Steigende Corona-Zahlen, neue Varianten und das Impf-Update

FFP2 mask hangs on a chair in an empty beer garden.

Man kann ja drüber diskutieren, ob die Pandemie vorbei ist – aber Corona ist definitiv nicht weg. Abwasserdaten und andere Indikatoren deuten auf zunehmende Infektionen in Teilen Deutschlands.[1] Ob das nur ein kleiner Buckel durch Wetter und Urlaubszeit ist oder tatsächlich schon der Anfang einer großen Krankheitswelle, muss man mal abwarten. Aber sicher ist: die Welle kommt. Spätestens im Herbst und Winter wird es wieder sehr viel mehr Corona-Fälle geben.

Das ist nu kein Grund zur Panik, aber ignorieren sollte man das nicht. Covid-19 ist nach wie vor eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten. Es gibt zwar tödlichere Seuchen, aber Sars-CoV-2 kann sich sehr schnell und weit verbreiten und ist dabei ein ganzes Stück gefährlicher als vergleichbar ansteckende Erreger. Das Virus macht viele Menschen ernsthaft krank, verursacht – sowohl individuell als auch gesellschaftlich – erhebliche Kosten und Einschränkungen und hat erschreckend oft ernste Langzeitfolgen von Fatigue bis Diabetes.

Im Moment erscheint deswegen so viel ungewiss, weil wir grad in so ner Art Twilight Zone sind. Die pandemische Situation selbst liegt zwar hinter uns, das Tempo der Erkenntnisse rund um Sars-CoV-2 hat rapide nachgelassen, und damit auch die mediale Berichterstattung. Aber Covid ist eben nicht vorbei. Und das langfristige Verhalten des Virus und unser Umgang damit sind aber noch nicht klar zu erkennen.

Man findet zwar immer noch haufenweise News und Informationsbruchstücke zu Covid-19, aber anscheinend keinen Überblick, was das alles bedeutet und wie man jetzt mit der Situation umgeht. Deswegen hier eine Zusammenfassung meiner Sicht auf einige wichtige Aspekte.

Woher kriegen wir Daten?

Der erste Punkt ist natürlich: woher wissen wir überhaupt, wann wir anfangen müssen, uns Sorgen zu machen? Belastbare deutschlandweite Inzidenzen gibts nicht mehr, aber einige Projekte können immer noch nen groben Einblick geben, was so läuft. Ich persönlich nutze drei Quellen, um ein Gefühl dafür zu haben, wie sich die Situation entwickelt.

Die erste sind die Wochenberichte der AG Influenza. Die bieten zwar nur eine sehr grobe Stichprobe, zeigen aber einerseits, wie sich die Situation bei grippalen Infekten insgesamt entwickelt und andererseits, welchen Anteil Sars-CoV-2 in Relation zu anderen Viren daran hat. Die zweite ist SentiSurv RLP, bei dem die Inzidenz in einer zufällig ausgewählten Stichprobe mit Selbsttests ermittelt wird. Da kann man sehen, wie sich die Inzidenz zumindest in der Region im Lauf der Zeit entwickelt, und der Rest des Landes wird nicht so wahnsinnig anders sein. Das Dritte ist das Corona-Abwassermonitoring in Bayern, auch da interessieren mich vor allem die Veränderungen im Laufe der Zeit.

Das ist natürlich weit entfernt von der Präzision der Überwachung in der Pandemie. Aber auch mit der ist es ja nie so wirklich gelungen, die Entwicklung über ein, zwei Wochen hinaus sicher vorherzusagen. Insofern reicht für unsere Zwecke ein recht grober Überblick, um zu sehen, ob sich eine Welle abzeichnet.

Alle drei Quellen deuten im Moment auf einen Anstieg auf niedrigem Niveau, den man sich mal weiter angucken muss. Ich hab schon mal meine Maskenvorräte wieder aufgestockt, aber im Moment seh ich für mich noch nicht den dringenden Handlungsbedarf. Interessant wird es, wenn sich die Anstiege überall beschleunigen.

