Die Wutachschlucht

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Die Wutach im Schwarzwald stellt nicht nur mit ihrer interessanten Geschichte ein geologisches Denkmal dar, die Wutachschlucht ist für eine geologische Wanderung wie geschaffen. Man braucht nur gutes Schuhwerk und eine brauchbare Kondition. Denn es geht ziemlich oft vom Ufer der Wutach bis an Oberkante der Schlucht und wieder zurück.

Die Wutach hatten wir ja schon in dem Beitrag über den Feldsee kennengelernt. Dort zwischen Feldberg und Seebuck, noch Seebach heißend, hat sie ihre Quelle. Als dieser speist sie den Titisee. Wenn sie ihn wieder verlässt, heißt sie Gutach, also die „gute Ach“. Vor Neustadt schwenkt sie um 90° nach Südosten. Unterhalb der Mündung der Haslach wird der Fluss Wutach genannt, also „wütende Ach“. Die untere Wutach fließt im Tal der Urdonau, allerdings mit umgekehrter Fließrichtung zum Rhein. Vor 20-70 000 Jahren zapfte die Ur-Wutach die alte Feldbergdonau (der obere und mittlere Lauf der Wutach/Gutach/Seebach) durch rückschreitende Erosion an, die seither in einer scharfen Kurve, dem Wutachknie bei Blumberg in Richtung Rhein umbiegt. Durch das starke Gefälle in Richtung Rhein schneidet die Wutach seitdem eine rund 30 Kilometer lange Schlucht in die Hochfläche und hat dabei rund 2 Kubikkilometer Gestein ausgeräumt. An den sehr steilen Hängen der Schlucht kommt es immer wieder zu Erdrutschen, wie zuletzt Ende Mai 2016. Die Wutach hat im Verlauf der Schlucht auch einen wunderbaren Querschnitt durch die Schichten geschnitten, die hier im Hochschwarzwald und in der Süddeutschen Schichtstufenlandschaft anstehen.

Wutachschlucht - Räuberschlösschen
Das Räuberschlössle, ein Porphyr der als Härtling über die umgebenden Granite hinausragt. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0.

Ein guter Einstiegspunkt liegt bei der Schattenmühle. Hier stehen Parkplätze zur Verfügung, und es fahren Wanderbusse bis Bonndorf, so dass man von dort aus zum Auto zurück wandern kann. Wenn denn die Schlucht durchgängig ist (und man den Wanderbus nicht verpasst, das nur am Rande).
Von der Schattenmühle kann man auch die kleinere Lotenbachklamm erwandern, oder man hat die Möglichkeit, die Wutach aufwärts zu gehen. In dieser Richtung verlässt man den bei der Schattenmühle anstehenden Buntsandstein und trifft zunehmend auf das Grundgebirge aus Granit. Rund 5 Kilometer Aufwärts wird der Lenzkicher Granit von einem Quarzporphyr durchschlagen. Dieser stellt den Schlot eines alten Vulkans ist dar und ist verwitterungsbeständiger als der umgebende Granit. Er wurde als Härtling heraus präpariert. Seine rund 50 m hohen Wände dienten im Mittelalter als Standort für die Burg Neu Blumberg oder, je nach dem auch Neu-Blumegg. Nach ihrer Zerstörung 1525 diente der Ort auch, wie es heißt, allerlei Gesinde als Unterschlupf. Das erklärt auch den heutigen Namen des Ortes, Räuberschlößle.

Wutachschlucht
Reste der Wassermühle und Raststätte Dietfurt. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0.

 

Flussabwärts von Schattenmühle verlässt man den Buntsandstein diesmal in Richtung Muschelkalk. Bei Dietfurt finden sich noch die Reste einer alten Wassermühle und einer Gaststätte. Der Name „Dietfurt“ soll, so wird es an einem Hinweisschild erläutert, auf eine Furt hinweisen, die zollfrei war. Die Wutach stellt mit ihrer Schlucht und den steilen Wänden ein großes Hindernis für die Verkehrsführung dar. Das gilt natürlich ganz besonders für die Vergangenheit. Steigungen mit Lasten waren nur sehr schwer zu bewältigen. Übergänge kosteten viel Zeit und waren gute Standorte für Raststätten.. Die Anlage wurde nach dem Bau einer Brücke bei Schattenmühle im 16. Jahrhundert rasch unrentabel und verfiel. Auf der Steigung zur Dietfurt finden sich auch noch alte Wegmarkierungen des historischen Weges.

Wutachschlucht
Vermutlich die Schelmenhalde. Quelltuffbildung an einem Wasserfall. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0

 

Von Dietfurt weiter die Schlucht abwärts findet sich eine Stelle, die Schelmenhalde, an der ein kleiner Bach über die Muschelkalkfelsen rinnt. Meine Erinnerung mag mich trügen, aber mir schien es fast so, als wenn er aus einem Quellhorizont im Muschelkalk trat. Das Wasser hat im laufe der Zeit eine Skulptur aus Quelltuff geschaffen, über die es in großer Breite stürzt. Bei der Bildung des Quelltuffes spielt das Moos eine große Rolle. Es entzieht dem Wasser Kohlendioxid, dabei fällt das gelöste Calciumcarbonat aus. Der Carbonatgehalt des Wassers gibt uns auch schon einen gewissen Hinweis auf die Geologie der Schlucht an dieser Stelle. Wie haben den Buntsandstein verlassen und sind befinden uns jetzt im Muschelkalk.
Ein Stück weiter die Wutach hinunter, auch wenn der Weg bergauf führt, kommt man auf ein seltsam ruinenhaft aussehendes Gebilde. Dieses entfernt an eine alte Burgruine erinnernde Muschelkalk-Felsgebilde wird Drei Zinnen genannt. Es steht auf gleitfähigem Untergrund aus Muschelkalk und ausgelaugten Gipsablagerungen des Mittleren Muschalkalks und rutscht dabei langsam in die Wutach.

