DART startet am 24.11.2021 zu Didymos

Trajektorie von DART zwischen Start und Ankunft am Asteroiden 65803/Didymos. Quelle: Michael Khan mit Daten von NASA/JPL-Horizons.

Heute, Mittwoch, 24.11.2021, startet die kleine Asteroidensonde DART (Double Asteroid Redirection Test) zum binären Asteroiden 65803/Didymos, den sie Anfang Oktober 2022 erreichen wird. Ziel der Mission ist ein Hochgeschwindigkeitsimpakt am kleineren Partner des Binärsystems. Dieser soll wichtige Daten zur Planung einer Asteroidenabwehrmission liefern.

Nicht nur der Asteroid ist binär, auch das Projekt AIDA ist es, zu dem DART gehört. Zu dem gehört neben DART auch die Beobachtungsmission HERA, die im Jahr 2024 starten soll, Ende 2026 am Asteroidensystem ankommt und es mindestens 6 Monate lang aus der Nähe untersucht. Ursprünglich war bei der ESA anstatt von HERA die ähnliche Mission AIM geplant. AIM wäre im Oktober 2020 gestartet und zwischen April 2022 bei Didymos angekommen, rechtzeitig vor dem Impakt von DART. Die Sonde hätte dort das System vor und nach dem Impakt untersuchen können und zusätzlich auch noch einen Logenplatz zur Beobachtung des Impakts gehabt. Leider fiel diese Mission aber der europa-typischen, toxischen Mischung aus Unterfinanzierung und Unentschlossenheit zum Opfer. Übrig blieb HERA, die aber wegen der entstandenen Verzögerungen erst 2024 an den Start gehen kann und deswegen weder den ursprünglichen Zustand des Binärsystems noch den Impakt sehen kann. Aber auch die Situation danach ist von hohem Interesse, insbesondere der dann noch frische Krater, den DART hinterlassen wird. 

DART – Worum geht’s?

im Press Kit der Mission DART finden Sie umfangreiche Informationen zum Projekt. Das Press Kit ist allerdings für mein Empfinden weniger informativ als das, was ich von NASA-Missionen (insbesondere denen des JPL) gewohnt bin. Ich werde hier nicht alles wiederholen, was Sie dort schon nachlesen können. Wesentlich ist die ziemlich clevere Idee, die DART zugrunde liegt:

DART soll mit einer Geschwindigkeit von mehr als 6 km/s in einen Asteroiden krachen, dabei einen Impuls übertragen und dadurch die Bahn des Asteroiden verändern. Da aber die Masse der Raumsonde gegenüber der des Asteroiden zwangsläufig verschwindend gering ist (610 kg beim Start, 550 kg bei der Ankunft, aber selbst ein 100 Meter großer Asteroid kann schon eine Masse von einer Million Tonnen haben), wird die Geschwindigkeit des Asteroiden nur um einen geringen Betrag geändert.

Im Rahmen eines solchen Tests will man ganz genau wissen, wie groß die Änderung ausgefallen ist. Dazu müsste man aber die Bahn des Asteroiden extrem genau vermessen und alle anderen nicht-gravitationellen Störungen exakt quantifizieren. das ist so gut wie unmöglich … eigentlich!

Aber: Das Ziel von DART ist nicht irgendein Asteroid, sondern Dimorphos, der kleinere Partner eines Binärsystems, der mit seinen 160 Metern Größe einen knapp 800 Meter großen Zentralkörper auf einer kreisförmigen Bahn mit einem Radius von 1.2 km umläuft, wobei ein Umlauf 1 12 Stunden dauert. Wenn DART auf Dimorphos kracht, wird dessen Geschwindigkeit und damit seine Bahn zwar nur gering verändert. Diese Änderung sieht man aber an einer kleinen Veränderung der Umlaufperiode. Selbst wenn sie sich nur um einige Minuten ändert – das kann man durch Beobachtung der Lichtkurve feststellen. Damit kann man also die Bahnänderung recht exakt eingrenzen. 

Man weiß damit, welche Geschwindigkeitsänderung erzielt wurde. Man weiß allerdings immer noch nicht, welcher Impuls übertragen wurde, denn dazu müsste man die Masse von Dimorphos kennen. Der übertragene Impuls ist nicht identisch mit dem Produkt aus Masse und Relativgeschwindigkeit von DART, da auch der Effekt des beim Einschlag ausgeworfenen Asteroidenmaterials eine Rolle spielt. Dies ist im Press Kit erklärt.