Im Winter sollte man sich wieder schützen

Wenn viel Sars-CoV-2 unterwegs ist, sollte man jedenfalls weiterhin Infektionsschutz betreiben. Die große Mehrzahl der Leute verkraftet die Infektion zwar ganz gut, aber unangenehme, anhaltende Nachwirkungen kommen recht oft vor, besonders bei schweren Verläufen von Covid-19 werden Organe geschädigt und das Risiko von LongCovid steigt mit jeder Infektion.[2] Kurz: Man möchte den Kram nach wie vor nicht haben, und wenn, dann so wenig wie möglich. Je seltener, desto besser.

Was man da so machen kann, um sich selbst und andere nicht anzustecken, haben wir ja über die letzten zwei Jahre hinlänglich eingeübt. Man muss da natürlich abwägen, wie intensiv man diesen individuellen Infektionsschutz betreibt. Keine Maßnahme schützt garantiert vor Ansteckung, und nicht alles ist den Aufwand wert. Beim persönlichen Infektionsschutz geht es um Wahrscheinlichkeiten, Häufigkeiten und welche Reduktion welchen Aufwand rechtfertigt. Es gibt keine allgemeingültigen Regeln, “wie man kein Corona kriegt”.

Eine Methode, wie ihr euch im Alltag solche Wahrscheinlichkeiten veranschaulichen könnt, habe ich in diesem älteren Beitrag aufgeschrieben.

Der erste Punkt ist aber Hände waschen. Und zwar nicht, weil’s so superwirksam gegen Sars-CoV-2 wäre, sondern weil ihr das grundsätzlich regelmäßig machen sollt und nicht nur zu Weihnachten, Ostern und während ner Pandemie. Ihr Schmierlappen.

Egal wie gut man sich schützt: es gibt keine Sicherheit – nur Wahrscheinlichkeiten.

Hände waschen schützt aber sehr wohl vor diversen anderen Krankheitserregern. Und das ist allgemein ein nicht zu verachtender Bonus bei solchen Anti-Covid-Strategien. Auch andere Viren wie Grippe und RSV können außerordentlich unangenehm werden, und selbst bei so Kleinscheiß wie Rhinoviren hab ich bisher noch nicht gehört, dass sich da wer über ne Woche Schnupfen gefreut hätte.[3] Die haben wir bisher immer als total gegeben hingenommen und uns durch den Winter geschnieft. Dank der Pandemie wissen wir jetzt: das muss nicht sein.[4]

Aus meiner Sicht sind FFP2-Masken neben der Impfung immer noch die wichtigste Komponente einer persönlichen Anti-Seuchen-Strategie. Wenig Aufwand, mäßige Einschränkung, in vielen Situationen nutzbar und flexibel. Masken sind vor allem sinnvoll in öffentlichen, geschlossenen Räumen, in denen man ne Weile mit vielen anderen Leuten rumhängt. Aber halt auch draußen in Menschenmengen. Kennt ihr alles.[5]

Dann kann man natürlich auch potenzielle Ansteckungsquellen umgehen, indem man einfach nicht da ist. Manche Veranstaltungen mit vielen Menschen und/oder hohem Risiko solltet ihr vielleicht einfach lassen, wenn  grad um euch herum alle krank sind. Ins Restaurant gehen kann man auch zwei Monate später noch, zum Beispiel. Aber so eine Vermeidungsstrategie wird auch schnell mal zu ner gravierenden Einschränkung, wenn man das strikt durchzieht.

Deswegen ist um so wichtiger, dass ihr euch um so konsequenter von Menschen fernhaltet, wenn ihr selbst krank seid. Und zwar ganz egal, ob es Corona ist oder was anderes. Das geht natürlich nicht immer perfekt, aber wenn ihr denn verschnupft zur Arbeit geht, dann kommt wenigstens nicht mit in die Kantine und meldet euch von Meetings ab, so in der Art. Nein, es ist nicht alles egal, nur weil ihr eh schon im Gebäude seid. Das gilt allgemein. Die Chance, sich bei einem einzelnen Kontakt anzustecken, ist für sich genommen nicht allzu hoch. Deswegen hat es einen echten Effekt, wenn man zusieht, möglichst wenige und kurze Kontakte zu haben.

