Es hagelt Akronyme: LPSC 50, Microsymposium 60 & SWT 18 – eine Nachbetrachtung

BLOG: Exo-Planetar

Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
Exo-Planetar

Tokio, ein Häusermeer (wobei es auch viele kuschelige & grüne Ecken gibt). Aussicht vom unteren Besucherdeck (350 Meter) auf dem Tokyo Skytree. In der Ferne könnte man den Fuji-san sehen, wenn da nicht der Smog wäre. (Credit: Autor)

Der März ist, wie schon öfters in diesem Blog behandelt, Zeit für Tagungen. Da wäre zunächst die gute, alte Lunar and Planetary Science Conference in Houston (Vorschau hier). Im Windschatten der LPSC findet dann auch das Microsymposium der Brown University statt.

Zuvor fand zudem ein weiteres, sehr spezielles Treffen statt: das SWT (Science Working Team) Treffen der BepiColombo-Mission. Diese ist eine ESA/JAXA Mission, weshalb dieses SWG-Treffen regelmäßig auch in Japan stattfindet.

In der Regel in Tokio, wie auch dieses Mal. Über Land und Stadt könnte man endlos schreiben, leider muss ich mich aber auf das Thema konzentrieren. Also der Reihe nach. Ein Rückblick.

Statt fand das SWT zu Füßen des Skytrees, einem 634 Meter hohen Fernsehturm in Tokio. An der Basis wurde gleich noch ein verkehrstechnisch sehr gut angeschlossener, großer Hotel//Veranstaltungs/Universitäts/Einkaufs- und Fressmeilenkomplex gebaut. Idealer Veranstaltungsort also.

Der Tagungsort, Chiba Institute for Technology. Fotogen gespiegelt: der Tokyo Skytree. (Credit: Autor)

Über die Präsentationen des SWT kann ich nicht allzu viel im Detail sagen – ist alles erst mal nicht für die Öffentlichkeit. Nicht weil jetzt irgendwelche Staatsgeheimnisse verraten würden, sondern einfach aus Prinzip bei solchen Angelegenheiten.

Es war das erste SWT-Treffen nach dem Start von BepiColombo, wir haben jetzt eine aktive Raumsonde. Die Änderung wurde auch durch die Übergabe der Rolle des Missionsmanagers bestätigt, von Ulrich Reininghaus zu Patrick Martin.

Das war Gelegenheit für einen historischen Rückblick auf die Geschehnisse seit 1993 – von einer noch etwas umfangreicheren Mission, die nur knapp an der Streichung vorbeigeschrammt ist, bis eben zu einer fertigen Raumsonde, die mit 4 Antonovs nach Kourou ausgeflogen wurde.

Foukus dieses Mal war der Status der Sonde sowie der verschiedenen Instrumente. Denn nach dem Start findet die Near Earth Commissioning Phase statt. War der eigentliche Start schon nervenzerfetzend genug, ist die Commissioning Phase dies um so mehr: hier werden die Instrumente wieder eingeschaltet und auf Herz & Nieren getestet. Und da zeigt sich erst, ob es beim Start nicht die Instrumente zerlegt hat.

Hier gilt, wie ein Teilnehmer es so schön ausdrückte Boring is good. Und, in der Tat, sieht alles ziemlich gut aus – mit den Worten vom leitenden Projektwissenschaftler Johannes Benkhoff very promising.

Auch wichtig ist die Planung der Vorbeiflüge der Sonde auf dem Weg ins Innere Sonnensystem. Auf jeden Fall wird die Venus passiert, und natürlich Merkur, bevor die Sonde in den eigentlichen Orbit um selbigen eintritt. Und je nach Feinheiten der Flugbahn könnten sich noch weitere Gelegenheiten ergeben.

Auch wichtig das Thema Outreach, die Öffentlichkeitsarbeit. Da wurden inzwischen von recht prominente japanische Manga-Künstler aus der Sailor-Moon Ecke involviert. Oder Ekaterina Smirnova, eine sehr an planetaren Dingen interessierte Künstlerin aus Seattle. Die hat neben Gemälden unter Verwendung von Wasser mit kometarer Zusammensetzung auch Ausmalbilder für die ESA produziert.

Outreach: Manga & BepiColombo. (Credit: Autor)

Und dann der Sprint zum Flughafen.

