Wissenschaftsmanagement als Grundlage strategischen Handelns

BLOG: Über das Wissenschaftssystem

Betrachtungen von Menschen und Strukturen in Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen
Über das Wissenschaftssystem

Ein neues Positionspapier des Netzwerk Wissenschaftsmanagement befasst sich mit dem Wissenschaftsmanagement als Grundlage für strategisches Planen, Handeln und Führen in staatlichen und privaten Hochschulen sowie in außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Es verfolgt zwei Zielsetzungen: (1) Wissenschaftspolitischen Akteuren sollen der Stellenwert des Wissenschaftsmanagements für die angeführten Bereiche verdeutlicht und prioritäre Handlungsfelder aufgezeigt werden. (2) Im Netzwerk Wissenschaftsmanagement sollte es zur Diskussion über das Selbstverständnis und Aufgabenprofil von Wissenschaftsmanager*innen beitragen.

Das letztgenannte Ziel wurde mit einer intensiven internen Diskussion im “Arbeitskreis Positionen” und über die Mitgliederliste des Netzwerkes Wissenschaftsmanagement sicherlich bereits erfüllt, und deren Ergebnis liegt mit dem Ende vergangener Woche anlässlich der Jahrestagung des Netzwerkes veröffentlichten Positionspapier vor. Das erstgenannte Ziel soll nun u.a. mit der nachfolgenden kurzen Zusammenfassung der Inhalte befördert werden, wobei ausgewählte Passagen des Papiers übernommen werden (an dem der Autor auch mitschrieb):

Einleitend wird dargestellt, welchen zentralen Anforderungen und Herausforderungen Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in den letzten Jahren verstärkt ausgesetzt sind. Sie können diesen nur dann adäquat begegnen, wenn sie sich als strategie- und wandlungsfähig erweisen. Vor dem Hintergrund limitierter Ressourcen müssen sie unter Berücksichtigung sich verändernder Umweltbedingungen geeignete Perspektiven und Instrumente entwickeln, um ihre organisationalen Ziele effizient zu erreichen. Hierbei ist das Wissenschaftsmanagement als wesentlicher Teil des strategiefähigen Personals gefordert.

Wissenschaftsadäquate Ansätze

Wissenschaftsadäquate Ansätze von strategischem Management und Führung sind in besonderer Weise zur Bearbeitung dieser Herausforderungen und zur Auflösung potentieller Spannungsfelder geeignet. Wissenschaftsmanager*innen tragen unmittelbar zur Steigerung der Strategiefähigkeit und zum strategischen Management von Hochschulen bei (vgl. Klumpp/Teichler 2008, Whitley 2008, Zimmer 2015, Krempkow u.a. 2019, weitere Ergebnisse werden von bis Sommer 2020 vorzulegen geplanten ersten Ergebnissen des KaWuM-Survey erwartet). Sie beraten und begleiten Gremien und Leitungsebenen in strategischen Fragen, erarbeiten Konzepte zur Entwicklung von Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen und bereiten faktenbasierte strategische Entscheidungen auf allen Ebenen der Organisation vor. Schließlich begleiten sie daraufhin die Implementierung von Veränderungen in ihren jeweiligen Einrichtungen. Getroffene Entscheidungen und eingeschlagene Wege werden anschließend kontinuierlich evaluiert sowie auf ihre Passung zur strategischen Ausrichtung und evtl. veränderte Bedingungen hin überprüft. In all diesen Aktivitäten ist es erforderlich, die eingesetzten Managementinstrumente konsequent an der übergeordneten Strategie und den Zielen einer Hochschule oder Forschungseinrichtung auszurichten und bedarfsorientiert weiterzuentwickeln

Führung als Rahmenbedingung

Strategiearbeit in Organisationen ist eng mit Führung, Verantwortungsübernahme und leitenden Tätigkeiten (z. B. auch im Rahmen von Koordinations- und Projektmanagementaufgaben) verknüpft und setzt entsprechende Kompetenzen voraus. Wir gehen dabei von einem breiten Führungsverständnis aus, das Führungsaufgaben nicht nur bei Personen mit formellen Vorgesetztenfunktionen sieht, sondern z. B. auch laterale Führung oder ‚Führung von unten‘ als Realitäten in Wissenschaftsorganisationen und speziell in Tätigkeitsfeldern des Wissenschaftsmanagements als relevant mit einbezieht.