Eine weitere ziemlich komplexe Frage ist natürlich, was mit staatlich vorgeschriebenen Corona-Schutzmaßnahmen, speziell auch in Schulen und Gesundheitseinrichtungen, ist. Das lass ich hier aber weg, weil ich erstens ohnehin nicht dran glaub, dass es welche gibt und zweitens keinen Nerv auf die Diskussion hab.

Wer soll sich gegen Corona impfen lassen?

Die Impfungen spielen natürlich weiterhin eine große Rolle. Eine der häufigsten Fragen ist derzeit, ob man sich jetzt angesichts der steigenden Fallzahlen noch mal impfen lassen sollte, wenn man schon drei oder vier Impfungen hat und zu keiner Risikogruppe gehört. Wenn man noch gar nicht geimpft ist, sollte man das ohnehin nachholen. Ich halte es auch für einen grundsätzlichen Fehler, dass man Kinder nicht direkt gegen Corona – und Grippe, aus den gleichen Gründen – impft.[6]

Aber bei mehrfach geimpften gesunden Erwachsenen ist keineswegs sicher, ob sie von einem weiteren Booster profitieren. Einerseits scheint der Schutz durch die zelluläre Immunantwort lange und unabhängig von der Variante recht stabil zu sein. Ob der nun durch ne neue Impfung verbessert wird, ist unklar. Ob der Teilschutz vor Long Covid, der von den Impfungen auszugehen scheint, durch eine weitere Impfung aufgefrischt oder verbessert wird, ist ebenfalls unklar. Andererseits ist der Schutz vor Infektion nach einer frischen Impfung deutlich erhöht, aber eben nicht perfekt, und er geht auch recht schnell zurück. Der Effekt eines weiteren Boosters ist in der Summe bei dieser Gruppe eher mäßig.

Aus meiner Sicht ist ein weiterer Corona-Booster dieses Jahr aber noch mal sinnvoll. Erstens liegt die letzte Impfung bei den meisten Leuten schon lange zurück und der Schutz vor Infektion wird schnell schwächer. Außerdem sieht es zwar sehr so aus, dass der Schutz vor schweren Verläufen lange anhält – aber sicher wissen wir das eben nicht.[7] Und was Long Covid angeht, wissen wir das noch weniger.

Der entscheidende Punkt ist aber, dass wohl bald angepasste Impfstoffe gegen die aktuell kursierende Variante XBB.1.5 verfügbar sein werden. Novavax hat einen entsprechenden Proteinimpfstoff zur Zulassung in den USA eingereicht, Moderna und Pfizer angepasste mRNA-Impfstoffe. Je nach Quelle sollen die im September oder Anfang Oktober verfügbar sein.

Dieser Impfstoff soll auch – anders als das letzte Update, das neben Omikron auch den Wildtyp enthielt – ausschließlich auf die aktuelle Corona-Variante zielen. Dadurch ist dann eben auch doppelt so viel aktueller Impfstoff drin, und es gibt einige Indizien, dass die höhere Konzentration die Impfung effektiver macht. Daneben fällt das Problem mit dem Imprinting weg, bei dem der Impfstoff gegen den Wildtyp die Immunreaktion dominiert und dadurch potenziell die Omikron-impfung stört. Außerdem scheint der Schutz auch noch gegen die aufstrebende Variante EG.5 noch ziemlich gut zu wirken, was natürlich nice wäre. Es gibt also gute Gründe anzunehmen, dass man mit einer weiteren Auffrischung ganz gut bedient ist.

