Ein Jahr Hunga Tonga – Hunga Ha´apai – was den Ausbruch so gewaltig machte

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Dabei war der Vulkan selber bis zu dem Datum der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, auch wenn er zu einer Kette von rund 20 recht ähnlichen untermeerischen Vulkanen im Bereich Tonga der Kermadec-Tonga Subduktionszone. Der Vulkan selber war zuletzt 2015 aktiv, also auch kein unbeschriebenes Blatt. Die Gewalt des Ausbruches vom Januar 2022 war allerdings durchaus eine Überraschung. Einen vergleichbaren vulkanisch ausgelösten Tsunami hat es vermutlich zuletzt bei dem Ausbruch des Krakatau 1883 gegeben.

Die enorme Wucht hat uns deutlich vor Augen geführt, dass nicht nur die bekannten Feuerberge an Land, sondern auch die untermeerischen durchaus gefährlich sein können. Zumal sie, im Gegensatz zu denen an Land, nur selten überwacht werden. Zumindest, wenn man sie mit den Vulkanen Fuji, Pinatubo oder Mt. St. Helens oder ähnlichen vergleicht.

Das hat zumindest zu einem guten Teil mit den Kosten zu tun. Natürlich ist die Überwachung untermeerischer Vulkane deutlich aufwändiger als die von Vulkanen an Land. Auch hier konzentriert man sich hauptsächlich auf die Vulkane, die in mehr oder minder direkter Nähe zu Menschen liegen.

Satellitenbilder des Hunga Tonga Ausbruchs am Abend des 15. Januar 2022, aufgenommen durch den GOES-17 Wettersatelliten. Die Einzelbilder wurden in einem Abstand von rund 30 Sekunden aufgenommen. NOAA

Eruption der Rekorde

Der Ausbruch am 15. Januar 2022 war nicht nur der heftigste des (bislang noch recht jungen) Jahrhunderts, er brach auch einen Rekord. Seine Eruptionswolke war die höchste jemals beobachtete. Die Aerosolwolke erreichte mit 58 km Höhe bis in die Mesosphäre. Die Druckwellen der Explosionen umrundeten die Erde, sie erzeugten einen wenn auch kleinen doch messbaren Meteotsunami in der Karibik. Der Knall soll bis nach Alaska zu hören gewesen sein. Die bei der Eruption freigesetzte Energie betrug umgerechnet rund 61 Megatonnen TNT.

Vermutlich war auch die Anzahl der durch den Ausbruch ausgelösten Blitze rekordverdächtig. Die Vaisala Global Lightning Dataset GLD360 hat für den Zeitraum von 5:00 bis 6:00 UTC gut 200 00 Blitze gemessen.

Ein gewaltiges Loch

Nach der Eruption wurde der Bereich des Vulkans durch ein Team des tonganischen geologischen Dienstes und der University of Auckland vermessen. Es hat sich gezeigt, dass der ursprünglich gut 6 km weite relativ ebene Bereich verschwunden war und durch ein und 4 km durchmessendes und 1 km tiefes Loch ersetzt wurde.

Diese Caldera hat sich gebildet, als das Dach der Magmakammer einbrach, nachdem diese durch die Eruption geleert worden war. Berechnungen zufolge entspricht dies einem Magmavolumen gut 7,1 km³, das bei der Eruption gefördert wurde. Das würde einem Vulkanexplosivitätsindex von 5 entsprechen. Zu diesem Ergebnis kommt auch das Global Volcanism Program des Smithsonian Institute.

Wie konnte der Ausbruch so gewaltige Ausmaße annehmen?

Die Mischung machts

Geochemische Untersuchungen an den Aschen der Eruption zeigen, dass hier drei unterschiedliche Magmen beteiligt waren. Davon waren zwei Magmen älter und weilten bereits etwas länger in der Magmakammer, als das dritte und deutlich jüngere Magma hinzutrat. Die Vermischung dieser drei Magmen beeinflusste die Löslichkeit der volatilen Elemente wie Wasser und andere Gase. Es bildeten sich im Magma Gasblasen, wodurch der Druck stark anstieg und das Magma als Schaum in Richtung Erdoberfläche gedrückt wurde.

Da das Magma eine vergleichsweise niedrige Viskosität hatte, konnte es durch den entstehenden Druck schnell aus der ca. 5 bis 10 km tiefen Magmakammer aufsteigen. Dadurch leerte sich die Magmakammer schnell und es erfolgte ein stufenweiser Kollaps.

Der beginnende Einbruch der Caldera hatte zusätzlich einen zündenden Effekt auf den Ausbruch. Denn durch die aufreißenden Spalten des einsinkenden Krustenblocks konnte Meerwasser mit dem aufsteigenden Magma in Kontakt kommen. Als das Wasser mit dem rund 1150° C heißen Magma in Kontakt kam, wurde eine Kettenreaktion ausgelöst.

Rund 30 und 45 Minuten nach Beginn der Eruption erfolgten zwei heftige Explosionen, die zu einer weiteren Druckminderung des aufsteigenden Magmas führten. Sinkender Druck bedeutet, dass auch im Magma weniger Gas gelöst wird und die Größe und Anzahl der entstehenden Gasblasen weiter steigt.

