“Nobelpreisträger” und Sorgenkind: die blaue LED
BLOG: Himmelslichter

Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an drei japanische Physiker für die Erfindung der blauen LED in den 1990er Jahren. Blaue LEDs haben (zusammen mit den schon länger bekannten roten und grünen Leuchtdioden) die Entwicklung weißer LED-Lampen möglich gemacht – für Innen- wie für Außenbeleuchtung. Diese Technologie hat zweifellos das Potential, große Energiemengen einzusparen. Doch die Anzeichen mehren sich, dass gerade das nicht passieren wird: Weil wir mit Licht nach wie vor verschwenderisch und gedankenlos umgehen, dürfte insbesondere LED-Außenbeleuchtung dafür sorgen, dass die Nächte heller, die Stromrechnung aber nicht kleiner werden.
In gewisser Weise ist das mit den LEDs wie mit Alfred Nobels eigener Erfindung, meint deshalb Andrej Mohar von Dark-Sky Slovenia: Wie auch das Dynamit können sie – richtig eingesetzt – sehr nützlich sein. Wie gut die Chancen dafür wohl stehen?
An dieser Stelle veröffentliche ich einen Gastbeitrag von Chris Kyba, Wissenschaftler an der FU Berlin und am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Chris war Mitarbeiter am interdisziplinären Forschungsprojekt “Verlust der Nacht” und erforscht die Lichtverschmutzung in und um Berlin. Der englische Originaltext wurde heute in Chris’ Blog Loss of the Night veröffentlicht. Nachtrag: Auch die IDA hat ein Statement zum Thema veröffentlicht: “There’s no question that LEDs are here to stay […] The question is, will we have the wisdom to apply this new technology without being excessive and wasteful?”
Chancen und Gefahren der LED-Beleuchtung
Was für eine wunderbare Nachricht für Isamu Akasaki Hiroshi Amano und Shuji Nakamura: Heute wurde bekanntgegeben, dass die drei Physiker mit dem Nobelpreis geehrt werden. Sie erhalten die höchste Auszeichung der Wissenschaft “für die Erfindung effizienter blauer Leuchtdioden, die die Entwicklung heller und energiesparender weißer Lichtquellen ermöglicht”.
Für die Außenbeleuchtung haben weiße LEDs (in denen blaue LEDs zum Einsatz kommen) zwei unglaublich nützliche Eigenschaften. Zum einen können sie anders als die alten Gasentladungsröhren wesentlich sorgfältiger ausgerichtet werden. Richtig eingesetzt, können solche Lampen eine Straße oder einen Bürgersteig beleuchten, ohne dabei Licht in den Himmel und in Schlafzimmer umliegender Häuser zu strahlen oder Verkehrsteilnehmer zu blenden. Zweitens lassen sie sich ohne Verzögerung ausschalten oder dimmen. Damit könnte die ungeminderte Dauerbeleuchtung der Vergangenheit angehören – statt jede einzelne Straßenleuchte die gesamte Nacht lang mit voller Leitung brennen zu lassen, wird sich zukünftige Stadtbeleuchtung hoffentlich am tatsächlichen Bedarf ausrichten.
Vorstellbar wäre sogar eine Zukunft, in der führerlose Autos ohne Scheinwerferlicht auskommen (das Auto selbst kann gedämpft beleuchtet sein, damit man es sieht), Fußgänger und Radfahrer selbst für eine bessere und gleichmäßigere Beleuchtung bei deutlich reduziertem Beleuchtungsniveau sorgen und in der der Himmel selbst über großen Städten wieder von tausenden Sternen übersät ist.
Damit diese Zukunft Realität wird, reicht die geniale Erfindung der drei Physiker, die wir heute feiern, alleine aber nicht aus. Hierfür braucht es die gemeinsame Anstrengung von hunderttausenden weiteren Beleuchtungsexperten: Ingenieuren, Designern, Stadtplanern – und vielleicht am wichtigsten: dem Gesetzgeber. Denn ohne sorgfältiges Design und Planung werden die hocheffizienten LEDs des Nachts eher so aussehen:


Diese LED-Wand befindet sich an einer der belebtesten Straßenecken Berlins (Kurfürstendamm und Joachimstraße) – ihr Helligkeitsniveau ist stets auf Tageslicht eingestellt und blendet Autofahrer beim Rechtsabbiegen über den Fußgängerüberweg völlig.
