Wie ein Vulkan die Erde erwärmt

Im Januar 2022 explodierte der untermeerische Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai im Südpazifik mit unvorstellbarer Gewalt. Der Knall der Eruption war bis nach Alaska zu hören, und noch in 100 Kilometer Entfernung trafen bis zu zehn Meter hohe Tsunamiwellen Inseln des Königreichs Tonga.  Das relativ flache Wasser des Kraters bot perfekte Bedingungen für eine gigantische Explosion. Das Meer über dem Kraterboden verwandelte sich beim Kontakt mit dem Magma binnen Sekundenbruchteilen in überhitzten Dampf. 

Die kombinierte Wucht des Ausbruchs und der Dampfexplosion trieben die Wolke aus Gas und Asche in beispiellose Höhen. Die Eruptionssäule durchschlug gleich zwei atmosphärische Grenzschichten. Mit bis zu 58 Kilometern Höhe reichte sie bis in die Mesosphäre – jene Schicht der Lufthülle, in der Sternschnuppen verglühen.[1] Es war die höchste jemals beobachtete Eruptionssäule und sie transportierte enorme Auswurfmassen in große Höhen. Interessant dabei: große Vulkanausbrüche kühlen gemeinhin die untere Atmosphäre ab. Der Ausbruch von 2022 dagegen hat kompliziertere Folgen für das Klima – womöglich sogar eine mehrere Jahre anhaltende Erwärmung

Der Grund dafür ist Wasser, das mit dem Ausbruch in gigantischen Mengen in die Stratosphäre gelangte. Gleichzeitig trug die Eruptionswolke ungewöhnlich wenig Schwefeldioxid in diese Atmosphärenschicht. Dort, zwischen rund 18 bis 50 Kilometer Höhe, finden jene Prozesse statt, über die Vulkane das Klima beeinflussen. Und während die Eruptionssäulen selbst der meisten großen Vulkanausbrüche bestenfalls die untere Hälfte der Stratosphäre erreichen, hat der extrem untypische Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai sie glatt durchschlagen. 

Warum Vulkane die Erde kühlen

Dadurch gelangten immense Mengen vulkanischer Gase in die Stratosphäre. Deren Gegenwart kühlt normalerweise die Erde eine Weile ab. Die Eruptionswolken von Vulkanen enthalten große Mengen Schwefeldioxid, und in der Stratosphäre bildet das Gas mit Wasser feine Schwefelsäuretröpfchen. Die sind für den anhaltenden Kühleffekt verantwortlich. Diese Aerosole streuen Sonnenlicht und verhindern so, dass es zur Erdoberfläche gelangt: die Erde bekommt quasi einen Sonnenschirm aus einem feinen Säurenebel dutzende Kilometer über der Erdoberfläche.

Dass der Effekt Jahre anhalten kann, liegt an einem wesentlichen Unterschied zwischen der Stratosphäre und der darunter liegenden Troposphäre. Der sehr schnelle Wasserzyklus, den wir von unserem Wetter kennen, fehlt dort. Es regnet nicht, und damit fehlt jener Mechanismus, der weiter unten permanent Staub und Aerosole aus der Atmosphäre wäscht. Das heißt, die Schwefelaerosole bleiben dort oben, bis sie von alleine runterfallen. Und bei so feinen Tropfen kann das eine Weile dauern. Der Ausbruch des Pinatubo 1991 zum Beispiel kühlte die Erde für fast zwei Jahre um rund ein halbes Grad ab.

Eruptionswolke des Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai.
Quelle: NASA Earth Observatory image by Joshua Stevens using GOES imagery courtesy of NOAA and NESDIS

Die Eruption des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai war nur ein wenig schwächer. Pinatubo erreichte 6 auf dem von 1 bis 8 reichenden Volcanic explosivity index (VEI), Hunga Tonga lag zwischen 5 und 6. Auf dieser Basis sollte man eine merkliche Abkühlung des Weltklimas erwarten. Doch ein halbes Jahr nach dem Ausbruch war keine globale Klimaveränderung messbar. Die Ursache ist eine schon an anderen unterseeischen Vulkanen beobachtete Besonderheit von Vulkanausbrüchen unter Wasser: sie sind recht schwefelarm. 

Satellitenmessungen der atmosphärischen Schwefeldioxidkonzentrationen während des Ausbruchs zeigen, dass der Vulkan etwa eine halbe Million Tonnen des Gases ausstieß.[2] Das klingt erstmal nach einer ganzen Menge, aber der Pinatubo stieß etwa 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid aus, und der Tambora, auf dessen Eruption 1815 das “Jahr ohne Sommer” folgte, sogar etwa 55 Millionen Tonnen.

