Warum die Erde eine Kugel ist

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Manche Leute wollen’s einfach nicht wahr haben: In der Internet Öffentlichkeit hört man hin und wieder die Frage, was gegen die Argumente zur Flachen Erde einzuwenden sei und meinen sogar, es sei alles quasi die Schuld der NASA u.a. Raumfahrtagenturen.

Diese Behauptungen vernachlässigen völlig, dass die Kugelgestalt der Erde keine Erkenntis der letzten paar Jahrzehnte ist, sondern in Wahrheit bereits seit ca. 600 v. Chr. bekannt und seit mindestens 350 v.Chr. zum Allgemeinwissen gehört: Aristoteles, der Lehrer von Alexander dem Großen von Makedonien, stellte bereits im 4. Jahrhundert eine lange Liste von Argumenten zusammen, warum nach allem, das wir beobachten, die Erde eine Kugel sein muss. Die Beobachtungen gehen sogar freiäugig, für jede(n) nachvollziehbar, ohne komplizierte Technik. Es ist also kein “Beweis durch Autorität”, sondern ich sage nur, dass diese einfachen Beobachtungen und verblüffend guten Argumente bereits seit Jahrtausenden bekannt sind. Es mag meinetwegen auch als wichtige Kritik an unserem Schulsystem aufgefasst werden, das dieses Wissen nicht mehr als nachvollziehbare Erkenntnis für alle gelehrt wird, sondern nur noch als Dogma verkündet.   

Eratosthenes hat ~100 Jahre nach Aristoteles sogar die Größe dieser Erd”kugel” abgeschätzt – und zwar mit einem Messwert, der mit heutigen übereinstimmt. Die Fotos der NASA etc bestätigen also nur, was die Menschheit eh seit 2500 Jahren weiß, sie belegen keine neue Erkenntnis. Aristarch hat übrigens auch das Größenverhältnis von Erde und Mond beziffert (siehe Abb.). 

Zudem ist das Gerücht, dass im “finsteren Mittelalter” diese Erkenntnis verloren ging, nachweislich im 19. Jh. erfunden worden: Aristoteles wurde jederzeit gelehrt und abgeschrieben, war niemals vergessen worden. Diese populäre Fehlvorstellung vom Mittelalter entspringt der Epoche der Romantik, die ebenfalls bereits Geschichte ist. 

Wie kamen die Altvorderen damals darauf?

Von der Liste der Argumente bei Aristoteles ist das stärkste wohl das von der Mondfinsternis. Man hatte sehr gut verstanden, dass der Mond bei totalen Finsternissen rot erscheint, weil er in den Schatten der Erde eintritt (siehe Abb.). Während der partiellen Phase der Mondfinsternis sieht man die Form des Schattens der Erde: das ist ein Kreis. 

Das Argument ist nun einfache Schattenprojektion: 

Wenn eine Scheibe oder ein Zylinder von der Seite beleuchtet werden, dann ist der Schatten kein Kreis, sondern ein Strich oder ein Rechteck. Wäre die Erde eine Scheibe, würde der Schatten der Erde am frühen Abend kurz nach Sonnenuntergang oder kurz vor Sonnenaufgang am Morgen kein Kreis sein, sondern eine gerade Kante haben.

Das ist aber nicht der Fall (siehe Abb.): Der Schatten der Erde ist immer ein Kreis, egal, ob die Sonne kurz unterm Horizont steht oder direkt “unter” dem Beobachter. Das einzige geometrische Körper, der immer einen kreisförmigen Schatten wirft, egal, von welcher Seite er beleuchtet wird, ist eine Kugel. 

Also muss die Gestalt der Erde eine Kugel sein, da Mondfinsternisse zu jeder beliebigen Nachtzeit auftreten können und die Schattenkante immer ein Kreis bildet. 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

18 Kommentare

  1. Es mag meinetwegen auch als wichtige Kritik an unserem Schulsystem aufgefasst werden, das dieses Wissen nicht mehr als nachvollziehbare Erkenntnis für alle gelehrt wird, sondern nur noch als Dogma verkündet.

    An unserem Schulsystem kann sicherlich vieles kritisiert werden, aber dass nun einige Unbelehrbare (und viele sind es ja nicht) herumspringen und hirnverbrannten Schwachsinn von der großen Kugelverschwörung seitens der Regierung und Wissenschaft bei Youtube und in Internetforen ausbringen, ist nicht die Schuld der Schule.

    Es gibt eine Unzahl von Belegen für die Kugelgestalt der Erde, die auch vom Normalbürger ohne Zugriff auf Weltraumtechnik nachvollzogen werden können. Es liegt der Schluss nahe, dass die Flacherdler diese ignorieren, weil sie ihr kritisches Denken mit Absicht lahmgelegt haben. Aus welchem Grund? Das ist eher eine Frage für Psychologen.

