NASA wählt zwei Asteroidenmissionen für das Discovery-Programm

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Die NASA hat im Januar 2017 aus fünf Bewerbern für ihr Discovery-Programm (Interplanetare Forschungsprojekte limitierten Volumens) zwei Missionen ausgewählt. Beide haben Asteroiden zum Ziel.

Lucy

Die Mission Lucy soll im Jahr 2021 gestartet werden und von 2025 bis 2033 sechs der Jupiter-Trojaner untersuchen, und zwar sowohl in der dem Jupiter vorauseilenden L4-Gruppe als auch in der L5-Gruppe, die ihm nacheilt. Trojaner sind bekanntlich kleine Objekte, die einen Planeten auf der Planetenbahn ähnlichen Bahnen um die Sonne begleiten, mit derselben Umlaufperiode um die Sonne und demselben Abstand von der Sonne und vom Planeten, im Fall des Jupiter also knapp 800 Millionen km.

Die Mission ist bahnmechanisch sehr interessant, wie ich dem verlinkten Paper mit einer Kurzbeschreibung und einer Grafik der Trajektorien entnehme. Sie wird in eine exzentrische Bahn gestartet, deren Aphel jenseits der Marsbahn liegt. Nach zwei Jahren macht sie einen Erdswingby, der das Apohel bis zur Jupiterbahn anhebt und zur L4-Region hinzielt. Während des Apheldurchgangs begegnet sie mehreren Mitgliedern der dortigen Trojanergruppe. Insgesamt sind schon mehr als 6000 Jupitertrojaner bekannt. Es dürfte also nicht allzu schwierig sein, geeignete Ziele zu finden. Zudem können möglicherweise auch Beobachtungen von weiteren Objekten durchgeführt werden, an denen kein gezielter Vorbeiflug stattfindet. Die Trojaner sind sehr urtümliche Körper aus der Phase der Akkretion des Sonnensystems.

Lucy folgt dabei immer weiter ihrer Bahn, die ja immer noch hoch exzentrisch ist und deren Perihel in der Nähe der Erdbahn liegt. Wenn sie das nächste Mal beim Aphel der Bahn ankommt, wird Jupiter etwa 120 Grad weiter gezogen sein, und das Aphel der Lucy-Bahn geht dann genau durch die L5-Region, wo wieder einige Mitglieder der dortigen Trojanergruppe besucht werden.

Das Geniale an Lucy ist, dass keine größeren Manöver durchgeführt werden müssen und deswegen auch keine riesigen Treibstoffmengen notwendig sind. Die Sonde kann also klein und kompakt gebaut werden; sie muss eine gute thermische Isolierung und große Solargeneratoren mitbekommen und kann eine ordentliche Instrumentenausstattung mitführen. Damit schafft sie in nur 12 Jahren Missionsdauer mindestens sechs nahe Vorbeiflüge an Zielobjekten.

Da die Aphelgeschwindigkeit bei unter 7.5 km/s liegen dürfte, die Bahngeschwindigkeit der Trojaner (und des Planeten Jupiter) aber bei knapp 13 km/s, schätze ich mal, dass die Relativgeschwindigkeit bei jeder Begegnung etwa 5.5 km/s betragen wird. Also deutlich weniger als die Hälfte der Relativgeschwindigkeit zwischen New Horizons und Pluto. Jeder Vorbeiflug wird wohl der Pluto-Begegnung ähneln, mit jeweils einer akribisch geplanten Beobachtungsphase, die sich über mehrere Wochen hinzieht.

Psyche

Die Mission Psyche soll 2023 gestartet werden und 2030 am Asteroid 16/Psyche ankommen. Der Asteroid Psyche ist ein mehr als 200 km großer Hauptgürtelasteroid. Er ist von der Spektralklasse M und besteht wahrscheinlich zum großen Teil aus Eisen und Nickel. Es wird angenommen, dass es sich um eine Überrest des metallischen Kerns eines differenzierten Planetoiden aus der Entstehungszeit des Sonnensystems handelt. Wenn ein Körper groß genug ist, dann werden in seinem Inneren Temperaturen erreicht, die zum Schmelzen ausreichen. Volatile Bestandteile vedampfen, schwere Elemente, insbesondere Eisen und Nickel sinken nach unten, leichtere Bestandteile wie Silikate steigen auf – der Körper differenziert, in seinem Inneren bildet sich je nach Abstand von seinem Mittelpunkt eine unterschiedliche Zusammensetzung. Dies ist bei allen Planeten der Fall.