Da kommt wieder die Beobachtungsmission HERA ins Spiel – diese kann während der Langzeitbeobachtung durch eine Serie von nahen Vorbeiflügen die Masse des Körpers bestimmen. DART und der mitgeführte italienische Cubesat LICIACube werden das nicht können. HERA ist somit mehr als nur ein nice-to-have; sie wird den wissenschaftlichen Ertrag von DART deutlich steigern. 

Zur Bahn von DART

Die geplante Trajektorie von DART kann man von JPL Horizons herunterladen. Ich habe das gemacht und mit die Bahn näher angeschaut. Hier zunächst die Übersicht des interplanetaren Transfers vom 24.11.2021 bis Anfang Oktober 2022.  der binäre Asteroid 65803/Didymos ist auf einer Bahn, deren Perihel knapp außerhalb der Erdbahn und deren Aphel deutlich jenseits der Marsbahn liegt. Deswegen ist seine Geschwindigkeit beim Zusammentreffen etwa 6.1 km/s höher als die von DART. Der Asteroid holt DART von hinten ein und kracht ihm voll drauf. Ein klassischer Auffahrunfall. Die Aufgabe der Steuerung besteht darin, genau in der Bahn des Zielobjekts zu bleiben. 

Trajektorie von DART zwischen Start und Ankunft am Asteroiden 65803/Didymos. Quelle: Michael Khan mit Daten von NASA/JPL-Horizons.
Trajektorie von DART zwischen Start und Ankunft am Asteroiden 65803/Didymos. Quelle: Michael Khan mit Daten von NASA/JPL-Horizons.

DART bleibt immer in der Nähe der Erdbahn, weil die Fluchtgeschwindigkeit beim Start nur gering ist. Die verwendete Falcon-9-Rakete wird also nicht wirklich gefordert. Die Konsequenz ist, dass der Abstand von der Erde zu DART gering bleibt und damit auch die Laufzeit des Funksignals. 

Abstand von Sonne, Erde und Asteroid der Bahn von DART während des Transfers zu 65803/Didymos, Quelle: Michael Khan mit Daten von NASA/JPL-Horizons.
Abstand von Sonne, Erde und Asteroid der Bahn von DART während des Transfers zu 65803/Didymos, Quelle: Michael Khan mit Daten von NASA/JPL-Horizons.

Die Bahnparameter von DART verändern sich während des Transfers kaum, abgesehen von Störungen durch die Anziehungskraft der Erde am Anfang. Der mitgeführte Ionenantrieb wird also nicht gebraucht, um Didymos zu erreichen. Er ist offenbar nur an Bord, um während des Transfers getestet zu werden. Dies trug wahrscheinlich zur Finanzierung des Projekts bei und ist deswegen missionskritisch – ohne Kohle keine Mission. 

Aphel, Perihel und aktueller Radius der Bahn von DART während des Transfers zu 65803/Didymos, Quelle: Michael Khan mit Daten von NASA/JPL-Horizons.
Aphel, Perihel und aktueller Radius der Bahn von DART während des Transfers zu 65803/Didymos, Quelle: Michael Khan mit Daten von NASA/JPL-Horizons.

Und was ist das Problem?

Das Problem ist, sicherzustellen, dass der nur 160 Meter große Dimorphos die DART-Raumsonde beim Auffahrunfall erwischt. Die Steuerung muss im geschlossenen Regelkreis erfolgen – die Sonde hat den heranrauschenden Asteroiden im Blickfeld der Kamera und kleine Steuertriebwerke oben, unten, links und rechts stellen sicher, dass der Asteroid im Zentrum des Fadenkreuzes bleibt. Je näher der Moment des Impakts rückt, desto kritischer wird es – ganz am Ende kann eine minimale seitliche Abweichung zum Verfehlen und damit zum Scheitern der Mission führen. Natürlich muss auch sichergestellt werden, dass das Steuerungssystem nicht fälschlich den größeren und helleren Zentralkörper für das Ziel hält. 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

