Asbest in der Lunge – wie gefährlich ist Chrysotil?
BLOG: Mente et Malleo
Das Asbest gefährlich ist und schwere Lungenkrankheiten verursacht, das hat sich ja mittlerweile herumgesprochen. Dabei wird aber immer noch oft zwischen den „bösen“ Amphibolasbesten wie Krokydolith und Amosit und dem angeblich weniger schlimmen Serpentinasbest Chrysotil unterschieden.
Das Deutsche Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der Ruhr Universität Bochum verfügt über einen vermutlich einzigartigen Datensatz der Asbestkonzentration der Lunge von Menschen, die über einen längeren Zeitraum, hier 4 bis 21 Jahre, erhoben wurden. Dies ermöglicht sehr genau, die Biopersistenz der Asbestfasern im menschlichen Gewebe zu bestimmen.
Von der Wunderfaser zum Schadstoff
Asbest hat eine interessante Karriere von einer so genannten „Wunderfaser“ und einem gesuchten Rohstoff hin zu einem gefährlichen Schadstoff hingelegt. Denn neben seinen durchaus faszinierenden technischen Eigenschaften gesellt sich eine, die eindeutig weniger schön ist, und die schließlich auch 1993 in Deutschland und 2005 zu einem europaweitem Verwendungsverbot geführt hat. Die faserförmigen Minerale verbreiten sich leicht in der Luft, wo sie von Menschen schließlich eingeatmet werden. Dort gelangen sie in die Lunge und führen zu krankhaften Veränderungen bis hin zum gefürchteten Mesotheliom.
Oft wird bei Asbest zwischen den Amphibolasbesten wie Amosit und Krokydolith auf der einen Seite und dem Serpentinasbest Chrysotil auf der anderen unterschieden. Manchen Leuten scheint Chrysotil als der weniger gefährliche Asbest. Diese Einschätzung ist mit großer Sicherheit ein gefährlicher Irrtum, wie eine Arbeitsgruppe um Inke Feder und Andrea Tannapfel von der Ruhr Universität Bochum zeigen konnten.
Biopersitente Fasern
Hierbei wurden Daten des Deutschen Mesotheliom-Registers am Pathologischen Institut der Bochumer Ruhr Universität ausgewertet, welche die Asbestkonzentration in den Lungen von Asbest exponierten Menschen über längere Zeiträume belegen. Die Lungen wurden im Abstand von 4 bis 21 Jahren nach Ende der Asbestexposition mehrfach beprobt. Diese Proben wurden anschließend mit Hilfe von Elektronenmikroskopen auf Asbest untersucht. Die Untersuchung der Gewebeproben war auch nötig, weil asbestbedingte Lungenfibrosen sich in Röntgenbildern nur schwer von anderen Fibrosen unterscheiden lassen.
Es konnten auch lange nach dem Ende des Asbestkontaktes der betroffenen Menschen immer noch erhebliche Asbestfaserkonzentrationen im Gewebe nachgewiesen werden. Darunter nicht nur die Amphibolasbeste, sondern auch immer wieder hohe Gehalte an Chrysotil. Bemerkenswert auch, dass über den langen Zeitraum der Beobachtung die Asbestgehalte im Lungengewebe der Betroffenen stabil blieben. Es fand also kein Abbau statt. Asbest ist über längere Zeiträume biopersistent.
Die lange Nachweisbarkeit auch von Chrysotil beendet die Debatte darum, ob dieser möglicherweise weniger gefährlich und besser vom Körper abbaubar sei als die Amphibolasbeste. Chrysotil oder Weißasbest ist die am meisten verwendete Asbestform und ist in den meisten asbesthaltigen Produkten zu finden.
Auswirkungen auf die Lunge
Die lange Verweilzeit der Mineralfasern in der Lunge ist der Grund, warum die Fasern Krankheiten auslösen. Asbeste zeigen eine sehr gute Spaltbarkeit. Dadurch können sie sich ein sehr feine Fasern aufspalten, die sehr lange in der Luft bleiben und dort von Menschen eingeatmet werden. Bedingt durch ihre geringe Größe können diese Fasern dann sehr tief in die Lunge und in die Lungenbläschen eindringen. Die Immunzellen können sie dort nicht abbauen, so dass sich chronische Entzündungen und schließlich Tumore bilden können. Das Mesotheliom gilt als typischer asbestbedingter Tumor, aber auch andere Krebserkrankungen werden mit Asbest in Verbindung gebracht. Dabei kann der Ausbruch der Krankheit durchaus 10 bis 40 Jahre auch dem Ende der Asbestexposition erfolgen.
