Eine Google-Map der globalen Lichtverschmutzung – Crowdfunder gesucht!
BLOG: Himmelslichter

Nichts macht die Ausbreitung der menschlichen Zivilisation besser sichtbar als Aufnahmen unseres Planeten Erde bei Nacht. Überall, wo Menschen sind, wo sie nachts wach sind (und schlafen), beleuchten sie ihre Umwelt in nie dagewesenem Maße. Sie machen die Nacht wörtwörtlich zu Tag – und lassen sich das einiges kosten: einer Studie spanischer Astronomen zufolge rund 6,3 Milliarden Euro pro Jahr alleine in der Europäischen Union.
Mit der sich bereits in vollem Gange befindlichen Umstellung auf LED-Beleuchtung wird die Erleuchtung des Planeten Erde weiter zunehmen – Licht wird schließlich billiger. Doch statt zu sparen, wir eben mehr und heller beleuchtet, ein typischer Bumerangeffekt. Die Folgen dürften drastisch sein, für Ökosysteme, Mensch und unsere Möglichkeit, das Universum mit eigenen Augen zu sehen. Selten hat der Mensch seine Lebensumwelt so schnelle und so radikal verändert. Die Nacht stirbt.

Bislang wurde die Ausbreitung der weltweiten Lichtverschmutzung vor allem von Satelliten verfolgt. Die aber haben neben dem Vorteil der globalen Abdeckung unseres Palneten auch einige Nachteile. Der wichtigste betrifft ihre mangelnde Fähigkeit, die Lichtfarbe eingesetzter Beleuchtungsmittel zu differenzieren. Vor allem im blauen Spektralbereich – in dem LEDs häufig besonders hell strahlen, und der der aus vielen Gründen besonders schädlich ist – sind sie beinahe blind.
Alejandro Sánchez von der Universidad Complutense in Madrid und einige Kollegen haben es sich daher zur Aufgabe gemacht, Fotografien, die von Astronauten an Bord der Internationalen Raumstation gemacht worden sind, zu einer globalen Karte der Erde bei Nacht zusammenzusetzen. Diese Karte soll mittels Google-Maps jedermann zugänglich sein und anderen Forschern bei der Untersuchung der Folgen der weltweiten Erleuchtung helfen.

Eine erste Version dieser Karte zeigt: da ist noch viel zu tun. Und Arbeit kostet Geld, welches Sánchez und seine Mitstreiter mittels einer Crowdfundingkampagne auf dem Portal kickstarter.com aufzutreiben erhoffen. Stand heute (20. August) sind gerade einmal 1300 Euro von den anvisierten 50000 € zuammengekommen, da bleibt noch ein weiter Weg. Aber vielleicht finden sich ja noch ein paar finanzkräftige Unterstützer. Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, eine Raumfahrtorganisation wie die Esa hätte das Geld, das sie zur dekorativen Beleuchtung einer Antenne einsetzt, in dieses Projekt gesteckt.
Drei Beispiele zeigen eindrucksvoll, was man auf den ISS-Bildern erkennt. Diese Aufnahmen von Mailand etwa zeigen, wie sich das Bild einer Stadt in kürzester Zeit ändern kann. Auf dem linken Bild von 2012 wurde die Stadt noch hauptsächlich von gelblich leuchtenden Natriumdampflampen erleuchtet. Rechts das Bild von 2015 – nun ist die Innenstadt auf blauweiße LED-Beleuchtung umgerüstet. Der Blauanteil des von diesen Lampen ausgesandten Lichts ist höher, der Einfluss des Lichts auf die Umwelt und Gesundheit damit größer. Sterne sieht man wohl noch weniger als zuvor schon.

Auf der Kanareninsel La Palma ist zum Schutz der dortigen Observatorien der Einsatz von blauweißem Licht zur Außenbeleuchtung verboten. Nicht immer wird dieses Verbot beachtet, der Kreis zeigt einen möglichen Fall von unzulässiger Lichtverschmutzung. ISS-Bilder helfen, solche Verstöße aufzuspüren.

Wie unterschiedlich das Ausmaß der Lichtverschmutzung in verschiedenen Ländern ist, zeigt dieses Beispiel des Dreiländerecks Niederlande-Belgien-Deutschland, ein kleiner Ausschnitt aus der Cities-at-Night-Karte. Belgien, weltbekannt für seine beleuchteten Autobahnen, ist weit heller erleuchtet als die Nachbarländer.