8 Kommentare

  1. DART ist also (über SMART Nav) ein selbstlenkendes Geschoss, welches ein Ziel treffen muss, das sich mit 22‘000 Kilometern pro Stunde annähert. Bei der Grösse des Ziels sollte das wesentlich einfacher sein als eine Interkontinentalrakete im Freiflug abzuschiessen. Zudem stehen ganze Tage zur Verfügung während denen noch Kurskorrekturen möglich sind. Allerdings bewegt sich hier das Ziel Dimorphos nicht auf einer „geodätischen Bahn“, sondern es umkreist den grösseren Asteroiden Didymos. Deshalb bedarf es wohl feiner Kurskorrekturen in der letzten Stunde vor dem Aufschlag. Schade dass die NASA den Algorithmus, der für die Navigation sorgt nicht offenlegt. Als Open Source könnte der Algorithmus nämlich beispielsweise zum Teil eines realistischen Computerspiels werden.

    Der mitgeführte Ionenantrieb der nächsten Generation NEXT-C scheint tatsächlich nur Testzwecken zu dienen. Auch das von DART benutzte leichtgewichtige Solararray ROSA (Roll-Out Solar Array) ist eine „Neuanschaffung“. Im Weltraumeinsatz ist es erst seit 2017 und es zeichnet sich durch geringes Gewicht und Kompaktheit aus.

    DART zeigt für mich auch, dass die NASA mehrere Weltraumtechnologien kontinuierlich verbessert. Das gleiche zeigt sich ja auch bei den Marsrovern, die von Mission zu Mission ausgefeilter sind. Nur das Space Launch System passt da nicht ins Bild, denn es ist bis jetzt ja noch nicht ein einziges Mal gestartet und kann deshalb auch nicht von Einsatz zu Einsatz besser werden.

    • Es ist richtig, dass über mehrere Stunden hinweg die relative Bahn von DART bezüglich Dimorphos nicht mehr als linear angenommen werden kann, wie das bei der Bahn relativ zu einem nicht-binären Asteroiden der Fall gewesen wäre.

      Es bedarf auf jeden Fall einer Serie von Kurskorrekturen, denn die Navigation der Anflugsphase wird zwangsläufig fehlerbehaftet sein. Die Navigationskampagne beginnt nicht erst am Tag des Impakts, sondern schon Wochen im voraus, zunächst noch als absolute Navigation.

      Irgendwann wird Didymos in Bildern der Navigationskamera erkennbar sein, dann auch Dimorphos. In der Endanflugphase dürfte der Algorithmus sehr simpel sein und aus rein relativer Navigation bestehen: Bilder der Navigationskamera müssen an Bord verarbeitet werden. Der Algorithmus wird feststellen, ob Dimorphos in der Mitte des “Fadenkreuzes” bleibt oder auswandert, und entsprechende gepulste Manöver des RCS (Reaction Control System, kleine Triebwerke, die oben, unten, links und rechts angeordnet sind) auslösen. Dazu muss man nicht mehr wissen, wie die absoluten Bahnparameter im Sonnensystem sind.

      Solange alles funktioniert, ist so ein simples Prinzip fast schon narrensicher. Wenn aber eines der kleinen Steuertriebwerke nicht zündet oder nicht mehr aufhört zu zünden, könnte es unmöglich sein, den Fehler noch rechtzeitig zu bemerken und zu korrigieren. Wichtig ist ein simpler, schneller Algorithmus und ein simples, zuverlässiges RCS. Ich würde die Software so einfach halten wie möglich und bei der Hardware wohlgetestete Systeme verwenden. Systemingenieure sagen immer “Hardware is more reliable than software”.

      Ein wahrscheinlicheres Problem wäre ein übersteuerndes Kontrollsystem, dass bei der Korrektur ein Überschwingen zur falschen Seite produziert, sodass sich die Regelung aufschaukelt. Das muss man durch ein geeignete Wahl der Regelungscharakteristik verhindern. Eine schöne Aufgabe für einen Studenten der Regelungstechnik.

  2. Noch eine kleine Korrektur: Dimorphos umrundet den Zentralkörper von Didymos in 11.9 Stunden und nicht in 1 Stunde wie im obigen Beitrag geschrieben (Zitat dieser Beitrag): Das Ziel von DART ist nicht irgendein Asteroid, sondern Dimorphos, der kleinere Partner eines Binärsystems, der mit seinen 160 Metern Größe einen knapp 800 Meter großen Zentralkörper auf einer kreisförmigen Bahn mit einem Radius von 1.2 km umläuft, wobei ein Umlauf 1 Stunden dauert.

