Das M 6.8 Magnitude Erdbeben von Marokko

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Am 9. September um 23.11 Uhr Ortszeit ereignete sich in Marokko ein schweres Erdbeben der Stärke 6,8. Das Hypozentrum lag etwa 70 km südwestlich von Marrakesch in einer Tiefe von etwa 26 km. Die Zahl der Todesopfer liegt bei weit über 2.000 und wird sicherlich noch weiter steigen, je mehr Meldungen aus den bisher schwer zugänglichen Dörfern im Hohen Atlas eintreffen.

Auswirkungen

Das Erdbeben ereignete sich, als die meisten Menschen zu Hause waren. Generell gelten nächtliche Beben als besonders gefährlich und haben oft eine hohe Opferzahl zur Folge. Die Menschen sind zu Hause, meistens schlafend. Wenn dann noch die Bausubstanz nicht erdbebensicher ist, haben die Menschen keine Zeit zu reagieren.

Die Erschütterungen in der Nähe des Epizentrums lagen laut USGS zwischen 7 und 8 (sehr stark bis stark), selbst in etwa einem 100 bis 200 Kilometer Entfernung noch zwischen 4 und 5 (leicht bis moderat, vergleiche https://earthquake.usgs.gov/earthquakes/eventpage/us7000kufc/shakemap/intensity).

USGS Karte der potenziellen Erdrutschgefahr durch das Erdbeben in Marokko vom 08.09.2023. Quelle: USGS https://earthquake.usgs.gov/earthquakes/eventpage/us7000kufc/ground-failure/summary

Die Gebäude in den betroffenen Gebieten waren überwiegend in Ziegelbauweise errichtet, eine der ungünstigsten Bauweisen im Erdbebenfall, da die Gebäude ohne zusätzliche Verstärkungen in der Regel keine Erdbebensicherheit aufweisen und schnell einstürzen.

Darüber hinaus scheint das Erdbeben auch eine beträchtliche Anzahl von Erdrutschen ausgelöst zu haben, die ihrerseits zahlreiche Menschenleben forderten. So wurde die Stadt Adassil im Atlas mit gut 7.000 Einwohnern vermutlich durch einen solchen Erdrutsch weitgehend zerstört. Auch hier spielte die ausgeprägte Topografie des Atlasgebirges eine Rolle. Der USGS schätzt, dass ein Gebiet von bis zu 100 Quadratkilometern durch Erdrutsche gefährdet ist.

Zudem erschweren die Erdrutsche den Zugang zu den betroffenen Gebieten, zerstören die ohnehin angeschlagene Infrastruktur zusätzlich und gefährden die Einsatzkräfte.

Historische Erdbeben in Marokko

Dabei ist zu bedenken, dass es sich um das bisher schwerste Erdbeben in Marokko handelt. Das letzte vergleichbare Beben ereignete sich 1624 in der Nähe von Fès beziehungsweise 1755 in Meknes​[1] ​[2]. Aber auch wesentlich schwächere Erdbeben haben in Marokko schon viele Todesopfer gefordert. So forderte das Erdbeben der Magnitude 5,8 bei Agadir etwa 12.000 bis 15.000 Todesopfer. Da die Momentenmagnitudenskala logarithmisch aufgebaut ist, wird bei einem Beben der Magnitude 5.8 etwa 30 mal weniger Energie freigesetzt als bei einem Beben der Magnitude 6.8.

tektonischer Zusammenhang

Hier wird es für mich etwas schwierig, da ich eigentlich kein Tektoniker bin. Man möge mir daher kleine Fehler verzeihen (ich bin aber für Hinweise dankbar und korrigiere mich hier gerne).

Marokko liegt an einer Plattengrenze, die mir relativ unverstanden scheint. Hier trifft Eurasien auf die Afrikanische Platte. Eurasien bewegt sich hier von Marokko aus gesehen mit knapp 4 mm pro Jahr nach Südosten. Aus diesem Grund ist die Region von einer Vielzahl sehr komplexer Störungen durchzogen. Die sehr langsamen Plattenbewegungen machen es offenbar auch recht schwierig, aktive von inaktiven Störungen zu unterscheiden.