Wutachschlucht
Steile Muschelkalkwände. Eigenes Foto CC BY-SA 2.0

 

Nahe der Alten Dietfurter Brücke befindet sich auch ein alter, jetzt aufgelassener Gipssteinbruch. Die Gipslagen sich teilweise gewellt und stellenweise als Fasergips ausgebildet. Hier wurde seit 1830 Gips abgebaut.

Die Ortsbezeichnung Bad Boll weist auf einen alten Kurbetrieb hin, der bereits 1467 mit einem Badehaus der nahe gelegenen Burg Tannegg an einer schwefelhaltigen Quelle hier begann. Richtig los ging es nach 1839 mit einer Blütezeit gegen 1887. Die Wutach selber wurde verlegt, der alte Verlauf wird durch zwei Weiher gekennzeichnet. Gegen die Jahrhundertwende kaufte der Londoner Fishing Club Ltd. das Areal, um hier Sportfischerei zu betreiben. Eine zunehmende Verschlechterung der Wasserqualität durch eine Papierfabrik am Oberlauf der Wutach sowie die zunehmenden politischen Spannungen führten dazu, dass das Gelände bereits 1912 wieder verkauft wurde. Noch heute zeugen die Reste wie die erwähnten Weiher und ein alleeartiger Weg sowie eine kleine Kapelle von dieser Zeit. Die Kapelle ist in einem erbarmungswürdigen Zustand, soll aber wohl erhalten bleiben.

Wutachschlucht
Der Tannegger Wasserfall. Auch hier sind wieder recht bizarre Quelltuffbildungen zu beobachten. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0

Schon bald ragen steile Wände aus Muschelkalk zu beiden Seiten des Flusses auf. Dies ist der canonartige 2. Abschnitt der Wutachschlucht. Hinter einem Altwasserrest, dem Felsenweiher, findet man den Tanegger Wasserfall. Auch hier sind teilweise wieder recht bizarre Quelltuffablagerungen zu finden.

Der Weg erklimmt die Steilwände, deren Namen hier stellenweise auf die Vergangenheit hinweisen. So der Forellenfels, der sich auf den Angeltourismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts bezieht, ebenso wie der Engländerfels. Dieser ist nach einem 1906 hier abgestürzten Engländer benannt. Wenn man den hier manchmal recht abenteuerlich sich an die Steilwand klammernden Weg betrachtet, scheint es mir ein recht schwacher Trost für den Fall des Falles, das der betreffende Abschnit nach mir benannt werden könnte. Zum Glück gibt es auch immer wieder Passagen, die direkt am Flussufer entlang führen. Am Amselfels scheint es fast so, als wenn ein Teil der Wutach in einer höhlenartigen Kluft versinkt. Etwas weiter flussabwärts, am alten Rümmelesteg, befand sich noch eine höhlenartige Versinkung, die aber 1953 verstürzte.

Wutachschlucht
Um die Wutachschlucht zu erwandern müssen größere Höhenunterschiede überwunden werden. Dafür wird man auch immer wieder mit guten Ausblicken belohnt. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0

 

Der alte Rümmelesteg ist nach einem Ingenieur benannt, Karl Rümmele, der 1902 den Weg durch die Wutachschlucht geplant und die dazu notwendigen 4 Brücken konstruiert hat. Charakteristisch ist die einseitig an der Felswand als Hängebrücke aufgehängte Bauweise, während die andere Seite der Brücke auf einem Pfeiler ruht. Der Vorteil dieser Konstruktion besteht darin, dass die Brücke stehen bleibt, selbst wenn Hochwasser den Pfeiler zerstört. Dies funktioniert recht gut, auch wenn alle diese Brücken bis auf eine, eben den alten Rümmelesteg, längst vergangen sind. Der Pfeiler des Rümmelestegs ist längst Vergangenheit und die Wutach an dieser Stelle deutlich breiter als beim Bau des Stegs. Doch der hängende Teil ist immer noch gut zu sehen, wenn man den Fluss auf der neu gebauten Brücke überquert.
An dieser Stelle musste ich leider umkehren, das Erdrutsche den Weg nach Bonndorf unpassierbar gemacht hatten.

Wutachschlucht
Der Amselfels. Hier könnte sich durchaus eine Versickerung in der höhlenartigen Vertiefung befinden. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0

 

Weiter in Richtung Wutachmühle hätte man noch diverse Rutsch- und Kriechvorgänge an den Hängen beobachten können. Die hier aufgeschlossenen Schichten des Keuper erweisen sich als wenig stabil. Im Achdorfer Tal befanden sich einst neun Ortschaften. Vier davon wurden jedoch im laufe der Zeit Aufgrund der Neigung zu Rutschungen hier aufgegeben.

Wutachschlucht
Der alte Rümmelesteg über die Wutach. Der Pfeiler fehlt schon lange, aber der Steg hält, was für seinen Konstrukteur spricht. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0
Wutachschlucht
Wutach-Versickerung. Diese hier am Rümmelesteg soll aber 1953 verstürzt sein. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0

 

Wutachschlucht
Ein Wutach-Troll, eigentlich sehr scheu. darum wohl auch die Sonnenbrille… Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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