Staubige Angelegenheiten: Stardust, weit über 10 Jahre später

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Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
Exo-Planetar

Bei den beiden laufenden Sample-Return Missionen, die 2019 ein zu einem sehr interessante Jahr machen werden, sollten wir nicht vergessen, dass auch noch fleißig an den Proben gearbeitet wird, welche bei früherer Gelegenheit eingesammelt wurden.

Da waren erst die lunaren Missionen – Apollo und Luna. Dann länger nichts, bis Genesis und Stardust. Obwohl – die von hochfliegenden Maschinen eingesammelten Staubpartikel sollten zumindest als halbe Sample-Return gelten. Und dann noch die faszinierenden Long Duration Exposure Facility (LDEF) und European Retrievable Carrier (EURECA) Missionen. Da ging es darum, (unter anderem) die Hypothese des KesslerSyndroms zu testen. Ob also Trümmer in der Erdumlaufbahn eine Kaskade begonnen haben. Dazu wurden von 1984-1900, beziehungsweise 1992-1993  eigene Satelliten ausgesetzt, und wieder vom Shuttle eingesammelt (soweit ich weiß, die einzigen Fälle, dass das Shuttle so verwendet wurde. Früher war das nämlich ein großer Sales-Point für den Orbiter.) Und da wurden dann jede Menge kleiner Partikel, auch natürliche wie eingesammelt. Im gleichen Zusammenhang wurde auch Teile von Solar Panels des Hubble Space Telekops, sowie vergleichbare Bauteile zur Erde zurückgebracht. Kleinvieh macht eben auch Mist. Wenn ich es recht bedenke, das Thema wäre einen eigenen Beitrag wert

Deshalb hier ein kleiner Beitrag zu einer etwas länger zurückliegenden Mission – Stardust. Wir erinnern uns: in der fernen Vergangenheit des Jahres 2006 kehrte eine Kapsel mit vielen Partikeln aus Kometenstaub zur Erde zurück. Eine gute Gelegenheit, uralte Blogeinträge zu verlinken. Und da wurde praktischerweise ein umfangreiches Paper im Vereinsblatt Meteoritics & Planetary Science über die ersten 10 Jahre der Forschung an den Kometenpartikeln von Stardust veröffentlicht, ein idealer Zeitpunkt für einen Eintrag zu diesem Thema (gut, mit etwa einjähriger Verspätung). Das Paper mit dem weit gefassten Titel The Future of Stardust Science von A.J.Westphal et al. gibt es hier für lau auf ArXiv. Lobenswert.

In den ersten 10 Jahren wurden satte 142 wissenschaftliche Veröffentlichungen über die Proben produziert. Für ein paar Monate nach der Auslieferung der ersten Runde an Proben (per Post) war wohl ein Großteil (zumindest gefühlt…) der Kollegen in der analytischen Planetologie mit den Partikeln beschäftigt.

Um endlich einmal direkt einen Kometen zu beproben, flog die Sonde in den Jahren 2000 und 2002 durch den Schweif des Kometen 81P/Wild2, und fing winzig kleine Partikel des Kometenschweifs mit Hilfe eines Kollektors auf. Dabei trafen nur tausendstel Millimeter Partikel mit 6.1 Kilometern pro Sekunde in eine Schicht aus Aerogel, einem Material sehr geringer Dichte (dummerweise auch aus silikatreichem Material bestehend, wie die die aufzufangenden Kometenpartikel …) Über 81P/Wild2 war eigentlich gar nicht mal so viel bekannt, ein in der Missionsplanung involvierter Kollege erwartete eigentlich nur um die 10 Partikel. Die wissenschaftliche Community ist trotz aller knochenharten Konkurrenz durchaus zu gemeinsamen Anstrengungen fähig – was sich in der Untersuchung der Brösel zeigte. Diese sorgfältig herauspräparierten Partikel wurden in abgestimmter Weise mit dem analytischen Gerätepark untersucht, so dass aus jedem Teilchen das optimale an Daten herauskam. Knapp 10 Jahre später waren natürlich ein Zeitpunkt, zurück (und auch voraus) zu schauen. Das fand in Form einer Tagung statt, deren Ergebnisse dann im dem Paper zusammengefasst wurden.