Und weil mehrfach Geimpfte schon ziemlich gut geschützt sind, ist es für die auch nicht so tragisch, wenn der Update-Impfstoff n Tick später kommt. Für Risikogruppen dagegen ist das potenziell ein echtes Problem. Die müssen sich im Ernstfall echt überlegen, ob sie auch bei steigenden Zahlen trotzdem weiter auf den Update-Impfstoff warten sollen oder sich lieber schnell den alten Booster holen. Addendum: der Impfstoff kommt jetzt wohl definitiv im September, und anscheinend auch in Form von Einzeldosen. Das heißt, der Aufwand für Praxen ist weit geringer, weil sie nicht erst sechs Leute koordinieren müssen – damit würde ich auch erwarten, dass man leichter drankommt.

Es ist auf jeden Fall noch völlig unklar, ob sich auch in Zukunft alle jährlich eine solche Auffrischung holen müssen. Es zeichnet sich schon ein bisschen ab, dass Menschen unter 60 Jahren und ohne anderweitig erhöhtes Risiko schwerer Verläufe nicht wirklich von regelmäßigen Boostern profitieren. Vermutlich wird sich aber erst in den nächsten paar Jahren klären, ob die Gefahr schwerer Verläufe im Laufe der Zeit (oder durch neue Varianten) nicht doch wieder steigt. Dieses Jahr würd ich da noch auf Nummer sicher gehen.

Welche Bedeutung haben die Corona-Varianten?

Im Bezug auf Impfstoffe und Immunität spielen die neu entstehenden Immunflucht-Varianten natürlich eine erhebliche Rolle. Aber aus meiner Sicht sind all die verschiedenen Buchstabencodes und Mutationen für das Gesamtbild weniger bedeutsam als die Berichterstattung teilweise nahe legt. Dass neue Viruslinien entstehen, die gegenüber den bisher dominanten Varianten einen Verbreitungsvorteil haben, liegt einfach in der Natur der Sache.

Wenn eine eng verwandte Gruppe von Viren ne Weile zirkuliert, dann steigt die Immunität in der Bevölkerung. Die dominierenden Linien verbreiten sich schlechter, der Selektionsdruck auf die Viren steigt und irgendwann[8] evolviert ein neues Virus, das unter diesem Immunitätsdruck quasi durchschlüpft. Dass das Ding dann neue Immunflucht-Mutationen hat und von vorhandenen Antikörpern schlechter erkannt wird, ist quasi zwangsläufig. Es heißt eben nicht, dass es automatisch ansteckender ist und sich schneller verbreitet. Und deswegen ist für Leute, die nicht grad mit der vorher dominierenden Corona-Variante infiziert waren, ziemlich egal, ob da nu XBB.1.6 oder EG.5 kursiert.

Nicht egal ist es möglicherweise bei der neu aufgetauchten Variante BA.2.86 – die hat nämlich einen Riesenhaufen neuer Mutationen und ist deswegen schwerer einzuschätzen. Bisher ist völlig unklar, ob sie nur eine Kuriosität oder ein Game Changer wird.

Game Changer

Zum Game Changer wird eine Variante, wenn sich die tatsächlichen Eigenschaften des Virus fundamental verändern. Das kann auf drei Arten passieren.

Zum einen wenn das Virus tatsächlich deutlich ansteckender ist – also eben nicht nur nen moderaten Verbreitungsvorteil hat, weil es durch Selektion die vorhandene Immunität besser unterläuft, sondern tatsächlich unabhängig vom Kontext mehr Leute schneller infiziert. Dann verursacht es höhere Wellen und so auch mehr schwere Erkrankungen. Quasi der Extremfall davon ist ein neuer Serotyp, wie das bei Omikron der Fall war.

Zum anderen wenn eine Variante entsteht, die bei gleicher Fallzahl proportional mehr schwere Erkrankungen verursacht. Dann kriegt man zwar normale Wellen, aber mehr Leute werden mit Covid-19 ernsthaft krank. Ein Beispiel ist die Entwicklung vom Wildtyp hin zur deutlich aggressiveren Delta-Variante. Da das Virus schon mal in diese Richtung evolviert ist, kann das auch wieder passieren.

