Lucy startet am 16.10. zu den Trojanern

Skizze der Raumsonde Lucy mit ausgefahrenen Solargeneratoren, Quelle: Lucy-Press Kit von NASA/JPL

Die NASA-Mission Lucy startet am Vormittag des Samstag, 16.10.2021 um 09:34 GMT (=11:34 MESZ). Diese Mission wird zum ersten Mal die Jupiter-Trojaner besuchen, und zwar von denen gleich sieben Stück, wenn man kleinere Begleiter mitzählt. Das Missionsdesign ist ziemlich clever. Ich habe die Trajektorie von JPL-Horizons heruntergeladen und sie mir näher angeschaut und konnte den im wie immer sehr guten Press Kit der NASA beschriebenen Missionsverlauf von Lucy exakt nachverfolgen – mit geringen Abweichungen, die daran liegen, dass ich für die Bahnelemente der Zielobjekte nicht die exakten Bahndaten, sondern nur angenäherte Keplerelemente verwendet habe. 

Was sind Trojaner?

In der Himmelsmechanik bezeichnen Trojaner etwas anderes als in der Informatik, nämlich kleine Planetoiden, die in den L4- und L5-Regionen eines Planeten gefangen sind. Der L4- und L5-Punkt eilt der Planetenposition um 60 Grad voraus bzw. nach. Die Abstände vom Planeten sind damit genau so groß wie der des Planeten von der Sonne. Die Bahn jedes Trojaners kann weit von den eigentlichen L4/5-Punkten abweichen und ist wegen der permanenten Wirkung der Anziehungskraft des Planeten stark gestört – insbesondere wenn der Planet so groß ist wie Jupiter. Dennoch bleiben Trojaner in der Regel in der Region, in der sie einmal gefangen wurden.

Es handelt sich bei den meisten um Klumpen von Material aus der Zeit der Akkretion des Sonnensystems. Bei Jupiter-Trojanern wird es sich vorwiegend um Eis und Kohlenwasserstoffe handeln. Anders als Material in Sonnennähe oder gar auf Planeten ist es dort draußen weitgehend unverändert erhalten. Man kann dort also an den Trojanern sehr viel über die frühe Geschichte des Sonnensystems lernen. 

Schnappschuss der Position aller bekannten Kleinkörper im Sonnensystem. Die Jupiter-Trojaner sind gut zu erkennen.
Schnappschuss der Position aller bekannten Kleinkörper im Sonnensystem Die Jupiter-Trojaner sind entlang der Bahn des Jupiter sichtbar. Quelle: Michael Khan, ESA

Die Gruppe in der L4-Region des Jupiter ist das griechische Lager, die in der L5-Region das trojanische. Größere Objekte haben Namen von bekannten Figuren aus der Ilias von Homer. 624/Hektor war ein trojanischer Krieger, ist aber im griechischen Lager. Dafür ist 617/Patroclus, ein Ziel von Lucy, ein griechischer Krieger im trojanischen Lager. Ist halt so. 

Die Bahn von Lucy

So, und jetzt zur Mission. Aus der Trajektorie, die auf JPL-Horizons zur Verfügung gestellt wurde, lässt sich eine ganze Menge lernen. Ich habe einiges davon grafisch umgesetzt und erkläre das jetzt Bild für Bild:

Ansicht der Bahn der NASA-Trojanermission Lucy mit Ausschnitte der Bahnbögen der besuchten Trojaner. Quelle: Michael Khan, ESA
Ansicht der Bahn der NASA-Trojanermission Lucy mit Ausschnitte der Bahnbögen der besuchten Trojaner. Quelle: Michael Khan, ESA mit Daten von JPL-Horizons

Wir sehen hier eine schräge Draufsicht auf das Sonnensystem mit den Bahnen von Merkur, Venus, Erde, Mars und Jupiter, einigen Asteroiden im Hauptgürtel und den fünf Hauptzielen. Der Hauptteil der Mission spielt sich also auf hochexzentrischen Bahnen ab, deren Perihel in Erdbahnnähe und deren Aphel knapp jenseits der Jupiterbahn liegt.

Damit sind nur Hochgeschwindigkeitsvorbeiflüge an einzelnen Trojanern möglich. Die Datumswerte der Begegnungen in der folgenden Tabelle stammen aus dem Press Kit – die von mir berechneten sind geringfügig anders. Die Sonnenabstände und Relativgeschwindigkeiten entstammen meinen Berechnungen. Inklusive der Begleiter kommen sieben besuchte Trojaner zusammen, fünf auf dem ersten großen Bahnbogen, zwei auf dem zweiten. Zwischen dem ersten und dem zweiten Durchgang liegen mehr als fünf Jahre und ein weiterer Erd-Swingby. In dieser Zeit ist Jupiter ein gutes Drittel seines Bahnumlaufs vorangerückt. Dadurch wird beim nächsten Aphel die L5-Region durchflogen. Nach der Begegnung mit 617/Patroclus ist das nominale Ende der Mission. 

