Spodumen – ein lithiumhaltiger Pyroxen

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Heute will ich mal mit Spodumen ein interessantes Mineral aus der Familie der Pyroxene vorstellen. Hierbei handelt es sich um ein sehr spezielles Mitglied der Pyroxene, dass Lithium einbauen kann und sich somit in den letzten Jahren von einer mineralogischen Kuriosität zunehmend in Richtung einer wirtschaftlich hochinteressanten Ressource gewandelt hat.

Pyroxen

Pyroxene stelle eine weit verzweigte Mineralfamilie aus Kettensilikaten dar, die alle die verallgemeinerte Summenformel M1M2 T2O6 haben. Dabei stellen M1 und M2 unterschiedliche Positionen dar. Sie können von einer großen Zahl unterschiedlicher Kationen belegt sein, auch wenn die Meisten unter ihnen die zweiwertigen Kationen von Eisen, Magnesium oder Mangan sind. Die Tetraederposition T wird meist von Silizium eingenommen, es können aber auch untergeordnet dreiwertiges Aluminium oder Eisen vorkommen.

Ihre Struktur besteht aus Einzelketten eckenverknüpfter SiO4-Tetraeder. Dadurch, dass die M1 und M2 Positionen so vielfältig belegt werden können, stellen die Pyroxene eine sehr variable und vielfältige Mineralgruppe dar, die in vielen geologischen Milieus und Paragenesen vorkommen kann. Sie ähneln hier der verwandten Mineralgruppe der Amphibole, die mein Petrologieprofessor einmal als die „Hausschweine des Geochemikers“ bezeichnet hat, weil sie ebenfalls die Fähigkeit besitzen, fast jedes Kation in ihrer Reichweite einzubauen.

Von den Amphibolen, die ebenfalls Kettensilikate sind, unterscheiden sie sich durch die Spaltbarkeit. Bei den Amphibolen betragen die Spaltwinkel 120°, die Pyroxene zeigen jedoch Spaltwinkel von 90°. Außerdem zeigen idiomorphe Amphibole drei Kopfflächen, Pyroxene begnügen sich in diesem Fall mit zwei.

Spodumen, der Lithium-Pyroxen

Mehrfarbiger Spodumen aus Afghanistan,
Mehrfarbiger Spodumen, Fundort: Darra-i-Pech (Pech; Peech; Darra-e-Pech) Pegmatite Field, Nangarhar, Afghanistan (Fundort bei mindat.org), Größe: 12 x 6 x 3 cm (419 grams). Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Spodumene-gem7-78a.jpg), „Spodumene-gem7-78a“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Neben den oben genannten Kationen können die M1 und M2 Positionen auch noch, wie oben erwähnt, von einer ganzen Reihe anderer Kationen besetzt werden. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel Lithium. Dann erhalten wir ein Mineral namens Spodumen mit der Zusammensetzung LiAl[Si2O6 (Strunz & Nickel 2001). Spodumen ist in reiner Form farblos. Verunreinigungen können aber eine weite Palette an Farben hervorrufen wie z.B. gelblich, purpurfarben oder lilafarbenen Kunzit und gelblich-grünem oder smaragdgrünem Hiddenit. Besonders intensiv gefärbte Exemplare, besonders der Varietäten Hiddenit und Kunzit, gelten auch als beliebte Schmucksteine.

Eigenschaften

Spodumen hat eine Mohs-Härte von 6,5 bis 7. Es zeigt einen ausgeprägten Pleochroismus. Das bedeutet, dass es je nach Beobachtungswinkel in Farben wechselt, und hat eine perfekte Spaltbarkeit und splittrige Bruchstelle. An den Kristallflächen und an den Spaltflächen, die im für Pyroxene charakteristischen Winkel von 90° zueinander stehen, ist ein Glas- oder Perlmuttglanz zu beobachten.