Wasser fängt Schwefeldioxid ein

Damit ist bei der Eruption im Januar 2022 viel zu wenig Schwefel in die Atmosphäre gelangt, um das Klima merklich abzukühlen. Simulationen beziffern den Kühleffekt auf lediglich 0,004 Grad; auch wenn bei globalen Mittelwerten scheinbar kleine Schwankungen große Auswirkungen haben, ist das vernachlässigbar: Der Wert ist kleiner als die statistischen Schwankungen von Jahr zu Jahr. Selbst auf der stärker betroffenen Südhalbkugel sank die Temperatur nur um etwa 0,01 Grad. 

Schon die Satellitendaten von Ausbruch selbst zeigen, dass das Zentrum der Wolke praktisch kein Schwefeldioxid mehr enthielt – das Gas war nur in einer ringförmigen Struktur außerhalb der Auswurfmassen nachweisbar. Ursache ist laut älteren Studien das mitgerissene Meerwasser – das kühlte die zentrale Eruptionssäule und zog das Gas so gleich auf mehrere Arten aus dem Verkehr. Zum einen ließen die starken Temperaturunterschiede die Aschepartikel in viel mehr kleine Partikel zerbersten, an deren Oberfläche sich Schwefeldioxid anlagern kann. Zum anderen lösten auch die vielen kondensierten Wassertropfen das Gas. Und in der ungewöhnlich kühlen Aschewolke waren Gase viel eher geneigt, an größeren Partikeln anzudocken.

Dadurch war das Schwefeldioxid längst in größeren, schnell zur Erde fallenden Partikeln gebunden, als es in die Stratosphäre gelangte. Der kühlende Schirmkonnte sich so nicht bilden. Das viele Wasser hat jedoch auch einen eigenen, bisher beispiellosen Effekt auf das Weltklima. Es verursacht nämlich – zumindest ist das die Prognose – eine mehrere Jahre andauernde Erwärmung an der Erdoberfläche. Diese sehr ungewöhnliche Folge des Vulkanausbruchs geht ebenfalls auf die Dampfexplosion während des Ausbruchs zurück. Denn ein großer Teil des Wassers stieg mit der Eruptionssäule in die Stratosphäre auf. Insgesamt wird die Menge auf 146 Millionen Tonnen beziffert – das Vierfache der für Pinatubo geschätzten Menge.

Das entspricht über die Dauer der Eruption etwa der Flussrate des Amazonas und hat die Zusammensetzung der Stratosphäre drastisch verändert. Im Gegensatz zur darunter liegenden Troposphäre ist die Stratosphäre nämlich normalerweise sehr trocken. Aufsteigende Feuchtigkeit kondensiert wegen der niedrigen Temperaturen fast komplett an der Obergrenze der Troposphäre, so dass kaum Wasser in die darüber liegenden Schichten gelangt.

Der Vulkan und das Wetter

Überschießende Konvektion in Gewitterwolken kann feuchte Luft so schnell aufsteigen lassen, dass sie die Grenze zwischen den Atmosphärenschichten durchbricht. Doch die erreichten Höhen und die transportierte Feuchtigkeit sind vergleichsweise gering. Einen größeren Einfluss haben Pyrocumolonimbus-Wolken, den schnell aufsteigenden Rauchwolken über sehr großen und starken Feuern. Die australischen Waldbrände 2019/2020, das extremste Ereignis dieser Art in der Satellitenära, transportierten neben immensen Mengen Aerosolen auch etwa 19 Millionen Tonnen Wasser in die Stratosphäre.

Das ist vergleichbar mit großen Vulkanausbrüchen, der dritten Art, Wasser in die Stratosphäre zu transportieren: laut Schätzungen brachte Pinatubo rund das doppelte dieser Wassermenge in die Stratosphäre ein. Doch Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai seinerseits stellt diese Mengen leicht in den Schatten. Insgesamt erhöhte der Ausbruch die Wassermenge in der Stratosphäre um 10 bis 15 Prozent, eine – zumindest im Zeitraum der Beobachtungen – beispiellose Veränderung der Zusammensetzung der Stratosphäre.