TrojanerBegegnungbei Sonnenabstand [AE]Relativgeschwindigkeit [km/s]Bemerkungen
3548/Eurybates12.8.20275.75.8Inkl. Mond Queta
15094/Polymele15.9.20275.76.1
11351/Leucus18.4.20285.75.9
21900/Orus11.11.20285.37.2
617/Patroclus3.3.20335.48.7Inkl. Begleiter Menoetius
Draufsicht der Bahn der NASA-Trojanermission Lucy mit Ausschnitte der Bahnbögen der besuchten Trojaner. Quelle: Michael Khan, ESA
Draufsicht der Bahn der NASA-Trojanermission Lucy mit Ausschnitte der Bahnbögen der besuchten Trojaner. Quelle: Michael Khan, ESA, mit Daten von JPL-Horizons

Diese Grafik zeigt die Aphelregion mit den Begegnungen vergrößert. Man sieht sehr gut die Folge Eurybates – Polymele – Leucus – Orus beim ersten Durchgang. 

Ich habe bei meiner Analyse noch einige weitere Begegnungen mit Abständen von teilweise deutlich weniger als 0.1 AE gefunden, darunter 5436/Eumelos am 28.7.2028 und noch einige kleine Objekte. Wahrscheinlich passten diese Begegnungen nicht ins Missionsdesign. Außerdem habe ich noch 21 mögliche Begegnungen mit Asteroiden im Hauptgürtel gefunden. Der Missionsplan von Lucy sieht aber nur eine Begegnung mit 52246/Donaldjohanson vor. 

Entfernung der Raumsonde Lucy von Sonne, Erde und Jupiter. Quelle: Michael Khan, ESA, mit Daten von JPL-Horizons
Entfernung der Raumsonde Lucy von Sonne, Erde und Jupiter. Quelle: Michael Khan, ESA, mit Daten von JPL-Horizons

Hier die Abstände von Lucy zur Sonne, zur Erde und zum Jupiter. Vielleicht erstaunlich: Obwohl das Ziel doch die Jupiter-Trojaner sind, kommt Lucy dem Jupiter nie nahe. Die naheste Begegnung mit dem Gasriesen ist gleich am Anfang der Mission, noch vor dem ersten der drei Erd-Swingbys, aber immer noch mit 4 astronomischen Einheiten oder 600 Millionen km, also nicht wirklich nah. Der erste Erd-Swingby is genau ein Jahr nach dem Start im Oktober 2022, der zweite Ende 2025 und der dritte Ende 2030. 

Aphel-, Perihel- und aktueller Bahnradius der NASA-Sonde Lucy. Quelle: Michael Khan, ESA, mit Daten von JPL-Horizons
Aphel-, Perihel- und aktueller Bahnradius der NASA-Sonde Lucy. Quelle: Michael Khan, ESA, mit Daten von JPL-Horizons

Hier der Verlauf von Aphel, Perihel und tatsächlichem Bahnradius. Zwischen Start und erstem Erd-Swingby tut sich gar nichts. Man hätte also auch im kommenden Oktober starten und den Rest der Mission ganz genau so durchführen können. Der erste Erde-Erde-Transfer dient offenbar dazu, eine Möglichkeit für ein Backup-Startfenster zu schaffen, sollte im Oktober 2021 etwas dazwischen kommen.

Die hyperbolische Geschwindigkeit beim Start sowie vor and nach dem ersten Erd-Swingby ist aber schon ausreichend für die Erreichung eines Aphels weit jenseits der Marsbahn. Nach dem ersten Erd-Swingby geht es bis auf 2.2 AE hinaus. Kurz nach dem Apheldurchgang wird ein Triebwerksmanöver durchgeführt. Dadurch erhöht sich die Anfluggeschwindigkeit beim zweiten Swingby deutlich. Nun reicht es schon für die erste operationelle Bahn mit einem Aphel jenseits der Jupiterbahn.  

