Grünes Licht für Dragonfly

Computergenerierte Grafik der Missionsphasen von Dragonfly auf dem Titan, Quelle: NASA, JHU/APL

Dragonfly (“Libelle”)  ist die geplante nächste NASA-Mission zum Saturnsystem. Die Mission ist diese Woche endgültig genehmigt worden. Der Start wird im Jahr 2028 erfolgen, also schon in vier Jahren, die Ankunft am größten Saturnmond Titan nur 6 Jahre später im Jahr 2034. 

Titan ist der einzige Mond im Sonnensystem mit einer dichten Atmosphäre, die zum größten Teil aus Stickstoff besteht, aber auch beträchtliche Mengen an Methan enthält. Methan wird duch UV-Strahlung zersetzt, wobei sich die freigesetzten Kohlenstoff- und Wasserstoffatome mit Stickstoff und Sauerstoff zu komplexen Kohlenwasserstoffen verbinden (photochemischer Smog).  

Titan hat einen Gesteinskern, den eine viele Hundert km dicke Eisschicht umgibt. Man vermutet einen ausgedehnten Ozean in diesem Eis. Wenn flüssiges Wasser, Mineralstoffe und komplexe Kohlenstoffchemie sich an einem Ort zusammenfinden, horchen immer die Exobiologen auf. Die Planetologen sind an einer so enzigartigen Welt sowieso interessiert. 

Ziel von Dragonfly ist die Landung eines Helikopters von 450 kg Masse in den Dünenfeldern von Shangri-La auf dem Titan. Diese Region befindet sich bei einer Breite von 10 Grad Süd. Der Helikopter ist mit einem Radioisotopengenerator ausgestattet. Ein RTG enthält einige Kilogramm des Plutoniumisotops Pu238, eingebettet in ein Matrixmaterial. Das Plutonium zerfällt mit einer Halbwertszeit von 87.7 Jahren und gibt dabei Alpha-Strahlung ab. Die entstandene Wärme wird nach außen hin abgestrahlt und fließt auf dem Weg zu den Radiatoren durch thermoelektrische Elemente, wobei ein geringer Anteil der thermischen in elektrische Energie umgewandelt wird. 

Computergenerierte Grafik der Missionsphasen von Dragonfly auf dem Titan, Quelle: NASA, JHU/APL
Computergenerierte Grafik der Missionsphasen von Dragonfly auf dem Titan, Quelle: NASA, JHU/APL

Titan ist der ideale Ort für einen Helikopter. Die Gravitation an der Oberfläche ist nur ein Siebtel des Werts auf der Erde. Dafür ist aber die atmosphärische Dichte mehr als vier Mal höher als die auf der Erde. Der Betrieb eines Helikopters ist dort also grob gerechnet 28 Mal einfacher als auf der Erde. Trotzdem reicht die vom RTG abgegebene elektrische Leistung von mindestens 70 W nicht aus, um Dragonfly abheben zu lassen. 

Ein Tag auf dem Titan dauert 16 Erdtage, davon sind 8 Erdtage Nacht. Während der Nacht wird der RTG einen Akku auf Dragonfly aufladen. Nachts gibt es auch keinen Kontakt zur Erde, weil Erde und Sonne vom Saturn aus gesehen immer relativ nahe beieinander stehen. Mit einer Ladeleistung von 70 W erreicht man in 8 Tagen eine Energiemenge von mehr als 13 kWh. Damit kommt ein Elektroauto auf der Erde rund 75 km weit. Der Hubschrauber soll damit während des Titantags, wenn es hell genug ist um sicher starten, navigieren und landen zu können, bis zu 8 km weit fliegen. Am neuen Landeort wird er wissenschaftliche Untersuchungen vornehmen und mit der Erde kommunizieren. Dies soll sich mehr als 3 Jahre lang fortsetzen, sodass etliche Lokationen auf dem Titan besucht werden können.

Schon seine erste Landung auf dem Titan wird der Hubschrauber mit eigener Motorkraft bewerkstelligen: die Eintrittskapsel, die ihn während des Eintritts umschlossen und geschützt hat, wird den Hubschrauber noch im Flug unter dem Fallschirm aussetzen. Dann springen die Rotoren an und lassen den Lander weich aufsetzen. 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

5 Kommentare

  1. Ich habe jetzt das erste mal von dieser Mission gehört. Danke. Hoch spannend und aus meiner Laien Perspektive ein tolles Konzept.

  2. Danke für die detaillierte Darstellung. Gemäss Nasa fliegt Dragonfly von Shangri-La bis zum Selk-Einschlagskrater und legt insgesamt bis zu 175 Kilometer zurück. Dragonfly sucht unter anderem nach präbiotischen Spuren und nach möglichen Zeichen früheren Lebens auf Titan. Zitat Nasa: „ Seine Instrumente werden untersuchen, wie weit die präbiotische Chemie fortgeschritten sein könnte. Sie werden auch die atmosphärischen und Oberflächeneigenschaften des Mondes und seine unterirdischen Ozean- und Flüssigkeitsreservoirs untersuchen. Darüber hinaus werden Instrumente nach chemischen Beweisen für vergangenes oder existierendes Leben suchen.“

    • Das Wort “evidence” (“instruments will search for chemical evidence of past or extant life“) ist im wissenschaftlichen Kontext mit dem deutschen Wort “Beweise” meist nicht zutreffend übersetzt. Da würde man im Englischen “proof” sagen. Evidence ist eher mit “Hinweise” zu übersetzen.

  3. Eine schöne Nachricht! Nur schade, dass das alles immer so lange dauert. Und wie es ausschaut, geht der Blick momentan eher wenig zu den Sternen, weil ein Teil der Menschheit die vorhandenen Ressourcen lieber für Kriege einsetzt als für Wissenschaftsmissionen.
    In diesem Artikel findet sich ein Video über die wissenschaftlichen Ziele von Dragonfly.

    • Dass die für Krieg und Zerstörung versenkten Ressourcen anderswo besser aufgehoben wären, wird wohl niemand bestreiten.

      Was die Dauer angeht, da bin ich in diesem Fall begeistert und schwer beeindruckt. Jetzt kommt das endgültige OK und in 10 Jahren ist nicht etwa der Start, sondern schon die Ankunft am Titan! Die brauchen nur 6 Jahre dorthin, wohingegen JUICE 8 Jahre bis zum nur halb so weit entfernten Jupiter braucht und dann noch einmal 2.5 Jahre bis zum Einschuss in die Bahn um den Mond Ganymed.

      Das heißt, die noch nicht einmal gebaute NASA-Titansonde wird ihr Ziel früher erreichen als die bereits gestartete europäische Jupitersonde. Respekt, kann ich da nur sagen.

      Und nicht nur die NASA zeigt den anderen Raumfahrtnationen, wo der Hammer hängt, auch innerhalb der NASA zeigt’s der eine dem anderen, in diesem Fall das APL in Maryland dem altehrwürdigen JPL in Kalifornien, das gerade unlängst einen schweren Rückschlag einstecken musste.

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