Als monoklines und in der monoklin-prismatischen Kristallklasse kristallisierendes Kettensilikat neigt Spodumen dazu, meist längliche und flach-prismatische Kristalle zu bilden, oft mit einer charakteristischen Streifung. Diese Kristalle können durchaus einige Größe erreichen. Aus den österreichischen Fundstellen kennt man Exemplare mit einigen Zentimetern Länge. Echte Riesen sind aber aus Der Etta-Lagerstätte in South Dakota, USA bekannt, wo durchaus schon bis zu 14 m lange und bis 66 t schwere Kristalle geborgen wurden.

Zu Asche verbrennend

Seinen Namen hat das Mineral von seinem Erstbeschreiber erhalten. Der brasilianische Mineraloge José Bonifácio de Andrada e Silva hat es 1800 in Schweden auf der Insel Utö östlich von Stockholm entdeckte und beschrieb gab im den Namen nach dem griechischen σποδούμενος spodúmenos, was grob übersetzt zu Asche verbrennend bedeutet. Das spielt auf sein Verhalten vor dem Lötrohr an. Die Lötrohrprobierkunst war damals eine beliebte Methode, unterschiedliche Mineralien, vor allem Erze, zu bestimmen.

Mit dem Lötrohr erhitzt, zerfiel das Mineral zu einer pulvrigen Asche, bevor es zu Glas schmolz. Dies schien das auffälligste Verhalten des neu entdeckten Minerals zu sein, und daher ergab sich dann der Name.

Lange blieb das Mineral ein Kuriosum, erst gut 17 Jahre später wurde zur allgemeinen Überraschung eine zweite Fundstelle entdeckt. Bei Ratschings an der Grenze zwischen Nord- und Südtirol. Was damals für Aufsehen sorgte, ist nach heutiger Sicht nur zu verständlich, aber dazu unten mehr.

Gesundheitliche Risiken?

Ich hatte vor einiger Zeit schon in einem Blogbeitrag darauf hingewiesen, dass es eine größere Anzahl mehr oder weniger faserförmiger Minerale gibt und dass bei einigen zumindest der Verdacht besteht, dass sie, ganz ähnlich wie Asbest, Lungenkrebs auslösen oder zumindest begünstigen können. Da auch Spodumen durchaus zu länglichen Kristallen neigt und zudem auch die Spaltprodukte eine längliche Form haben (sogenannte EMPs, elongated mineral particles), befindet er sich auch in dieser Gesellschaft.

Nun muss sich sicher niemand Sorgen machen, selbst wenn er die Edelsteinvarianten von Spodumen im Haus hat. Auch muss niemand seinen Schmuck jetzt wegwerfen oder unter Luftabschluss lagern. Solange man nicht vorhat, ihn zu zerstäuben und sich eine Linie davon zu gönnen, sollte keine Gefahr bestehen. Warum ich hier aber auf diese für uns Normalmenschen etwas abstrakte Gefahr hindeute, hat den Hintergrund, dass es ja durchaus Menschen gibt, die Spodumen zermahlen oder in der einen oder anderen Weise in die Luft befördern. Da Spodumen ein gesuchtes Erz ist, wird er kommerziell abgebaut und das Erz entsprechend aufbereitet. Und dabei kann jede Menge Gesteinsstaub entstehen. Jetzt sind silikatische Stäube an sich schon eine kritische Sache. Bislang scheint es aber nicht genug epidemiologische oder toxikologische Daten zu geben, um unseren Spodumen vom Haken zu lassen (Gardner et al. 2022). Zumal auch lungängiger Quarzstaub bei der Bearbeitung von Spodumenerzkonzentraten in nennenswerter Menge vorkommt. Eine möglichst staubarme Bearbeitung sowie eine gute und möglichst lückenlose Überwachung der Staubexposition sollte hier also empfehlenswert sein.

Wo kommt Spodumen vor

Als das Mineral zuerst beschrieben wurde, galt es als Kuriosität. Erst als immer mehr Fundstellen bekannt wurden, zeichnete sich langsam ein Muster ab. Alle Funde lagen in sogenannten pegmatitischen Gesteinen.

