Stromboli – starke Explosion am 3. Juli 2019

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Am 3. Juli um 16:46 Ortszeit erfolgten zwei starke Explosionen im Gipfelbereich des Stromboli. Die heftige Eruption hat sowohl einheimische und Touristen böse überrascht, von einem Toten und mindestens einem Schwerverletzten ist die Rede. Viele Touristen scheinen die Insel zu verlassen. Auf vielen Bildern und Videos kann man gut erkennen, wie nah sich Mensch und Vulkan auf dieser Insel kommen.

Doch erst einmal der Reihe nach

Stromboli – Eruption am 3. Juli 2019

Gegen 16:46 Ortszeit erfolgten im Gipfelbereich des Vulkans Stromboli zwei ca. eine halbe Minute getrennte starke Explosionen.gefolgt 1 – 2 Dutzend kleineren Explosionen. Eine rund 2 Kilometer hohe Wolke aus vulkanischer Asche erhob sich über dem Vulkan, herab fallende heiße Asche und anderes vulkanisches Material scheint die Vegetation auf den Flanken des Berges in Brand gesteckt zu haben. Die Eruption dürfte die schwerste seit 2007, wenn nicht sogar seit 1985 gewesen sein.

Befürchtungen, das die Sciara del Fuoco herab rutschende Material könnte einen Tsunami auslösen, waren augenscheinlich unbegründet. Eine Flucht in höhere Regionen bring auf dieser Insel auch ihre eigenen Gefahren mit sich. Denn wenn der Vulkan so viel Material in die Luft schmeißt, muss es ja auch irgendwo wieder herunter kommen. Schlechte Sicht durch die vulkanische Asche und bombardiert mit Auswürflingen sind die Flanken ein bei so starken Ausbrüchen ein gefährlicher Ort, an dem eine Flucht nur schwer möglich ist.

Auf Twitter wurde verschiedentlich diskutiert, ob sich an der Sciara del Fuoco ein kleiner pyroklastischer Strom gebildet haben könnte. Einige Bilder und Videosequenzen scheinen durchaus darauf hinzudeuten. Ich weiß nicht, ob sich hier schon Ergebnisse finden lassen.

Die Explosion von Bord einer Yacht aus gesehen. Die Wolke, die am Ende des Videos das Meer erreicht, hat in der tat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem pyroklastischen Strom.

Bereits vor den Explosionen haben die Schlote kleinere Lavaströme gefördert, die sich allesamt in Richtung der Sciara del Fuoco bewegten.

Während viele Touristen sich anscheinend vor den Aktivitäten auf das Meer geflüchtet haben, ist es zu mindestens einem Todesfall und einem Schwerverletzten gekommen. Vermutlich (bislang habe ich da nichts genaueres gehört) waren es Menschen, die sich im Gipfelbereich oder an den Flanken des Berges aufgehalten haben. Hier ist man im Falle einer größeren Explosion sehr ungeschützt und den Auswürflingen und Bomben des Vulkans ausgesetzt.

Was verursachte die Explosion

Der Stromboli verfügt über eine verhältnismäßig flach liegende Magmenkammer, die gut mit den Schloten am Gipfel verbunden ist. Dies macht die Vorhersagen von größeren Ausbrüchen etwas schwierig, weil die Zeit für einen größeren Druckaufbau und entsprechende Mikrobeben recht kurz ist.

Die Explosion aus der Sicht der Webcam. Nur ein klein wenig Geduld…

Bei Vulkanen mit tief liegende Magmenkammern und schlechter Anbindung an die Schlote kann sich der aufbauende Druck und das aufsteigende Magma durch zahlreiche Mikrobeben beim Aufstieg selbst verraten. Dies ist beim Stromboli leider nicht so einfach. Das Magma kann meist relativ ungehindert aufsteigen und verursacht dabei weniger und schwächere Mikrobeben.

In der Tiefe kann sich im Magma eine recht erhebliche Mengen an Gas und Wasser lösen.

Wie eine Sprudelflasche

Eine mögliche Ursache der beobachteten Explosionen könnte eine kurzfristige Verstopfung des Schlotes gewesen sein, eventuell durch zurückfallendes vulkanisches Material. Auch hier kann sich der Druck so lange aufbauen, bis die Festigkeit der Verstopfung überschritten wird. Dann kann der entstandene Überdruck die Lava explosionsartig aus dem Schlot befördern.