Die folgenden knapp 40 Stunden von Tokio nach Houston sind nur noch in Form nebeliger Erinnerungsfetzen vorhanden. 27 Stunden Flug auf Mittelsitzen eben. Zwischen drinnen irrte ich wohl durch einen Flughafen am Golf, bin mir aber nicht ganz sicher.

Immerhin, irgendwie, irgendwann bin ich wohl in Texas angekommen.

Der Beweis: Angekommen. (Credit: Autor)

Und da ging es dann gleich samstags richtig los mit dem Microsymposium 60 der Brown Universität und des Solar System Exploration Research Virtual Institute (SSERVI).

Es wurde nicht weniger als das Beginning of a New Age ausgerufen. Und das ist von Ausrichter Jim Head nicht esoterisch gemeint, es hat durchaus einen handfesten Grund. Thema war nämlich Forward to the Moon to Stay: Undertaking Transformative Lunar Science with Commercial Partners.

Es wurden also Vertreter der planetaren Forschung mit Vertretern von diversen neuen Raumfahrtfirmen, die sich in den letzten Jahren etabliert haben, zusammengebracht.

Ein Gedanke ist, den bisher langwierigen Prozess einer Raummission deutlich zu verkürzen. Also weg von epischen Missionen, die fast ein Lebenswerk für die Beteiligten darstellen. Hin zu einfacheren, billigeren und vor allem kurzen Missionen. So dass Doktoranden, die an so einer Mission beteiligt sind, vielleicht die Ergebnisse noch also junge PostDocs sehen (und nicht erst kurz vor dem Ruhestand). Das wäre in der Tat ein neues Zeitalter.

Am Samstag wurden zunächst mal die grundlegenden Fragen der lunaren Forschung vorgestellt, gefolgt von fünf Minuten langen Sale Pitches von Kollegen, die ihre Instrumente gerne auf dem Mond sehen würden. Das reichte von Geräten zur Datierung von Mondgestein vor Ort bis hin zu ausdruckbaren Kameras.

Dann noch ein sehr interessanter genereller Vortrag zum Thema von John D. Rummel. Selling Lunar Resources for Fun, Profit, and Export: A Test That the OST Cannot Pass? Da ging es um grundsätzliche legale Probleme – so gibt es nach wie vor kein wirklich bindendes Recht das sich direkt auf Rohstoffabbau im Weltraum anwenden lässt. Noch schlimmer: Alles was Weltraum herumfuhrwerkt, hat gerne eine sehr hohe kinetische Energie, ist damit eine potentielle Massenvernichtungswaffe mit kurzer Vorwarnzeit. Das alles in privater Hand könnte einige sehr nervös machen.

Am Sonntag kamen dann die Pitches der Industrievertreter. Und da war zumindest ich überrascht, was es da heute schon alles gibt. Firmen wie Masten Space Systems, OrbitBeyond oder Moon Express arbeiten an recht fortgeschrittenen Landern für den Mond. Auch die israelische non-Profit Organisation SpaceIL mit dem bald eintreffenden Lander Beresheet war vertreten. Der Lander soll in Zukunft weiterentwickelt werden, und da ist ein großes Interesse an Zusammenarbeit da.

Auch die kleinen wollen nach oben. Ausstellung auf der Postersession. (Credit: Autor)

Und natürlich SpaceX (die mit der Karre im Weltraum) mit schönen Filmen über das bisher erreichte. Und über das geplante Starship – ein voll wiederverwendbares zweistufiges Raumschiff, 118 Meter lang mit einer mondtauglichen, 55 Meter langen zweiten Stufe. Wie üblich bin ich da eher skeptisch ob das alles so klappt, andererseits war ich vor 10 oder so Jahren auch skeptisch was die Ankündigungen damals betraf. Ich hoffe, wieder falsch zu liegen (auch wenn ich dann eine Wette um 100 Pfund verlieren würde).

Sonderlob (mal wieder) an Jim Head für die Ausrichtung, die Standing Ovations am Schluß waren ehrlich verdient.

Das war das nur das Vorglühen, mit der eigentlichen LPSC ging es nach dem im Vergleich zu früheren Fällen eher mager besuchten Eisbrecher am Sonntag Abend weiter. Bilder finden sich hier. Ausgiebig benutzter Twitter Hashtag ist #LPSC2019. Einige Sessions wurden auch abgefilmt.