  2. Im Zusammenhang mit der Kugelgestalt der Erde ist auch interessant, dass ebenfalls Eratosthenes den Umfang der Erdkugel als Erster berechnete, und das zudem fast unglaublich genau.
    Hier ist dies im Detail beschrieben:
    wernerpieper.de/schmath/erl_erat.htm

  3. Aristarch von Samos hat die damals bekannte Geometrie benutzt um das Grössenverhältnis Erde/Mond aus dem was man bei der Mondfinsternis beobachtete zu berechnen. Er kam auf 2.85, richtig wäre 3.67.
    Aristarch erkannte zudem richtig, dass bei Halbmond der Winkel Erde-Mond-Sonne 90 Grad sein muss und berechnete dann aus dem beobachteten Winkel Mond-Erde-Sonne von 87 Grad, dass die Sonne mindestens 19 Mal weiter entfernt ist als der Mond. Numerisch lag er damit weit daneben. Richtig wäre: Die Sonne ist 400 Mal weiter entfernt als der Mond.
    Dennoch, für mich ist Aristarch der erste, der versucht hat quantitativ Naturwissenschaft im modernen Sinne zu betreiben. Modern bedeutet, man erklärt die Beobachtungen mit einem mathematischen Modell.

    Dass die Erdoberfläche gekrümmt ist, weiss aber sogar jeder Anwohner des Bodensees, denn der untere Teil von Booten am anderen Ufer wir von der Wasseroberfläche abgeschnitten.

  4. Bei Amazon gibt es ein Sonne Erde Mond Modell für etwa 25 €. Man dreht an einer kleinen Handkurbel, dann dreht sich die Erde langsam um die Sonne und gleichzeitig der Mond um die Erde. Früher war noch auf der Sonne eine Lampe, die die Erde beschien. So konnte man die Mondphasen sehen und sich auch vorstellen, warum der Mond manchmal gar nicht zu sehen ist.

    Es wäre eine gute Tat, wenn man unter den Flacherdlern einen auswählt, der dann dieses Modell geschenkt bekommt. Das Ganze wird natürlich gesponsert, weil während der TV-Übertragung Werbung eingeblendet wird.

  5. Susanne M. Hoffmann schrieb (15. Feb 2021):
    > Warum die Erde eine Kugel ist […]

    Wie festzustellen ist,

    ob ein gegebener Körper konvex ist,

    und vor allem:

    in welchen konvexen Regionen ein gegebener Körper, der nicht konvex ist, enthalten ist.

    Ein “Hoch!” all jenen, die das erfunden bzw. gelernt haben, und es wiederum anderen beibringen.

  6. Der Artikel ist zweifellos interessant, verfehlt aber das im Titel angegebene Thema: er erklärt, woran man erkennen kann, dass die Erde eine Kugel ist. Zu den Ursachen, warum die Erde eine Kugel ist, enthält der Artikel kein einziges Wort.

    • Bei ausreichend hoher Gravitation, und bei ausreichend geringer Festigkeit, dominiert die Kugelgestalt, oder die Rotationsellipsoide, wenn dann noch die Zentrifugalkraft dazu kommt.
      Eine Eiform kann dann auch noch durch die Gezeitenkräfte entstehen.
      Die Grenze zur Kugelgestalt liegt ungefähr bei den größeren Planetoiden, und darunter gibt es dann die Kartoffelgestalt.
      Die kleinsten Kugeln im Erdorbit bestehen aus der Natrium-Kalium-Legierung NaK, einer RORSAT-Reaktor-Kühlflüssigkeit, aber dafür ist die Oberflächenspannung verantwortlich.
      Der RORSAT-Reaktor von Kosmos 954 wurde aber vorsorglich in Kanada geparkt.

    • Bei ausreichend hoher Gravitation, und bei ausreichend geringer Festigkeit,
      dominiert die Kugelgestalt, oder die Rotationsellipsoide, wenn dann noch
      die Zentrifugalkraft dazu kommt.
      Eine Eiform kann dann auch noch durch die Gezeitenkräfte entstehen.
      Die Grenze zur Kugelgestalt liegt ungefähr bei den größeren Planetoiden,
      und darunter gibt es dann die Kartoffelgestalt.
      Die kleinsten Kugeln im Erdorbit bestehen aus der Natrium-Kalium-Legierung
      NaK, einer RORSAT-Reaktor-Kühlflüssigkeit, aber dafür ist die
      Oberflächenspannung verantwortlich.
      Der RORSAT-Reaktor von Kosmos 954 wurde aber vorsorglich in Kanada geparkt.

    • Herr Greiner hat völlig recht. Die Erde ist rund, weil sie genug Masse hat, um sich unter der eigenen Gravitation zu einer (fast) Kugel zusammrnzuzien. IIRC liegt der Radius für diesen Effekt bei felsigen Himmelkörper bei ca 600km.
      Aristoteles argumentierte hier so: “Alles strebt zur Mitte (der Erde).” Das ist der Grund – das Warum. Der Erdschatten ist ein Beweis.

  7. ich kenne Menschen, die glauben noch immer das die Erde eine Scheibe ist. Kann
    man nichts machen?
    Sie lassen sich nicht überzeugen!!

