New Horizons: Fehler in Kommandosequenz verursachte “Safe Mode”

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Am 4. Juli feierte die Pluto-Sonde New Horizons den US-Nationalfeiertag durch Eintreten in den “Safe Mode”. Dies ist ein besonderer Operationsmodus, den alle Raumsonden haben (sollten) und der automatisch ausgelöst wird, wenn ein Fehler auftritt, mit dem die Bordsysteme nichts anzufangen wissen.

Im “Safe Mode” werden alle nicht lebensnotwendigen Systeme abgeschaltet und die Sonde so ausgerichtet, dass sie weder unterkühlt noch überhitzt, dass ggf. die Solargeneratorn garantiert Sonnenlicht einfangen (bei New Horizons natürlich nicht, denn diese Raumsonde bezieht ihren elektrischen Strom aus einem Radionuklidgenerator) und dass der Kommandozugriff durch die Bodenkontrolle gewährleistet ist.

Wissenschaftliche Instrumente sind nicht lebensnotwenig und werden abgeschaltet. Es könnte ja sein, dass sie den Safe Mode ausgelöst haben, weil sie aufgrund einer Fehlfunktion zu viel Strom ziehen oder zu viele Daten generieren. Wenn bei mir daheim die Sicherung ‘rausknallt, mache ich ja auch erst einmal die meisten Stromverbraucher aus, bevor ich nach der Ursache forsche. Auf jeden Fall will man ein schlankes System haben, in dem die Fehlersuche beginnen kann.

Die gute Nachricht bei New Horizons ist: Kein Hardwaredefekt, kein Softwaredefekt. Kein Single Event Upset. Offenbar nur ein Fehler in einer Kommandosequenz, der weniger Zeit zwischen zwei Ereignissen ließ, als die Onboardsysteme erwarteten. Trotzdem wurde der wissenschaftliche Betrieb bis zum 7.7.2015 unterbrochen. Darüber ist sicher keiner froh, auch wenn man sichtlich bemüht ist, die positiven Aspekte der Sache zu betonen: dass an Bord noch alles in Ordnung ist.

Mich als Außenstehenden geht das nichts an, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die New Horizons-Leute wirklich so positiv denken, wie sie tun. Eine Kommandosequenz, gerade in einer so kritischen Phase wie jetzt in der Vorbereitung auf ein einmaliges, nicht wiederholbares Ereignis, wird doch sicher durch einen Simulator gelaufen sein, bevor die hoch gesendet wurde. Dabei wird dann aber das aktuelle Problem nicht aufgefallen sein, sonst hätte man die Sequenz wohl sicher nicht gesendet. Das heißt, der aktuelle Zustand des Simulators bildet den aktuellen Zustand des Onboard-Systems nicht 1:1 ab. Mag sein, dass man diesmal mit einem blauen Auge davon kam, aber 3 Tage Datenverlust istm in der aktuellen Situation schon ein herber Rückschlag, wie man es auch dreht und wendet. Viel schwerer wiegen aber eben die Zweifel, ob sich an Bord vielleicht noch ein paar Hunde räkeln, die dicker sind als der, dem man jetzt unverhofft auf den Schwanz getreten ist.

Zwar werden vor wirklich kritischen Missionsphasen viele der so genannten FDIR-Prozeduren abgeschaltet, eben damit es nicht geschehen kann, dass ein vergleichsweise unwichtiges Problem den gesamten wissenschaftlichen Ertrag verhagelt. Das bedeutet aber auch, dass man ein höheres Risiko des Verlusts der Raumsonde eingeht. Ist schon OK – aber bevor man so etwas macht, will man tunlichst alle Hunde kennen, dicke oder dünne.

++++ Nachtrag ++++

Pressemitteilung von NASA/JHU APL am 6. Juli 2015: Da steht neben einer Menge Geschwätz im Wesentlichen: Die Wiederherstellung nach dem Safe Mode läuft. Wiederaufnahme des wissenschaflichen Betriebs wird wie geplant am 7.7. stattfinden.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

2 Kommentare

  1. Danke, Michael, für die fachkundigen Informationen u. humorvollen Anmerkungen zum laufenden Pluto-Krimi. Auch diese helfen, dem (hoffentlich guten) Ausgang gelassener entgegen zu blicken…

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