Drittens gibt es die Möglichkeit, dass so eine Immunflucht-Variante irgendwann nicht mehr nur den Schutz vor Ansteckung[9] unterläuft, sondern den unabhängig von der Variante ziemlich effektiven Schutz vor schweren Verläufen. Das ist bisher kaum passiert, und ich halte es nicht für allzu wahrscheinlich. Aber wenn sich das Virus in diese Richtung bewegen sollte, wäre das natürlich ein ernstes Problem.

Also in der Summe ist es natürlich sehr spannend und auch wissenschaftlich sehr relevant, sich bei Corona die verschiedenen Immunflucht- und sonstigen Mutationen anzugucken. Aber die entscheidende Frage ist immer, ob sich dadurch auch das Verhalten des Virus draußen in der realen Welt ändert. Und das ist bei den allermeisten neuen Linien nicht der Fall, bei EG.5 zum Beispiel anscheinend auch nicht.

Wie geht es langfristig weiter?

Tja, gute Frage. Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Ich persönlich vermute, dass sich in den nächsten Jahren ein saisonaler Rhythmus einspielt und wir eine regelmäßige Abfolge von Epidemien sehen werden, etwa wie bei der Grippe. Dass das saisonal sein wird, denke ich einfach, weil die treibenden Mechanismen hinter der Saisonalität zu einem großen Teil nicht vom Virus selbst, sondern von seinem Übertragungsweg abhängen.

Voraussetzung ist natürlich, es kommt nicht wieder ein völlig neuer Corona-Serotyp nach dem Muster von Omikron auf, der wieder alles durcheinander wirbelt. Oder ein Impfstoff, der so effektiv ist, dass Covid-19 doch wieder verschwindet. Beides kann passieren, aber Ersteres halte ich – vorsichtig ausgedrückt – für deutlich wahrscheinlicher. Aus meiner Sicht ist jedenfalls absehbar, dass wir Sars-CoV-2 nicht wieder los werden und langfristig damit klarkommen müssen. Ob uns das nun gefällt oder nicht,

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[1] Die Datenlage ist ziemlich lückenhaft – nicht nur bei uns -, was ein ganz eigenes Problem darstellt. Aus meiner Sicht wird das Thema aber etwas zu hoch gehängt. Für die Forschung wären präzisere Daten natürlich gut, aber für den alltäglichen Umgang mit Corona brauchen wir keine tagesaktuellen Inzidenzen auf die dritte Nachkommastelle.
[2] Tatsächlich ist das Risiko von LongCovid bei jeder weiteren durchgemachten Infektion um rund ein Drittel geringer. Wenn man die Reihenentwicklung ausrechnet, dann kommt man zu dem Resultat, dass man beim Grenzwert von unendlich vielen Covid-Infektionen das dreifache LongCovid-Risiko hat wie eine nur einmal infizierte Person. Es ist also nicht so, dass man das größte Risiko nach der ersten Infektion hinter sich hat.
[3] Und wir haben ja während der Pandemie gesehen, wie effektiv ein bisschen Infektionsschutz gegen solche Erreger sein kann. Der Kram war über ein Jahr weitgehend weg. Was halt auch zeigt, dass die Behauptung, Masken & Co würden nix bringen, Unsinn ist. Die Maßnahmen haben Influenza & Co dramatisch runtergedrückt, und Sars-CoV-2 ist kein magisches Presslufthammervirus, das gegen solche Effekte immun ist.
[4] Es gibt ja ne Menge Leute, die über den gesamten Sommer hinweg z.B. Maske getragen haben. Das ist ein bisschen Geschmackssache, ich hab das nicht gemacht, weil’s aus meiner Sicht nicht so wahnsinnig sinnvoll ist. Die allgemeine Schniefquote war seit dem Abflauen der IVB-Welle im Mai ziemlich präpandemisch. Die Wahrscheinlichkeit, doch mal Kranken zu begegnen ist dann klein, und selbst wenn, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich ansteckt, im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Klar kann man das noch weiter drücken, aber der Sicherheitsgewinn ist minimal.
[5] Was ich übrigen außerordentlich problematisch finde ist diese Geschichte, dass vulnerable Gruppen aller Art nur dann noch aus dem Haus gehen können, wenn alle anderen Maske tragen. Das ist Unsinn und ich versteh nicht so recht, woher das kommt. Finds ziemlich daneben, das zu erzählen. Zumal damit letztendlich ohnehin schon benachteiligte Menschen potenziell noch mehr aus der Öffentlichkeit gedrängt werden.
[6] Im Grunde ist es ganz simpel. Man kann sich realistischerweise nur entscheiden, ob das Kind den Erstkontakt mit viralem Spike, mRNA, whatever ihr an der Impfung doof findet, in Form des Impfstoffes oder des kompletten Virus bekommt. Kinder werden von Grippe und Sars-CoV-2 seltener schwer krank, aber sie werden es manchmal. Inklusive mehr oder weniger schwerwiegender Langzeitfolgen. Eine vorherige Impfung reduziert die Wahrscheinlichkeit dafür erheblich und ist im Gegensatz zu dem, was so kolportiert wird, weit weniger riskant als die Infektion.
[7] Unter anderem deswegen, weil die Schwankungsbreite relativ hoch ist. So können auch Geimpfte ernsthaft und lange krank werden, und Ungeimpfte die Infektion schnell und problemlos loswerden. Und selbst bei der gleichen Person können Infektionen unterschiedlich schwer verlaufen. Woran das liegt, ist im Detail noch weitgehend unklar.
[8] Je mehr Leute infiziert sind, um so schneller. Das heißt, je kleiner die Wellen und je weiter sie auseinander sind, desto geringer die Wahrscheinlichkeit.
[9] Im Gegensatz zu dem, was immer behauptet wird, schützt die Immunreaktion nach Impfung und/oder durchgemachter Infektion natürlich immer noch vor Ansteckung. Nur halt nicht allzu gut, und wie gut genau, ist extrem schwer zu messen. Man weiß halt nicht, wie oft man sich nicht angesteckt hat. Aber es ist natürlich schon relevant, wenn die Wahrscheinlichkeit, sich bei einem zufälligen Kontakt anzustecken, um ein Drittel geringer ist. Man kriegt nur eben keine Garantie.