Wird ein solcher Körper durch eine genügend heftige Kollision mit einem anderen Planetoiden zerrissen, kann der metallische Kern freigelegt werden. Dies könnte bei 16/Psyche passiert sein. So ein Objekt wurde noch nie aus der Nähe beobachtet.

Das Missionsprofile von Psyche ähnelt dem der 2007 gestarteten Mission DAWN zu den Asteroiden 4/Vesta und 1/Ceres. Dort wie auch hier kommt eine Sonde mit einem solarelektrischen Antrieb zum Einsatz.

Die drei, die nicht gewählt wurden, waren eine Venus-Atmosphärenmission, eine Mission zur Kartierung der Venusoberfläche und ein orbitales Teleskop zur Katalogisierung und Charakterisierung von erdnahen Asteroiden (NEOs). Dieses Teleskop namens NEOCam ist aber noch nicht tot; seine Studienphase ist für ein weiteres Jahr finanziert.

Das Ergebnis der Auswahl könnte man als klare Ansage der Art verstehen, dass die NASA sich mehr für Asteroiden als für die Venus interessiert. Das ist zwar wahrscheinlich nicht falsch, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Wichtig wird wohl auch sei, dass man sich sowohl bei Lucy als auch bei Psyche kräftig im Ersatzteillager vergangener NASA-Missionen bedienen kann. Das spart Geld und reduziert das Risiko.

Warum macht die ESA nicht sowas?

Zumindest eine Mission wie Lucy hätte auch die ESA stemmen können. Die Raumsonde hätte von Rosetta abgeleitet sein können, mit größeren Solargeneratoren, deutlich kleineren Tanks und wahrscheinlich auch geringerer Startmasse. Die Technik für die benötigten Solarzellen (LILT=Low Intensity, Low Temperature) wurde bereits für Rosetta entwickelt und Einiges der erworbenen operationellen Erfahrung ist auch hier anwendbar.

Auch so etwas wie die Mission Psyche hätte die ESA durchziehen können, aufbauend auf einer Kombination von Technik von Rosetta und der aus nur schwer nachvollzieharen Gründen mit Ionenantrieb ausgestatteten Merkursonde BepiColombo.

Es ist ohnehin nicht nachvollziehbar, wieso die ESA nicht schon längst eine Nachfolgemission für die unglaublich erfolgreiche Rosetta angestoßen hat. Keine andere Agentur der Welt hat aktuell so viel Erfahrung mit Kometen wie die ESA, deren Missionen Giotto und Rosetta beide bahnbrechend waren. Hier hätte man ansetzen sollen, um den Vorsprung zu halten. Die ESA hätte sich als das Kompetenzzentrum für “Minor Bodies” etablieren können. Dafür wären dann eben nicht solche Sachen wie Venus Express oder BepiColombo gemacht worden.

Die Chance wurde allerdings vertan. Es ist nichts in der Richtung in der Pipeline. Von Kometen redet gar keiner mehr, und mit dem Ende von AIM ist auch keine Asteroidenmission mehr in Sicht. Anstatt das Know-How zu halten und zu mehren, wird es vertan.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

20 Kommentare

  1. Bei dieser Meinung von dir stellt sich mir ja die Frage ob die NASA und die ESA Feinde sind?
    Wir fliegen zur Venus also streichen die ihre Venusmission. Das finde ich nachvollziehbar. Wenn die zum Psyche fliegen, bekommen wir ja auch die Resultate, nicht wahr?
    Also ist das Weltgeld doch gut angelegt wenn der eine das eine macht und der andere das andere.

    Der Solarzellen Hersteller wird es sich nicht nehmen lassen und sich mit der Technik auch bei der NASA bewerben. Ich denke nicht dass das eine verlorene Entwicklung ist.

    • Feinde nicht, aber alle Nationen stehen mit einander natürlich in Konkurrenz. Der Transfer von Technologie und der Einkauf von Komponenten im Ausland ist keineswegs so problemlos, wie Sie sich das vorstellen. Selbst wenn es nicht um Satellitentechnik geht, sondern um die wissenschaftliche instrumentierung, ist es heutzutage längst nicht mehr so einfach wie noch vor 10, 15 Jahren für nicht-amerikanische Institute, bei US-Missionen zum Zuge zu kommen.