Neigung der Bahn der NASA-Sonde Lucy gegenüber der Ekliptik. Quelle: Michael Khan, ESA, mit Daten von JPL-Horizons
Neigung der Bahn der NASA-Sonde Lucy gegenüber der Ekliptik. Quelle: Michael Khan, ESA, mit Daten von JPL-Horizons

Nach dem zweiten Erdswingby ist die Inklination gegenüber der Ekliptik schon knapp 5 Grad. Dies ist erforderlich, da die Bahnen der Trojaner teils deutlich geneigt sind. Für das Erreichen von 617/Patroclus reicht es aber noch nicht. Nach dem dritten Erd-Swingby ist sie mehr als verdoppelt. 617/Patroclus ist mit 140 km der zweitgrößte aller bekannten Jupiter-Trojaner. Er markiert zugleich den Höhepunkt der Mission Lucy und das Ende der nominalen Mission im März 2033. 

Und warum macht die ESA nicht sowas wie Lucy?

Lucy ist eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte, ja kühne Mission. Auf der einen Seite schickt man eine Sonde bis jenseits der Jupiterbahn, wo Energieversorgung und thermische Kontrolle zu massiven Problem werden, und dann auch noch auf eine Zwölf-Jahres-Mission. Auf der anderen Seite baut man die Raumsonde klein und einfach, mit einer Startmasse von nur 1500 kg und vor allem mit nur drei wissenschaftlichen Experimenten: eine Kamera und zwei Spektrometer (Details entnehmen Sie bitte dem Press-Kit oder der Missionswebseite. Das Missionsbudget ist überschaubar; die verwendete Rakete ist die kleinste Version der Atlas V. Die Entwicklungszeit von Missionsauswahl bis Start liegt bei nicht einmal 5 Jahren – ganz anders als die 15 Jahre oder mehr, die selbst die motiviertesten Mitarbeiter zwangsläufig demoralisieren. 

Skizze der Raumsonde Lucy mit ausgefahrenen Solargeneratoren, Quelle: Lucy-Press Kit von NASA/JPL
Skizze der Raumsonde Lucy mit ausgefahrenen Solargeneratoren, Quelle: Lucy-Press Kit von NASA/GSFC

Hätte ich die Chance, an so einer Mission mitzuarbeiten – ich wäre sofort dabei. Aber das wird wohl nicht passieren. Nicht nur, weil die oben gelisteten Missionsparameter der europäischen Denke eher fremd sind. Die Einzelkomponente, die für sich genommen am meisten die Mission Lucy ermöglicht, sind die speziellen Solargeneratoren von ATK, die wir in Europa einfach nicht haben. Wahrscheinlich ist deren technischer Entwurf mittlerweile so sehr durch eine Vielzahl von Patenten geschützt, dass die Amerikaner noch lange Zeit die Nase von haben werden. 

Mit einem Durchmesser von mehr als 7 Metern hat hat jedes Panel eine Fläche von fast 38 Quadratmetern bei einer Masse von nur 77 kg, also einer spezifischen Masse von etwa 2 kg/qm. Dabei sind sie durch den Entfaltungsmechanismus gespannt wie ein Regenschirm und extrem steif. So schaffen es die NASA und der Hersteller, Lockheed Martin, Lucy eine elektrische Leistung von 500 Watt selbst bei der Begegnung mit dem weitesten Sonnenabstand (5,7 AE) mitzugeben. Lucy hat größere Solargeneratoren als die europäische Kometensonde Rosetta (77 gegenüber 64 qm). Man kann mit Fug und Recht sagen, dass das kompakte und leichte Missionskonzept, das erst die limitierten Missionskosten von weniger als einer Milliarde US$ (inklusive Sonde, Instrumente, Start und Betrieb sowie Outreach) ermöglicht, ohne diese Solargeneratoren nicht möglich gewesen wäre. 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

11 Kommentare

  1. Ja, Lucy basiert auf einem technologischen Portfolio, das über viele Jahre von verschiedenen Instituten aufgebaut wurde. Nur darum war es möglich, die Mission in 5 Jahren zu entwickeln.

    Die Solar Arrays sind so leichtgewichtig, dass sie im irdischen Gravitationsfeld nur mit Schwerkraftskompensation (an Fäden aufgehängt) entfaltet werden können. Zusammengefaltet ist das Solarpaket nur 10 cm dick, entfaltet überspannen die Panel 7.3 Meter. Hergestellt wurden diese Solar Arrays von Northrop Grumman.

    Die panchromatische Kamera L’LORRI wiederum basiert auf einem Ritchey–Chrétien Spiegelteleskop und besteht grösstenteils aus Siliziumkarbid, um die grossen Temperaturschwankungen überstehen zu können. L‘LORRI hat keine beweglichen Teile, so dass die Chance gross ist, dass es 12 Jahre lang funktionsfähig bleibt. L‘LORRI wurde nur wenig verändert von der New Horizons Mission übernommen.