Inke Feder, Iris Tischoff, Anja Theile, Inge Schmitz, Rolf Merget, Andrea Tannapfel: The asbestos fibre burden in human lungs – new insights into the chrysotile debate, in: European Respiratory Journal, 2017, DOI: 10.1183/13993003.02534-2016
Asbest hat eine lange Karriere hinter sich – obwohl die Asbestose bereits 1900 als asbestbedingte Krankheit beschrieben wurde. In der Wikipedia liest man noch:”Weltweit steigt die Asbest-Produktion an, ebenso wie der Verbrauch.” Doch jetzt, im Jahre 2017, erlässt sogar Kanada ein umfassendes Asbestverbot. Damit dürfte der Trend gebrochen sein und selbst in Indien und China der Asbestverbrauch bald schon zurückgehen.
Warum aber hat Kanada so lange zugewartet? Die naheliegenste Erklärung ist die, dass Kanada vor allem ein Förderland ist. Dort liegen Asbestminen, die ihre Produkte aber nicht nach Kanada selbst, sondern beispielsweise nach Indien oder China liefern. Ähnlich verhält es sich ja auch mit Öl und Erdgas. Es gibt Länder wie Norwegen, die selbst ehrgeizige Dekarbonisierungsziele haben, aber gleichzeitig von der Erdölförderung leben. NorwegerInnen brauchen selber immer weniger Erdöl, zumal Norwegen das Land mit dem höchsten Anteil von Elektrofahrzeugen ist, sie exportieren aber gerne möglichst viel von ihrem selbst geförderten Erdöl in die weite Welt.
Das Wissen das sich Deutschland über die asbestbedingten Krankheiten angeeignet hat, kann es wohl noch viele Jahrzehnte einsetzen, wenn auch immer weniger im eigenen Land, wo es seit 1993 verboten ist, als vielmehr in Indien und China, wo es heute noch rege verwendet wird. Auch im Jahre 2050 wird es somit noch asbestbedingte Krankheiten geben, jedoch nicht mehr in Deutschland, sondern in Indien und China. Das zeigt, dass Asbest nicht nur eine lange Karriere hinter sich hat, sondern auch noch eine lange Karriere als Auslöser von asbestbedingten Krankheiten vor sich hat.
Dieser Meinung über die Gefährlichkeit von Chrysotil konnte man auch hier in Deutschland immer wieder begegnen. Und die Rolle, die ausgerechnet Kanada in Bezug auf die Asbestverbote spielt, ist durchaus diskussionswürdig.
Ob es 2050 in Deutschland keine asbestbedingten Lungenkrankheiten gibt, möchte ich durchaus bezweifeln. Zur Zeit ist der größte Teil des jemals im portierten Asbests immer noch verbaut. Darunter auch die so genannten verdeckten Asbestprodukte wie Putze und Spachtelmassen. Es wird also zumindest auf absehbare Zeit immer wieder Personen geben, die unabsichtlich mit Asbest in Kontakt kommen können. Abgesehen davon kommen natürlich diejenigen immer noch in Kontakt mit Asbest, die sich um die Entsorgung oder die Analytik kümmern.
Asbestbedingte Krankheiten betreffen in der Regel bei der Arbeit asbestexponierte Personen und eventuell noch ihre Angehörigen. Dies zu:
Personen, die sich heute oder später um Entsorgung oder Analytik kümmern, sollten eigentlich geeignete Schutzmassnahmen ergreifen. Ich denke Neuerkrankungen wird es in Deutschland deshalb nur noch sehr wenige geben.
Ich habe erst im Herbst 2022 erfahren, dass wohl Asbest im damaligen Neubau meines Arbeitsplatzes verbaut wurde. Ist aber erst einmal nur Flurfunk. Muss das noch über die Gewerkschaft klären, wieso wir ehemaligen Mutarbeiter/innen nicht informiert wurden und wie der Wahrheitsgehalt dieser Info ist. Aber ich hatte vor dem Umzug meines Arbeitsplatzes nicht gehustet, jetzt bereits seit ca. 42 Jahren. Eine junge Kollegin, die für Monate ins Labor kam, fing auch schon schnell an, zu husten und sich zu räuspern. Ein Lungenfacharzt konnte damals bei mir nichts Ungewöhnliches feststellen. Ich warte jetzt auf die Beratung durch die Gewerkschaft.