Dass dieses extreme Ereignis global für lange Zeit spürbar sein wird, davon gehen Fachleute aus. Denn Wasser in der Stratosphäre hat einen ganz erheblichen Einfluss auf Wetter und Klima. Zum einen kühlt es die Stratosphäre selbst, weil es Wärmeenergie aus dem umgebenden Gas aufnimmt und als Infrarotstrahlung in den Weltraum abgibt. In den Monaten nach der Eruption haben Satellitendaten einen breiten Streifen ungewöhnlich niedriger Temperaturen in der Stratosphäre auf der gesamten Südhalbkugel gemessen

Und wie wir kürzlich an unserem unerquicklichen Frühlingswetter – verursacht durch eine schnelle stratosphärische Erwärmung – gesehen haben, kann sowas Folgen haben. Allerdings ist noch ein bisschen unklar, welche das sind. Die Wettermuster auf der Südhalbkugel sind bei weitem nicht so genau verstanden wie auf der Nordhalbkugel. Bekannt ist, dass die starke Abkühlung in der Höhe, die in Satellitendaten deutlich sichtbar ist, den Polarwirbel stabilisierte. Das trug zu dauerhaften Ostwindwetterlagen an Australiens Ostküste bei und führte vermutlich zusammen mit La Nina zu den starken Regenfällen in Ostaustralien 2022. 

Kalte Stratosphäre, warme Erde

Noch weniger klar ist, welche Auswirkungen die kalte Süd-Stratosphäre auf die Nordhalbkugel hatte und haben wird. Es gibt eine Korrelation zwischen solchen Ereignissen und Stratosphärischen Erwärmungsereignissen im Norden, die den Jetstream schwächen und zu blockierten Wetterlagen in Europa führen. Genau so eine hatten wir gerade – es ist also denkbar, dass wir Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai über Umwegen auch den kühlen Frühling verdanken. 

Die weitreichendste Konsequenz der wasserreichen Eruption jedoch ist, dass sich die Erde wohl für einige Jahre zusätzlich erwärmen wird. Wasserdampf ist nämlich auch ein Treibhausgas, sogar das wichtigste der Erde. Das hat man normalerweise nicht auf dem Schirm, weil Wasserdampf in der unteren Atmosphäre kein eigenständiger Faktor beim Klimawandel ist. Er verdoppelt zwar ungefähr den Effekt eines Anstiegs des Kohlendioxids, folgt aber selbst einer Erwärmung durch andere Faktoren. 

Das liegt daran, dass Wasser permanent verdunstet und nur wenige Stunden oder Tage in der Atmosphäre bleibt, bevor es kondensiert und abregnet. Das heißt, es reichert sich nicht an. Fügt man mehr Wasserdampf bei einer gegebenen Temperatur hinzu, steigt die Temperatur nicht, sondern das überschüssige Wasser regnet ab. Es stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Verdunstung und Kondensation ein, dessen Lage von den langfristigen Klimafaktoren wie eben den dauerhaften Treibhausgasen abhängt.

In der Stratosphäre sieht das anders aus. Wasserdampf ist ein Treibhausgas, und während es in der unteren Atmosphäre kein eigenständiger Klimatreiber ist, verhält es sich in der darüber liegenden Stratosphäre anders. In der dünnen, extrem trockenen Höhenluft kondensiert das Wasser nur sehr langsam, und eine zusätzlich aufgetauchte Wassermenge bleibt für Jahre in der Atmosphäre. Und damit ähnelt der Effekt von Wasser in der Stratosphäre eher Molekülen wie Methan oder eben Kohlendioxid, die sich anreichern und den Treibhauseffekt verstärken. 

Das funktioniert aber etwas anders als in der unteren Atmosphäre. Nahe an der Oberfläche baden die Treibhausgase quasi in der Infrarotstrahlung, die sie permanent absorbieren und aussenden, und geben einen Teil der aufgenommenen Energie als Wärme an die anderen Gase ab.[3] In der dünnen Luft der Stratosphäre dagegen sind sie so fein verteilt, dass sie mehr abstrahlen als sie absorbieren. Die fehlende Energie kommt aus der Wärme der umgebenden Gase, deswegen kühlt das Wasser die Stratosphäre. 

Beispiellose chemische und physikalische Veränderungen 

Während die nach oben abgegebene Infrarotstrahlung in den Weltraum entkommt, wärmt die nach unten abgegebene Strahlung die unteren Luftschichten. Es gibt in der Stratosphäre auch keine effizienten Senken für den Wasserdampf, so dass uns der Effekt wohl für bis zu zehn Jahre erhalten bleibt. Die entscheidende Frage dabei: wie groß ist die Erwärmung tatsächlich?