Dank ihrer bemerkenswerten Kompaktheit leuchten die neuen LEDs weit heller als viele der älteren Straßenlampen. Dies und der hohe Blau-Anteil ihres Lichts sorgt für eine sehr viel stärkere Blendwirkung, die Autofahrer und Fußgänger gleichermaßen gefährdet.
Für eine sehenswerte Gebäudebeleuchtung braucht es keine hohe Leistung, hocheffiziente 1-Watt-LEDs genügen. Doch selbst diese können Passante blenden, wenn sie schlecht designt sind. Genau das passiert, wenn man beispielsweise am Berliner Alexanderplatz aus der U-Bahnstation steigt:


LEDs werden die Art und Weise, wie wir unsere Welt drinnen wie draußen erhellen im kommenden Jahrzehnt grundsätzlich umkrempeln. Dafür dürfen wir den Nobelpreisträgern zu Recht dankbar sein. Aber werden wir dank LEDs wirklich Energie sparen – oder einfach mehr Licht verschwenden? Und werden LEDs unsere Umwelt wirklich lebenswerter machen? Die Antworten auf dieser Fragen hängen davon ab, was wir mit der Erfindung der drei Physiker im Alltag anstellen.
Schöne neue LED-Welt: Endlich kann man sich die taghelle Beleuchtung in der Nacht leisten.
Natürlich wird da keine Energie gespart werden.
Wozu auch? Jetzt bekommt man für dieselbe Energie (a.k.a. Kosten) ja mehr Licht. Und mehr ist immer gut!
Das wird ein Lehrbuchfall für den Reboundeffekt werden.
Hallo Gerry, perfekter Beitrag von dir! Regards
Klar werden wir sparen. Gegenüber der gleichen Menge an erzeugtem Licht mit konventionellen Lampen. Den Mehrverbrauch ursächlich den LEDs in die Schuhe schieben zu wollen geht an der Realität vorbei.
Von dem Quecksilber und anderen Giftstoffen in dem als “Energiesparlampen” getarnten Sondermüll ganz zu schweigen.
> Dank ihrer bemerkenswerten Kompaktheit leuchten die neuen LEDs weit heller als viele der älteren Straßenlampen. Dies und der hohe Blau-Anteil ihres Lichts sorgt für eine sehr viel stärkere Blendwirkung, die Autofahrer und Fußgänger gleichermaßen gefährdet.
So schlimm wie die Bilder suggerieren ist die Blendwirkung nicht. Der ziemlich geringe Dynamikbereich der digitalen Kameras spielt da eine Rolle.
Der Fotograf wird sich bei der Belichtung an den hellen Stellen orientieren, denn aufhellen kann man hinterher immer noch, abdunkeln ist aber nicht möglich.
“Das wird ein Lehrbuchfall für den Reboundeffekt werden.”
Toll, dass wir hier so exzellente Futurologen haben.
Hallo Stan, perfekter Beitrag von dir! Regards
@Stan & Oliver: Führen wir gerne Selbstgespräche?
“@Stan & Oliver: Führen wir gerne Selbstgespräche?”
Das auch! Ich wollte meine Freude über einen völlig unqualifizierten Ausruf zum Reboundeffekt nicht für mich behalten. 🙂
Gruß Stanoliver
Bitte hier nicht rumtrollen, danke.
Zum Glück leben wir in keiner Welt, in der ein Wissenschaftsrat für alle entscheiden kann, in welchen kleinstmöglichen Dosen der technische Fortschritt höchstens eingesetzt werden darf, ausgerichtet am Minimalbedarf zur Deckung vernünftiger Grundbedürfnisse.
