wir der Sache langsam näher. In unserem Magma sind größere Mengen an Gas gelöst, meist handelt es sich hier um Wasser, Kohlendioxid, CO₂ und Schwefeldioxid, SO2. Wenn unser Magma nun langsam aufsteigt, kommt irgendwann die Schwelle, an dem das Magma übersättigt wird und die überschüssigen Gase ausperlen. Das Ganze kann man sich so ähnlich vorstellen wie eine Flasche voll Sprudel, die man heftig schüttelt. Die austretenden Gase sorgen dafür, dass unser Magma immer schnelle nach oben gedrückt wird. Und je geringer dabei der umgebende Druck wird, desto mehr Gase perlen aus, wodurch wieder der Druck steigt.

Steigender Druck

Die Gasblasen im Magma wachsen während des Aufstiegs durch die Aufnahme weiterer Gase oder kleinerer Blasen schnell an. Was dann passiert, hängt von mehreren Faktoren ab. Wenn unser Magma relativ dünnflüssig ist und der Schlot weitgehend frei, dann wird alles relativ sanft aus dem Schlot gedrückt und das geschmolzene Gestein tritt als Lava an die Oberfläche.

Wenn unser Magma hingegen zäh ist, dann kann das schon etwas anders aussehen. Zum einen kann das gelöste Gas nicht so ohne weiteres aus dem Magma entweichen. Außerdem stellt das zähe Magma ein Hindernis für die Gase auf dem Weg in die Freiheit der Atmosphäre dar. Dadurch kann der Druck im Inneren des Vulkans stark anwachsen.

Wenn wir Pech haben, hat vielleicht doch jemand unseren Vulkanschlot verstopft. Nein, sicher nicht mit einem Pfropf aus Beton, aber vielleicht mit etwas Ähnlichem. Es kann passieren, dass bei einem früheren Ausbruch der Vulkanschlot nicht komplett frei blieb und dass als ein Pfropf aus alter Lava den Schlot verstopft. Und unten drücken immer stärker die ausperlenden Gase. Da stellt sich die Frage, wie lange das wohl gutgehen kann.

Mt St. Helens

Meist geht das auch nicht lange gut. Der ansteigende Druck und das Volumen des aufsteigenden Magmas lässt den Vulkan anschwellen. Ein schönes Beispiel ist der Ausbruch des Mt. St. Helens vom 18. Mai 1980.

Hier hatte sich ein rund 2,4 Kilometer durchmessender Bereich der nördlichen Flanke des Vulkans aufgebläht, und die Wölbung wuchs bis Anfang Mai täglich um bis zu 1,8 m. Dadurch wuchs das Volumen des Vulkans um 125 Mio. m³. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Flanke des Berges dem enormen Druck in ihrem Inneren nachgab und schließlich abrutschte.

Dieser Zeitpunkt trat am 18. Mai 1980 ein. Ein Erdbeben der Magnitude 5.1 erschütterte den Berg und ließ die nördliche Flanke abrutschen. Das im Inneren befindliche Magma wurde auf einen Schlag entlastet und reagierte wie eine gut geschüttelte Champagnerflasche, der man den Korken zieht. Die resultierende Explosion schleuderte die letzten Ausläufer des Erdrutsches in Richtung Norden und beschleunigte überhitzte Gase und Gesteinsfragmente in einem enormen pyroklastischen Strom auf 350, möglicherweise sogar 1080 Kilometer pro Stunde. Druckwelle und pyroklastischer Strom hatten am Ende ein Gebiet von 37 Kilometern Breite und 30 Kilometern Länge verwüstet und 37 Menschen getötet.

Strukturelle Probleme bei Vulkanen

Zumindest bei Vulkanen mit einer sehr zähflüssigen Lava ist es also nicht unbedingt ratsam, den Schlot absichtlich zu verstopfen. Vulkane sind, anders als beispielsweise Sektflaschen, nämlich absolut nicht darauf ausgelegt, hohen Druck zu ertragen. Wobei die mit dünnflüssiger Lava auch nicht stabiler gebaut sind.

Schaut man sich den Aufbau eines “typischen” Vulkans an, so kann man das sicher nachvollziehen. Nehmen wir als Beispiel einen Stratovulkan, der in der Regel aus Lagen von Lava und Aschen aufgebaut ist. Meist wechseln sich die Schichten aus Aschen, also lockeren vulkanischen Gesteinen, die bei explosiveren Ausbrüchen ausgestoßen werden, mit Lagen aus Lava ab. Hier ist flüssiges Gestein größtenteils über die Aschenlagen vorhergegangener Ausbrüche geflossen. Man kann sich unschwer vorstellen, dass die Druckfestigkeit eines derartig aufgebauten Berges nicht übermäßig hoch sein dürfte. Das bessert sich auch nicht, wenn man den hauptsächlich aus Laven aufgebauten Typ eines Schildvulkans als Beispiel nimmt.

Manche Vulkane, zumal die auf Inseln, sind zudem auch aufgrund ihrer Hangneigung instabil. Sie drohen, unter ihrem eigenen Gewicht auseinanderzubrechen. Der Ätna etwa ist hier ein gutes Beispiel, ebenso der Mouna Loa auf Hawaii. Dadurch ist das Vulkangebäude von Schwächezonen durchzogen.

Fazit

Vulkanausbrüche wie am Mt. St. Helens oder anderen hochexplosiven Vulkanen zeigen, dass hier ein absichtliches Verstopfen des Schlots nicht zu mehr Sicherheit für die in der Umgebung wohnenden Menschen führt. Im Gegenteil wäre vermutlich besser, den Druck im Inneren des Vulkans gezielt abzubauen, anstatt ihn noch zusätzlich zu erhöhen.

Könnten nämlich die gelösten Gase ähnlich wie in den Schildvulkanen mit ihrer dünnflüssigen Lava, etwa auf Hawaii, das Magma rasch verlassen, würde sich kein gefährlich hoher Druck aufbauen. Und warum sollte man die vergleichsweise friedlichen effusiven Vulkane absichtlich zu hochexplosiven Bomben umbauen?

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. Schöner Artikel, hat Spaß gemacht ihn zu lesen. Aber jetzt sind Sie uns natürlich die Antwort schuldig wie man bei einen aktiven Vulkan gezielt den Druck ablassen kann.
    Ich freu mich auf Ihre Antwort.

    • Zumindest ohne alles zu zerlegen? Keine Ahnung. Zumal es ja auch oft so ist, dass die Gase die Lava nur schwer verlassen können. Auch das kann dann zu explosionen führenb. Ich vermute, das dürfte technisch nicht möglich sein. Da muss ich die Antwort also erstmal schuldig bleiben.

  2. Mal eine ebenso “naive Frage”. Kann es möglich sein, mit einer kontrollierten Sprengung den Druck abzubauen oder ist das genauso riskant wie das Abdichten des Schlots?

    Gruß
    Rudi Knoth

    • Das wäre möglicherweise eine Idee. Nur dass vermutlich niemand in der Nähe sein will, wenn der Vulkan dann losgeht. Man müsste also gezielt die Magmakammer anbohren, mit der Gefahr, gerade dann einen Ausbruch zu triggern, den man nicht mehr beherrschen kann. Ist vermutlich nicht wirklich praktisch durchführbar.

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