12 Kommentare

  1. Da ich im Norden Deutschlands wohne schaue ich auch auf die detaillierten Abwasserdaten der Niederlande und ferner auf die von südschwedischen Städten und Dänemark. Ansonsten sind unsere Nachbarn bei jeder neuen Welle immer Vorne mit dabei, das ist auch ein ganz zuverlässiges akustisches Warnsignal, wie auch die Krankenwagen um die Ecke.
    Das beeinflusst allerdings nur noch unseren Umgang mit schulischen Risikosituationen. Drinnen gilt immer: FFP2, Luftfilter (Forschung zeigt mittlerweile klar, wie effektiv sie die Zahl der Infektionen senken können), Nasenspray bei längeren Aufenthalten (Algovir oder VirX), gurgeln und auch schlucken von Aroniasaft oder nach Risikosituationen auch mit Listerine, alternativ Halstabletten mit Cetylpyridiniumchlorid.

    Kein positiver Test oder auch nur verdächtige Symptome (wie bei der 4. Impfung etwa) oder verdächtige Langzeitfolgen bislang. Herrlich wenig Erkältungen im Vergleich zu früher. Diese kamen natürlich aus der Schule, wo das Kind draußen keine Maske trägt, bis zur Impfung allerdings auch hauptsächlich zuhause unterrichtet wurde. Ja, wir haben alle über viele viele Tage immer wieder getestet.

    Die Gesellschaft wird sich Covid-19 ohne Eindämmung auf Dauer ohnehin nicht leisten können. Dazu werden die Jüngeren und stärker Vernetzten zu oft zu krank (auch die Folgeerkrankungen sind ein großes Problem). Wir brauchen also saubere Luft in Innenräumen, Atemschnelltests (hoffentlich bald auf dem Markt), nasale Impfungen, die hoffentlich tatsächlich wirksamer sind. Und eine Masken-, Gurgel- und Testkultur. Natürlich erst testen, dann gurgeln. Und CO2-Anzeigen normalisieren.

