Archaeopteryx – Das Fossil des Jahres 2020

Archaeopteryx

Wie in jedem Jahr gibt es auch in diesem Jahr ein Fossil des Jahres. Und das ist diesmal ein wirklich prominenter Vertreter, denn der Urvogel Archaeopteryx dürfte vermutlich zu den bekanntesten Fossilien weltweit zählen. Damit dürfte das Ziel der Paläontologischen Gesellschaft aufgehen, mit dem Fossil des Jahres zu einer verstärkten Wahrnehmung der Paläontologie in der Gesellschaft beizutragen.

Archaeopteryx lithographica, Exemplar im Museum für Naturkunde in Berlin. Foto H. Raab (User: Vesta) (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Archaeopteryx_lithographica_(Berlin_specimen).jpg), „Archaeopteryx lithographica (Berlin specimen)“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Alter Flügel

Der Name „Archaeopteryx“ leitet sich aus dem griechischen her und bedeutet soviel wie „Alter Flügel“. Beschrieben wurde er bereits 1861 von Hermann von Meyer anhand eines isolierten Federabdrucks. Im selben Jahr wurde auch das erste Skelett geborgen, das sogenannte Londoner Exemplar. Bis heute sind 13 Exemplare in unterschiedlich gutem Erhaltungszustand bekannt. Das 1951 gefundene „Eichstätter Exemplar“ ist das jüngste und kleinste Exemplar. Natürlich wurden auch danach noch Exemplare gefunden, aber das Eichstätter Exemplar war vermutlich tatsächlich ein Jungtier als es starb.

Bedeutung des Fundes

Der erste Fund eines Urvogels 1861 fiel zeitlich ziemlich genau mit Charles Darwins Evolutionstheorie zusammen, die 1859 veröffentlicht wurde. Diese sagte Mosaikformen voraus, die sowohl die Merkmale einer alten Tiergruppe wie auch einer neuen aufwiesen.

Der Archaeopteryx war der erste Beleg für Federn bei Wirbeltieren. Da er zudem verschiedene Merkmale sowohl von Reptilien als auch schon von Vögeln aufweist, wurde er zu einem wichtigen Beleg für die Evolutionstheorie. Damit wurde er auch schon früh in die Auseinandersetzung um die Evolutionstheorie hineingezogen. So war es niemand anderes als Richard Owen, der unter anderem den Begriff Dinosauria prägte, der dafür sorgte, dass das erste gefundene Exemplar nach London kam. Er beschrieb den Urvogel auch als erster.

Richard Owen wollte damit eigentlich verhindern, dass das Fossil als Stütze für die Darwinsche Theorie gilt. Seine Beschreibung war aber unvollständig. Sein Gegenspieler Thomas Henry Huxley erkannte den Wert des Fossils für die Theorie der Evolution und lieferte eine erste systematische Beschreibung.

Archaeopteryx – Mosaik aus Alt und Neu

Der gut 50 cm lange Archaeopteryx zeigt ein Mosaik an Merkmalen, wie sie allgemein für vogeltypisch gelten (wenn auch oft nicht mehr als charakteristisch) sowie gleichzeitig Merkmale, wie sie bei theropoden Dinosauriern anzutreffen sind. Da wäre einmal das Vorhandensein von asymmetrischen Schwungfedern sowie dem zu einem Gabelbein verschmolzenen Schlüsselbeinen. Auch die erste Zehe des Fußes ist bei ihm schon, wie bei den modernen Vögeln üblich, seitlich bis rückwärts orientiert, um beispielsweise Äste besser umgreifen zu können.

An einen Theropoden erinnern dagegen die Zähne sowie die Bauchrippen. Die Schwanzwirbelsäule ist auch noch sehr lang, das Brustbein noch nicht verknöchert. Beckenwirbel sind noch weitgehend unverschmolzen, ebenso wie die Mittelhand- und Mittelfußknochen. Außerdem weist der Arm noch drei Fingerklauen auf.

Lebendrekonstruktion des Archaeopteryx. Nach neueren Erkenntnissen war zumindest ein Teil des Gefieders wohl dunkel oder schwarz. NobuTamura http://paleoexhibit.blogspot.com/ http://spinops.blogspot.com/ (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Archaeopteryx_NT.jpg), „Archaeopteryx NT“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

tropische Inseln

Lange Zeit wurde darüber gestritten, ob der Archaeopteryx überhaupt richtig fliegen konnte, oder ob der etwa rabengroße Urvogel meist nur im Gleitflug von Baum zu Baum segelte. Seine Federn sind aber ebenso asymmetrisch wie sie bei modernen Vögeln sind. An seinen Beinen waren, ähnlich wie bei heutigen Raubvögeln, Federhosen zu finden.

