Das ITVA Altlastensymposium 2017 in Bremen

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Das diesjährige Altlastensymposium des ITVA fand vom 30 bis 31. März in Bremen statt. Und auch in diesem Jahr war die Veranstaltung sehr gut besucht. Altlasten und deren Behandlung sind vermutlich ein ewiger Dauerbrenner.

Nach den üblichen Eröffnungsreden kam gleich ein Dauerbrenner: Die geplante neue Mantelverordnung.

ITVA Altlastensymposium Bremen
Das Altlastensymposium 2017 in Bremen. Eigenes Foto.

 

Rechtsfragen

Michael Heugel vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit stellte den aktuellen Stand in Sachen Mantelverordnung vor. Im Anschluss daran konnten Dr. Thomas Gerold und Nikolaus Steiner für den ITVA zum neuen Referentenentwurf Stellung nehmen.

Danach informierte Jörg Frauenstein vom Umweltbundesamt über die Anforderungen an den Ausgangszustandsbericht (AZB) und die Rückführungspflicht. Für bestimmte Industrieanlagen wird die Erstellung eines AZB im Rahmen der Genehmigung von Anlagen gefordert. Dieser soll den Zustand von Schutzgütern wie Boden und Grundwasser vor der Inbetriebnahme dokumentieren und damit der Beweissicherung dienen.

Bremen saniert

Bremen als alte Hafenstadt hat im Laufe der jüngeren Geschichte so manchen industriellen Wandel sowie Krieg und Zerstörung erlebt. Das bedeutet, dass sich unter vielen der alten Industriestandorte entsprechende Altlasten befinden, die heutzutage saniert oder gesichert werden müssen.
Gerold Tjarks stellten den Fall der zweitältesten Raffinerie Deutschlands vor, die von 1911 bis zu ihrer Schließung 1974 am Bremer Ölhafen stand. In den gut 70 Betriebsjahren sind dabei eine Menge Kohlenwasserstoffe in den Boden gelangt, nicht zuletzt durch die Zerstörungen des 2. Weltkrieges. Spannend ist die Sache, weil sich hier in einem gespannten Grundwasser fließfähige Phasenkörper aus organischen Schadstoffen gebildet haben.

Mit Mineralölprodukten hatte auch der nächste Fall zu tun, den Rainald Brede vorstellt. Hierbei handelt es sich um ein altes Tanklager an der Grenze von Bremen zu Niedersachsen, das 1935 bis 1943 als Treibstofflager mit gut 4000 m³ in gut 80 Erdtanks für die Reichsmarine errichtet wurde und in der Folge der US Army und der Bundeswehr diente. Auch hier konnte sich im Laufe der Zeit eine erhebliche Kontamination des Bodens und des Grundwassers entwickeln. Unter anderem wurden bei Fliegeralarm während des 2. Weltkrieges Kesselwagen auf dem Gelände einfach entleert. Somit stellen die Verladebahnhöfe auch die Hotspots der Belastung auf dem Gelände dar.

2013 wurde das Lager stillgelegt. Seit dem läuft der Rückbau und parallel dazu die Sanierung der Schadstofffahnen von den beiden Verladebahnhöfen in Richtung Weser und des Verladehafens.
Besonders der Verladebahnhof 2 hat dabei noch eine „Schadstoffarchäologische“ Komponente. Hier findet sich eine Fahne vom Antiklopfmittel MTBE, das dem Benzin erst seit der Einführung des bleifreien Treibstoffes (1984) zugesetzt wurde. Das MTBE hat eine höhere Wasserlöslichkeit und eilt der eigentlichen Schadstofffahne voraus. Die MTBE Fahne scheint wohl schon Abrisstendenzen zu zeigen. Dies könnte darauf hin deuten, dass MTBE schon weit vor 1984 dem Benzin zugesetzt wurde.

Das Verständnis über das Verhalten von Schadstofffahnen im Untergrund am Beispiel eines PAK-Grundwasserschadens war das Thema von Katherina Seiter. Dies ist vor allem in städtischen Gebieten interessant, wenn konventionelle Sanierungsverfahren zu teuer und zu aufwändig sind.
Die Bedingungen im Untergrund sind oft weniger trivial, als man es gerne hätte. Hier soll ein Modellstandort in Bezug auf PAK und BTEX-verunreinigte Grundwässer ein Verfahren zur Identifizierung geeigneter Sanierungsmaßnahmen entwickelt werden.