      Wichtig ist zudem, dass Hochtechnologie die klugen Köpfe der Welt anzieht. Denen muss man aber dann auch eine gewisse Kontinuität bieten. Wenn da über Jahrzehnte etwas aufgebaut wird und es ist dann auf einmal Schluss, so wie in Eura mit der Kometen- ud Kleinplanetenforschung, dann norientieren sich die jungen Leute eben anderswo hin. das kann man ihnen nicht verdenken, aber für den Standort Europa ist es nachteilig.

  2. Is NASA Paving the Way for Asteroid Mining? war auch mein erster Gedanke als ich den obigen Beitrag las. Erstaunlich:

    Psyche is the only known round metal body in the solar system.

    Und er ist wirklich ein Prachts-Kerl von einem Asteroiden: 200 km Durchmesser, eine Masse von 22 Billiarden Tonnen und bestehen tut er vor allem aus Eisen und Nickel.
    Nickel hat formidable Eigenschaften: Es dient dem Korrosionsschutz, macht Stahl korrosionsbeständig und erhöht seine Härte, Zähigkeit und Duktilität. Weltweit werden etwa 200 Millionen Tonnen Nickel jährlich verbraucht und es gibt nur etwa 20 Förderorte weltweit. Würde man den Asteroiden Pyche auf die Erde herunterholen, hätte die Nickelindustrie ausgesorgt. Unter der Annahme 10% von Psyche bestehe aus Nickel enthält “16 Psyche” mehr als eine Billiarde Tonnen Nickel, mithin genug um den Nickelbedarf auf der Erde für Millionen von Jahren zu decken (bei gleichem Verbrauch wie 2017).
    Noch besser wäre es allerdings, Nickel (aber auch Eisen) aus 16 Psyche direkt für Weltraumprojekte (Habitate etc) zu nutzen.
    Und ja, man hat sogar Anzeichen für Wasser auf Psyche gefunden. Aus Wasser und mit etwas Energie (Solarpanel um Psyche herum montieren) könnte man Raketentreibstoff herstellen. Eine sich selbst aus lokalen Ressourcen versorgende Weltraumfahrt ist scheinbar kein Ding der Unmöglichkeit!

    • Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Interesse an 16/Psyche eine andere als nur wissenschaftliche Motivation hat. 16/Psyche ist ja im Hauptgürtel. Asteroiden, die man als Rohstoffquellen ausbeuten will, sollte man doch eher unter den NEOs suchen. Die ersten Asteroiden der Klasse M wurden in der NEO-Population bereits vor 30 Jahre entdeckt.

      • Zustimmung: Beginnen würde man eine in-situ Ressourcen ausnutzende Weltraumära mit NEOs. 16/Psyche beeindruckt vor allem durch seine Grösse.
        Und ja Planetary Resources nennt als Zielobjekte NEOs wie 2014EK24 (der fast in der Erdbahn liegt) und nicht Asteroiden des Hauptgürtels.

        Ich könnte mir aber vorstellen, dass sich die auf Asteroiden basierende Raumfahrt irgendwann verselbstständigt und auf die Erde gar nicht mehr angewiesen ist. Dann würden auch Körper wie 16/Psyche interessant werden.

        • Das kann ich mir auch vorstellen.

          Ich meine aber, es ist aber nicht unbedingt so, dass das, was man auf Asteroiden an Rohstoffen fördert – Eisen, Nickel, Titan, Aluminium, Silizium, Kohlenstoff, Sauerstoff, Magnesium etc. etc. auf der Erdoberfläche zum Einsatz kommen wird. Ich kann mir da schon eher vorstellen, dass das in der ganzen orbitalen Infrastruktur Verwendung findet. Alles, was man schon oben hat, braucht man nicht erst umständlich und teuer von der Erde zu starten. So wie das heute noch ist, ist es der helle Wahnsinn.

          • Genau: Eine sich selbst mit Materialen versorgende rein weltraumbasierte Raumerkundung und -eroberung ist denkbar und vielleicht sogar das beste Szenario. Beginnen könnte man mit NEOs, die von der Erde aus remote – also mit Telemanipulatoren – bearbeitet werden.

            Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus 16/Psyche könnten durchaus nützlich sein für eine baldige Weltraumresourcen ausnutzende Raumfahrt.

  3. Ja, Lucy ist auf LowIntensityLowTemperature Solarzellen angewiesen so wie das Rosetta, Juno und Dawn waren. Die NASA unterhält das Projekt Extreme Environments Solar Power (EESP) um geeignte Solarzellen zu entwickeln (andere Halbleitermaterialien, Sonnenlicht-Fokussierung/Konzentrierung) und auch die ESA macht entsprechende Anstrengungen. In Bezug auf “Solarpanel für extreme, sonnenferne Umgebungen) würde die ESA mit einem Lucy-ähnlichen Projekt also kein komplettes Neuland betreten.
    Wie es mit den nötigen Teleskopen und Kameras samt ihrer Nachführung steht, weiss ich dagegen nicht. Diese Instrumenten müssen einen weiten Distanzbereich abdecken und sich schnell auf die Annäherung an ein Zielobjekt einstellen. NASA’s New Horizon scheint jedenfalls verschiedene Instrumente an Bord gehabt zu haben von denen einige schon bei grossen Distanzen zum Pluto andere erst in grössere Nähe zum Einsatz kamen.

  4. Lucy und Psyche scheinen mir die spektakulärsten, publikumswirksamsten der 5 Missionen (2xVenus,1xNEO,2xAsteroiden), die der NASA zur Auswahl zur Verfügung standen. Gemäss NASA Selects Investigations for Future Key Planetary Mission wurde jedem der 5 Teams im September 2015 je 3 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt um ihre Mission auszuarbeiten (Konzept-Studien zu erarbeiten). Für die 5 Konzeptstudien wurden also zusammen 15 Millionen US-Dollar ausgegeben – was allerdings ein Klacks ist gegen die geschätzten je mindestens 400 Millionen Dollar Missionskosten für Psyche und Lucy.

    Das Discovery-Programm der NASA startete 1992 und hat die folgenden Missionen lanciert: MESSENGER, Dawn, Stardust, Deep Impact, Genesis and GRAIL.

    Mein Eindruck zu diesen Missionen und jetzt zu Lucy und Psyche: Wissenschaftlich ergiebige Missionen mit Anschluss- und Aufbaumöglichkeiten. Doch persönlich geht mir das alles zu langsam:

    Lucy soll im Jahr 2021 gestartet werden und von 2025 bis 2033

    operieren,

    Psyche soll 2023 gestartet werden und 2030 am Asteroid 16/Psyche ankommen

    Jetzt, im Jahr 2017 werden also Missionen beschlossen, die im Jahr 2030 Daten liefern. Solch langen Zeiträume bestärken mich auch in der Meinung, dass eine bemannte Marsmission vor dem Jahr 2050 nicht realistisch ist. Mindestens nicht mit der heutigen Technologie. Eckdaten von Missionen wie Nutzlast, Anreisezeit, Zeitdauer für Einparken in den Zielorbit etc müssen sich noch stark verbessern, damit man überhaupt an eine bemannte Marsmission denken kann. Ausser man buttert ab jetzt sehr viel Geld in eine bemannte Marsmission und erhöht das NASA-Budget mindestens auf den doppelten Wert von heute. Ich würde es bevorzugen, wenn man nicht in heutige Technologie sehr viel Geld hineinbuttert, sondern Technologie entwickelt, mit der später Raumfahrt generell kostengünstiger wird.

    • Wesentlich ist wohl eher die Zeit von Kickoff, also jetzt, bis zum Start. Bei Lucy sind das nur 4 Jahre, was ich phänomenal kurz finde. Das geht auch nur deswegen so schnell, weil die NASA so viele Missionen macht, dass es immer eine Menge Hardware irgendwo im Regal oder zumindest in einem fortgeschrittenen Entwicklungszustand gibt, aus der man eine neue Sonde zusammen setzen kann wie einen Bausatz. Aber eben darum ist der technische Fortschritt dann auch nicht so hoch anzusetzen. Die NASA-Methode ist aber allemal der ESA-Methode vorzuziehen. Bei der ESA würde jetzt eine Mission angestoßen und im Jahr 2030 überhaupt erst gestartet.