Während die Bedeutung von Führung und Führungskompetenzen in anderen Branchen außer Frage steht und als hoch eingeschätzt wird, fehlt es in Wissenschaftseinrichtungen teilweise noch an einem klaren Bekenntnis und entsprechenden Aus- und Fortbildungsangeboten dazu. Folglich mangelt es hier nicht selten an notwendigem (Erfahrungs-)Wissen und Methoden und an deren systematischen Einsatz für strategische Entscheidungsfindung und -umsetzung. Gerade an Wissenschaftsmanager*innen werden mit den oben beschriebenen Aufgaben und Rollen bzgl. ihrer Führungskompetenzen hohe Anforderungen gestellt. Gezielte Aktivitäten zur (Weiter-)Entwicklung dieser und weiterer Kompetenzen werden beispielsweise im Netzwerk Wissenschaftsmanagement e. V. angeboten. Somit ist hier bereits eine hohe Sensibilität für die Thematik vorhanden, jedoch ist die umfassende und kontinuierliche Unterstützung durch die Arbeitgeberorganisationen nötig.

Unterstützung durch Arbeitgeberorganisationen

Neben der Aus- und Weiterbildung sind angemessene Anstellungsbedingungen wichtige Voraussetzungen dafür, dass die Strategiefähigkeit von Organisationen durch Wissenschaftsmanager*innen auf hohem Niveau aufrechterhalten und ausgebaut werden kann.

Doch zahlreiche Wissenschaftsmanager*innen arbeiten weiterhin in prekären Beschäftigungsverhältnissen, zu oft hangeln sie sich (unter Strapazierung der geltenden Befristungsregelungen) von Vertrag zu Vertrag. Der Zugang zu Personalentwicklungsangeboten ist für solche Beschäftigtengruppen zudem in vielen Einrichtungen erschwert oder sogar komplett verwehrt. Diese Situation wird nicht nur von den Betroffenen selbst als sehr unbefriedigend erlebt, sondern behindert erheblich die strategische Entwicklung der Wissenschaftseinrichtung, wenn das notwendige fachliche und methodische Know-how der Spezialist*innen nicht langfristig vorgehalten wird. Hier ist folglich ein Umdenken der Verantwortlichen in den Wissenschaftseinrichtungen notwendig, welches die Dauerhaftigkeit strategischer Arbeit in Form angemessener Anstellungsbedingungen für Wissenschaftsmanager*innen anerkennt.

Als Fazit zwei Forderungen

Die Neuausrichtung des Wissenschaftssystems hat die Notwendigkeit für eine neue Qualität an Methoden und Kompetenzen hervorgebracht, die für strategisches Management und erfolgreiche Führung in modernen wissenschaftlichen Einrichtungen erforderlich sind. Die mit diesen Herausforderungen verbundenen Aufgaben werden in großen Teilen vom Wissenschaftsmanagement wahrgenommen. Dies wird im Positionspapier zu zwei zentralen Positionen zusammengefasst:

  1. Wissenschaftsmanager*innen im engeren Sinne agieren in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen eigenständig und tragen – ergänzend zu Wissenschaft und Verwaltung – maßgeblich zur Strategiefähigkeit von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen bei. Darüber hinaus leistet das Wissenschaftsmanagement auf allen Organisationsebenen einen wesentlichen Beitrag zur Professionalisierung von Lehre, Forschung und Transfer. Die vom Wissenschaftsrat vorgeschlagene Einordnung des Wissenschaftsmanagements in der Verwaltung wird weder dem anspruchsvollen Qualifikationsprofil noch den komplexen Aufgaben der Wissenschaftsmanager*innen gerecht und sollte verstärkt vor dem Hintergrund möglichst adäquater Aufgabenerfüllung diskutiert werden – wofür sich zunächst auch manche Verwaltung verändern müsste (vgl. hierzu die Stellungnahme des Netzwerks Wissenschaftsmanagement vom Februar 2019).
  1. Wissenschaftsmanager*innen haben sich in Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen weitgehend etabliert und sind in der Wissenschaftspolitik mit ihrem umfangreichen und komplementären Leistungsspektrum anerkannt. Jedoch gibt es gegenwärtig keine klare strukturelle Zuordnung und Absicherung im Wissenschaftssystem – mit teils existentiellen Auswirkungen für die Beschäftigten. Hier adäquate Antworten zu finden und in der Breite in den wissenschaftlichen Einrichtungen umzusetzen, muss eine zentrale Aufgabe der Wissenschaftspolitik in den kommenden Jahren sein.

Quellen:

Klumpp, Mathias/ Teichler, Ulrich (2008): Experten für das Hochschulsystem: Hochschulprofessionen zwischen Wissenschaft und Administration. In: Kehm, Barbara/ Mayer, Evelies/ Teichler, Ulrich (Hrsg.): Hochschulen in neuer Verantwortung. Strategisch, überlastet, divers? Bonn: Lemmens.