Wieso eigentlich der Vergleich mit den Meteoriten? Kometen sind ja zunächst mal was ganz anderes als die steinigen Meteorite. Dank Rosetta wissen wir, das die Kometen vor allem aus Eis und Organik bestehen. Aber eben auch aus Gestein, halt sehr, sehr feinem. Und auch der relativ geringe Gesteinsanteil ist von Interesse – er muss ja irgendwo herkommen. Hat er irgendwas mit den Meteoriten zu tun – oder haben wir da was mit einer eigenständigen Geschichte? Kometen dürften sich wohl im äußeren Sonnensystem gebildet haben, Meteorite stammen wohl aus dem inneren Teil – gibt es da dennoch eine Verbindung zwischen den wohl primitivsten Materialien im Sonnensystem (oder nicht)? Und kometenartige Körper repräsentieren wohl den Großteil der kleinen Körper im Sonnensystem, geschätzte 99%. Asteroiden sind eigentlich nur repräsentativ für das innere Sonnensystem. Die Forschung an extraterrestrischem Material leidet also (zwangsweise) unter einem Sampling Bias. Da draußen schwirrt sicherlich noch viel herum, von dem wir gar keine Proben zur Untersuchung im Labor haben.

Interessant ist schon die geschätzte Gesamtmasse der eingesammelten Kometenteilchen – um die 300 µg. Nicht viel. Aber, und auch darauf wird in dem Paper eingegangen, die rasanten Fortschritte in der analytischen Technologie machen es möglich. Und wenn es eine Naturwissenschaft gibt, die zum analytischen Wettrüsten neigt, dann ist es die analytische Planetologie. Bis zur Veröffentlichung wurden gerade mal 5% des Materials bisher runtersucht – aber es ist schon einiges dabei rübergekommen. Ein Problem war, wie erwähnt, allerdings die Auffangtechnik – ein Einschlag selbst auf Aerogel mit 6.1 km pro Sekunde ist schon ordentlich, ein Teil des Materials schmolz beim Impakt. Das ist natürlich nicht so toll, wenn silikatreiches Material in einem siliziumreichen Material wie dem Aerogel schmilzt. Insofern ist das Kometenmaterial auch alteriert –  aber die Effekte konnten ziemlich genau eingegrenzt werden.

Die interessantesten Funde waren bis um die 50 Mikrometer große Brösel, die aus CAI und Chondrenfragmenten stammen. Denn das sind auch die wichtigen Bestandteile der primitiven Meteorite. Denn diese Komponenten sind mit ziemlicher Sicherheit im inneren Sonnensystem entstanden, und müssen wohl sehr früh nach draußen transportiert worden sein. Das schon half, Modelle über das frühe Sonnensystem zu bestätigen (oder halt nicht…) Dann die Sache mit dem Wasser – sicher, Eis gibt es auf den Kometen, aber gab es auch flüssiges Wasser? Das sollte sich an alterierten Mineralen zeigen. Leider wurden noch keine klar identifizierbaren Schichtsilikate – die üblichen Verdächtigen gefunden. Das könnte sehr wohl an der rabiaten Auffangtechnik liegen, wasserhaltige Minerale halten nicht viel Druck und Hitze aus. Dafür gibt es winzige Karbonate, die auch ein gutes Zeichen für Wasseraktivität sind.

Und dann noch die interstellaren Teilchen. Während die Sonde durch das Sonnensystem schwebte, war sie nicht völlig untätig – es gab zusätzliche Auffangeinrichtungen für interstellare Teilchen. Um Brösel aus dem Sonnensystem auszuschließen, wurden nur Teilchen aufgefangen, die senkrecht zur Ekliptik auf der Sonde einschlugen. Ein interessanter Vergleich dann noch: der Stand der Kometenforschung dank Stardust wird im Paper mit dem der Meteoritenforschung Anfang der 60 Jahre verglichen. In anderen Worten, man ist immer noch ziemlich am Anfang … Noch dramatischer ist es bei den interstellaren Partikeln, hier sehen die Autoren und erst auf dem Niveau Anfang des 19.Jahrhunderts, Stichwort Chaldni. Also noch viel zu tun…

Schaut Euch das Paper an, es lohnt sich wirklich.

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

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