      Wann es eine bemannte Mission zum Mars gibt, bleibt abzuwarten. Solange wir noch nicht eine einzige Langzeitmissionen außerhalb des LEO machen können, stehen Marsmissionen noch jenseits jeglichen Erwartungshorizonts. Erst einmal sollten Mondmissionen bis hin zu einem permanenten oder zumindest Langzeit-Präsenz in einem mondnahen Orbit demonstriert werden. Dann etwa ein Jahr lange Missionen zu erdnahen Asteroiden. Und dann sehen wir weiter … was die anderen machen, denn Europa wird daran wohl eher keinen eigenen Anteil haben.

      • Den Sinn einer Station im Mondorbit als Testplattform für interplanetare Langzeitflüge kann ich nicht nachvollziehen. Was soll da demonstriert werden, was nicht im niedrigen Erdorbit viel billiger und sicherer gemacht werden könnte?

        • Zum Beispiel gibt es im Mondorbit viel mehr Strahlung von der Sonne und aus dem interstellaren Raum, was es erlaubt, die Abschirmungen zu testen.
          Interessant wäre auch die Nutzung der Lagrange-Punkte L4 und L5 des Erde-Mond-Systems.
          Das gravitative Energieniveau ist im Mondorbit viel höher als im niedrigen Erdorbit, was es erlaubt, die Transportsysteme gründlicher zu testen.

          • Wenig überzeugend, um diese speziellen Fragestellungen zu behandeln braucht mein keine bemannte Station, geschweige denn im Mondorbit.

        • Was da demonstriert werden soll, ist das Funktionieren eines großen komplexen Systems mit vielerlei mechanischen, hydraulischen, elektrischen und elektronischen Komponenten – Komponenten, die es so auf robotischen Sonden nicht gibt – unter Bedingungen, wie sie im erdnahen Orbit nicht vorliegen.

          Eine Bahn um einen der Lagrangepunkte im Erde-Mond-System, wahrscheinlich L2, ist aus verschiedenen Gründen besonders für solche Langzeittests geeignet:

          1.) kann das Schiff und seine Mannschaft dort mit Ersatzteilen versorgt werden, wenn etwas nicht mit Bordmitteln repariert werden kann
          2.) kann die Mannschaft innerhalb weniger Tage zurück zur Erde gebracht werden, falls das notwendig ist
          3.) kann das Schiff und seine Mannschaft von dort aus selenologische Forschung betreiben, beispielsweise die Steuerung von robotischen Forschungsplattformen auf der Mondoberfläche oder die Untersuchung von Bodenproben, die an der Mondoberfläche entnommen und zum bemannten Hub verbracht wurden. Robotische Abstiegs- und Aufstiegseinheiten könnten dort gewartet, betankt und mit neuen Instrumenten versehen werden und dann wieder auf den Weg gebracht werden. Das hat zwar nichts mit der Langzeitdemonstration der Komponenten des bemannten Schiffs zu tun, ist aber als zusätzlicher Mehrwert zu sehen.

          • Die Aufgabe in der Vorbereitung einer interplanetare Expedition liegt in der Entwicklung eines möglicherweise jahrelang zuverlässig funktionierenden autonomen Systems mit regenerativer Lebenserhaltung. Dafür ist zunächst eine Menge technische Entwicklung und Grundlagenforschung nötig, vieles davon kann mit Sonden und Satelliten gemacht werden. Ein Prototyp solch eines interplanetaren Expedition Systems würde im Erdorbit getestet werden, kein Grund diese Phase extrem zu verteuern indem ich in den Mondorbit damit gehe, außer vielleicht ich habe vorzeitig ein SLS gebaut – das man in dieser Entwicklungsphase noch gar nicht benötigt – und bin gezwungen ihr irgendeinen (sinnvoll oder nicht) Job zu geben. Sehe auch keine fundamental anderen Umweltbedingungen, die man nicht mit Hilfe von relativ günstigen Sonden charakterisieren, testen und modellieren könnte.