Nach rund einer Stunde verlor der Ausbruch etwas an Kraft, die Eruptionssäule wurde niedriger. Dies war die Phase intensiver pyroklastischer Ströme. Diese pyroklastischen Ströme führten bei Kontakt mit Wasser zu ausgedehnten untermeerischen Trübeströmen, welche zu enormen Schäden an untermeerischen Kabeln führten. Tonga war daher längere Zeit vom Rest der Welt regelrecht abgeschnitten.

Ungeklärte Fragen

Rund ein Jahr nach dem heftigen Ausbruch bleiben immer noch ein paar Fragen offen. So bleibt die Ursache der höchsten Tsunamiwelle – lokal immerhin 18 bis 2 m- noch ungeklärt. Die ersten Tsunamiwellen können noch mit den heftigen Explosionen rund 30 bzw. 45 Minuten nach Beginn der Eruption in Verbindung gebracht werden. Für die höchste Welle hingegen fehlt der Verursacher bislang. Möglich wäre der Einbruch der Caldera selber oder aber, was ich mir ebenfalls gut vorstellen kann, die ausgedehnten pyroklastischen Ströme und deren untermeerische Trübeströme. Hier hat uns neulich das, wenn auch sehr viel kleinere, Beispiel am Stromboli deutlich vor Augen geführt, dass auch diese dazu in der Lage sind, Tsunamis auszulösen.

Der Ausbruch vom 15. Januar 2022 kann durchaus als Weckruf verstanden werden. Global gesehen sind 42 untermeerische Vulkane bekannt, die in vergleichbarer Art wie Hunga Tonga – Hunga Ha´apai oder Krakatau ausbrechen könnten. Viele liegen auch deutlich näher an dicht besiedelten Küsten als Hunga Tonga – Hunga Ha´apai.

Auch die Frage nach dem Mechanismus, der diese Eruption so extrem ausfallen ließ, ist wohl noch nicht abschließend geklärt. Mich würde interessieren, ob sich hier eine Magmamischung wirklich nachweisen lässt. Vermutlich wird in der näheren Zukunft einiges an neuen Erkenntnissen auf uns warten

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. Ist der Hunga Tonga – Hunga Ha´apai -Ausbruch ein Lehrstück für zukünftige Gefahren durch Vulkane und wie man diesen Gefahren vorbeugen kann?

    Die Beschreibung des vermuteten Ausbruchsmechanismus hier scheint mir tatsächlich Hinweise zu geben wie man eine beginnende, unmittelbar bevorstehende Eruption erkennen kann, liest man doch:

    Da das Magma eine vergleichsweise niedrige Viskosität hatte, konnte es durch den entstehenden Druck schnell aus der ca. 5 bis 10 km tiefen Magmakammer aufsteigen. Dadurch leerte sich die Magmakammer schnell und es erfolgte ein stufenweiser Kollaps.

    Grosse Mengen Magma stiegen also auf. Etwas, was man heute wohl sogar mit lokalen Schwerkraftmessungen, eventuell aber auch mit einer Müonentomographie nachweisen kann. Lohnen würde sich das nicht für Vulkane unter Meer, wohl aber für bekannte Vulkane mit vielen Anwohnern wie den Vesuv oder für Supervulkane wie den im Yellowstone-Park.

    Was die Schwerkraftmessungen, also das, was man Gravimetrie nennt, betrifft, so werden gerade jetzt extrem empfindliche Gravimeter gebaut, die Quanteneffekte ausnutzen wie man etwa im Artikel Detecting Volcano-Related Underground Mass Changes With a Quantum Gravimeter liest:

    Wir präsentieren die weltweit erste Zeitreihe, die im Gipfelgebiet eines aktiven Vulkans mit einem absoluten Atominterferometrie-Gravimeter erhoben wurde. Das Gerät wurde ∼2,5 km von den aktiven Kratern des Vulkans Ätna entfernt installiert und produzierte trotz der ungünstigen Umgebungsbedingungen am Installationsort und des Auftretens von Phasen hohen vulkanischen Tremors während des Erfassungsintervalls eine kontinuierliche, qualitativ hochwertige Schwerkraftzeitreihe. Der Vergleich mit Daten von supraleitenden Gravimetern, die an anderer Stelle auf dem Ätna installiert sind, hebt korrelierte Anomalien hervor und zeigt, dass das Quantengerät Gravitationsschwankungen gemessen hat, die durch Massenmassenänderungen angetrieben wurden. Letztere reflektieren vulkanische Prozesse, die die Dynamik von Magma und gelöstem Gas im oberen Teil des Vulkansystems des Ätna einbeziehen. Unsere Ergebnisse bestätigen die operativen Möglichkeiten der Quantengravimetrie und eröffnen neue Horizonte für die Anwendung der Gravitationsmethode in der Geophysik.

    Der grosse Vorteil der hier verwendeten Quanten-Gravimeter ist
    1) ihre Portabilität und
    2) 24-Stunden Einsatzbereitschaft und
    3) die Möglichlichkeit mehrere Gravimeter um einen Vulkan zu platzieren, da sie kleiner, autonomer und weniger teurer sind als Gravimeter, die mit Supraleitung funktionieren.

    Motto: Keiner zu klein, ein Gravimeter zu sein (ein Gravimeter zu nutzen; auch privat lohnt es sich vielleicht zu messen was im eigenen Untergrund sich gerade ändert).

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