AEOLUS kommt am Freitag runter

ADM-AEOLUS, ein Satellit der ESA zur Messung von Windgeschwindigkeiten in der Erdatmosphäre, Quelle: ESA

AEOLUS, mit vollem Namen ADM-AEOLUS (Atmospheric Dynamics Mission – AEOLUS) ist ein von der ESA betriebener Erdbeobachtungssatellit. Er wurde am 22.8.2018 in eine sonnensynchrone Bahn mit einer Höhe von 320 km gestartet. Seine Aufgabe ist die Messung von Windgeschwindigkeiten in der Erdatmosphäre.

AEOLUS ist auf einer sonnensynchronen Bahn

Die Abplattung der Erde verursacht eine Präzession der Bahnebene. Bei Bahnneigungen von unter 90 Grad driftet die Knotenlinie westwärts, also retrograd, und zwar umso schneller, je niedriger die Bahn und je geringer die Inklination ist. Bei Inklinationen von mehr als 90 Grad dagegen driftet die Knotenlinie ostwärts. Zu jeder Bahnhöhe gibt es genau eine Inklination, bei der die Drift der Knotenlinie 360 Grad pro Jahr beträgt  – die Knotenlinie folgt dann der Sonne und die Knotendurchgänge treten täglich zur selben Zeit auf (in etwa, aber nicht ganz, wegen der leichten Exzentrizität der Erdbahn). Eine Bahn mit einer solchen Kombination von Höhe und Inklination wird als sonnensynchron bezeichnet.  Bei der 320-km-Bahn von AEOLUS ist die Inklination 96.7 Grad. 

AEOLUS fliegt ein “dawn-dusk”-Orbit

AEOLUS befindet sich in einer “dawn-dusk”-Bahn, d.h., er durchquert die Erdäquatorebene gegen 06:00 und 18:00 lokaler Sonnenzeit. Das hat mehrere Konsequenzen. Zum einem werden die Schattendurchgangszeiten auf einer solchen Bahn minimiert. Erdschattendurchgänge treten einer “dawn-dusk”-Bahn nur während limitierter Zeiten um eine der Sonnenwenden herum auf, dort jeweils einmal pro Umlauf. 

Die Bahngeometrie relativ zur Sonne auf einer “dawn-dusk”-Bahn ist so, dass die Solargeneratoren nie ihre volle Fläche der Hochatmosphäre aussetzen. Das ist gerade auf einer so niedrigen Bahn sehr hilfreich, weil es den Manöverbedarf zum Ausgleich der atmosphärischen Abbremsung minimiert.

Da der Satelliten auf einer “dawn-dusk”-Bahn immer in der Nähe des Terminators fliegt (wenn auch meist nie genau über dem Terminator, denn der schwankt im Jahresverlauf um +/-23.5 Grad), eignen sich sonnensynchrone Bahnen des “dawn-dusk”-Typs weniger gut zur visuellen Erdbeobachtung. Da dies aber nicht zu den Aufgaben von AEOLUS gehört, ist diese Eigenschaft des betreffenden Bahntyps irrelevant. 

Zeitplan der Wiedereintrittsphase

AEOLUS sollte drei Jahre aktiv sein, daraus wurden fünf sehr erfolgreiche und wissenschaftlich ertragreiche Jahre. Der beim Start 1266 kg schwere Satellit hatte mehr als 250 kg Treibstoff an Bord. Dieser Treibstoff geht jetzt langsam zur Neige, sodass der Wiedereintritt nicht mehr aufzuhalten ist. Ich habe gestern einmal auf Basis der aktuellen Bahndaten die Lebensdauer vorausberechnet. Ich komme dabei auf etwa 3 Wochen.

Solche Berechnungen sind aber mit vielen Unwägbarkeiten behaftet. Ein wesentlicher Faktor ist die Sonnenaktivität. Wir nähern uns dem Maximum des Sonnenzyklus. Die Sonnenaktivität kann aber nicht exakt vorhergesagt werden. Die Sonne war in den letzten Wochen deutlich aktiver als zuvor erwartet. Damit steigt auch die Luftdichte in der Hochatmosphäre, und mit ihr der Luftwiderstand, der der Bahn von AEOLUS die Energie entzieht. Außerdem kann AEOLUS, wenn die Störungen weiter zunehmen, ins Taumeln geraten. Dann könnte es dazu kommen, dass die Solargeneratoren voll angeströmt werden; die Brenswirkung nähme schlagartig zu. 

Also lehne ich mich nicht mit einer Prognose aus dem Fenster. Das ist auch gar nicht nötig, denn zu einem unkontrollierten Absturz, der irgendwo auf der Erde stattfinden könnte, wird es nicht kommen. Das Kontrollteam hat nämlich eine Strategie für einen kontrollierten Wiedereintritt vorbereitet. 

Kontrolliert ist nicht dasselbe wie gezielt

Die Bahn von AEOLUS ist aktuell noch um 270 km hoch. Für einen gezielten Wiedereintritt würde man ein Bremsmanöver verabreichen, das aus der kreisförmigen Bahn eine exzentrische macht. Sie hätte danach ein Perizentrum mit einer theoretischen Höhe von maximal 70 km, besser noch deutlich weniger. Den Zeitpunkt des Manövers müsste man so legen, dass der gegenüberliegende Punkt der Bahn über dem Ozean liegt, besipielsweise über dem Südpazifik.  Der Satellit würde dann auf dem Weg zum Perigäum ziemlich steil in die Atmosphäre eintreten. Dabei würde das meiste verglühen. Überlebende Bruchstücke würden innerhalb eines überschaubaren Umkreises in den Ozean niedergehen. Etwa eine Dreiviertelstunde nach dem Manöver wäre alles vorbei.

Das dafür benötigte Delta-v liegt allerdings bei mindestens 60, besser 80 m/s. Die Triebwerke von AEOLUS sind aber nicht groß genug, um ein solches Manöver in die durch die Bahnmechanik diktierte limitierte Zeit zu quetschen. Auch der verbleibende Treibstoff könnte dafür nicht ausreichen. 

Ein kontrollierter Absturz dagegen limitiert immer noch deutlich das mögliche Impaktgebiet, muss sich dabei aber wesentlich mehr auf die atmosphärische Abbremsung verlassen. Dieser Weg wurde von dem mit der Steuerung von AEOLUS beauftragten Team am ESOC in Darmstadt gewählt. 

Die ersten Manöver findet bereits am Montag (24.7.) statt. Diese werden die Bahn auf 250 km absenken. Drei Tage später dann folgt eine weitere Sequenz von Manövern. Diese machen die Bahn exzentrisch; das Perigäum wird auf 150 km gesenkt. Die Bahn ist nun bereits deutlich stärkerer Abbremsung ausgesetzt. Am Freitag dann folgt das letzte Manöver, das das Perigäum auf 120 km senkt. Die Simulationen haben gezeigt, dass das Perigäum auf dem dritten Umlauf danach so niedrig sein wird, dass der Satellit verglüht – über dem Atlantik. 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

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