Pegmatite

Unter Pegmatiten werden besonders grobkörnige Varianten magmatischer Gesteine bezeichnet. Normalerweise liegen die Kristallgrößen in plutonischen Gesteinen zwischen wenigen Millimetern und vielleicht einem halben Zentimetern. In Pegmatiten treten aber meist Kristallgrößen deutlich über einem Zentimeter auf. Es könne auch oft Kristalle mit über einem Meter auftreten. Pegmatite stellen die „Restschmelze“ dar. Diese reichert im Laufe der Kristallisation eines magmatischen Gesteins all die inkompatiblem Elemente an, die sonst oft nicht in die Kristallgitter der gängigen Minerale passen. Darunter fallen Elemente wie Lithium, Uran, die Seltenen Erden und ähnliches. Daneben reichern sich auch oft fluide Substanzen an, denn so ein Magma enthält auch eine große Menge an Wasser, Kohlendioxid, und Schwefel, aber auch Phosphor, Bor und Fluor., die ebenfalls überwiegend nicht in die gängigen magmatischen Minerale passen.

Die Anwesenheit dieser Fluide sorgt auch dafür, dass der Schmelzpunkt der Restschmelze sehr niedrig ist und diese nicht selten erst bei rund 450 °C erstarrt. Außerdem ist die Viskosität der Restschmelze sehr niedrig. Das bedeutet, sie ist sehr dünnflüssig und kann so selbst in kleinere Klüfte am Rand des Plutons eindringen. Dabei spielen drei in den Pegmatiten angereicherte Elemente eine besondere Rolle, nämlich Fluor, Bor und Phosphor.

Sie dienen als Flussmittel, das heißt, sie senken den Schmelzpunkt der Restschmelze auf niedrige Temperaturen unter 500 °C. Eigentlich wird hier das Eutektikum verschoben, aber das nur am Rande. Gleichzeitig verringern sie die Viskosität und machen die Schmelze dünnflüssig. Dies erreichen sie durch die Bildung von Komplexen mit Alkalien und anderen Elementen in der Schmelze, wodurch indirekt die Polymerisierung der Siliziumoxidtetraeder in der Schmelze verhindert wird. Wer sich mehr für die Pegmatite (und andere Lagerstätten) interessiert, dem sei das Buch von Neunkirchen & Ries 2016 ans Herz gelegt.

Wertvolle Lagerstätten

Demnach stellen Pegmatite so etwas wie den letzten Rest dar. Ähnlich wie es den sportlich weniger Begabten im Sportunterricht erging, wenn mal wieder die Fußballmannschaften ausgewählt wurden. Mit einem kleinen netten Detail am Schluss. Ausgerechnet die Anreicherung sonst recht seltener Elemente macht die Pegmatite für uns Menschen heute äußerst interessant. Denn die hohen Gehalte an den inkompatiblen Elementen sorgen nicht nur für die Bildung seltener und exotischer Minerale, sie stellen dadurch auch wichtige Lagerstätten dar für ökonomische Minerale wie Edelsteine, Industrieminerale, Seltene Erden oder eben Lithium sowie weitere wichtige Elemente dar.

Lithiumlagerstätten

Lithium ist das dritte Element des Periodensystems das leichteste unter den festen Elementen. Abgesehen von einigen weiteren interessanten Eigenschaften und einer gewissen Bedeutung für die Theorie der primordialen Nukleosynthese ist es auch eines der kritischen Elemente für die Industrie. Die Bedeutung hat in den letzten Jahren noch zugenommen, seitdem die Hoffnung in vielen Bereichen der Energiewirtschaft und Mobilität verstärkt auf den Li-Ionen Batterien ruht. Aber nicht nur in Batterien, auch in medizinischen Produkten zum Beispiel gegen bipolare Affektstörungen wird Lithium verwendet. Überhaupt scheint das Element auf Menschen eine interessante Wirkung zu haben. So scheint ein höherer Gehalt an Lithium im Trinkwasser durchaus eine positive Wirkung auf die menschliche Psyche zu haben. Es gibt Hinweise, dass erhöhte Gehalte an Lithium mit geringerer Kriminalität und niedrigerer Selbstmordrate korreliert [Schrauzer & Shresta 1990][Blüml et al. 2013][Kapusta et al. 2018].D