Krempkow, René/ Harris-Huemmert, Susan/ Hölscher, Michael/ Janson, Kerstin (2019): Was ist die Rolle des Hochschul- und Wissenschaftsmanagements bei der Entwicklung von Hochschulen als Organisation? In: Personal- und Organisationsentwicklung – P-OE 1/2019, S. 6-15.

Whitley, Richard (2008): Construction universities as strategic actors: Limitations and variations, Manchester Business School Working Paper, No. 557, Manchester: The University of Manchester, Manchester Business School (ed.).

Zimmer, Marco (2015): Strategisches Management in Bildungseinrichtungen. Oldenburg: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg – Center für lebenslanges Lernen C3L (Hrsg.).

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Dr. René Krempkow bloggte zunächst seit 2010 bei den academics-blogs, nach deren Einstellung zog er zu Scilogs um. Er studierte Soziologie, Kommunikationswissenschaft und Psychologie an der Technischen Universität Dresden und der Universidad de Salamanca. Nach dem Studium baute er zunächst am Institut für Soziologie, dann im Kompetenzzentrum Bildungs- und Hochschulplanung an der TU Dresden u.a. eine der ersten hochschulweiten Absolventenstudien in Deutschland auf und erarbeitete den ersten Landes-Hochschulbericht Sachsen. Nach seiner Promotion 2005 zum Themenbereich Leistungs- und Qualitätsbewertung an Hochschulen arbeitete er am Institut für Hochschulforschung Wittenberg am ersten Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (BuWiN) mit. Danach war er im Rektorat der Universität Freiburg in der Abteilung Qualitätssicherung tätig, wo er die Absolventen- und Studierendenbefragungen leitete und eines der ersten Quality Audits an einer deutschen Hochschule mit konzipierte. Von 2009 bis 2013 leitete er am iFQ Bonn/Berlin (jetzt Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung - DZHW) ein bundesweites Projekt zur Analyse der Wirkungen von Governance-Instrumenten (v.a. Leistungsorientierte Mittelvergabe an Hochschulen) und arbeitete im Themenbereich wiss. Nachwuchs und Karrieren mit. Anschließend koordinierte er im Hauptstadtbüro des Stifterverbandes u.a. das Projekt zur Personalentwicklung für den wissenschaftlichen Nachwuchs und den Gründungsradar; sowie an der HU Berlin u.a. ein hochschulweites Projekt zur Kompetenzerfassung, sowie Sonderauswertungen der hochschulweiten Absolventenstudien. Derzeit ist er an der HTW Berlin im Curriculum Innovation HUB im Bereich Wirkungsanalysen und Evaluation tätig, sowie an der IU - Internationale Hochschule. Er berät seit etlichen Jahren Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Ministerien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Leistungs- und Qualitätsbewertung an Hochschulen; Akademische Karrieren und Nachwuchsförderung; Indikatorenentwicklung, Evaluationsforschung; Hochschul-, Wissenschafts- und Bildungsforschung.

2 Kommentare

  1. Was ist denn ein Wissenschaftsmanager ? Was mach der konkret ?
    Welche Rechte hat der ? Ist der vergleichbar mit einem Dispatcher ? Oder ist der stiller Beobachter, wie bei der REFA und analysiert und optimiert Arbeitsabläufe.
    Bitte etwas konkreter werden !
    Hier im Web findet man auch nur abstrakte Beschreibungen, bei denen sich jeder etwas anderes vorstellt.

    • Laut Wissenschaftsrat (WR) gehören dem Wissenschaftsmanagement diejenigen Personen an, die „den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstützende Dienstleistungen zur Verfügung stellen, dabei aber über eine wissenschaftliche Ausbildung und teilweise auch selbst über einschlägige Erfahrungen in Forschung und Lehre verfügen.“ (WR 2018, S. 85). Ähnlich beschreiben andere dies als eine Tätigkeit zwischen Wissenschaft und Verwaltung, für die eine hohe Qualifikation konstitutiv ist. Wir haben in unserem aktuellen Projekt “KaWuM” auch eine Übersicht von Definitionen erstellt, aber ich sehe es aber auch so, dass dies alles recht abstrakt bleibt.
      Wir haben deshalb zusätzlich eine Auflistung konkreter Tätigkeitsbezeichnungen erstellt, um dies anschaulicher zu machen: Wissenschaftliche/r Referent/in, Leitung der Stabsstelle, Koordinator/in des GRK/Wissenschaftsschwerpunkts, Projektmanager/in, Innovationsmanager/in, Qualitätsmanager/in, Fakultäts-/Fachbereichs-Geschäftsführer/in, Vizepräsident/in für Wirtschafts- und Personalverwaltung (siehe dazu auch Krempkow u.a. 2019, S. 8; bzw. URL: http://www.researchgate.net/publication/336170787).

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