ROSETTA: NavCam-Bild vom 11.8.

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Das NavCam-Bild vom 11.8.2014 zeigt den Stiefel von rechts, mit tiefen Schatten, die den merkwürdigen, großen Krater oben auf dem Schaft und die glatten Gebiete am Übergang vom Spann zum Schaft und außen am Fußrücken akzentuieren.

Das, meine Damen und Herren, ist offenbar alles, was es heute von diesem wissenschaftlichen Großprojekt zu vermelden gibt, das jetzt in seine geschäftigste Phase eingetreten sein sollte: ein Bild der Navigationskamera. Einfach so hingeworfen. Ohne jeden Text, ohne Kommentar, ohne Erläuterung. Sonst nichts. Wir sind nicht etwa mitten in der Hibernationsphase, nein – wir stehen gerade sechs Tage nach dem Riesen-Medien-Event, das das Ende des zehnjährigen Transfers und den Beginn der Nahphase markiert. Also einer Phase, die durch die Kalibrierung der Instrumente und eifrige wissenschaftliche Aktivität gekennzeichnet sein sollte.

Schauen wir mal auf die Rosetta-Webseite des ESA-Wissenschaftsdirektorats.

  • Latest News: Ein Artikel vom 6. August 2014. Wohlgemerkt, wir haben jetzt den 12.8. und Rosetta steht in der Transition zur globalen Kartierung die u.a., der Landung der Oberflächensonde Philae zum Erfolg verhelfen soll – in gerade einmal drei Monaten.
  • From our Partners: Da ist der neueste Artikel vom 10. Juni 2014.
  • Latest Status Reports: Nach dem 14. Mai 2014 fand man offenbar nichts Neues mehr zum Status zu vermelden.
NavCam-Bild vom 11.8.2014, Quelle: ESA/Rosetta/NavCam

Wenn ich mir anschaue, wie das jetzt schon wieder läuft mit dem Outreach, kann ich leider nicht umhin, an einen SPON-Artikel von vor zehn Jahren zu denken.

Andere Raumsonde, anderer Himmelskörper, andere Wissenschaftler, gleiches Phänomen: Damals – 2004: kurz nach der Ankunft von Mars Express am Mars, ein groß aufgemachtes Ereignis, jede Menge fantastisches Datenmaterial von unschätzbarem PR-Wert, das weltweit einzigartig war, Rieseninteresse aus der Öffentlichkeit … und was war? Nix war. Die Gelegenheit, mal so richtig aufzutrumpfen, man ließ sie verstreichen. Erst war es peinlich, dann ärgerlich, am Ende nur noch lächerlich.

Jetzt muss man nachlegen. Jetzt sind die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Mission gerichtet.

Hier hat man – zum Glück, kann ich nur sagen – den Vorteil, die Peinlichkeit zumindest durch die tägliche Freigabe von Bildern der Navigationskamera etwas überspielen zu können. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Bei anderen Raumsonden wird die Wissenschaftskamera auch zur Navigation genutzt – da gibt es kein dediziertes Kamerasystem. Ich mag mir lieber nicht vorstellen, wie der Outreach aussehen würde, müsste man sich jetzt allein auf die Kooperationsbereitschaft der Betreiber der wissenschaftlichen Instrumente verlassen. Es wäre aber gut, wenn sich jemand an verantwortlicher Stelle mal in allen Details ausmalen würde, was das dann für eine unglaubliche Pleite geworden wäre und daraus die richtigen Schlüsse zieht.

Wir sollten nicht immer wieder vor demselben Problem stehen. Als Kontrast dazu könnte man sich beispielsweise die Frequenz der NASA-Nachrichten um die Ankunft der Saturnmission Cassini-Huygens am 30.6.2004 herum anschauen. Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist.

Avatar-Foto

Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

13 Kommentare

  1. Mich – wahrscheinlich aus so manch andere – interessieren die Umläufe von Rosetta: Wie weit und wie nah kommt Rosetta dem Kometen? Wie sehen die Umlaufbahnen aus? Geht das hin und her oder wird das langsam etwas runder? Wie vermeidet man eine Kollision mit dem Kometen? Vielleicht erfahrt man etwas mehr als nur Bilder, Bilder, Bilder.

    • Diese Seite zeigt eine upgedatete Version der Planung der Bahn in den kommenden Wochen. Was danach genau passiert, hängt auch davon ab, wie das Gravitationsfeld ist und welche Lokationen man sich für eine Untersuchung auf ihre Eignung als Landeort ausgeguckt.

      Ich meine, man muss schon Verständnis dafür aufbringen, dass da noch Einiges im Fluss ist. Immerhin macht man so etwas ja zum ersten Mal.

      Ich wüsste halt gern noch mal etwas zum Zustand der Sonde und ihrer Instrumente und was man – unter Vorbehalt natürlich – aus den Beobachtungen der Anflugsphase schließt. Instant Science gibt es nicht, das ist klar. Aber das bis jetzt ist doch etwas dürftig.