Die Hauptquelle dieses Elements stellen nach wie vor salzhaltige Lösungen dar. Hier liegen rund 60 % der globalen Lithiumreserven [Grossjean, C. et al. 2012]. Unter diesen spielen die Salzseen eine herausragende Rolle. An zweiter Stelle folgen die oben erwähnten Lithium-Pegmatite. Hier liegen rund 23 % bis 30 % der weltweiten Reserven [Jaskula 2019]. Allerdings sind Lithiumpegmatite nicht übermäßig häufig, sie stellen vielleicht nur rund 0,1 aller Pegmatite dar.
Hier kommt unser Spodumen ins Spiel. Mit einem zumindest theoretischen Lithiumgehalt von 3,73 % stellt es ein wichtiges Lithiumerz dar [Dessemond 2019].

Fazit

Spodumen hat sich gerade in den letzten Jahren immer mehr von einem Sammelstück für Liebhaber zu einem gesuchten Erz gewandelt. Der Grund war der steigende Bedarf an Lithium für die moderne Technologie. Das hat natürlich auch das Interesse an den dazugehörigen Lagerstätten steigen lassen. Nicht zuletzt hat dies auch die österreichische Arbeitsgemeinschaft „Mineral des Jahres“ (ja, auch in Österreich gibt es ein Mineral des Jahres, parallel zu dem in Deutschland, aber dazu in einem späteren Blogbeitrag mehr) veranlasst, Spodumen im letzten Jahr zum Mineral des Jahres zu wählen. Ich war leider etwas langsam, daher jetzt der dazugehörige Beitrag. Ich verspreche, das diesjährige österreichische Mineral des Jahres wird noch rechtzeitig gewürdigt.

Literatur

  • Blüml, V., Regier, M.D., Hlavin, G., Rockett, I.R.H., König, F., Vyssoki, B., Bschor, T. & Kapusta, N.D., 2013, Lithium in the public water supply and suicide mortality in Texas , J Psychiatr Res, , 407 411
  • Dessemond, C., Lajoie-Leroux, F., Soucy, G., Laroche, N. & Magnan, J.-F., 2019, Spodumene: The Lithium Market, Resources and Processes, Minerals, , 17 S.
  • Gardner, M., Cross, M., Reed, S., Davidson, M., Hughes, R. & Oosthuizen, J., 2022, Pathogenic Potential of Spodumene Cleavage Fragments following Application of Regulatory Counting Criteria for Asbestiform Fibres, Int. Journal of Environmental Research and Public Health, , 16 S.
  • Grossjean, C., Herrera Miranda, P., Perrin, M. & Poggi, P., 2012, Assessment of world lithium resources and consequences of their geographic distribution on the expected development of the electric vehicle industry, Renewable and Sustainable Energy Reviews, , 1735 – 1744
  • Jaskula 2019: Jaskula, B.W., Lithium, 2019
  • Kapusta, N.D., Mossaheb, N., Etzersdorfer, E., Hlavin, G., Thau, K., Willeit, M., Praschek-Rieder, N., Sonneck, G. & Leithner-Dziubas, K., 2018, Lithium in drinking water and suicide mortality, The British Journal of Psychiatry, , 346 – 350
  • Neukirchen, F., & Ries, G., 2016,Die Welt der Rohstoffe – Lagerstätten, Förderung und wirtschaftliche Aspekte, , , Die Welt der Rohstoffe – Lagerstätten, Förderung und wirtschaftliche Aspekte, 2. Auflage, 355 S.
  • Schrauzter, G.N. & Shresta, K.P., 1990, Lithium in drinking water and the incidences of crimes, suicides, and arrests related to drug addictions , Biol Trace Elem Res., , 105 113
  • Strunz, H., & Nickel, E.H., 2001, Strunz Mineralogical Tables, , , Strunz Mineralogical Tables,

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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