    Irgendwann stolperte ich auch über eine Untersuchung zu Superspreader, die für 80 % der Infektionen verantwortlich seien (eher ältere und übergewichtige Männer). Sport wiederum erhöht die Aerosolproduktion bis zu 136-fach, wenn ich mich recht erinnere. Diese Faktoren könnte man ja auch berücksichtigen. Zum Beispiel konsequent LehrerInnen testen, Aulas, Lehrerzimmer und Sporthallen luftreinigen …

    Sorry, bin jetzt zu müde für die Fußnoten.

    • Ich finde es gut dass Masken Akzeptanz gegeben ist und werde sicher lieber mit Maske einkaufen gehen als ohne… Besonders wenn es überall schnieft und prustete.
      Frage mich wie aktuell die Anstriche noch sind auf die neuen Entwicklungen? Hatte mal versucht dazu was zu finden…Frage daher mich ob die Tests gegen die neuen Varianten getestet werden?
      Long covid ist ein komplexes Thema und die vielen Leute denen es richtig schlecht geht mit teilweise kognitiven und sonstigen Ausfällen wird gerade nur mit Worten der Politiker geholfen. Es ist oft kaum greifbar und oft nicht eindeutig auf die coronainfektion zurück zuführen. Auch bei vielen Kindern und Jugendlichen gibt es Probleme die oft nicht greifbar sind und in der normalen Versorgung etwas untergehen. Gibt ja von den meisten Betroffenen keinen Befund zum Zeitpunkt vor Infekt so dass die Vergleiche nicht objektivierbar sind. Ich denke dass wir nicht genug Grundlagenforschung haben die Kurz- oder Langzeit Wirkungen von Viren ordentlich und systematisch erfassen. Ich fürchte dass da einige ganz böse Überraschungen auftauchen können die durch corona etwas deutlicher bemerkbar sind/wurden.
      Toller Beitrag!!! Sehr interessante Details!!!

    • Selbst die Attack Rate unseres älteren, übergewichtigen Superspreaders wird gering sein, wenn er brav bei einem ruhigen Candle Light Dinner sich aufs Essen konzentriert. Nicht damit zu vergleichen, wenn er beim Après Ski gerade auf den Tischen getanzt und dazu gegrölt hat, wohlmöglich noch zur Mittagszeit mit höchster Virenlast.

      https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2202521119 (bis zu 132-fach erhöhte Aerosolproduktion bei sportlicher Betätigung)

      https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2301145120 (Höhere Aerosolproduktion im Alter)

  2. Zusätzlich zu den Meldungen in den Medien kann man sich auch im Bekanntenkreis rumhören.
    Aktuell bei uns ein 78jähriger, der mit starkem Fieber im Bett liegt und Covid positiv getestet wurde.
    Noch sind die Covid -Teste preisgünstig zu haben.
    Und wie Herr Fischer schon sagte, nicht nur Katzenwäsche sondern mit Desinfektionsmittel.

  3. Hallo Herr Fischer,

    auch wenn in ihrem Beitrag sehr viel “Ich vermute mal …” drinsteckt, ist es tatsächlich an der Zeit für eine Übersicht, sowohl was die aktuelle Entwicklung angeht, als auch an den persönlichen Schutz in der nächsten Virensaison zu erinnern und damit auch den Impfschutz (nicht nur bzgl. Covid-Infektionen) zu prüfen.

  4. Es ist echt schwer mittlerweile an verlässliche Informationen durch Arztpraxen zu kommen. Mein Hausarzt impft nicht mehr, und die ganze Praxis ist auf einem schwurblerischen Anti-Vaccine Trip, und belabert jeden Patienten mit “Sie müssen sich abseits der Mainstream-Medien informieren! ZEHNTAUSENDE Impfgeschädigte, schwerer als Corona jemals hätte sein können! ICH würde mir dieses Gift niemals spritzen lassen!”.

    Es ist zum Verzweifeln. Ich hab COPD III und bekomme nirgendwoher eine konkrete Info ob ich eine Auffrischungsimpfung bekomme oder nicht.

