Rutscht der Ätna ab?

ResearchBlogging.orgDer Ätna ist einer der aktivsten Vulkane Europas und bekannt für seine häufigen Ausbrüche, die mit Lavaströmen und gelegentlichen Rauchkringeln auf sich aufmerksam machen. Seine Südostflanke rutscht langsam in Richtung Ionisches Meer. Bislang war unklar, was diese Bewegung verursacht. Neue Messungen unter Wasser änderten das jetzt.

Der Ätna als Gefährder

Mt Etna and Catania1
Der schneebedeckte Ätna im Winter von Catania aus gesehen. BenAveling (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mt_Etna_and_Catania1.jpg), „Mt Etna and Catania1“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode
Der Ätna ist nicht nur einer der aktivsten Vulkane Europas, er liegt auch in einem dicht besiedelten Gebiet. Rund 1 Million Menschen leben an seinen Hängen. Daher wird der Vulkan auch intensiv überwacht. Die Bewegung seines Südosthanges in Richtung Ionisches Meer war bereits durch Satelliten gestützte Messungen aufgefallen, während die anderen Hänge stabil blieben.

Das birgt einige Risiken, denn sollte die Flanke des Vulkans abrutschen, so könnte der dadurch ausgelöste Tsunami die angrenzenden Küsten schwer treffen. Abgesehen davon sollte man sicher auch Klarheit über den Grund der Bewegung haben.

Denn es gibt mindestens zwei Gründe, warum sich eine Vulkanflanke bewegt. Zum einen könnte sich Magma darunter sammeln. Das wäre sicher kein gutes Zeichen. Der Ätna kann nämlich nicht nur vergleichsweise ruhige Lavaströme ausstoßen, sondern hat in seiner Vergangenheit auch extrem explosive Eruptionen gehabt. Sollte sich also unter seiner Flanke Magma sammeln, könnte die Flanke bei ihrem Abrutschen eventuell einen explosiven Ausbruch auslösen.

Manche Vulkane, besonders die auf Inseln, neigen aber auch dazu, unter ihrem eigenen Gewicht zusammenzubrechen. Auch dafür gibt es einige historische und auch rezente Beispiele.

Messung unter Wasser

Um diese Frage zu klären, wurden jetzt von einer Arbeitsgruppe des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Schwerpunkt Meereswissenschaften, und des Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV) unter der Leitung von Dr. Morelia Urlaub Messungen unter Wasser durchgeführt.

Im Rahmen des Projektes „MAGOMET – Marine geodesy for offshore monitoring of Mount Etna“ wurden dazu 5 Transponder platziert. Drei davon auf dem abrutschenden Hang, 2 weitere auf dem stabilen Hang. Alle 90 Minuten sendeten die Transponder ein Schallsignal, aus dem sich ihre jeweilige Position bestimmen lässt.

Ein Berg in Bewegung

Anhand der Daten zeigte sich, dass der Südosthang des Ätna sich im Mai 2017 innerhalb von nur 8 Tagen um gut 4 Zentimeter in Richtung des Ionischen Meeres bewegte. Dabei reicht die Geschwindigkeit je nach Transponderpaar von 0,6 bis 3,9 cm ( in den 8 Tagen). Die Bewegung gleicht dabei einem sehr langsamen Erdbeben. Dies war der erste Fall, dass eine derartige Bewegung unter Wasser beobachtet wurde.

In nicht nur unter Wasser ist Bewegung im Berg. Satellitendaten zeigen, dass siech die Bewegung auch an Land fortsetzt. Damit steht fest, dass sich der gesamte Südosthang des Ätna bewegt.

Außerdem deuten die Daten darauf hin, dass die Bergflanke unter ihrem eigenen Gewicht in Bewegung geraten ist. Wäre Magma die alleinige Ursache, dann würde die Bewegung an Land in der Nähe des Magmas stärker ausfallen, als unter Wasser. Magmenverlagerungen beeinflussen aber ebenfalls die beobachtete Bewegung.

Es besteht die Gefahr, dass die Flanke des Ätna plötzlich abrutscht. Wenn das passieren sollte, könnte ein sehr starker Tsunami die Folge sein. Das wieder würde sehr viele Menschen an den Küsten des Mittelmeeres direkt betreffen.

Welche Gefahr besteht?

Aus den vorliegenden Messungen geht aber nicht hervor, wann das der Fall sein wird. Es ist auch nicht klar, ob die beobachtete Bewegung von mehreren Zentimetern in wenigen Tagen im Mai 2017 eine Ausnahme darstellt, oder ob derartige Ereignisse mehr oder weniger regelmäßig vorkommen. Dazu ist der Beobachtungszeitraum, das System war nur 15 Monate im Einsatz, einfach zu kurz.