    Ein solches Technologie Portfolio mit bereits in früheren Missionen eingesetzten Komponenten, macht eine ganze Reihe von Missionen in kurzer Zeit möglich. Und ja, jede Raumfahrtorganisation kann froh darüber sein, wenn sie ein solches Technologieportfolio besitzt. Man kann dann quasi aus dem Vollen schöpfen.

  2. Jupiter-Troianer als zukünftige Ressourcen
    Es gibt mehr als 600‘000 Jupiter-Trojaner, die grösser als 1 Kilometer sind und die Gesamtmasse aller Jupiter-Troianer beträgt etwa 6*10^19 Kilogramm, was ungefähr 1/300 des irdischen Ozeans entspricht. Eine ungeheuer grosse Masse also, schön verpackt in viele kleine Körper bestehend aus Kohlenstoff, Wassereis und mit Magnesium angereicherten Silikaten. Ich könnte mir vorstellen, dass zukünftige Zivilisationen vieler dieser Trojaner nutzen könnten. Als Baustoff für Habitate oder als Material-Ressourcen für die Verwendung in der Raumfahrt. Die Vielzahl der Trojaner würde eine Vielzahl von Verwendungszwecken eröffnen. Ferner wäre es einfach zwischen den Trojanern hin- und her zu reisen, denn alle befinden sich mehr oder weniger auf demselben Gravitationsniveau. Damit wären auch Projekte realisierbar bei denen Material aus mehreren Trojanern benötigt würde. Alles sicher erst in einigen hundert Jahren realisierbar. Aber was sind schon ein paar hundert Jahre nur schon gemessen an der bisherigen Menschheitsgeschichte. Gut auch, dass die Jupiter-Trojaner recht weit entfernt von Jupiter selbst sind, denn damit entgeht man dem starken Magnetfeld und der starken Strahlung, die in der Nähe des Jupiters herrscht.

  3. Einzelkomponente, die für sich genommen am meisten die Mission Lucy ermöglicht, sind die speziellen Solargeneratoren

    Das ist so nicht richtig, in diesem Artikel wird klar gesagt, dass es keine spezifischen Anforderungen für die Verwendung dieses speziellen Solargenerators gegeben hat, als außer um die besonders kleine Atlas Fairing zu benutzen, was aber sicher keine missionskritisch Bedingung war.

    Das die europäische Solargenerator-Paneel-Technik im internationallen Vergleich nicht so schlecht sein kann zeigt schon die Tatsache das NASA’s Europa Clipper mit Airbus Solar Paneelen fliegen wird.

    Aber es ist klar, ESA-Programme zur Technologieentwicklung zeichnen sich nicht durch eine ausgeprägte Finanzkraft aus, so kann man nur in einigen Nischen wirklich Spitzenklasse sein, was auch gelingt.

    Die Entwicklungszeit von Missionsauswahl bis Start liegt bei nicht einmal 5 Jahren – ganz anders als die 15 Jahre oder mehr

    Eine direkte Folge des minimalistischen, am Rande des Kollaps dahinschrammenden Budget des ESA-Wissenschaftsprogramms, das eine zügige Umsetzung von einzelnen Projekten unmöglich macht wenn man unvermeidlicherweise (und auch völlig richtig) noch viele andere Punkte am Programm hat. Ein richtiges Problem, das Europas Weltraumforschung mittelfristig zur Mittelmäßigkeit verbannen wird. Aber dieses wesentlich aber im Grunde leicht zu lösende Problem bekommt weder einen Platz in der “Agenda” des ESA-Management, das sich anscheinend vielmehr der Megalomanie verschrieben hat, noch regt sich in der Wissenschaft hörbarer Protest (vielleicht ganz leise, zwischen den Zeilen im Voyage-2050-Bericht, wo es sinngemäß so heißt: Wir würden lieber das und das machen, aber mit dem Geld was wir bekommen brauchen wir nicht einmal daran zu denken).

    • Die Aussage von Frau Oakman wundert mich etwas. Zwar hat natürlich die Form an sich wenige Bedeutung, aber in diesem Fall geht die Form einher mit der geringen spezifischen Masse. Eine deutlich höheren Masse der Energieversorgung (mir sind von konventionellen Solargeneratoren Werte um 4 kg/qm bekannt) hätte die Masse des Solargenerators verdoppelt und damit die Trockenmasse erhöht und eine größere Treibstoffmasse erfordert, was vielleicht zu größeren und damit schweren Tanks geführt hätte, und damit nochmals eine höhere Trockenmasse und eine höhere Treibstoffmasse … also ein klassischer Ripple-Effekt.