Wäre eine vollständige Karte nicht eine tolle Sache? Ich denke ja, und habe die Kampagne bereits unterstützt. Hoffentlich tun es noch ein paar mehr, damit die Zielsumme zusammenkommt!
“Lichtverschmutzung” – muß dieser arrogante Begriff immer und überall sein? Was einige als Problem betrachten, ist für die allermeisten Menschen das Zeichen der Zivilisation.
Finde diese Wortwahl der wissenschaftlichen Gemeinde unwürdig. Wir sind hier doch nicht auf dem Boulevard.
Ob es Ihnen gefällt oder nicht, “Lichtverschmutzung” ist ein anerkannter Begriff und wird verwendet, in der “wissenschaftlichen Gemeinde” und außerhalb.
Eben. Leider. 🙂 Eine milde Form der Foxnewsisierung.
@Tim: Wo bitte wird der Begriff Lichtverschmutzung “immer und überall” eingesetzt? Doch sicher nur dort, wo es nicht um ästhetische Dinge geht, sondern vor allem um Gesundheit.
Mir persönlich (!) als Hobbyastronom geht es natürlich in erster Linie darum, dass der Himmel stellenweise so stark aufgehellt ist, dass man lichtschwache Objekte nicht mehr detailiert bzw. überhaupt beobachten kann. Mir ist es aber auch ein Anliegen, das mir nachfolgende Generationen es noch als “normal” empfinden können, dass man in einer klaren Nacht das Band der Milchstrasse am Himmel sehen kann. Da es hierbei aber nicht direkt um gesundheitliche Aspekte geht, scheint der Begriff “Verschmutzung” vielleicht etwas überzogen.
Mitlerweile gibt es aber sichere Erkenntnis darüber, dass wir Menschen mit unserem künstlichen Licht Tier- und Insektenarten gefährden/dezimieren und es mitlerweile auch Studien über steigendes Krebsrisiko beim Menschen bei zuviel Licht gibt. Der Mensch braucht die naturgegebene Dunkelheit zur Regenierung! Hier geht es also tatsächlich um unsere Gesundheit und wenn man die Eigene schon ignoriert finde ich es vermessen, über Die der anderen Lebewesen auf unserem Planeten mitzuentscheiden. Wir tun das mit vielen anderen Dingen schon viel zu viel, warum dann also noch mit völlig sinnfreier Beleuchtung, die es neben Nützlicher leider viel zu viel gibt, und wie im Artikel angemerkt auch weiter zunehmen wird. Man schaue nur mal in den Baumärkten, Discountern, … und nachfolgend in den vielen Gärten und privaten Grundstücken an sich, wieviel völlig überflüssiges Licht “zur Schau gestellt” wird, weils vermeintlich toll aussieht, welches aber zu 100% ohne Nutzen und somit sinnfrei ist … Klar, jedes Lämpchen allein ist kein wirkliches Problem, aber die Masse machts, wie die Satelliten- und Astronautenfotos eindrucksvoll beweisen. Und daher finde ich den Begriff “Lichtverschmutzung” keinesfalls überzogen oder “arrogant” (?), sondern absolut sachlich und damit passend!
Kritik mit ein wenig Substanz wäre hilfreich…
Ich habe vor Kurzem mit einem Osram-Manager gesprochen, der dort neue Produkte entwickelt. Ich habe ihm gesagt, intelligente und lichtsparende Beleuchtung sei ein wichtiges kommendes Thema, da kannte der weder Wort noch Problem der Lichtverschmutzung.
Interessant und wichtig für Vorschläge zur Lichtplanung an die Kommunen wäre, wie eigentlich die Gesetzeslage ist: Wo muss die Kommune beleuchten, wo nicht? In München gibt es Straßenleuchten, die man mit dem Handy einschalten kann. Auch Wegbeleuchtungen, die per Sensor nur lokal angehen, sollten doch heute kein Problem mehr sein.
Gruß, Kai
@ Kai: die Osram-Tochter Siteco klassifiziert die Abstrahlung ihrer Leuchten schon seit Jahren entsprechend der Lichtverschmutzung! Und leitenden Mitarbeitern dort ist das Problem sehr wohl bekannt – der Manager sollte sich vielleicht mal mit seinen Mitarbeitern unterhalten….
Ansonsten sollte die intelligente bedarfsorientierte Beleuchtung sicher öfter eingesetzt werden – solange allerdings die Investitionskosten noch so hoch und die Energiekosten gering sind, wird jede öffentliche Hand Probleme bei der Vergabe haben. Da ist Abschalten immer noch billiger und nicht verboten …. Und die Engländer haben ja grade mal wieder gezeigt, dass es die Sicherheit nicht beeinträchtigt.
@ Jan: das letzte Heft des VdS-Journals ist wohl noch nicht nach Chile gelangt: dort ist ein Artikel, wie man die erhältlichen Satellitenbilddaten sehr gut als Spurensuche für Lichtverschmutzer verwenden kann! Das Schwerpunktthema Lichtverschmutzung dieses Heftes wird in Kürze auch online verfügbar sein.
@Tim: hat wohl auch noch nichts von Luftverschmutzung z.B. durch Autos – auch Zeichen der Zivilisation – gehört? Wir können es auch gerne “ALAN – Artificial Light at Night”, oder “zivilisationsbedingte Lichtemission” nennen…
Gruß, Andreas
Das VdS-Journal habe ich tatsächlich noch nicht gelesen. Werde ich nachholen, sobald es online ist!
Ich denke, dass mitunter die Lichtverschmutzung dazu beiträgt, dass sich die Menschen nicht mehr so sehr für die Astronomie interessieren. Früher haben hald die Menschen viel öfters nach oben geblickt und sich gefragt was es da draußen gibt. Schade eigentlich, dass es das heute nicht mehr gibt.
@Tim: Nicht das künstliche Licht (das “Zeichen menschlicher Zivilisation”) wird als Problem dargestellt, sondern die Verschmutzung, also das Licht-an-Stellen-wo-es-nicht-hingehört. Ein anderes “Zeichen menschlicher Zivilisation” sind übrigens Unmengen von Kunststoffabfall: Man kann wochenlag durch die von Menschen unbewohnte Sahara laufen und man merkt, dass man einer menschlich-zivilisierten Siedlung (Stadt) nahe kommt, da noch bevor die Stadt selbst zwischen den Dünen sichtbar wird, sich die Überreste von Kunststoff-Säcken im Sand zu häufen beginnen. Was ich sagen will: auch ich bin ein großer Freund von menschlicher Zivilisation, aber nicht jedes Zeichen von dieser ist positiv.
Verständlich (und menschlich) ist auch, dass uns der eine oder andere Begriff irgendwann nervt – aber zutreffend kann er dennoch sein.