    • Den Verlauf der Bahn – wird sind noch im ersten Nicht-Orbit-Dreieck in “100 km” Entfernung – kann man sich immerhin aus den Abstands-Angaben der NavCam-Bilder zusammen reimen: Erst wurden sie weniger, bis 80 km, dann stiegen sie wieder über 100 km. Was man auch versuchen kann, ist die Kernlandschaften so gut kennen zu lernen, dass man sich auf neuen Aufnahmen gleich zurecht findet. Dazu hat es sich als nützlich erwiesen die Bilder so zu drehen, dass Norden oben ist. Das Video mit Sierks und dem Kernmodell mit eingezeichnetem Äquator war dabei hilfreich: Die Achse geht senkrecht durch den Hals der Ente, und ihr Kinn ist oben …

  2. Guter Punkt: Wir haben die ESA dazu gebracht, mehr Bilder freizugeben. Aber ein Kulturwandel sieht anders aus – und braucht wohl mehr Zeit als ein paar Wochen. Ich frage mich: woran liegt es? Am ESOC sind die Missionsanalytiker, die jetzt spannenden Input liefern könnten. Und im ESA-Blog tut sich (auch neben den Bildern) jeden Tag etwas. Die Ressourcen müssten doch da sein.

    Ich habe übrigens diese Woche OSIRIS-PI Holger Sierks in Göttingen besucht – und der Besuch hat mich hoffnungsfroh gestimmt, dass sich eines Tages doch etwas bewegen wird. Er ist nicht per se gegen Offenheit. Und er lebt damit, dass heute US-Planetologen bereits wissenschaftlich auf Navcam-Bildern arbeiten. Herr Sierks steht aber auch einem 80-köpfigen Team mit vielen Meinungen vor. Hier müssen wir weiter laut bleiben.

    • Ich denke nicht, dass man die Bedeutung des einen offenen Briefs überschätzen sollte. Das sollte man schon realistisch betrachten. Es gab und gibt überall unterschiedliche Meinungen zur Öffentlichkeitsarbeit, schon seit langem. Die Situation bei Mars Express und SMART-1 trug dazu eine Menge bei.

      Allerdings können das eine NavCam-Bild pro Tag die Peinlichkeit ja nur überspielen. Bilder sind wichtig, aber sie sind nicht alles. Schon gar nicht, wenn sie unkommentiert sind und die Interpretation dem Betrachter überlassen wird.

      Missionsanalytiker können übrigens eher gar keinen Input zur wissenschaftlichen Auswertung liefern und zur den laufenden Operationen auch nur wenig. Zumindest im Bereich der Flugdynamik und bei Operations sind meines Wissens die Ressourcen alles andere als üppig. Die Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit liegt ohnehin in der Verantwortung Anderer.

      • Mir hat in Darmstadt jemand vom ESA-Outreach erklärt, die täglichen NavCam-Bilder seien doch sowieso immer geplant gewesen und hätten gar nichts mit dem Wirbel Mitte Juli zu tun – nur in großem(!) Abstand vom Kometen habe man sie auf expliziten OSIRIS-Wunsch zurückgehalten. Weil, so die Begründung, man aus einer Zeitserie davon ja die Lichtkurve des Kerns und damit sein Rotationsverhalten hätte ableiten können. (Womit, frage ich, wem geschadet worden wäre, zumal die Rotationsperiode bereits aus erdgebundenen Daten ganz gut bestimmt wurde, die seit Jahren publiziert sind.) Die Spannung steigt jedenfalls: Wird der immer-Donnerstags-Rhythmus vom Juli wieder aufgenommen und es morgen im Blog neue Goodies von OSIRIS geben, insbesondere aus der größten Annäherung bisher, die immerhin bei nur ~80 km Distanz lag?

        • Mir hat in Darmstadt jemand vom ESA-Outreach erklärt, die täglichen NavCam-Bilder seien doch sowieso immer geplant gewesen […]

          Ich weiß nicht, wer Ihnen das gesagt hat, aber die Aussage ist unzutreffend.

  3. “Der Streit um den Urheber-Hinweis unter den Bildern hat bei der Esa Tradition – und bremst die PR-Maschine zusätzlich.” Diese Textpassage im oben verlinkten SPON-Artikel brachte mich auf eine Frage zurück dessen Antwort mich schon länger interessiert. Wieso und wie hat es Gerhard Neukum geschafft, dass sein Name im Urheber-Hinweis direkt (zumindest bis Ende letzten Jahres) angeführt werden muss? Normalerweise beschränkt man sich doch auf die involvierten Institutionen aber erwähnt nicht explizit den PI.

    • Gute Frage, das versuche ich bereits seit Jahren herauszubekommen. Jeder, den ich frage, weist jegliche Verantwortung für diese Entscheidung weit von sich.

      Vielleicht wollte ihm jemand entgegenkommen, weil er bekanntermaßen so ein sympathischer, umgänglicher Mensch ist.

      • Ich kann mir nicht helfen, aber wenn ich solche Sätze wie den letzten in Zusammenhängen wie diesem lese, dann drängt sich mir sofort der Eindruck auf, dass das Gegenteil von dem gemeint ist, was dort steht. Vor allem, wenn ich von den betreffenden Personen zuvor noch nie gehört habe. Aber vielleicht täusche ich mich ja.

Schreibe einen Kommentar