Perfluorierte Tenside

Perfluorierte Tenside, kurz PFC, galten lange als unproblematisch. Sie fanden sich unter anderem im Löschschäumen. Daher sind besonders an Flughäfen oftmals PFC-Altlasten zu finden. So auch im Fall des Düsseldorfer Flughafens, wo 3 Schadensfälle identifiziert werden konnten. Zwei stellen Übungsplätze an der Feuerwache selbst und einem Feuerlöschbecken dar, ein dritter kennzeichnet einen Havariefall eines Flugzeugs. Von diesen Stellen bewegen sich Schadstoffahnen stromab. PFC.belastete Grundwässer werden meist über Aktivkohlefilter oder Ionenaustauscher gereinigt. Das ist nicht immer einfach und es scheint hier noch viel Forschungsbedarf zu bestehen, wie Matthias von Herz und Matthias Wischemeyer darlegten.

Eine besonders interessante Kontamination mit PFC befindet sich in baden-Württemberg. Hier wurden Äcker mit PFC-belastetem Kompost aus der Papierherstellung gedüngt. Das PFC gelangte so unbemerkt ins Grundwasser. Manche Bauern, die dieses Wasser förderten, um ihre Äcker zu bewässern, belasteten auf diesem Wege ebenfalls ihre Böden. Mittlerweile findet sich das PFC auch im Trinkwasser wieder, so ist man der ganzen Sache 2013 überhaupt auf die Spur gekommen. Jochen Stark stellte die Maßnahmen im Umgang mit der Belastung vor.

Die Behandlung von PFC-belasteten Wässern ist nach wie vor problematisch. Kathrin R. Schmidt stellte das Potential und die Grenzen der verschiedenen Verfahren dar. Dabei werden reaktive Verfahren und nichtreaktive Verfahren unterschieden. Zu den reaktiven Verfahren zählen unter anderem die elektrochemischen Behandlung. Hier werden die zur Oxidation notwendigen Chemikalien auf elektrochemischem Weg in situ erzeugt, so dass deren Transport und Lagerung weg fällt. Dies ist durchaus ein Vorteil. Auch auf anderem Weg können die PFC reaktiv zerstört werden, etwa durch UV-Strahlung, Ultraschall oder Hitze.
Zu den nichtreaktiven Verfahren zählen neben der Adsorption durch Aktivkohle und Ionenaustauscher auch die Membranfiltration. Jedes dieser Verfahren hat seine speziellen Vor- aber auch seine Nachteile.

Häfen im Strukturwandel

Bremen hat, wie alle Hafenstädte, mit dem Strukturwandel im Handel schwer zu kämpfen. Iris Reuther führte anhand der Bremer Überseestadt vor, wie alte Hafenareale wieder stadtplanerisch nutzbar gemacht werden. Bernd Haustein zeigt, wie der Wandel im einzelnen vor sich ging. Der alte Handelshafen hatte seine große Zeit in den 1950´er und 1060´er Jahren. Doch die Einführung des Containers und der damit einhergehende Trend zu immer größeren Schiffen machte die alten Hafenbecken zunehmend unrentabel. Dabei hatte der Bremer Überseehafen eigentlich die Nase vorne. Hier wurde am 6. Mai 1966 von der Fairland der erste Container in Deutschland abgesetzt. Mittlerweile ist der alte Überseehafen verfüllt, die Zollgrenzen des Freihafens aufgehoben und der Europahafen als Überseestadt ein neuer Stadtteil.

Bei der Umwandlung alter Hafengebiete müssen auch immer wieder Altlasten aus der langen Nutzung beseitigt werden. Ein gutes Beispiel stellte Klaus Konertz vor. Im Bereich des alten und des neuen Hafens in Bremerhaven befand sich auch ein altes Trockendock, das in den 1960´er und 1970´er Jahren verfüllt wurde. Allerdings hatte man damals nicht unbedingt Rücksicht auf spätere Nutzungen genommen, so dass sich in dem Inhalt das volle Programm organischer Schadstoffe wie PAK, BTEX, Mineralölkohlenwasserstoffe und anorganische Schadstoffe wie Schwermetalle finden ließen. Hier gab es einiges aufzuräumen, bevor das Areal um die beiden Hafenbecken der heutigen Nutzung zugeführt werden konnte.