An anderen Vulkaninseln, wie z.B. den Kanarischen Inseln oder Hawaii finden sich wiederholt Spuren von Flankenabbrüchen, die oft zudem mit explosiven Eruptionen einhergehen. Auch vom Ätna kennt man vergleichbare Ablagerungen aus Bohrkernen, wo Aschenlagen die Ablagerungen von untermeerischen Rutschungen überlagern.

Es besteht also kein Grund, zu hyperventilieren. Man sollte den Berg und all seine Bewegungen aber im Auge behalten. Ich halte es zwar für sehr unwahrscheinlich, dass sich ein größerer Erdrutsch noch zu unseren Lebzeiten abspielen wird, , aber es zeigt, dass auch gut beobachtete Vulkane immer noch ein paar Überraschungen parat halten.

Morelia Urlaub, Florian Petersen, Felix Gross, Alessandro Bonforte, Giuseppe Puglisi, Francesco Guglielmino, Sebastian Krastel, Dietrich Lange, Heidrun Kopp (2018). Gravitational collapse of Mount Etna’s southeastern flank Science Advances, 4 (10)

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. Zitat: Ich halte es zwar für sehr unwahrscheinlich, dass sich ein größerer Erdrutsch noch zu unseren Lebzeiten abspielen wird
    Auch ein Vesuvausbruch oder eine Reaktivierung der flägräischen Felder oder des Yellowstones sind alle sehr unwahrscheinlich. Ungefähr so unwahrscheinlich wie der Einschlag eines tonnenschweren Meteoriten in eine Grossstadt. Wann so etwas passieren wird, wissen wir nicht, nur dass solche Ereignisse irgendwann mit grosser Wahrscheinlichkeit stattfinden, das wissen wir.
    Ein Extremereignis wie der Ausbruch des Yellowstone-Supervulkans könnte sich auf die Menschheit weit verheerender auswirken als der jetzt vom Menschen angestossene Klimawandel. Der Unterschied liegt nur in den zu erwartenden durchschnittlichen Wartezeiten bis so etwas passiert. Ernstzunehmende Folgen des anthropogenen Klimawandels sind in Jahrzehnten zu erwarten, ein Yellowstone-Ausbruch geschieht aber in Abständen von hunderttausenden bis Millionen von Jahren.
    Ein Aetna-Tsunami wie er vor 8300 Jahren das letzte Mal passierte, könnte sehr viele Mittelmeerstädte komplett platt machen, wenn man die massiven geologischen Übrigbleibsel der schon stattgefundenen Mittelmeer-Tsunamis berücksichtigt (Zitat Wikipedia): Auf den Tsunami wird die Ablagerung so genannter Homogenite zurückgeführt, die sich vor Kalabrien, in der Großen Syrte, auf den Tiefsee-Ebenen des Mittelmeeres und im Ionischen Meer finden.[4] Homogenit ist ein Begriff für spezielle Ablagerungen, die in seismischen Profilen durchsichtig erscheinen, und in Tiefbohrungen als homogener grauer Mergel ohne innere Struktur angetroffen wurden.[5] Die Überlagerung mehrerer solcher Ablagerungen, die sich vor allem in der Großen Syrte nachweisen ließen, legen nahe, dass solche Ereignisse wie der Ätna-Tsunami sich mehrfach wiederholten und auch in jüngerer Zeit vorkamen
    Solch ein Mittelmeer-Tsunami würde das Erdbeben von Lissabon 1755, welches dazumal europaweit Entsetzen auslöste (30’000 bis 100’000 Tote), um ein Vielfaches übertreffen. Global gesehen wären die Auswirkungen dennoch überschaubar.

  2. ” Dabei reicht die Geschwindigkeit je nach Transponderpaar von 0,6 bis 3,9 cm. ”
    Kann man Geschwindigkeiten in Längenangaben machen?

  3. Interessant fand ich, dass die in 1200 m Tiefe plazierten Sonden eine Bodenbewegung in Schüben feststellten (die erwähnten 8 Tage), während der über Wasser gelegene Hang des Ätna sich eher kontinuierlich bewegt. Fast so, als ob der Berg langsam nachrutscht, wenn der Unterwassersockel sich mal wieder bewegt.

    Sollte sich also unter seiner Flanke Magma sammeln, könnte die Flanke bei ihrem Abrutschen eventuell einen explosiven Ausbruch auslösen.

    So wie beim Mount St. Helens als klassischem Beispiel in der jüngeren Geschichte.

    Danke für den Artikel.

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