Ergänzung: In Kanada galt bis vor kurzem (Zitat):“Regarding exports and imports, Canada’s long-standing position is that “safe and controlled use” of the mineral poses little risk to human health.”
Doch es gibt auch in Kanada Asbestbetroffene – entweder, weil die Ansicht, es gebe einen sicheren Umgang mit Asbest nicht zutrifft oder aber weil auch in Kanada entsprechende Arbeitsvorschriften nicht eingehalten wurden.
Bezüglich Chrystotil schreibt die kanadische Regierung in einem ihrer Informationsblätter:“Chrysotile is different from the amphiboles both structurally and chemically. It is generally accepted that chrysotile asbestos is less potent and does less damage to the lungs than the amphiboles.”
“If asbestos fibres are enclosed or tightly bound in a product, for example in asbestos siding or asbestos floor tiles, there are no significant health risks. Asbestos poses health risks only when fibres are present in the air that people breathe.”
Die Meinung Chrystoil sei weniger gefährlich als die anderen Asbestfasern wird also sogar hier in einem Informationsblatt der kanadischen Regierung vertreten.
Ich bin da weit weniger optimistisch. Klar, es werden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Das Problem ist aber deswegen nicht aus der Welt. Und gerade die verdeckten Asbetsanwendungen können immer wieder überraschend Menschen Asbest aussetzen.
Hallo Herr Holzherr
Was die Anzahl der Neuerkrankungen betrifft, schätzen Sie die Situation leider zu optimistisch ein. Wir beginnen erst zu begreifen, wo überall Asbest verbaut wurde. Fensterkitt, Wandputz, Farbe, Tapeten, Fensterbänke, Türen,…. die Liste ist lang. Aus Unkenntnis und teils auch aus fataler Gleichgültigkeit heraus arbeiteten und arbeiten Menschen mit asbesthaltigen Materialien, ohne sich zu schützen.
Asbest wurde bis ca. 1995 in Gebäuden verbaut. Genau diese Gebäude werden nun saniert oder abgerissen. Die Unkenntnis/Gleichgültigkeit der Akteure ist teilweise erschreckend. Und tatsächlich nimmt die Anzahl an Neuerkrankungen nicht ab. Derzeit stagniert sie auf hohem Niveau; noch immer sterbe mehr Menschen in Deutschland durch Asbest, als durch Arbeitsunfälle. Es ist höchste Zeit, das Thema ins Bewusstsein der breiten Bevölkerung zu bringen, um weiteres Leid zu verhindern.
Hallo, ich bin Sammler und sammle hobbymäßig historische Dinge, unteranderem aus dem 1. und 2. Weltkrieg. Ich möchte mir als Sammlerstück eine original sovietische Gasmaske aus dem 2. Weltkrieg zulegen. Hierbei handelt es sich um die GP 5 Volksgasmaske. Nun recherchiere natürlich über meine neuen Anschaffungen, um zu sehen wie sie zu behandeln ist und in welchem Zustand sie wieviel wert sind. Dabei bin ich auf den Aufbau und Inhalt des Filters gestoßen und habe mit Schrecken festgestellt, dass er 7,5% Weißasbest enthält. Nun bin ich mir natürlich unsicher, ob ich mir dieses Produkt zulegen soll. Im Ernstall benutzen möchte ich sie natürlich nicht aber ich würde sie gerne aufsetzen und eventuell an Fasching tragen. Jedoch möchte ich mir dabei keinen Krebs holen oder anderweitig erkanken. Deshalb bitte ich sie um Rat. Vielen dank für eure Antworten!
Solange der Filter intakt und unbeschädigt ist, sollte eigentlich kein Problem bestehen. Vielleicht sollte man sich zum Tragen der Maske aber lieber einen Leerfilter besorgen. Damit atmet es sich auch deutlich leichter
Hallo Herr Ries, in unserem Wohnraum befinden sich alte Flexplatten (HMBB) die mit einem Bitumenkleber (HMBK) in den 60er verlegt worden sind. Bei einer Analyse der Materialproben (Prüfverfahren REM/EDX) wurde Chrysotil in wenigen Anteilen (1-15%) festgestellt. Der Boden ist brüchig und löst sich vereinzelt auf. Ich habe vor einiger Zeit einen Laminatboden darüber verlegt und die Ränder mit Acryl etwas abgedichtet. Sind Sie der Meinung, dass das die Beste Lösung ist oder halten Sie die Situation für zu Risikoreich?