Eine andere Ursache ist aber wahrscheinlicher. Wenn jetzt eine größere Lieferung aus frischem, gasgesättigtem Magma rasch aus der Tiefe aufsteigt, haben wir auf einen Schlag eine sehr große Menge an Gas, wodurch das Magma zusätzlich aus dem Schlot beschleunigt wird. Die Gasblasen schließen sich zu immer größeren Blasen zusammen, die schließlich mit sehr hoher Geschwindigkeit die Lava regelrecht aus dem Schlot „pumpen!“. Oben angekommen, erfolgt dann eine starke Explosion. Dieser Mechanismus wird durch die bereits vor und auch nach den Explosionen beobachteten Lavaströme unterstützt.

Wie geht es weiter?

Welcher Mechanismus auch immer hinter den beiden Explosionen stehen mag, es scheint erst einmal wieder etwas Ruhe eingekehrt zu sein. Auch seismisch scheint der Berg zur Zeit nicht weitere stärkere Aktivitäten anzukündigen. Vermutlich wird der Vulkan wieder in seinen üblichen Rhythmus verfallen.

Der Leuchtturm des Mittelmeeres

Der Stromboli ist eigentlich als verhältnismäßig ruhiger, wenn auch sehr aktiver Zeitgenosse bekannt. Die gegenwärtige Ausbruchsphase läuft schon seit mindestens Februar 1943. Aber auch vorher war er als sehr aktiver Vulkan bekannt. Sein Spitzname „Leuchtturm des Mittelmeeres“ kommt nicht von ungefähr.

Ein absterbender Inselbogen

Stromboli ist die nördlichste der äolischen Inseln, eines 200 km langen vulkanischen Inselbogens nördlich von Sizilien. Es handelt sich dabei um eine gut 200 Kilometer lange Inselkette zwischen Calabrien und Sizilien. Unter den Inseln befindet sich eine Benioff-Zone, eine Schicht von Erdbebenherden, die nach Nordwesten hin tiefer wird. Sie lässt sich bis in eine Tiefe von 500 Kilometern verfolgen. Das Ganze stellt man sich als eine Platte vor, die unter den Äolischen Inseln in nordwestlicher Richtung unter das Tyrrhenische Meer mit erst 70°, dann ab 250 Kilometern Tiefe mit 45° eintaucht.

Zwei kurze Sequenzen. Die erste zeigt die Aschenwolke über der Insel. Man beachte, wie dicht sich Mensch und Vulkan hier kommen.

Vergleichbare Inselbogenstrukturen finden sich heute im pazifischen Feuergürtel, wo sich die pazifische Platte unter die angrenzenden Krustenplatten schiebt. Da sich aber im Bereich vor den Äolischen Inseln keine ozeanische Kruste mehr befindet, scheint dieser auch Subduktion genannte Vorgang ein sehr fortgeschrittenes Stadium erreicht zu haben. Unser Inselbogen ist also langsam am absterben. Um aber die Komplexität noch etwas zu erhöhen, haben Geochemiker auch noch Hinweise auf die Mitwirkung einer Quelle für Magmen aus dem Erdmantel gefunden, wie sie für vulkanische Inseln mitten im Ozean typisch ist.

Lebensweg eines Vulkans

Der Name des 924 m hohen Vulkans leitet sich von “Strongyle” her, was so viel wie Kreisel bedeutet und sich auf die fast vollkommene Kegelform des Vulkans bezieht. Jedoch sind nur 1/3 des Vulkans über dem Meeresspiegel, sein Fuß liegt in über 2000 m Tiefe am Grund des Tyrrhenischen Meeres.

Der heutige Stromboli hatte einen Vorläufer. Der Vancori-Vulkan, der vor 100 000 bis 13 000 Jahren aktiv war förderte hauptsächlich Rhyodacite und Andesite. Rhyodacite sind plagioklasreiche Rhyolite und stellen das vulkanische Äquivalent zum Granit dar. Dagegen entsprechen die Andesite den Dioriten, sie sind ärmer an SiO2 als die Rhyolithe. Mit der Zeit wurden die Laven des Stromboli immer basischer, das heißt, immer ärmer an Siliziumdioxid. Damit durchläuft er eine umgekehrte Entwicklung wie die meisten anderen Vulkane.