Boden- und Grundwassersanierung in der Praxis

In Bremen gab es in dem Zeitraum von 1905 bis 1986 eine Silberwarenfabrik.Seit der Stilllegung des Betriebs wurden die Anlagen zurückgebaut und das rund 12 000 m² große Grundstück als Parkplatz genutzt. Auf dem Gelände gibt es Verunreinigungen aus leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (LCKW), die im Laufe der Zeit mit verschiedenen Maßnahmen saniert werden sollten. Die bisher eingesetzten konventionellen Verfahren haben keinen Erfolg gehabt. Erich-Heiko Ruiter stellt einen ambitionierten neuen Versuch vor, bei dem innovative (in-situ chemische Reduktion/ISCO und in-situ biologische Reduktion/ISBR) sowie konventionelle Verfahren kombiniert zum Zuge kommen sollen.

Ahmed-Reza Behbehani berichtete über eine alte chemische Reinigung im Osnabrück, von der eine LHKW-Grundwasserbelastung ausgeht. Die lokale Geologie mit ihren geklüfteten Grundwasserleitern macht hier die Sanierung zusätzlich kompliziert. Neben den hydrogeologischen Aspekten hatte die Angelegenheit auch sehr interessante rechtliche Aspekte, wie Bernd Früchel darlegte. Die Verursacher sind 1979 in Konkurs gegangen und können nicht mehr in Anspruch genommen werden. Das Gelände wurde zwischenzeitlich verkauft und mit Wohnhäusern bebaut, auf deren Besitzer die Stadt Osnabrück nun die Sanierungskosten umlegen möchte. In einem Musterprozess konnte die Stadt ihren Anspruch gegen einen der Eigentümer bereits durchsetzen. Das bedeutet, dass für Grundstückseigentümer auf Altlasten eventuell bedeutende Kosten zukommen können, selbst wenn sie nicht die Verursacher der Altlasten sind.

Das Gelände der ehemaligen chemischen Fabrik Schloss Neuhaus wurde schon 2014 in Fulda vorgestellt. Die Fabrik ist bereits seit 1927 geschlossen, das Gelände mittlerweile mit Wohnhäusern bebaut. Dieter Riemann stellte die Mobilisierung von Arsen als alternativen Weg der Grundwassersanierung anhand zweier Säuresickergruben der alten chemischen Fabrik vor. In diesem Fall soll Phosphatlösung die Mobilität des Arsens steigern, um die ansonsten sehr langsamen Freisetzungsprozesse zu beschleunigen.

Auch der nächste Fall ist eigentlich ein alter Bekannter. Der Ostbach und seine bei Routineüberprüfungen festgestellte Chromatbelastung wurden bereits 2015 in Bochum recht ausführlich behandelt. Stefan Vomberg brachte einen Zwischenbericht zur Immobilisierung der Chrom-IV Belastung im Abstrom einer ehemaligen Imprägniererei.

Sanierung von Altablagerungen – Rückbau oder Sicherung?

Wenn Altlasten saniert werden, fallen auch oft jede Menge belasteter Abfälle an. Die müssen dann irgendwo deponiert werden. Gunther Weyer stellte die niedersächsischen Regelungen zur Annahme organischer Abfälle auf Deponien vor.

Besonders interessant und auf den ersten Blick vielleicht auch ein wenig widersprüchlich waren zwei Vorträge über die Kesslergrube in Granzach-Wyhlen. Diese sind ehemalige Kiesgruben, die anschließend mit Abfällen aus der Region Basel verfüllt wurden. Darunter auch Produktionsabfälle aus der chemischen Industrie. Eine Mischdeponie. Leider wurde vor 1972 der Eintrag der schadstoffhaltigen Abfälle nicht weiter dokumentiert, so dass man den genauen Inhalt an Schadstoffen überhaupt nicht kennt.