  8. Da juckt es mich in den Fingern, die Sache mit der Mondfinsternis mal „richtigzustellen”: Wie „Jeder weiß”, entsteht eine Mondfinsterniss dadurch, daß ein feuerspeiender Drache den Mond frißt. Der runde Schatten ist „natürlich” das Maul des Drachen, und die rote Färbung kommt von der Glut, da der Mond vorher geröstet wurde und durch den Leib des Drachen durchscheint. Da unverdaulich auch für Drachen, wird der Mond dann später wieder ausgespien, was zum umgekehrten Schatteneffekt führt, weil der Drache sich zwischenzeitlich wegen der Bauchschmerzen gedreht hat. 😉

    P.S.: Für Sonnenfinsternisse gilt natürlich ähnliches — und die Erde kann getrost eine Scheibe bleiben.

    P.P.S.: Weiter so mit der interessanten und sinnvollen Information.

  9. Kugel ist eine feine Sache – doch kann man ausschließen, dass diese Kugel wächst?

    Zu präzise passen die “Nahtlinien” der Kontinente aneinander, um nicht vielleicht doch allesamt die Puzzelteile einer viel kleineren Kugel zu sein, ursprünglich.

    Wenn die Erde aber eben doch wächst, wär´s interessant zu wissen, ob Venus, annähernd gleich groß, auch mit wächst?

    Vielleicht sind Erde & Venus verschränkt?

  10. Die Idee einer flachen Erde, die von den Romantikern einfach in das Mittelalter projiziert wurde (vielleicht auch wegen mancher christlich motivierten “Weltkarte” wie z.B. die Ebstorfer Weltkarte mit Jerusalem als Zentrum), entspricht natürlich der ursprünglichen Wahrnehmung, die der Mensch von seiner Umgebung hat und ist darum schon in ältesten Hochkulturen zu finden. Die Vorstellungen vom “orbis terrarum” mit dem alles umschließenden “Okeanos” waren auch noch lange Zeit in Kreisen, in denen man sich NICHT für Aristoteles, Aristarch, Eratosthenes, Ptolemäus etc. interessierte, durchaus präsent – und getrieben vom Wunsch nach theologischer Kompatibilität wurde dieses Bild durch sehr fromme, aber ansonsten ungebildete “Gelehrte” noch in der Spätantike bevorzugt – z.B. Kosmas Indikopleustes, der um 550 n.C. ein zwölfbändiges Werk zur Widerlegung der Kugelgestalt der Erde verfasste. Seine geografische und astronomische Kompetenz bezog er aus dem Alten Testament – und damit aus Alt-Babylon.

    Das alles wäre längst erledigt, wenn nicht im Jahre 1849 ein gewisser Samuel Rowbotham ein Traktätchen verfasst hätte, mit dem er unter Rückgriff auf die Bibel die Kugelgestalt der Erde widerlegt hätte. 1865 veröffentlichte er dann unter dem Pseudonym “Parallax” ein Buch mit dem unglaublichen Titel “ZETETIC ASTRONOMY. EARTH NOT A GLOBE! AN EXPERIMENTAL INQUIRY INTO THE FIGURE OF THE EARTH: PROVING IT A PLANE, WITHOUT AXIAL OR ORBITAL MOTION; AND THE ONLY MATERIAL WORLD IN THE UNIVERSE!”. Dieses Buch blähte er 1881 noch mal zum doppelten Umfang auf.

    Sozusagen eine Wiedergeburt des Kosmas Indikopleustes – und das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in dem damals wissenschaftlich, technisch und industriell führenden Land des Planeten. Nachdem die von Rowbotham losgetretene erstaunliche Gefolgschafts-Welle nach dem 1. Weltkriegs allmählich wieder verschwand, haben die “Social Media” unserer Tage es möglich gemacht, dass die Flat-Earther sich als weltweite Gemeinde von Eingeweihten wahrnehmen können, die ein Wissen besitzen, über das die von Verschwörern betrogenen Massen natürlich nicht verfügen. Und die Gemeinde wächst! Dummköpfe aller Länder vereinigt euch!

    Offensichtlich gibt es gewisse gesellschaftliche Bedingungen, die solche merkwürdigen Entwicklungen weg von den Fakten, hin zum Aberglauben begünstigen. Ein bigotte Staatsreligion im alten Konstantinopel, oder die “Social Media” unserer Zeit – gibt es da Gemeinsamkeiten? Eines ist jedoch sicher: die Abkehr von den Fakten hat noch nie bei der Realitätsbewältigung geholfen. Daran können ganze Kulturen zugrunde gehen.

  11. Dr. W. H. Greiner schrieb (16.02.2021, 11:00 Uhr):
    > Der [obige SciLogs-]Artikel […] erklärt, woran man erkennen kann, dass die Erde eine Kugel ist.

    Sofern das zutrifft, ist dem (am besten ein ganzer SciLogs-Artikel darüber) entgegenzusetzen, woran man ggf. erkennen würde, dass die Erde nicht mal konvex ist, und erst recht keine Kugel.

    Als bloßer Gedankenanstoß, ohne den Anspruch an Nachvollziehbarkeit, der an ausdrückliche Definitionen der Messgrößen “Konvexität” bzw. “Kugel(förm)igkeit” zu stellen ist, hier die Ansicht eines ein (vermutlich messbar nicht-konvexen) Teils der Erdoberfläche.

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