    In der Wikipedia liest man dagegen dazu:

    Dimorphos bewegt sich hauptsächlich in einer kreisförmigen, äquatorialen Umlaufbahn um Didymos mit einer Umlaufzeit von 11,9 Stunden.

    1 Stunde Umlaufzeit würde Didymos wohl zu einem deutlich schwieriger zu treffenden Objekt machen. Man müsste dann noch 10 Minuten vor dem Aufprall einen Punkt im leeren Raum ansteuern ähnlich wie die Flak vor ein abzuschiessendes Flugzeug schiesst.

    • Vielen Dank für den Hinweis. Es handelte sich wirklich um einen Tippfehler von mir, durch den aus der 12 eine 1 wurde, wie auch die Verwendung des Plurals beim der Zeiteinheit andeutet.

  3. Ergänzung zu “die auf 2024 verlegte HERA-Mission kann für die Impaktbeobachtung nicht dabei sein”
    Für Bilder vor dem Crash sorgt die die autonome Zielanflugkamera DRACO mit einem Bild pro Sekunde.
    Der ersatzweise LICIACube beobachtet den Impakt aus der Ferne mit Bildern alle 6 Sekunden.
    Damit gibt es wenigstens ein paar verwertbare Echtzeitinformationen.

  4. Zitat aus dem Beitrag:

    Nicht nur der Asteroid ist binär, auch das Projekt AIDA ist es, zu dem DART gehört. Zu dem gehört neben DART auch die Beobachtungsmission HERA, die im Jahr 2024 starten soll, Ende 2026 am Asteroidensystem ankommt und es mindestens 6 Monate lang aus der Nähe untersucht.

    HERA passt in einigen Punkten gut zu DART. Auch HERA ist wie DART ein kleines Raumschiff, enthält aber als Gepäck 2 aktentaschengrosse noch kleineren Raumschiffe, nämlich die beiden Cubesats APEX und JUVENTAS und beide Cubesats scheinen zu selbstständigen Flugmanövern fähig.Auch NASAs DART führt einen Cubesat mit. Ein Vorteil dieser Cubesats scheint mir unter anderem, dass sie die Hauptmission nicht stören und von unabhängigen Teams entwickelt wurden. Sowohl DART als auch HERA scheinen zudem über Selbstnavigationsfähigkeiten zu verfügen und sind damit autonomer als typische Missionen.

    Ist dies ein Trend in der Raumfahrt? Mehr und mehr Missionen scheinen mit weniger Masse und trotzdem mehr Instrumenten, mehr Intelligenz und zusätzlich mit Untereinheiten (Cubesats) auszukommen. DART konnte mit einer Falcon 9 gestartet werden und auch HERA bedürfte keiner grösseren Rakete.

    Kürzlich hat Rocket Lab eine Falcon 9 ähnliche Rakete namens Neutron angekündigt, die aber nur eine Nutzlast von 8 Tonnen in den LEO besitzt. Doch 8 Tonnen Nutzlast scheint heute für viele Missionen auszureichen.

    • Einige Sachen sollte man klarstellen.

      Erstens ist die Falcon 9 keine kleine Rakete. Eine Rakete, die über 8 Tonnen ins GTO schicken kann und damit der Ariane 5 Konkurrenz macht, ist nicht klein. Das ist schon mehr als das Doppelte der Sojus-Fregat.

      Auch 8 Tonnen ins LEO ist keineswegs klein. Das ist in etwa die Nutzmasse der Sojus.

      Die Falcon 9 ist mit dem Start von DART eher unterfordert. Das liegt am Missionsprofil – DART wird ja nur in eine Bahn geschickt, deren Aphel etwas höher als die Erdbahn liegt, wie man deutlich an der ersten Abbildung im Artikel sieht. Ich nehme mal an, ebenso wie bei HERA war DART nicht üppig finanziert, was der Größe der Sonde Grenzen auferlegte.

      Man darf aber nicht davon ausgehen, dass bei HERA dieselben geringen Anforderungen an die Rakete gelten. Das Gegenteil ist der Fall, weil der Transfer von HERA zwangsläufig und unabdinglich über eine hochenergetische Bahn erfolgen muss, die schon bis in den Asteroidengürtel hinaufreicht. Das ist im Detail in einem anderen Artikel erklärt.

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