Gas und Magma

Im Magma können verschiedene Gase mit unterschiedlicher Löslichkeit gelöst sein. Gase wie CO2 und SO2 haben nur eine geringe Löslichkeit und können bereit in einer Tiefe von 800 Metern übersättigt werden und ausperlen. Es bilden sich Gasblasen, die durch die weitere Aufnahme von Gasen oder kleineren Blasen wachsen. Ab 800 Metern kann auch Wasserdampf ausperlen, der die Hauptkomponente an gelösten Gasen im Magma darstellt. Bevor die Gasblasen die Oberfläche der Magmasäule im Schlot erreichen, wachsen sie sehr schnell und vereinigen sich zu immer größeren Blasen. Die großen Blasen pumpen das Magma regelrecht aus dem Schlot heraus. Der Druck, mit dem auf Stromboli die Explosionen aus dem Schlot fegen, entspricht einer Blasengröße von 0,5 bis 4 Metern, die das Magma zerreißen. Auf Heimaey, Island, wurden sogar Gasblasen mit einem Durchmesser von 10 Metern beobachtet.

Ein weiteres Video der Aschenwolke. Die Menschen leben direkt am Fuß des Vulkans

Jede normale Explosion stellt also das Zerplatzen von großen Gasblasen dar. Stromboli funktioniert genauso wie die Sektdusche bei Formel-1 Rennen, wo die Druckentlastung beim Öffnen der Flasche Kohlensäure ausperlen lässt und der Gasdruck den Sekt aus der Flasche treibt. Nur sollte man sich hier besser nicht anspritzen lassen, hier bleibt man besser in sicherer Entfernung.

Diese Aktivität wird nach dem Stromboli auch strombolianische Aktivität genannt. Es gibt einige Vulkane, die diesen Aktivtätstyp zeigen. Jede normale Explosion fördert dabei sehr viel Gas, aber nur vergleichsweise wenig Lava.

Touristisches Ziel

Normalerweise zeigt der Stromboli diese Aktivität mehrmals am Tag, was ihn ja auch zu einem beliebten Ziel von Vulkanenthusiasten (sowohl Vulkanforscher als auch Touristen, manchmal ist beides auch nur schwer zu unterscheiden) macht. Ich hatte das große Glück, anlässlich einer vulkanologischen Exkursion 1996 an seinem Kraterrand zu stehen. Absolut beeindruckend.

Solange der Krater schweigt, verrät der warme Boden die vulkanische Natur des Ortes und wenn man sich hinsetzt, können saure Gase die Kleidung angreifen. Die Luft ist erfüllt mit dem Geruch nach Schwefel, den auch der frische Wind hier oben nicht vollständig beseitigen kann.

Zusammenschnitt kleinerer Videos. Auch hier wieder die bemerkenswerte Enge zwischen Mensch und Vulkan. Das Löschflugzeug bekämpft die durch den Vulkan ausgelösten Buschbrände auf den Flanken.

Während man den Ausblick genießt, glühen rund 200 Meter unter riesige rote Augen in der Dunkelheit, die Pforten zur Hölle. Der Boden bebt und mit dumpfem Poltern, wie ein nahe vorbeifahrender Intercity, finden die Feuer der Erde ihren Weg durch einen der Schlote und eine glühende Fontäne erhebt sich in den Nachthimmel. Wenn der Wind die Gas- und Dampfschwaden, die ein derartiges Ereignis begleiten, auf das Meer weht, kann man das Schauspiel ungehindert beobachten.

Wer jetzt gerade seinen Trip zum Stromboli plant, sollte aber ein Auge auf die Ereignisse haben. Das Nationale Italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) hat ein wachsames Auge auf die italienischen Vulkane im Allgemeinen und gerade jetzt auf den Stromboli im speziellen. Wenn die Behörden oder das INGV die Situation als gefährlich einschätzen und den Gipfel sperren, dann sollte man dem auch Folge leisten. Vulkane, und da ist der Stromboli keine Ausnahme, sind eine sehr gefährliche Naturgewalt. Die Ereignisse vom 3. Juli haben uns das mal wieder schmerzlich in Erinnerung gerufen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. Während viele Touristen sich anscheinend vor den Aktivitäten auf das Meer geflüchtet haben, ist es zu mindestens einem Todesfall und einem Schwerverletzten gekommen. Hierbei handelt es sich um Wanderer, die sich im Gipfelbereich oder an den Flanken des Berges aufgehalten haben. Hier ist man im Falle einer größeren Explosion sehr ungeschützt und den Auswürflingen und Bomben des Vulkans voll ausgesetzt.

    Absatz ist doppelt 🙂
    Meckermodus aus 😉

  2. Mich interessiert, ob die Vulkane nördlich von Sizilien mit dem Etna verbunden sind.
    Die Bevölkerung von Catania ist ja recht zuversichtlich. Die bauen im Abstand von 10 km zum Krater ihre Häuser.

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