Zeit für Chronos, Kairos und Äon
Schon die alten Griechen wussten, dass Zeit nicht gleich Zeit ist. Zwar unterschieden sie nicht zwischen Winter- und Sommerzeit, stattdessen kannten sie jedoch drei Götter der Zeit: Chronos, Kairos und Äon. Dann gab es noch Kronos, den Gott, der seine Kinder fraß. Doch was bedeutet das alles heute für uns? (Hier geht es zur englischen Version des Artikels.)
Am letzten Sonntag im März beginnt wieder die Sommerzeit. Dann werden die Uhren eine Stunde vorgestellt. Da dieser Wechsel viele Leute regelmäßig aus dem Rhythmus bringt, hat die EU beschlossen, die zwingende Zeitumstellung 2021 abzuschaffen.
Die alten Griechen kannten solche Probleme noch nicht. Es gab noch keine Maschinen, nach denen sie ihren Tagesablauf chronologisch ausrichten mussten. Auch trugen sie keine Chronometer mit sich herum, die jede Sekunde ihres Lebens messen zu können.
Stattdessen orientierten sich unsere Vorfahren über Jahrtausende hinweg am Sonnenverlauf. Damit lebten sie diesbezüglich artgerechter, sprich gesünder als wir. Denn auch die moderne Schlafforschung empfiehlt, den Tagesablauf nicht nach der Uhrzeit, sondern nach dem Sonnenverlauf auszurichten.
Doch was können wir sonst noch über die Zeit von den alten Griechen lernen?
Chronos (χρόνος) oder Kronos (κρόνος)?
Der Schöpfergott Chronos entstand allein aus dem dunklen Chaos und erschuf aus dem Aither das silberne Welt-Ei. Den alten Griechen muss es schwer gefallen sein, sich solch abstrakte Theorien vorzustellen. Dennoch fanden sie dafür eine Lösung. Chronos versinnbildlicht den Ablauf der Zeit sowie die Lebenszeit.
Wenn wir heute über Zeitmanagement, Produktivität, Effizienz und Effektivität sprechen, beziehen wir uns in der Regel auf Chronos und die daraus abgeleitete chronologische Zeit. So manch einen Menschen mag dies in die Verzweiflung treiben. Dies birgt dann das Risiko, chronisch krank zu werden.
Kronos oder die Zeit, die ihre Kinder frisst
Seit der Antike wird Chronos oft mit Kronos gleichgesetzt, dem jüngsten Sohn der Gaia (Erde) und des Uranos (Himmel). Doch hierbei handelt es sich um eine Volksetymologie, der volkstümlichen Eingliederung eines unverständlichen Begriffes mithilfe eines ähnlich lautenden, bekannteren Wortes.
Von seinem Vater gehasst, erfüllte Kronos seiner Mutter den Wunsch, ihren Gatten zu entmannen. Kronos wurde damit zum Herrscher der Welt und fraß fortan seine Kinder aus Angst vor der eigenen Entmachtung.
In der römischen Mythologie entspricht Kronos der Gott des Ackerbaus, Saturn. Hier ist auch die etymologische Nähe von Saturn und Satan interessant.
Als der französische Revolutionär Pierre Victurnien Vergniaud am Morgen des 31. Oktober 1793 selbst hingerichtet wurde, lauteten seine letzten Worte auf dem Schafott:
“Die Revolution, gleich Saturn, frisst ihre eigenen Kinder.“
In verkürzter Form erlangte sein Ausspruch sprichwörtliche Berühmtheit. Auch der Schriftsteller Georg Büchner griff auf Vergniauds Worte zurück. So schrieb er in “Dantons Tod” (1835):
“Ich weiß wohl – die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eignen Kinder.”
Bis heute finden wir Kronos auch in der Redewendung:
“Die Zeit frisst ihre Kinder.”
Kairos
Kairos (καιρός) ist der launische Gott der Gelegenheit. Bis heute ist er für uns lebendig, wenn wir jetzt oder nie
“eine Gelegenheit beim Schopfe packen”,
denn der junge Gott hat zwar viele Haare an der Stirn, doch sein Hinterkopf ist kahl. Kairos rennt auf geflügelten Füßen an uns vorbei und mahnt uns bis heute, die Chancen in unserem Leben beizeiten zu ergreifen.
Äon
Äon oder Aion (von griechisch ὁ αἰών) steht für die Ewigkeit. Er ist Kind und Greis zugleich. Äon ist großzügig und zufrieden, denn es fehlt ihm an nichts. Er inspiriert uns zu Aktivitäten, die unserem Handeln in der Gegenwart einen Sinn geben.
Dank Äon finden wir die nötige Ruhe und das Kohärenzgefühl, um unsere Berufung erfüllen zu können. Kairos hilft, dass wir den flüchtigen Moment der Serendipität erfassen. Und im Team mit den beiden anderen wird Chronos zum gütigen Gott, der uns bestmöglich bei unserer Produktivität unterstützt.
Wie ein kreolisches Sprichwort besagt, entsteht Teamgeist erst durch Teamarbeit. Doch das wird eine andere Geschichte… Genauso wie die Abschaffung der Zeitumstellung.
Allen ein schönes Wochenende und eine möglichst gute Anpassung an die Sommerzeit.
Zu Äon fällt mir Goethes FAUST ein : “Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehen …” Dieser ziemlich frustrierte Faust fragt nach dem Sinn seines Lebens und Äon ist eine Metapher für die Ewigkeit bzw. die Sinnsuche. Da hat der liebe Dr. Faust also sein Leben lang studiert und doch das Leben nicht verstanden. In diesen Spiegel, den Äon uns da vorhält, schauen wir täglich…
‘Chronos’ ist womöglich die Personifizierung des Zeitbegriffs und ‘Cronus’ ein altgriechischer Gott, vergleiche :
-> https://en.wikipedia.org/wiki/Chronos
-> https://en.wikipedia.org/wiki/Family_tree_of_the_Greek_gods
-> https://en.wikipedia.org/wiki/Cronus
Im Sinne einer “Dynastie” von angenommenen Göttern und ihnen zugesprochener Wirkung kann womöglich von einer so gemeinten Wechselbeziehung oder so gemeinter Metapher ausgegangen werden.
So wie an ‘Chronos’ nicht geglaubt werden musste, seinerzeit, an ‘Cronus’ aber sehr wohl.
Auch heutzutage gibt es vergleichbare Vermischung.
Sichten konkurrieren ja auch.
MFG
Dr. Webbaer
PS:
Die seinerzeit eingeführte sog. Sommerzeit war nicht “wirklich cool”, Dr. W war seinerzeit dabei, denn sie machte im interplanetarischen, insbesondere den terrestrischen Umlauf um die Sonne meinend, nicht “so wirklich” Sinn, wenn der Gesamt-Verhalt der physikalisch feststellbaren Lage geschuldet ist – und seinerzeit als Umstellungsziel sog. Energiesparen zuvörderst herausgestellt worden ist.
(Mit ökologistisch-politischen Ziele dagegen machte es schon, also politisch : Sinn.)