Sein Lebensraum waren die Inseln mit subtropischem Klima, die von Schwammriffen und Lagunen umgeben waren. In den Lagunen wurde der Plattenkalk abgelagert, in dem bislang alle Exemplare gefunden wurden.

Er war wohl ein flinker kleiner Räuber, der sich bei seiner Jagd auf Insekten oder kleinere Wirbeltiere meist auf seine schnellen Beine verlassen konnte. Im Falle, dass ein anderer Bewohner ihn auf die Speisekarte setzen wollte, konnte er sich durch kurze Flüge in Sicherheit bringen. Die Krallen an seinen Flügeln haben ihn vermutlich auch zu einem geschickten Kletterer gemacht. Aufgrund des heißen und trockenen Klimas waren es aber vermutlich keine Bäume, auf denen unser Urvogel herumkletterte, sondern eventuell Klippen.

Vogel oder Dinosaurier?

Über die exakte Einordnung von Archaeopteryx wird immer noch gestritten. Allerdings sind in den letzten Jahren vornehmlich in China vermehrt weitere Übergangsformen zwischen theropoden Dinosauriern und Vögeln gefunden worden. Als Mosaikform steht unser Archaeopteryx also nicht mehr alleine dar.

Und wie gesagt, es wird immer noch diskutiert, ob er bereits zur Ordnung der Vögel gehört, oder noch zu den theropoden Dinosauriern. Manche Autoren sehen ihn näher an den Deinonychosauriae als an den Vögeln. Ebenso wird diskutiert, ob die 12 mehr oder weniger gut erhaltenen Exemplare zu einer oder zwei Arten oder eventuell zu mehreren gehören. Vermutlich wird uns Archaeopteryx hier noch eine ganze Weile beschäftigen.

Gefunden wurden alle Exemplare bislang im Solnhofener Plattenkalk. Der Plattenkalk ist als Fundstätte von fossilen Wirbeltieren weltberühmt. Der Erhaltungszustand der Fossilien ist hervorragend, sie sind meist nicht nur im Verbund erhalten, sondern liefern oft auch sehr detaillierte Informationen über feine Strukturen wie Haut, Fell oder eben Federkleid.

In den Lagunen zwischen den Inseln und Schwammriffen war der Salzgehalt im Wasser so hoch, dass ein Abbau organischer Substanz stark verlangsamt war. Tiere wie eben unser Archaeopteryx, aber auch viele Flugsaurier und andere kleinere Wirbeltiere wurden bei Hochwasser und Stürmen in die Lagunen gespült, wo sie ertranken und rasch von feinem Kalkschlamm bedeckt wurden.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

3 Kommentare

  1. Der Archaeopterix nicht nur als gefiederter Dinosaurier, sondern auch als plötzlich fliegendes Tier demonstriert auch heute noch sehr deutlich was Evolution und Lebensraum bedeutet und ausmacht.
    Wie verrückt die Evolution/Entwicklung der Arten im Vergleich zur Entwicklung der menschengemachten Technologie ist, zeigt die Geschichte der Federn. Denn Federn wurden nicht für das Fliegen erfunden, ja sie wurden überhaupt nicht erfunden, sondern entwickelten sich einfach aus Hautanhangsgebilden, die sich womöglich nützlich für die Wärmeregulierung und das Wahrgenommenwerden (beim Sexualpartner) erwiesen. Eine Gruppe kleiner gefiederter Dinosaurier benutzte dann diese leichtgewichtigen Hautanhangsgebilde irgendwann zum Gleitflug und hob später dann richtig ab. Damit war ein neuer Lebensraum/Bewegungsraum eröffnet: die Luft. Und damit eine ganz neue Lebensweise. Ein neuer Lebensraum, der sich nicht durch seine geographische Lage vom angestammten Lebensraum unterschied, sondern durch seine Dimension über- und ausserhalb der Bodenwelt, der Bodenwelt an die die anderen Tiere gebunden waren. Dieser neue Lebensraum bestimmte dann die weitere Entwicklung, was sich etwa darin zeigt, dass die Federn eines Vogels doppelt soviel wiegen wie sein Skelett.

    In einem gewissen Sinne haben auch die Hominiden, also der Mensch und seine Vorfahren einen neuen Lebensraum erobert. Wie bei den Vögeln ist dieser neue Lebensraum nicht durch neue geographische Koordinaten gekennzeichnet, sondern durch eine neue Dimension: die Dimension des geplanten Vorgehens nämlich, in dem Gegenstände instrumentalisiert werden und wo ein Baumast plötzlich zur Waffe, zum Feuerholz oder zu Baumaterial für eine Hütte werden kann. Wie der Vogel sich den Luftraum erobert hat, hat sich der Mensch den kognitiven Raum erobert in dem sich der behauptet, der seine Umwelt am effektivsten instrumentalisiert, also am besten zu Nutze macht.