Floorflex Platten und Bitumenkleber sind ja fast schon eine klassische Kombination. Ich kann eigentlich nicht viel zu dem Thema sagen, ich bin, wie gesagt nur der Analytiker, kein Sanierer oder Schadstoff-Sachverständiger. Prinzipiell ist es aber so, dass zumindest früher die Überdeckung der Bodenmaterialien wohl zulässig gewesen ist. Das wird heute aber anders gesehen. Das Überdeckungsverbot greift auch hier. Im Sinne der Gefahrstoffverordnung werden die Überdeckung oder Versiegelung von asbesthaltigem Kleber als verbotene Tätigkeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden eingestuft. https://www.kostenlose-urteile.de/VG-Arnsberg_6-K-719017_Asbesthaltige-Klebstoffreste-duerfen-nicht-lediglich-ueberdeckt-oder-versiegelt-werden.news26746.htm?fbclid=IwAR0qNV36nCwzoeG-WnjzVq_R0-pqL9K8mVVsyDnjtIYmq6O4qNR7YrcIHZA
Interessanter Artikel. Asbest findet man hierzulande noch Vielfach auf den alten Dächen als Welleternitplatten. Da bei der Verlegung vermutlich die Löcher für die Befestigungsschrauben gebohrt wurden, müsste sich auf den Kaltdachböden ausreichend Asbestfasern befinden, um den Dachboden nur mit Filtermaske betreten zu wollen. Sind Ihnen darüber Untersuchungen bekannt, bzw. was ist Ihre geschätzte Ansicht?
Ich selber reagiere ziemlich heftig auf schon recht geringe Konzentrationen von KMF und Asbest.
Das Dach des Hauses unserer Mietwohnung ist mit Welleternitplatten gedeckt.
Es wurde oft behauptet, wenn man an dem Dach nichts verändert kämen da praktisch keine Fasern raus.
Ich bemerke regelmäßig Reizhusten und Juckreiz sobald das Dach von der Sonne beschienen und erwärmt wird. Bei wolkigem Wetter und bei Regen ist es deutlich weniger. Offensichtlich wird durch die Ausdehnung des Materials bei Aufwärmung durch Sonnenschein Fasern freigesetzt.
Ich vermute ganz stark, dass sie nicht auf Asbest oder KMF reagieren, sondern auf andere Schadstoffe, wie zum Beispiel Schimmelsporen. Asbest, und das ist ja das tückische daran, macht sich sehr lange nicht bemerkbar und verursacht keine Probleme. Schimmel, aber auch andere organische Schadstoffe hingegen können schon schnell Probleme bereiten, ganz besonders bei Allergikern. oder Menschen mit Atemproblemen.
Hallo,
ich bin von Beruf aus Maler und Lackierer ,
1995 begann ich meine Lehre un sollte bei dem Betrieb Bodenplatten in Wohnungen rausbrechen mit einem Schaber ,die sogenannten
Floorflex Platten und Bitumenkleber, ca 100 Wohnungen in ca 8 -10 Jahren
bei der LEG Ruhr Lippe.2011 wurde festgestellt das diese mit Asbest versetzt waren und dann durften diese nur noch unter Schutzmassnahmen herausgerissen werden.Gelernt in der Schule hatten wir das Asbest seit 93,95 nicht mehr verbaut wird ,An Abriss hat keiner gedacht!!!!!!!!!!!!!Toll
Wir mussten die Platten damals rausschabbern,kleinmachen zertreten und in Eimern ins Fahrzeug schütten ,dann zur Entsorgung fahren und diese rausschaufeln.
In den Wohnungen mussten die Fenster zu bleiben wegen den Nachbarn und der Stauentwiklung.Wir hatten nie eine Staubmaske und immer Staub in der Nase .
Echt Klasse ! Ich bin jetzt 47 Jahre ,Die Arbeit ca 30 Jahre her mit Asbest.
Die ganzen Jahre voller Asbeststaub ohne Maske.
Bei einer Kontrolle CRT wurden bis jetzt keine Auffälligkeiten festgestellt.