            Zur selenologischen Forschung: die Kosten einer bemannten Infrastruktur im Mondorbit ist viel zu hoch um gegen ein automatisches System nur annähernd konkurrenzfähig zu sein. Ein Beispiel: Hubble und Shuttle – klar, riesige Erfolgsgeschichte – aber wenn man die Shuttle-Kosten mit einberechnet kommt man schnell zum Schluss, dass das Ganze völlig irrsinnig ist. Verstehe auch nicht den Mehrwert eines Menschen im Mondorbit für die Forschung, die Zeitverschiebung bei der Steuerung von Forschungsplattformen auf der Oberfläche halte ich selbst für Mars – noch viel weniger für den Mond – als limitierende Faktor sondern vielmehr die zu geringe Übertragungsrate zur Erde, die müsste auch für ein solch bemanntes System extrem ausgebaut werden.

          • Kurze Antwort meinerseits: Ich will das jetzt nicht mehr ganz breit auswalzen. Dazu fehlt mir auch die Zeit.

            Die Entwicklung ist eine Sache, und keine kleine. Denn die Komponenten beispielsweise auf der ISS sind weit davon entfernt, jahrelang zuverlässig zu funktionieren. Aber der Test des Gesamtsystems als Abschluss des Entwicklungsprozesses ist etwas, was unter operationellen Bedingungen stattfinden sollte, also dort, wo die Flussdichte und das Spektrum geladener Teilchen und die verwendete Kommunikationsinfrastruktur dem entsprechen, was im interplanetaren Flug zu erwarten ist. Das ist eben nicht dasselbe wie im relativ behüteten LEO. Dass es Tests einzelner Komponenten und Prototypen auf dem Nachfolger der ISS geben wird, ist keine Frage, aber davon rede ich nicht.

            Dazu muss aber eine Mannschaft an Bord sein, denn ansonsten ist das ECLSS nicht gefordert. Diese Mannschaft kann sich auch noch nützlich machen. Zum einen durch medizinische Tests, damit die Langzeiteffekte Umgebungseffekte des interplanetaren Weltraums in einiger Erdferne auf den Menschen besser verstanden werden, denn dazu gibt es kaum Daten. Aber das beschäftigt ja die Leute nicht. Also könnte man die ganzen Systemtests in Mondnähe durchführen wo sie einerseits das bereits machen können, was folgende Astronauten in dem bemannten Hub am EML2 machen werden, nämlich das, was ich dort beschrieb. Zudem werden auch sämtliche Prozesse unter Einbindung mit dem Kontrollzentrum etwas eingeschliffen, denn die sind auch anders als bei einem Schiff im LEO. Das Training des Bodenpersonals ist ohnehin erforderlich, also warum nicht schon damit anfangen?

            Ob die Demonstrationsversion des bemannten Schiffs, in dem wahrscheinlich noch das ECLSS ausfällt und die Mannschaft noch eine ganzes Stück ihrer Zeit mit Reparaturaufgaben beschäftigt sind, nun bereits kostengünstig ist, halte ich für nicht wirklich wichtig. Wesentlich ist doch, dass man sich hier noch darauf konzentriert, Gesamtsysteme (nicht nur einzelne Hardwarekomponenten) bauen zu können, die für interplanetare Flüge geeignet sind. Heute gibt es diese noch nicht. Das wird oft unterschätzt, beispielsweise von Initiativen wie Mars One.

            Dass die bereits von der NASA ins Auge gefasste Infrastruktur im EML2 eine effektive Mondforschung unterstützt, halte ich für sehr wahrscheinlich. Diese steht aber nicht in Konkurrenz zur robotischen Forschung, sondern beide sind zueinander komplementär. Bereits Apollo war effektiver und deutlich kostengünstiger als robotische Forschung es hätte sein können, obwohl es sich bei Apollo um reine Wegwerfmissionen ohne Infrastrukturfunktion handelte. Da bin ich zuversichtlich, dass dies bei einer auf Langfristigkeit angelegten Schaffung einer bemannten Infrastruktur im mondnahen Orbit erst recht zutrifft.

            Stichwort SLS: Man kann sicher alles an die Wand fahren. Aber sollte man alles vermeiden, was an die Wand gefahren werden könnte? Sollte man nicht lieber nur das an-die-Wand-fahren vermeiden? Ich halte es allerdings für nicht ausgeschlossen, dass das kommende Debakel mit der SLS die Exploration weit zurück werfen wird. Das hätte nicht so kommen müssen.

            Ich muss mich jetzt leider aus der wirklich interessanten Diskussion ausklinken, da ich einige Tage ohne Internetzugang sein werde.

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