Die Herdflächenlösung deutet auf zwei mögliche Störungsebenen hin, von denen eine mit einem Winkel von 29° flach nach Süden einfällt, während die zweite mit ca. 69° recht steil nach Norden abfällt, also Anteile einer Aufschiebung und einer Blattverschiebung.

Herdflächenlösung für das Erdbeben vom 08.09. 2023 in Marokko. Es sind zwei mögliche Störungsebenen möglich. Quelle: USGS https://earthquake.usgs.gov/earthquakes/eventpage/us7000kufc/moment-tensor

Eine steil nach Norden einfallende Störung ist nur schwer mit den aufgezeichneten Nachbeben in Einklang zu bringen. Hier scheint eher eine sanft nach Norden einfallende Störung vorzuliegen. Möglicherweise liegt hier eine aktive Überschiebung vor ​[3] ​[4].

References

  • [1] Poujol, A.; Ritz, J.-F.; Vernant, P.; Huot, S.; Maate, S. and Tahayt, A. (2017). Which fault destroyed Fes city (Morocco) in 1755? A new insight from the Holocene deformations observed along the southern border of Gibraltar arc, Tectonophysics 712-713 : 303-311.
  • [2] Cherkaoui, T.-E.; Medina, F. and Mridekh, A. (2017). Re-examination of the historical 11 May, 1624 Fez earthquake parameters, Fisica de la Tierra 29 : 135-57.
  • [3] Sébrier, M.; Siame, L.; Zouine, E. M.; Winter, T.; Missenard, Y. and Leturmy, P. (2006). Active tectonics in the Moroccan High Atlas, Comptes Rendus Geoscience 338 : 65-79.
  • [4] Fekkak, A.; Ouanaimi, H.; Michard, A.; Soulaimani, A.; Ettachfini, E. M.; Berrada, I.; El Arabi, H.; Lagnaoui, A. and Saddiqi, O. (2018). Thick-skinned tectonics in a Late Cretaceous-Neogene intracontinental belt (High Atlas Mountains, Morocco): The flat-ramp fault control on basement shortening and cover folding, Journal of African Earth Sciences 140 : 169-188.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

7 Kommentare

  1. Gunnar Ries schrieb (11. Sep 2023):
    > Am 9. September um 23.11 Uhr Ortszeit ereignete sich in Marokko ein schweres Erdbeben der Stärke 6,8. […]
    > […] Herdflächenlösung für das Erdbeben vom 08.09. 2023 in Marokko. […] Quelle: USGS https://earthquake.usgs.gov/earthquakes/eventpage/us7000kufc/moment-tensor

    Auf der verlinkten Webseite findet man mehrere Angaben zur Stärke (Magnitude) dieses Erdbebens offenbar im numerischen Bereich um 6,8; also wie im obigen SciLogs-Beitrag genannt.

    > […] Die Erschütterungen in der Nähe des Epizentrums lagen laut USGS zwischen 7 und 8 (sehr stark bis stark), selbst in etwa einem Kilometer Entfernung noch zwischen 4 und 5 (leicht bis moderat).

    Lassen sich (auch) diese Angaben auf einer Webseite des USGS finden ? (Auf genau welcher, bitte ?)

  2. Wieder eine logarithmische Skala.
    Liebe Wissenschaftler, bei soviel Toten sollte man zu einer verständlicheren Erdbebenskala greifen.

  3. Gunnar Ries,
    der Hinweis auf die Schwerverständlichkeit bezieht sich auf die Exponentialfunktion.
    An die Anzahl der Toten war nicht gedacht.
    Wer ahnt denn bei den Laien, dass zwischen der 6 und der 7 der Faktor 32 steht.
    Und wer weiß, was eine Magnitude ist. So war das gemeint. Nicht alle Leser wissen das.

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