Das ist nun allerdings schwierig zu beantworten. Modelle deuten darauf hin, dass der Klimaeffekt des Wassers in der Stratosphäre hoch ist; kleine Veränderungen der Wasserkonzentration dort erhöhen oder verringern demnach die Rate der globalen Erwärmung durch die anderen Treibhausgase um dutzende Prozent. Seit ein paar Jahrzehnten scheint der Wasserdampfgehalt anzusteigen. Das ist möglicherweise Teil einer Rückkopplung im Klimasystem, die zur globalen Erwärmung durch Treibhausgase beiträgt. Das heißt, wenn das Klima wärmer wird, ist dadurch auch mehr Wasser in der Stratosphäre, was wiederum die untere Atmosphäre erwärmt. 

Unglücklicherweise ist über das Verhalten des Wassers in der Stratosphäre vergleichsweise wenig bekannt. Die Daten zur Wasserkonzentration sind mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und schwanken je nachdem, wie man genau misst. Ähnlich unsicher sind die indirekten Effekte von Infrarotstrahlung, Abkühlung und des Wasserdampfes selbst. Zum Beispiel deuten Modelle an, dass sich die Wolken in der oberen Troposphäre durch die zusätzliche Strahlung verändern, das beeinflusst wiederum die Temperatur an der Erdoberfläche.

Erste Modelle deuten auf eine zusätzliche Erwärmung um rund vier Prozent eines Grades in den nächsten paar Jahren. Das ist immer noch in der Größenordnung der alljährlichen zufälligen Schwankungen im Klimasystem, aber immerhin das Zehnfache des normalerweise viel wichtigeren Abkühlungseffekts durch Schwefelaerosole. Es erhöht auch merklich die Chance, dass das 1,5-Grad-Ziel bei der globalen Erwärmung schon in den nächsten Jahren erreicht wird

Wesentlich bedeutender als diese vorübergehende Erwärmung sind aber die beispiellosen chemischen und physikalischen Veränderungen der Stratosphäre, deren Auswirkungen wir in den nächsten Jahren beobachten können. Dazu gehört auch ein bereits jetzt messbarer Abbau des Ozons. In den nächsten Jahre wird sich das zusätzliche Wasser wohl auch auf die Nordhalbkugel ausbreiten; die damit verbundene stratosphärische Abkühlung dürften wir dann auch in unseren Wettermustern wiederfinden. Wie und in welchem Ausmaß – und vor allem, was für ungewöhnliche Effekte uns Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai sonst noch beschert -, da dürfen wir uns überraschen lassen.

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[1] Satellitenmessungen deuten darauf hin, dass ein Teil des Wassers sogar den Weltraum erreichte.
[2] Spätere Messungen legen nahe, dass es womöglich etwa doppelt so viel war, was aber immer noch sehr wenig im Vergleich zu anderen Vulkanausbrüchen ist.
[3] Dieses Phänomen liefert auch die Erklärung dafür, wie der Treibhauseffekt im Kern physikalisch funktioniert: In den unteren Schichten der Atmosphäre ist die Infrarotstrahlung quasi gefangen, weil sie zwischen den Treibhausgasmolekülen ausgetauscht wird. Erst in der Mitte der Troposphäre wird die Luft so dünn, dass die Strahlung nach oben entkommen kann, ohne sofort wieder abgefangen zu werden. In einer Welt ganz ohne Treibhauseffekt würde der Erdboden die Infrarotenergie direkt ins All abstrahlen. Mit den Treibhausgasen “leuchtet” vom Weltraum aus gesehen dagegen eine Luftschicht einige Kilometer über dem Boden. Damit diese Luftschicht genug Energie abstrahlt, um die Energiebilanz der Erde auszugleichen, muss sie eine hinreichend hohe Temperatur haben. Entsprechend wärmen Treibhausgase notwendigerweise die Atmosphäre. Wenn man jetzt mehr Treibhausgas hinzufügt, werden höhere Luftschichten auch für Infrarot undurchdringlich, und die “leuchtende” Luftschicht liegt höher. Diese neue Schicht muss aber wegen der Energiebilanz jetzt die gleiche Temperatur haben wie die zuvor “leuchtende” Schicht darunter. Und da die Temperatur mit der Höhe abnimmt, heißt das, sie muss wärmer werden, und damit auch alle Luftschichten darunter.

3 Kommentare

  1. Kleine Korrektur zu den historischen Vulkanausbrüchen: Der große Ausbruch von Tambora war 1815, das Jahr ohne Sommer 1816. 1883 (nicht 1881) war der Ausbruch des Krakatau.

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