Ich sehe den Einsatz der LED-Beleuchtung kritisch. In vielen Bereich wird derzeit auf die neue Technologie umgestellt. Die ist zwar energie- und geldsparend, aber gerade deshalb wird geradezu verschwenderisch damit umgegangen. In meiner Umgebung ist das gut zu beobachten. So gibt es Straßenzüge, die noch mit den älteren, gelb strahlenden Leuchten ausgestattet sind und daneben Bereiche, die bereits auf LED-Lampen mit hohem Blauanteil umgerüstet wurden. Das ist wirklich ein Unterschied, wie Tag und Nacht. Die LED-Lampen sind im Vergleich extrem hell, ein wesentlich größerer Anteil an Licht wird vom Untergrund wieder reflektiert und in den Nachthimmel abgestrahlt – erkennbar als helle Lichtglocke.
Wird Energie nun Netto subventioniert oder netto besteuert?
Verstärkte Blau-Abstrahlung (im Spektralbereich 415-445nm) und durch Licht reduzierte Melatonin-Ausschüttung sind Risikofaktoren für Krebserkrankungen…
Wie auf der Seite der “Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin” zu lesen ist, können Weiß- oder Blaulicht emittierende LED unter bestimmten Umständen Netzhautschäden verursachen: “Der Expositionsgrenzwert für die photochemische Netzhautgefährdung bei einem langzeitigen, absichtlichen Blick aus kurzer Distanz in eine Weiß- oder Blaulicht emittierende LED kann schon nach 10 Sekunden überschritten werden.”
http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/F2115.html
Interessant wäre der Vergleich von LED mit Glühlampen bezüglich Netzhautgefährdung. Ich vermute, dass weisse und blaue LED’s in der Praxis gefährlicher sind als Glühlampen und zwar nicht nur wegen dem höheren Blaulichtanteil sondern auch weil LED’s bei gleicher Lichtleistung weniger heiss werden, womit man überhaupt erst auf die Idee kommen kann sich einer LED-Quelle bis auf Zentimeterentfernung anzunähern.
“Interessant wäre der Vergleich von LED mit Glühlampen bezüglich Netzhautgefährdung.”
Während eine Glühlampe mit 200 Watt lediglich eine Farbtemperatur von 3000 Kelvin erreicht, liegt sie bei einer “kaltweißen” also bläulichen Led-Lampe bei 5000-6000 Kelvin, das entspricht in etwa dem Sonnenlicht am Tage. Weiße und blaue LED können demnach zu einem Sonnenbrand auf der Netzhaut führen, wenn die Strahlungsenergie groß genug ist.
Zustimmung zur Gefährlichkeit von hellen blauen, punktförmigen LED’s. Das sonnenähnliche Spektrum solcher LED ist aber meist erwünscht.Grossflächig ausgeführte OLED’s könnten die Lösung sein, weil die Leuchtdichte dann unter die kritische Schwelle fällt:
Hier ein paar Bilder zu Flächenleuchten auf OLED-Basis
Der NYT-Artikel The Problem With Energy Efficiency hat als Thema den Rebound-Effekt und zeigt, dass Beleuchtung ein Paradebeispiel für den Rebound-Effekt ist:
Ja, was eigentlich bleibt heute noch unbeleuchtet. Sogar das Smartphone hat eine LED!
Zum Thema Rebound-Effekt und Beleuchtung hat Chris Kyba zusammen mit zwei Kollegen vor einiger Zeit eine Veröffentlichung vorgelegt, die im Originalblog auch verlinkt ist, nämlich diese: http://pubs.rsc.org/en/Content/ArticleLanding/2014/EE/c4ee00566j#!divAbstract
Das pdf ist frei verfügbar. Sein Fazit: LEDs etc. *werden* zu mehr Beleuchtung führen, wenn nicht der Begriff “Effizienz” einmal näher definiert wird.
Das war auch schon Thema hier im Blog: https://scilogs.spektrum.de/himmelslichter/effizientere-strassenbeleuchtung-hoeherer-energieverbrauch-naechte/
Der städtebauliche Wahnsinn mit den blauen LEDs geht weiter: http://www.sternenpark-schwaebische-alb.de/neues-2014/licht-ohne-ende-vol-2.html
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