  2. Der Archaeopteryx lebte vor 150 Millionen Jahren zusammen mit Land, Wasser 🌊 und Luft🎈 bewohnenden Dinosaurieren und zusammen mit den ersten Säugetieren auf einer gegenüber heute völlig anderen Erde 🌍 mit gerade zerfallendem Pangäa-Superkontinent, wobei vor 150 Millionen Jahren Afrika und Südamerika noch eine Landmasse bildeten, der Rest aber schon abgetrennt war.
    150 Millionen Jahre in der Zukunft wird sich ein neuer Superkontinent als Verschmelzung von Eurasien, Afrika, Indonesien und Australien ausgebildet haben.

    Gemessen an der gesamten Erdgeschichte von etwa 4 1/2 Milliarden Jahren sind die eben betrachteten 300 Millionen Jahre eine kurze Zeitspanne. Aus Sicht der Biologie geschah alles wirklich wichtige lange vorher (und in weiteren 500 Millionen Jahren wird es auf der Erde gar zu heiss für Leben), aber aus Sicht des Menschen geschah das Wichtige, das was unmittelbar mit unserem Leben zu tun hat, erst vor Kurzem. Und das, was wir über die geologische/paläontologische Vergangenheit und Zukunft wissen, das wurde sogar erst in den letzten 200 Jahren erarbeitet.

    Futurologen und Zeitgeisttheoretiker überhaupt sprechen ja gerne vom sich beschleunigenden technologischen Wandel, einem Wandel, der womöglich selbst unsere Biologie erfasst und zur Singularität führt.
    Wo aber begann diese Beschleunigung? Erst mit der modernen Technologie ✈️🚀 oder schon bei der Menschwerdung als Säugetiere 🐒 immer komplexere Gedanken (⁉️) entwickelten und als schliesslich nur noch der heutige Homo sapiens 🗿 übrigblieb? Und werden auch wir wie heute der Archaeopterix einmal zu den Fossilien gehören, die spätere Intelligenzen als Missing Link 🚫🔗 einstufen – als Missing Link vielleicht zwischen einer reichen zukünftigen Welt voller technologischer Geschöpfe , die sich fragen wer sie denn hervorgebracht habe und wo die Verbindung zur Welt der Biologie 🐈🌳 sei.

  3. Zitat:

    Und das ist diesmal ein wirklich prominenter Vertreter, denn der Urvogel Archaeopteryx dürfte vermutlich zu den bekanntesten Fossilien weltweit zählen. Damit dürfte das Ziel der Paläontologischen Gesellschaft aufgehen, mit dem Fossil des Jahres zu einer verstärkten Wahrnehmung der Paläontologie in der Gesellschaft beizutragen.

    Paläontologie fristet tatsächlich ein Stifmütterchendasein, wenn es um die meisten ihrer Funde geht. Nur gerade spektakulär grosse, ausgestorbene Monsterwesen (T.Rex etc) oder Fossilien von regelrechten Fabelwesen (zu denen vielleicht der Archaeopterix gehört) finden ein breiteres Publikum.

    Noch schlimmmer steht es um weite Teile der Geologie, die ja eine enge Beziehung zur Paläontologie hat. Vor allem die Systematik der Geologie mit ihrer feinstufigen Einteilung der Zeiträume (Superäonen,Äonen,Ära, Periode, Epoche, Zeitalter) bleibt wohl nur wenigen haften, selbst wenn man immer wieder vom Oligozän, Pleistozän oder Miozän liest. Jeder kennt zwar das Holozän (vielleicht mehr durch Max Frisch, der das Buch “Der Mensch erscheint im Holozän” geschrieben hat als durch die Geologen), aber wer weiss schon, dass selbst das Holozän noch in 3 geologische Zeitunterabschnitte aufgeteilt ist, nämlich das Greenlandian (Beginn vor 11700 Jahren), das Northgrippian (Beginn vor 8200 Jahren) und das Meghalayan (Beginn vor 4200 Jahren).

    Ich gehöre zu einer der wohl Wenigen, die im Gymnasium Geologie als Unterrichtsfach genossen haben. Unser Geologielehrer hat aber gar nie versucht uns die geologische Zeitskala beizubringen. Statt dessen widmete er sich den spektakulären geologischen Prozessen wie der Plattentektonik mit Vulkanismus und Erdbebenzonen, der Gebirgsfaltung, den Eiszeiten und ihren Auswirkungen auf die heimische Landschaft. Eine gute Vorbereitung war sein Unterricht jedenfalls für einen Geoausflug der ganzen Klasse zu Überbleibseln von Moränen und zu spektakulär durch die Alpenfaltung umgekippten und aufgebrochenen Gesteinsbändern.

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