Auf der LSPC hatten selbstverständlich die speziellen Sessions Vorrang, welche mit meiner Arbeit zu tun haben (Merkur/BepiColombo/Spektroskopie). Das bedeutete bei satten fünf parallelen Sessions, dass natürlich einige weitere interessante Vorträge an mir vorbeizogen.

Aber soweit ich sagen kann, waren meine Einschätzungen aus der Vorschau einigermaßen richtig.

Interesse ? (Credit: Autor)

Gerade die Impakt-Sessions boten einiges, Sarah Stewart et al. liessen ganze Planeten ineinander rauschen und verdampfen, dass es eine richtige Freude ist. Und liefern als Zugabe eine weitere mögliche Erklärung für die Chondrenbildung. Emsenhuber et al. modellierten ganze Kollisionskaskaden von Planetesimalen, mit der Schlussfolgerung, dass Venus weird ist.

Gerade über die Sessions zu den aktuellen Missionen wurde generell ordentlich berichtet. Die Session für Hayabusa 2 war natürlich berstend voll. Die erste Runde Datenauswertung, also alles richtig Work in Progress. Was hängen blieb – es handelt sich bei Ryugu um einen sehr porösen Körper (unter 50%), ein richtiger Rubble Pile. Wie erwartet sehr matschig – Tonminerale allerorten, auch Eisenoxide. Wohl Typ 2 oder gar 1. Ganz so falsch lag ich also mit meinem Beitrag nicht.

Und gerade bei diesen missionsbezogenen Sessions kam dann wieder zum Vorschein, was die planetaren Wissenschaften etwas von den anderen Disziplinen abhebt. Da war er dann wieder, der Sense of Wonder.

Nach jahrelangem ackern mit ungewissem Ausgang bieten erfolgreiche Missionen gleich eine Serie an wissenschaftlichen und persönlichen Höhepunkten. Es geht voran, in Riesenschritten. Ganz im Kontrast zum eher grauen wissenschaftlichen Alltag, wo Durchbrüche in der Regel nur als Summe vieler kleiner Schritte stattfinden. Gerade in den Sitzungen zu New Horizons herrschte durchaus (mal wieder) euphorische Stimmung.

Nicht zu vergessen der Klassentreffen-Charakter (Ich bin der Typ in blau, hintere Reihe, zweiter von rechts) dieser Konferenzen. Und gerade zum 50ten der LSPC (die deutlich größte bisher) kreuzten sich nach langer Zeit viele Pfade.

Und dann das NASA Headquarter Meeting. Vertreter selbiger stellen sich der wissenschaftlichen Öffentlichkeit. Und die war ordentlich vertreten, die drei zusammen gelegten großen Tagungssäle waren proppenvoll. Da wurde natürlich viel Eigenwerbung betrieben (14 aktive Missionen! 10 in Planung!) Wie das Lunar Discovery & Exploration Program (mit Mars als Fernziel). Und das Lunar Gateway, jetzt mit kanadischer Beteiligung!

Erstes Modul 2022, 2024 Lander Test, 2026 Test man-rated Lander; und 2028 soll dann wieder jemand auf dem Mond landen. Also möglicherweise jemand aus der Gruppe der kleinen Doktoranden, die zahlreich der Tagung rumwuselten.

Dann wurden diverse Missionen gestreift – Mars 2020, Sample Return, Planetary Defense und der Europa Clipper. Alles (Finanzierung, Ausschreibung, Bewerbungen) sollen natürlich viel transparenter werden.

Abschließend Fragen und Kommentare – bemängelt wurde z.B. die (angeblich) noch mangelhafte Infrastruktur für Lagerung der erwarteten Sample Return Proben. Und die Vertreterin eines in fortgeschrittenem Stadium gestrichenen Instrumentes auf einer Mission nutzte die Gelegenheit, um denen da oben die Meinung zu geigen.

Dies also mein (nicht unbedingt repräsentativer) Rückblick. Insgesamt scheint die Disziplin recht gut in Schuß zu sein. Auch wenn jetzt nicht unbedingt überbordender Optimismus herrschte, war die Stimmung deutlich besser als bei einigen LPSC in den vergangenen Jahren.








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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

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