      Natürlich müsste das alles nicht unbedingt ein Show-Stopper sein, wenn man höhere Missionskosten in Kauf nehmen darf. Dass so eine Raumsonde wie Lucy mit einer Masse von 1500 kg vollgetankt und 771 kg trocken möglich war und der Start trotz der hohen Erdfluchtgeschwindigkeit noch mit der Atlas V 401, halte ich für eine phänomenale Leistung, die mir höchsten Respekt abnötigt. Eine höhere Startmasse hätte schon mal mindestens einen SRB erfordert – nun gut, das allein hätte nur einen einstelligen Millionenbetrag hinzugefügt. Wäre dann aber auch noch die größere Nutzlastverkleidung nötig gewesen, die meines Wissens nur mit der Dual Engine Centaur möglich gewesen wäre, und dazu noch ein oder gar zwei Feststoffbooster, wäre es gleich deutlich teurer geworden. Für NASA-Verhältnisse wäre auch das vielleicht immer noch akzeptabel gewesen.

      Der Vergleich mit dem Europa Clipper ist hier nur bedingt aussagekräftig. Bei jener Mission ist wie bei JUICE die Abschirmung der Solargeneratoren gegen die Teilchenstrahlung im Magnetfeld des Jupiter unabdingbar. Ich vermute, das ist mit den Leichtbau-Solargeneratoren prinzipbedingt nicht zu machen.

      Ihren Ausführungen im letzten Absatz kann ich nicht widersprechen, muss aber hinzufügen, dass die Endkosten gerade vieler interplanetarer ESA-Missionen gar nicht wirklich niedrig sind, insbesondere wegen der vielfachen Probleme und Verzögerungen, die die unrealistischen Vorgaben mit sich bringen.

  4. Vielen Dank für den interessanten Artikel. In der Tat eine spannende Mission!

    Warum fällt denn Mitte 2028 die Inklination um fast 3° ab? Da ist doch kein Flyby, das müsste ja ein reines Triebwerksmanöver sein. Klingt nach einem recht fetten Delta-v.

    • Das ist wohl Bestandteil des Manövers, mit dem auf den letzten Erdswingby gezielt wird, der wiederum die Bahn auf Patroklus ausrichtet. Ich nehme an, es ist ein Glücksfall, dass die neu gezielte Bahn so gelegt werden konnte, dass sie an Orus vorbeiführt.

      Übrigens habe ich in einigen Web-Artikeln die Behauptung gelesen, dass die Bahn später immer wieder durch die Trojanerpopulationen führt. Das stimmt natürlich so nicht – wie man oben sieht, liegt die Bahnperiode bei etwa 6 Jahren. Wenn also Lucy im Jahr 2040 wieder am Aphel angekommen sein wird, werden Jupiter und die Lagrangepunkte um fast 180 Grad weiter gezogen sein, und Lucy wird gar nichts antreffen. Falls sie dann überhaupt noch funktioniert.

  5. Anregung: Ein Artikel irgendwann über Budgetfragen wäre hilfreich, denn indirekt, angedeutet, taucht das Thema hier immer wieder auf.
    Mir scheint: das ESA-Budget von etwa 6 Milliarden Euro ist zwar fast 4 Mal kleiner als das der NASA, doch auch die Raumfahrtaktivitäten der ESA scheinen mir mindestens 4 Mal kleiner als die der NASA. Hier zwei Beispiele dazu:
    – ISS Gesamtkosten 100 Milliarden, ESA-Beitrag 8 Milliarden
    – ESA Exo-Mars Mission: 1.3 Milliarden; NASA Perseverance 2.9 Milliarden; NASA MSL Curiosity 3.2 Milliarden

    Mir scheint: das NASA Budget ist 4 Mal grösser als das ESA Budget, aber die NASA unternimmt in der Raumfahrt mehr als 4 Mal so viel wie die ESA. Das ist ein subjektiver Eindruck, der auch daran liegen könnte, dass es zu NASA – Missionen viel mehr Medienmaterial und Medienaufmerksamkeit gibt als zu ESA-Missionen. Lucy ist ein gutes Beispiel für den letzten Punkt: es gab ein eigentliches Lucy Mission Outreach Programm und das obwohl die Gesamtkosten nur etwa 1 Milliarde Dollar betrugen.

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