Interessant an dem Fall ist, dass die Kesslergruben heute in 3 Perimeter aufgeteilt ist, die von unterschiedlichen Verantwortlichen saniert werden sollen. Für den Perimeter 1  ist die Roche Pharma AG verantwortlich, der Perimeter 2 obliegt der BASF als Rechtsnachfolgerin der Ciba AG. So unterschiedlich die Verantwortlichen sind, so unterschiedlich sind auch die Konzepte.
Uwe Gauglitz stellte das Konzept für den Perimeter 2 vor. Dieser ist nicht nur größer als die beiden anderen Perimeter zusammen, auf dem Gelände befindet sich auch eine kommunale Kläranlage und die Kläranlage der benachbarten Chemiefabriken. Dies macht eine Sanierung auch zu einem logistischen Balanceakt. Außerdem ist der genaue Inhalt der Grube hinsichtlich der einzelnen Schadstoffe vollkommen unbekannt. Als Hauptschadstoffe werden organisch gebundene Halogene, Ammonium, Aromatisch Amine, BTEX, Chlorbenzole und PAK genannt. Wenn man die Grube auskoffern würde, um die Schadstoffe thermisch zu behandeln, müssten rund 500 000 Tonnen Material transportiert werden (das ginge hauptsächlich per Schiff, eventuell per LKW zur Verbrennung), man würde entsprechenden Deponieraum benötigen (was das Problem zumindest zum Teil auch nur verlagern würde) und man würde sicher auch die Umwelt und die Anwohner mit den entsprechenden Arbeiten zusätzlich belasten.

Die BASF hat sich daher entschieden, die Altlast einzukapseln und mit entsprechender Wasserhaltung dafür zu sorgen, dass die Schadstoffe nicht hinaus gelangen. Dies hat zu einigem Unmut bei einschlägigen Umweltschutzorganisationen geführt, die lieber einen Totalaushub der Grube gesehen hätten. Wobei, wie gesagt, dies immer so schön einfach und sauber klingt, in der Praxis aber oft mit großen Problemen behaftet ist.

Für die beiden den Perimeter, 1 und 3, hat die Richard Hürzeler ein anderes Konzept vorgestellt. Die Roche Pharma AG möchte diese beiden Grubenteile auskoffern, um die Altlast an dieser Stelle zu beseitigen (Nachtrag: Perimeter 3 gehört nach neueren Informationen dem Bund und soll soweit ich weiß, nicht saniert werden). Diese Grube ist nicht nur kleiner (rund 280 000 315 000 Tonnen, von denen 100 000 t bereits durch Geländemodellierung und eine Großlochbohrung entfernt wurden), sie sind auch nicht durch Kläranlagen genutzt, so dass hier entsprechender Platz zur Verfügung steht. Ab Oktober 2017 soll es losgehen und bis ca. 2020 dauern. Der Aushub findet in einer schall- und emissionsgeschützten Einhausung statt.. Der Transport soll hauptsächlich per Bahn und nur zu einem kleinen Teil per LKW geschehen. Der Transport erfolgt im gasdichten und havariegeschützten Spezialcontainer per Schiff zu einem Bahnterminal und weiter zu der thermischen Behandlung. Das bei der Wasserhaltung anfallende schadstoffbelastete Wasser wird aufwendig gereinigt

Die in dem Material enthaltenen Schadstoffe sind nur zu einem Teil bekannt. 185 einzelne Stoffe sind identifiziert, aber eine große Zahl unbekannter Substanzen ist sind noch darin nachgewiesen, die bislang einer weiteren Identifizierung harren. Die thermische Behandlung soll so ausgelegt sein, dass dennoch der größte teil des Aushubs als Sekundärbaustoff Verwendung finden kann.

Nachtrag: Es mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, aber beide Konzepte sind in sich ziemlich stimmig und haben das selbe Ziel, nämlich die Umwelt nachhaltig zu schützen. Und beide Konzepte haben ihre Stärken und ihre Schwächen (das alleine wäre sicher mal einen eigenen Beitrag wert). Es gibt ein Besucherzentrum zu dem Thema (Kesslergrube.de), dessen Besuch interessierten sicher empfohlen werden kann.

Alles in Allem war es wieder eine sehr informative und interessante Fachtagung. Ich habe wieder unheimlich viel über die Sanierung von Altlasten und die damit verbundenen Probleme gelernt. Im Nächsten Jahr treffen wir uns alle hoffentlich am 08.-09. März 2018 in Mainz wieder. Ich freue mich jetzt schon darauf.

 

Bilder vom Altlastensymposium

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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