Lahare, eine tödliche Gefahr
BLOG: Mente et Malleo
Unter den tödlichen Gefahren, die von Vulkanen ausgehen, stehen Lahare, vulkanische Schlammströme, zusammen mit den bekannten pyroklastischen Strömen ziemlich weit oben. Bei Vulkanen denken die meisten Menschen vermutlich an glühende Lava, die alles unter sich begräbt. Doch Lava, zumindest die glutflüssige, ist unter den vulkanischen Gefahren eigentlich erst auf den hinteren Plätzen anzutreffen. Dagegen stehen oben auf dem Treppchen die hier bereits öfters vorgestellten pyroklastischen Ströme, Tsunamis und die Lahare.
Mit dem aus dem javanischen stammenden Wort Lahar werden Schlamm- oder Schuttströme bezeichnet, die sich aus vulkanischen Lockersedimenten und Wasser zusammesetzen. Dabei können sie durchaus Geschwindigkeiten von 100 km/h erreichen und gut 100 Kilometer weit fließen. Diese Schlammströme können direkt durch einen Vulkanausbruch oder auch unabhängig von direkter vulkanischer Aktivität, teilweise auch noch Jahre nach einem Vulkanausbruch, durch große Wassermassen in lockeren vulkanischen Ablagerungen ausgelöst werden. Dann bezeichnet man sie oft als sekundäre Lahare.
Tödliche Schlammströme
In einer Untersuchung haben Forscher untersucht, welche Opferzahlen Lahare und anderen vulkanischen Gefahren wie pyroklastische Ströme im Laufe der letzten rund 500 Jahre gefordert haben. In diese Studie wurden 635 einzelne vulkanische Ereignisse mit insgesamt 280 000 Todesopfern im Zeitraum zwischen 1500 und 2017 aufgenommen. Darunter waren 72 Lahare mit 49 938 Todesopfern und 41 sekundäre Lahare mit immer noch 6377 Todesopfern. Zusammen forderten Lahare 56 315 Opfer in den letzten 500 Jahren. Nehmen wir noch Erdrutsche mit ihren 3525 Opfern hinzu, so sind Lahare und Erdrutsche alleine mit 59 840 Toten für gut 21,5% aller Opfer vulkanischer Aktivität verantwortlich.
Damit werden sie nur noch von den pyroklastischen Strömen (102 Ereignisse, 59 958 Opfer) übertroffen. Direkt danach kommen die Tsunamis (56 822 Opfer bei 23 Ereignissen). Unsere glühende und flüssige Lava ist mit 659 Todesopfern bei 25 Ereignissen hier sehr weit abgeschlagen.
Dieses Video zeigt sehr gut die Gewalt, die von Laharen ausgehen kann. Drei Beispiele aus Japan.
Natürlich sind die einzelnen vulkanischen Ereignisse nicht alle gleich. Einige stehen hinsichtlich ihrer Opferzahlen weit heraus. So forderte der durch den Ausbruch des Krakatau 1883 in Indonesien verursachte Tsunami alleine 36 000 Tote. Er ist damit der hinsichtlich der Todesopfer der wohl folgenschwerste Vulkanausbruch im Untersuchungszeitraum. Gefolgt wird er von dem pyroklastischen Strom des Pelée auf Martinique 1902 mit 28 000 Toten.
Armero und der Nevado del Ruiz
An dritter Stelle folgt der erste Lahar. Zumindest mir haben sich die Bilder des Ausbruchs des Nevado del Ruiz in Kolumbien 1985 tief ins Gedächtnis eingebrannt. Der durch den Vulkan ausgelöste gut 5 m hohe Lahar vernichtete die 47 Kilometer vom Vulkan entfernte Stadt Armero vollständig und forderte 24 000 Tote. Besonders tragisch war ein vergeblicher Rettungsversuch eines Mädchens, dass in den Schlamm- und Geröllmassen eingeklemmt 60 Stunden vor den angereisten Medien um ihr Leben kämpfte.
Die Geschichte von Armero ist auch insofern tragisch, als dass die Stadt auf den Ablagerungen älterer Lahare ähnlichen Ausmaßes erbaut wurde. Diese Lahare stammen aus den Jahren 1595 und 1845. Es ist also nicht so, dass man es hätte nicht wissen können. Noch etwas macht die Katastrophe von Armero klar. Auch 47 Kilometer sind für einen größeren Lahar keine unüberbrückbare Entfernung. Er brauchte gut 2,5 Stunden, um die Stadt zu erreichen.
Lahare sind eben auch in großer Entfernung noch tödlich. Um es genau zu sagen, sie scheinen gerade in Entfernungen über 20 Kilometer vom Vulkan ihre tödlichste Wirkung zu erzielen. Vermutlich liegt dies auch daran, dass sich die Menschen so weit vom Vulkan auch bei größeren Ausbrüchen relativ sicher fühlen. Ein Gefühl, das trügerisch sein kann, wie sich gezeigt hat. Zusammen mit Tsunamis und vulkanischer Tephra sind Lahare gerade im Bereich über 20 Kilometer Entfernung die dominante tödliche Gefahr.
Die Untersuchung zeigt auch, dass der Beruf des Vulkanologen nicht ganz ohne Risiko ist. Immerhin 67 Vulkanologen ließen ihr Leben im Dienste der Wissenschaft.
Sarah K. Brown, Susanna F. Jenkins, R. Stephen J. Sparks, Henry Odbert and Melanie R. Auker 2017. Volcanic fatalities database: analysis of volcanic threat with distance and victim classification. Journal of Applied Volcanology, 6, 15. https://doi.org/10.1186/s13617-017-0067-4