    • Jeder der sie will bekommt die Aufrischungsimpfung. Die STIKO empfiehlt nur was zugelassen ist kann man sich auch impfen lassen. Ich habe mir die Gürtelrose Impfung auch schon mit 55 gegönnt. Problem ist eventuell die Bezahlung die privaten Krankenkassen zahlen nur was die STIKO empfiehlt

  5. Auch ich studierte regelmäßig Abwasserdaten, da diese aktualisiert für meine Stadt außerhalb Bayerns vorliegen. Bei einer Inzidenz von Null habe ich mich nun das erste Mal mit diesem Virus angesteckt und darf nun den Anstieg der Viruslast bei den Abwasserdaten mitverfolgen. Aus meiner jetztigen Sicht wurde vorher übertrieben vorsichtig und nun übertrieben sorglos mit diesem Virusgeschehen umgegangen. Das klamme Gesundheitssystem steht schon ohne Pandemie vor dem Kollaps, Arbeitsausfälle sind kaum zu kompensieren, nehmen jetzt aber wieder zu. Auch meine Infektion trägt gerade zu einem Mikrokollaps bei.

    In dem Artikel wird auf Impfung, jedoch nicht auf die Möglichkeit einer medikamentösen Therapie während Infektion eingegangen. Sie reduziert die Zahl an Krankenhauseinweisungen und Spätfolgen. Aus meiner Erfahrung trat nach erster Einnahme bereits eine Symptombesserung, auch der Sauerstoffsättigung ein. Ärgerlich nur, dass Nirmatrelvir/Ritonavir in keiner Notfallapotheke (mittlere Großstadt) vorgehalten wurde und wird, da die Nachfrage so gering sei. Nach einem Tag wurde geliefert, während dessen sich das Virus weiter austoben durfte. Nach Erhalt des Medikaments wie gesagt, Besserung. Einnahme aber vor allem, um zu versuchen, Long COVID ein Schnippchen zu schlagen.

    Lit: The antiviral drug Paxlovid reduces the risk of getting long COVID. T Saye April 2023 sciencenews.org

    • In meinem Artikel fehlen eine Reihe durchaus wichtiger Punkte, neben der Klinik rund um Covid & Long Covid auch die Frage nach Luftfiltern in öffentlichen Gebäuden. Das liegt unter anderem daran, dass ich bei einigen Themen nicht das Gefühl hab, da mehr sagen zu können als “ich hab gegoogelt und das ist rausgekommen”.

      • Zu Fußnote 1:
        Mir wäre es recht, wenn die Daten, die es gibt, veröffentlicht werden. In den alten RKI Wochenberichten konnte man für Wochen ohne Feiertag die Trends in den einzelnen Kläranlagen anschauen. Das sind Werte, die mir bei der Einschätzung geholfen haben, was ich tun möchte und was lieber lassen. Ich habe beim RKI angefragt, wo diese Daten jetzt abrufbar sind. Denn im Pandemie Radar des BMG finde ich nur einen nationalen Trend, obwohl die Details vorhanden sind.

  6. Was wir brauchen:
    “Masken-, Gurgel- und Testkultur.” (Minna)
    Tatsächlich werden die Sicherheitsmaßnahmen in den Arztpraxen gar nicht, bis übertrieben vorsichtig gehandhabt.

    Persönliche Vorsorge , Leute , die noch mit Mundschutz einkaufen gehen sind selten geworden. Das wird sich mit steigenden Ansteckungszahlen wieder ändern.

    Meine Beobachtung: Leute aus dem Bekanntenkreis , die sich in einer länger andauernden Stresssituation befanden, sind an Covid erkrankt.
    Daraus kann man schließen, Stress verringert die Abwehrkräfte.
    Meine persönliche Gegenmaßnahme bei Kratzen im Hals. Eine Löffelspitze Honig langsam den Rachen hinunterlaufen lassen.
    Bei Striefnase ein Tropfen Pfefferminzöl auf das Hemd darunter.

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