VdS-Astro-Historiker in Nürnberg
BLOG: Uhura Uraniae
In einer der Hochburgen der Wissenschaften in der Renaissance, in Nürnberg, fand letztes Wochenende die 8. Jahrestagung der wissenschaftshistorisch Interessierten der VdS statt.
Niveau und Inhalte der Vorträge streuten sehr breit und reichten von zahlreichen Infos zur Astronomie im historischen Nürnberg über kleine Recherche-Projekte zur Wissenschaftsgeschichte: Von Thony Christie bekam man eine Einführung über Astrolabien, mit der überraschenden Info, dass schon in der Frühen Neuzeit Papier als preiswertere Alternative zu Metall-Instrumenten gehandelt wurden. Wie so oft ist also gar nicht so modern, was heute als Innovation verkauft wird – auch Menschen in den Generationen vor uns hatten schon gute Ideen. 🙂 Außerdem wurde Keplers so genannter ScienceFiction Roman Somnium thematisiert: In Somnium beschreibt Kepler in einer Erzählung eines “Traums” seine – erstaunlich modern anmutende – Weltsicht, denn er erkennt die unterschiedlichen Perspektiven des Relativitätsprinzips und beschreibt sie visualisierend auf einer Reise zum Mond. Man kann daraus sehr viel lernen über das Denken des Autors, über sein Wissen und Nichtwissen. Man könnte auch – als DidaktikerIn – herausfinden, was denn mögliche Trugschlüsse oder Fallen im Denken sein könnten… also, auf welche Hürden die Lernenden stoßen werden, wenn sie auf dem Erkenntnisweg zum Relativitätsprinzip sind.
Lieblingsthema Uranometria (1603)
Eines der spannendsten Themen ist sicher die Suche nach Quellen für die Uranometria: In diesem Punkte wurden auf dieser Tagung sogar von zwei Referenten schon Ergebnisse präsentiert, die deutlich vom amateurischen Niveau abheben und ins Professionelle reichen. Man sollte eben die Amateure nicht unterschätzen, was von manchen Forscherkollegen oft getan wird. Wo auch sonst könnte man besser über die Geschichte der Sternkarten philosophieren als an dem Ort, an dem einst Albrecht Dürer lebte und neue Maßstäbe hinsichtlich des Duktus setzte: nicht nur zur Schreibweise der arabischen Zahlen, sondern auch der Himmelskarten. Es ist schließlich nicht trivial, eine Kugel vom Globus in die Ebene zu projizieren, d.h. mathematisch gibt es dafür schon seit der Antike mehrere Methoden und daher auch mehrere verschiedene Stile zur Darstellung der Sternbildfiguren. Winfried Berberich setzte auch nach Neuerscheinen seines Druckwerkes im Kunstschätzeverlag seine Arbeiten dazu fort und Arndt Latußeck springt auf diesen Zug auf im Kontext seine Geschichte der Milchstraßendarstellungen.
Erster Erdglobus aus Nürnberg
Aus Nürnberg stammte auch der portugiesische Ritter Martin Behaim, der als Autor des ältesten bekannten Erdglobus gilt. Ihm ist das nebenstehende Denkmal in der Stadt gewidmet: oben stützt er sich auf seinen Globus, während zu seinen Füßen andere Gelehrte sitzen.
Ironie des Schicksals ist, dass der Behaim-Globus ausgerechnet im Jahre 1492 erschien, also wenige Monate bevor Christopher Columbus von seiner Expedition der Suche des Westweges nach Indien zurück kehrte und dabei die Kunde brachte, dabei das Bild der Welt veränderte. Auf dem Behaim-Globus ist also noch die alte Welt abgebildet: Eurasien und Afrika.
Erst lange nach Columbus fanden andere heraus, dass das “neue Land” gar nicht der Ostrand Asiens war, sondern ein weiterer Kontinent – Amerika (benannt nach Amerigo Vespuci, der dort 1502/3 Entdeckugnsreisen vornahm und erstmalig dargestellt in den Karten von Martin Waldseemüller 1507). Ich habe das in meinem Überblicksartikel zu Weihnachten 2009 erwähnt.
Nürnberger Astronomie
Die erste Nürnberger Sternwarte war eine Beobachtungsstation auf einer der Bastionen der Burg. Weithin sichtbar standen dort bereits in Zeit riesige astrometrische Instrumente (Teilkreise), aufgestellt von Georg Ch. Eimmart 1678 und wegen erosionsbedingter Funktionsuntüchtigkeit abgebaut 1751. Also, quasi eine riesige “Balkon-Sternwarte”. Inzwischen erinnert seit vier Jahren ein Denkmal an diese einstigen Glanzzeit, das von Freunden der Astronomie von der Regiomontanus-Sternwarte aufgestellt worden ist.
Benannt ist die heutige Sternwarte nach dem Astronomen Johannes Müller (1436-1476), der im fränkischen Königsberg geboren worden war und damit seinen Allerweltsnamen latinisierte. Würde er noch leben, könnte er sich sehr freuen, da er nächstes Jahr einen Venustransit zum Geburtstag bekommen wird. Also … die Nürnberger haben dann also tüchtig was zu feiern. 🙂
Die Astronomie ist eine sehr interdisziplinäre Kunst und Wissenschaft, für die man mehr braucht als nur eine Hochschuldisziplin. das hat sich hier mal wieder gezeigt, denn an dieser Stelle fließen Kunst, Physik, Mathematik/ Informatik unmittelbar zusammen. 🙂 Sie ist eine “herrlich erhabene, weil erhebende Wissenschaft” (Diesterweg) und sollte deshalb auch niemandem vorenthalten werden. 🙂
Der schöne Brunnen auf dem Nürnberger Marktplatz enthält nicht nur in seinem Gitter einen sagenumwobenen “nahtlosen Ring”, sondern ist auch mit Allegorien der gotischen christlichen Wissenschaft umrahmt: Für die Septem Artes Liberales aus dem Bildungskanon des Mittelalters (Rhetorik, Grammatik, Dialektik, Arithmetik, Astronomie, Musik, Geometrie) und die Philosophie sitzen acht Gelehrte der Antike (z.B. Cicero, Aristoteles, Ptolemaios – hier im Bild). Hinter ihnen stehen die vier Evangelisten und vier Kirchenväter.
Danke an Dr Wolfgang Steinicke und Hans Gaab für die Organisation der Tagung und danke an alle Teilnehmenden für das schöne Programm und die entspannte Atmosphäre! 🙂